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Teilchen im Vakuum
 
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April
Gast





Beitrag April Verfasst am: 24. März 2016 06:54    Titel: Teilchen im Vakuum Antworten mit Zitat

Meine Frage:
Warum enstehen oder tauchen denn Teilchen und Antiteilchen im Vakuum auf. Und woher beziehen diese ihre Energie. Laut der Unschärferelation können sich diese ihre Energie aus dem Vakuum borgen. Aber wie funktioniert das genau?

Warum ist das Vakuum nicht einfach nur leerer Raum? Gibt es Gesetze, die aus dem Vakuum etwas machen und hat das etwas mit dem Urknall zu tun?

Meine Ideen:
Bin offen für alle Ideen.
TomS
Moderator


Anmeldungsdatum: 20.03.2009
Beiträge: 18025

Beitrag TomS Verfasst am: 24. März 2016 07:52    Titel: Antworten mit Zitat

Ich habe dazu einen längeren Beitrag im FAQ-Bereich geschrieben:

http://www.physikerboard.de/ptopic,217808.html#217808

In Kürze:

1) Das Vakuum ist nicht definiert als ein "leerer Zustand" sondern als Zustand minimaler Energie
2) Das Vakuum ist nicht "vollständig leer"; wenn man mathematische Operatoren O anwendet, um den "Inhalt" des Vakuums zu berechnen, so stellt man fest, dass für bestimmte Operatoren gilt



Man bezeichnet dies als "Vakuumfluktuationen".

3) Man argumentiert gerne mittels "virtueller Teilchen"; dies ist jedoch problematisch: diese "virtuellen Teilchen" sind ein spezielles Artfefakt einer Näherungsmethode; (1) gilt jedoch unabhängig von dieser Näherung; und "virtuelle Teilchen" haben rein mathematisch praktisch nichts mit normalen Teilchen zu tun; es sind nicht lediglich "ein paar kleine Unterschiede"

4) "Virtuelle Teilchen" als mathematische Artefakte verletzen die relativistische Energie-Impuls-Beziehung



Sie verletzen nicht die Energie-Impuls-Erhaltung; sie "borgen" sich nicht kurzfristig Energie, die sie dann "an das Vakuum zurückgeben"; dies wird gerne so geschrieben und abgeschrieben, ist aber falsch, selbst wenn es namhafte Physiker so schreiben (sie wissen es besser, haben sich jedoch aus nicht nachvollziehbaren Gründen dafür entschieden, bei diesem Sprachgebrauch zu bleiben).

Am besten hält man sich an (2).

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Niels Bohr brainwashed a whole generation of theorists into thinking that the job (interpreting quantum theory) was done 50 years ago.
April
Gast





Beitrag April Verfasst am: 24. März 2016 08:20    Titel: Antworten mit Zitat

Klingt interessant. Auch wenn du eine sehr mathematische Sprache verwendet. Einiges davon ist mir nicht so ganz klar. Wenn ich mich an deinen zweiten Punkt halte, dann verstehe ich es so, dass das Vakuum nicht leer ist. Aber mehr sagt der Punkt 2 ja auch nicht. Wenn das Vakuum nicht leer ist, was bedeutet dieses "nicht leer sein"? Wenn man verschiedene Operatoren auf das Vakuum anwendet und mit diesen Versuch den Inhalt zu berechnen, dann ist dieser Operator ungleich Null. Was bedeutet, dass das Vakuum nicht vollständig leer ist. Aber was genau?
TomS
Moderator


Anmeldungsdatum: 20.03.2009
Beiträge: 18025

Beitrag TomS Verfasst am: 24. März 2016 08:49    Titel: Antworten mit Zitat

Das ist eine schwierige Frage. Stell' dir vor, du hast mathematische Operatoren, die den "Inhalt eines Zustandes" nach bestimmten Kriterien berechnen.

