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Virtuelle Teilchen in verschiedenen Medien
 
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SIUHON



Anmeldungsdatum: 09.07.2014
Beiträge: 14

Beitrag SIUHON Verfasst am: 08. Aug 2020 11:45    Titel: Virtuelle Teilchen in verschiedenen Medien Antworten mit Zitat

Wird Elektromagnetismus abgeschwächt wenn virtuelle Photonen von Teilchen in den Medien durch die sie sich bewegen abgelenkt oder absorbiert werden?

Sie müssten dazu natürlich die richtige Wellenlänge haben.

Ist der Grund warum man keine Abschwächung durch das Medium beobachtet lediglich die Tatsache dass nur sehr wenige Wellenlängen absorbiert werden können?

Es mag müßig klingen von der Absorbtion virtueller Teilchen zu sprechen, da diese ja nicht beobachtbar sind, aber im Grunde müssten diese ja schon absorbiert werden. Interaktionen zwischen Teilchen basieren ja eben auf der absorbtion virtueller Teilchen.

Letzten Endes interessiert mich vor allem die Ablenkung von Gluonen in verschiedenen Medien. Normalerweise ist das nicht von Interesse, da es außerhalb des Atomkerns scheinbar irrelevant ist.
TomS
Moderator


Anmeldungsdatum: 20.03.2009
Beiträge: 18062

Beitrag TomS Verfasst am: 08. Aug 2020 11:50    Titel: Antworten mit Zitat

Zunächst mal eine Frage: Ist dir klar, dass es sich bei virtuellen Teilchen lediglich um mathematische Hilfsmittel handelt, die man zur näherungsweisen Berechnung bestimmter Effekte einführt, und die außerhalb dieser mathematischen Modelle keine reale Bedeutung haben? (außer, dass die Berechnung zu vernünftigen, experimentell überprüfbaren Vorhersagen führt)
_________________
Niels Bohr brainwashed a whole generation of theorists into thinking that the job (interpreting quantum theory) was done 50 years ago.
SIUHON



Anmeldungsdatum: 09.07.2014
Beiträge: 14

Beitrag SIUHON Verfasst am: 08. Aug 2020 15:21    Titel: Antworten mit Zitat

TomS hat Folgendes geschrieben:
Zunächst mal eine Frage: Ist dir klar, dass es sich bei virtuellen Teilchen lediglich um mathematische Hilfsmittel handelt, die man zur näherungsweisen Berechnung bestimmter Effekte einführt, und die außerhalb dieser mathematischen Modelle keine reale Bedeutung haben? (außer, dass die Berechnung zu vernünftigen, experimentell überprüfbaren Vorhersagen führt)


Das ist eine gängige Antwort, aber ich denke das ist eher Interpretationssache.

Virtuelle Teilchen sind auf jeden Fall ein nützliches Model. Vielleicht findest du es weniger Nützlich.

Falls meine Frage hier oben nicht beantwortbar ist, im Rahmen dieses Modelles, dann müsstest du dich ja eigentlich freuen, denn das würde ja eine hervorragende Art und Weise darstellen die Grenzen des Models aufzuzeigen.

Andererseits haben wir in Feynman diagrammen immer mit virtuellen Teilchen zu tun. Ganz ohne geht es dann auch wieder nicht.

Könntest du versuchen zu sehen wie sich die Frage im Rahmen dies virtuelle Teilchen Models zu beantworten wäre?

Oder: Was genau ändert sich dadurch dass man nicht von virtuellen Teilchen spricht sondern nur von Fluktuationen in pre-existierenden Feldern?

Ist die Lösung des Rätsels dass jede interaktion von virtuellen Teilchen mit realen Teilchen ja immer nur virtuell ist, und daher immer sowohl stattgefunden hat als auch nicht stattgefunden hat?

Aber wir wissen ja auch dass selbst solche virtuellen Interaktionen zur Gesamtwirkung beitragen. Zum Beispiel sind Photonen langsamer wenn sie durch Wasser fliegen, einfach deshalb weil sie wärend ihrem Flug gleichzeitig absorbiert werden und nicht absorbiert werden. Das sind auch alles "virtuelle" Ereignisse. Trotzdem sieht man einen Beitrag.

Kann es sein, dass Elektromagnetismus sich in anderen Medien langsamer ausbreitet?
TomS
Moderator


Anmeldungsdatum: 20.03.2009
Beiträge: 18062

Beitrag TomS Verfasst am: 08. Aug 2020 16:58    Titel: Antworten mit Zitat

Das ist keine Interpretationssache. „Virtuelle Teilche“ sind eine mathematische Konstruktion im Rahmen der Störungstheorie:

http://bolvan.ph.utexas.edu/~vadim/Classes/2011f/dyson.pdf

Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass du Feynmandiagramme zur Veranschaulichung nutzt und den Begriff „innere Linie“ durch „virtuelles Teilchen“ ersetzt (beachte, dass dieser Begriff in dem verlinkten Text gar nicht vorkommt ;-)

Ich erwähne das, weil du auf Gluonen hinauswillst. Für Gluonen in gebunden Systemen wie insbs. in Nukleonen ist die Methode der Störungstheorie nicht anwendbar, d.h. dass in diesem Kontext auch keine „virtuellen Gluonen“ auftreten werden; das o.g. Konzept ist sinnlos.

Das bedeutet nicht, dass sie in bestimmten Situationen nicht nützlich wären - sie sind natürlich nützlich als Werkzeug zur Berechnung quantenmechanischer Phänomene - sondern lediglich, dass dies nicht immer der Fall ist, und dass man ihnen - zusammen mit den Feynmandiagrammen - meist keine der bekannten Eigenschaften zuschreiben kann.

Um auf deine Frage zurückzukommen: Du kannst die Lichtausbreitung in Medien in zwei verschiedenen Weisen beschreiben.

1) Du betrachtest „effektive“ Photonen, die im Inneren des Mediums mit diesem wechselwirken; das Medium hat makroskopische Eigenschaften wie z.B. eine elektrische Polarisierbarkeit. Störungstheorie führt mathematisch auf „virtuelle“ Photonen. In niedrigster Näherung läuft das auf den Elektromagnetismus in Medien hinaus.

2) Du betrachtest „fundamentale“ Photonen, die innerhalb eines gewissen Raumbereiches mit einzelnen Atomen wechselwirken (Störungstheorie führt wiederum auf „virtuelle“ Photonen, aber das benötigen wir hier nicht). Die Berechnung der Störungsreihe führt auf Größen, die man als makroskopische Eigenschaften eines Mediums interpretieren kann.

(2) ist das „fundamentale Modell“, (1) dagegen ein „effektives“, das als makroskopische Näherung aus (2) gewonnen werden kann. In (2) wären die „fundamentalen“ sowie die „virtuellen“ Photonen masselos, in (1) sind wären die „effektiven“ Photonen massebehaftet. Diese „effektive“ Masse in (1) resultiert aus der Wechselwirkung der „fundamentalen“ Photonen mit den einzelnen Atomen (2). Die „effektiven“ Photonen bewegen sich aufgrund ihrer Masse mit v < c innerhalb des Mediums, die „fundamentalen“ Photonen mit v = c zwischen einzelnen Atomen.

Du kannst mittels (1) zu Prozessen bei immer kleineren Strukturen im Medium „hineinzoomen“; dabei musst du Längen und Energien renormieren, was dazu führt, dass die Photonen rein mathematisch bei kleineren Strukturen = höheren Energien geringere „effektive“ Massen aufweisen. D.h. „effektive“ Photonen erscheinen bei höheren Energien zunehmend wie „fundamentale“ Photonen. Umgekehrt erscheinen „fundamentale“ Photonen mathematisch bei wachsender Dichte der Atome zunehmend wie „effektive“ Photonen.

Bei diesen Überlegungen war noch nicht von Absorption die Rede, lediglich von Streuung. Absorption wäre noch zusätzlich zu betrachten und führt u.a. zu den bekannten Effekten, dass Medien für bestimmte Wellenlängen undurchsichtig sind. Dabei werden die o.g. „effektiven“ Photonen aber nicht von einzelnen Atomen absorbiert, sondern vom Medium als Ganzes.

Insbs. kannst du Prozesse in (1) und (2) nicht gleichsetzen. Eine einfache Wechselwirkung eines „effektiven“ Photons ohne seine „virtuellen“ Photonen entspricht einer unendlichen Summe über einzelne Wechselwirkungen „fundamentaler“ Photonen einschließlich der „virtuellen“ Photonen.

Elementare Begriffe verlieren ihre Gültigkeit. Z.B. haben die „effektiven“ Photonen eine Art „energieabhängige Ruhemasse“; das hat nichts mit Relativitätstheorie zu tun, sondern mit Quantenfeldtheorie.

Dieses textuelle Beschreibung ist lediglich ein Versuch der Veranschaulichung gewisser mathematischer Zusammenhänge. Vieles ist teilweise irreführend und darf nicht wörtlich genommen werden. Praktisch alles ist reine Mathematik, z.B. ist die „Masse“ der o.g. „effektiven“ Photonen nicht messbar, da existiert kein „Gewicht“ o.ä.; die Mathematik ist analog zu Gleichungen für andere, massebehaftete Teilchen.

Insbs. ist der gesamte hier beschriebene Ansatz nutzlos, wenn du stattdessen Gluonen in Nukleonen oder Atomkernen betrachten möchtest. Die Näherung, die aus den „fundamentalen“ die „effektiven“ Photonen macht, bricht für Gluonen unterhalb von ca. 1 GeV zusammen; für energieärmere Gluonen benötigst du völlig andere Rechenmethoden; „virtuelle“ Gluonen spielen dabei keine Rolle.

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Niels Bohr brainwashed a whole generation of theorists into thinking that the job (interpreting quantum theory) was done 50 years ago.
SIUHON



Anmeldungsdatum: 09.07.2014
Beiträge: 14

Beitrag SIUHON Verfasst am: 14. Aug 2020 14:02    Titel: Antworten mit Zitat

TomS hat Folgendes geschrieben:
Das ist keine Interpretationssache. „Virtuelle Teilche“ sind eine mathematische Konstruktion im Rahmen der Störungstheorie:

http://bolvan.ph.utexas.edu/~vadim/Classes/2011f/dyson.pdf


Vielen Dank für deine professionelle Meinung. Du bist wirklich sehr fleißig hier mit Fragen beantworten. Respekt.

Falls mir dazu noch was einfällt, frage ich nochmal.

Schöne Grüße.
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