Am einfachsten wäre z.B. ein Zustand mit n Elektron. Wir würden einen "Anzahloperator" N verwenden; das Ergebnis wäre



Der nächst kompliziertere Schritt wäre das Higgsfeld. Das hat im Vakuum einen nicht-verschwindenden Wert. Man verwendet direkt den Feldoperator H(x) des Higgsfeldes und findet eine Art Energiedichte



Schwierig wird's in der QCD. Verwendet man wieder einen bestimmten "Anzahloperator" für Quarks, so gilt



Verwendet man jedoch ein allgemeineres Objekt, so gilt interessanterweise



Das sieht nun so aus, wie wenn im Vakuum in gewisser Weise tatsächlich Quarks existieren würden. Diese Interpretation ist m.E. jedoch zu trivial gedacht; im Falle des Higgsfeldes existieren im Vakuum auch keine Higgsteilchen, obwohl der Erwartungswert für H nicht verschwindet. Tatsächlich ist das Vakuum bzgl. dessen, was wir als "physikalisches Quark" bezeichnen würden, leer. Ich denke, man sollte hier nicht zu schnell anschauliche Interpretationen einführen; diese sind zumeist und der Sache falsch.

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April
Gast





Beitrag April Verfasst am: 24. März 2016 09:01    Titel: Antworten mit Zitat

Das ist wirklich schwierig. Einerseits sieht es aus als ob etwas den Quarks ähnliches im Vakuum existiert und andererseits sagst du dass es nicht existiert.
Wenn Physiker über den Anfang oder die Entstehung des Universums reden, dann ist dieses unmittelbar mit der Frage nach dem Nichts verbunden. Und wenn es irgendetwas im Vakuum gibt was nicht verschwindend ist beziehungsweise das Vakuum nicht Null ist, könnte das etwas mit unserem Universum und dessen Anfang zu tun haben?

Ich habe letztens eine Sendung gesehen, bei der ein Physiker behauptet hat dass man nachweisen könne, dass etwas im Vakuum existiert was nicht 0 ist. Und da vor dem Universum oder vor dessen Beginn keine Zeit existierte, so stand dem Nichts unendlich viel Zeit zur Verfügung. Klingt komisch. Also musste es zu einem quanteneffekt kommen, der das Universum auslöste.

Was sagst du dazu?
TomS
Moderator


Anmeldungsdatum: 20.03.2009
Beiträge: 18025

Beitrag TomS Verfasst am: 25. März 2016 08:18    Titel: Antworten mit Zitat

April hat Folgendes geschrieben:
Das ist wirklich schwierig. Einerseits sieht es aus als ob etwas den Quarks ähnliches im Vakuum existiert und andererseits sagst du dass es nicht existiert.

Das kommt darauf an, welche Frage man stellt.

Schauen wir uns mal den einfachsten Fall in der QM an, die Erwartungswerte im harmonischen Oszillator. Es handelt sich um ein Quantenobjekt in einem Potential der Form



was klassisch einer der Auslenkung proportionalen Kraft



entspräche. Klassisch ist das ein Modell für ein Pendel mit kleiner Auslenkung oder eine Feder.

Die klassischen Lösungen sind harmonische Schwingungen





Die klassische Lösung niedrigster Energie entspräche einem im Nullpunkt ruhenden Teilchen, also







Wir betrachten in der QM nun ausschließlich den Grundzustand = den Zustand niedrigster Energie. Ich bezeichne ihn mit |0>.

Er hat die Eigenschaft, dass in ihm keine Schwingungsmoden existieren; mathematisch bedeutet dies, dass der Erwartungswert des Anzahloperators, der diese Moden zählt, verschwindet



Ebenso findet man verschwindenden Orts- und Impulserwartungswert



Berechnet man jedoch Orts- und Impulsunschärfe, also sozusagen die Streuung des Ortes und des Impulses um diese Werte Null, so findet man







Im Grundzustand liegt also kein scharfer Wert des Ortes oder des Impulses vor.

Berechnet man den Erwartungswert des Quadrates des Impulses, so findet man



Das bedeutet, dass der Erwartungswert der Geschwindigkeit Null ist, jedoch nicht der Erwartungswert des Quadrates der Geschwindigkeit!

Für die Grundzustandsenergie findet man



D.h. obwohl keine Schwingungsmoden existieren (Anzahloperator N, s.o.) verschwindet die Energie nicht.

Dies ist sozusagen der Einstieg in die Thenatik der Vakuumfluktuationen. Die Berechnungen zur QM und dem harmonischen Oszillator lernt jeder Student, die Berechnungen zur QFT und den Feldern für Elektonen, Quarks usw. sind eklig kompliziert und frühestens Gegenstand spezialisierter Diplomarbeiten (zu meiner Zeit). Im Kern gehen sie aber auf Überlegungen wie in der QM zurück.

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