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Differenziale in der Physik (Nichtstandardanalysis?)
 
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PAV
Gast





Beitrag PAV Verfasst am: 22. Nov 2014 16:23    Titel: Differenziale in der Physik (Nichtstandardanalysis?) Antworten mit Zitat

Ich habe gerade das erste Semester meines Bachelor-Studiums Mathematik mit Nebenfach Physik hinter mir und muss gestehen, dass ich so einige Probleme mit dem Physikteil des Studiums habe.
Es wird sowohl in den Vorlesungen wie auch in den Übungen ständig von infinitesimalen Größen (wie z.B. dem "unendlich kleinen" Wegstück dx) geredet, plötzlich tauchen überall irgendwelche d's vor Variablen (bzw. Funktionen, da wird in der Physik scheinbar oft nicht so exakt unterschieden) auf und es wird wie selbstverständlich mit ihnen rumgerechnet, wie mit normalen reellen Zahlen.
Für einen angehenden Mathematiker, der Ana 1 gehört hat und seine Analysis schön auf der exakten Grundlage der Epsilontik aufgebaut hat, stellt sich da natürlich einfach die Frage: Was zum Teufel geht hier ab?

Da mir das mathematische Teilgebiet der Nichtstandardanalysis (NSA), welches sich mit dem exakten Aufbau einer (der auf Epsilontik aufbauenden Analysis äquivalenten) Form der Differential- und Integralrechnung mittels infinitesimaler Größen (aus der Menge der hyperreellen Zahlen) beschäftigt, schon bekannt war, habe ich am Anfang noch gelegentlich mit den Physikstudenten (wenn ich mal gefragt habe, warum man denn hier so beliebig mit solchen infinitesimalen Größen herumrechnen könne, und die Antwort erhielt, dass das halt einfach so ginge, weil man das ständig so machen würde, besonders in der Vorlesung "Rechenmethoden für Physiker") gewitzelt, dass ich nunmal keine Nichtstandardanalysis betreibe.
Was damals noch als Witz von mir gemeint war, kommt mir heute aber gar nicht mehr so witzig vor.
Kann es sein, dass die Physiker wirklich stillschweigend NSA betreiben? Am Anfang des Studiums dachte ich wohl noch unterbewusst: das kann ja gar nicht sein, denn dann müssten wir ja auch eine Vorlesung zur NSA hören, sonst wäre das ja völliger Quatsch. Demnach wartete ich natürlich auf entsprechende Definitionen und Sätze in der Analysis 1, die mir sagen, was Differentiale aus exakter mathematischer Sicht denn nun sind und warum man mit ihnen Bruchrechnung etc. betreiben kann, ohne dass etwas schiefgeht.
Tja, falsch gedacht.
Aus Sicht der "Standardanalysis" ist d/dx wohl einfach nur eine Schreibweise, bzw. der Name eines Differentialoperators (d.h. einer Abbildung, die einer Funktion ihre Ableitung zuordnet) und mehr nicht. Keine Erklärung, was denn "dx" nun eigentlich ist, geschweige denn, was man damit guten Gewissens machen kann.

Da ich einfach nicht ohne Skrupel mit irgendwelchen Dingen rumrechnen kann, von denen ich nichtmal weiß, was sie sind, habe ich natürlich versucht, im Internet ein paar Erläuterungen zu finden und zumindest herauszufinden, wie ich mit den "d-Größen" rechnen kann. Obwohl es auch hier im Board einige wenige Threads dazu gibt, sind diese auch recht alt und waren irgendwie unbefriedigend. In einem der Threads fiel aber auch der Begriff der NSA.

Nun erinnerte ich mich, dass ich doch irgendwo noch ein Buch über NSA rumliegen hatte Augenzwinkern und schaute mal nach.
"Lectures on the Hyperreals, An Introduction to Nonstandard Analysis" von Robert Goldblatt ist das Buch und ich skippte ein wenig durch die Kapitel. Sofort merkte ich, dass hier stets von infinitesimalen Größen die Rede ist, alles schön exakt definiert und bewiesen wird, und im Kapitel über Differenziation fand ich dann auch eine exakte Definition des Differentials df einer Funktion f. Dass dort dann durch eine infinitesimale Größe geteilt wird, ist eben auch gerechtfertigt, weil beim Aufbau der hyperreellen Zahlen auch eine Division durch infinitesimale Größen definiert wurde. Alles erscheint plötzlich logisch und sinnvoll.

Somit sieht für mich ein Verständnis der NSA unweigerlich notwendig für ein Verständnis der Physik aus, und dies würde all meine Probleme lösen.
Leider erscheint mir die Konstruktion der Menge der hyperreellen Zahlen alles andere als leicht verständlich und wäre daher ein sehr großer Aufwand.
Ich stelle mir natürlich auch die Frage: Warum können die ganzen Physiker und Physikstudenten NSA betreiben, ohne zu wissen, dass sie es tun? Warum geht da nichts in die Hose und warum kann ich das nicht?

Hat vielleicht jemand von euch ein paar Anmerkungen, Links oder Buchempfehlungen auf Lager, die mir helfen könnten, zu verstehen, wie ich praktisch mit den Differentialen rechnen kann, welche Umformungen erlaubt sind, wann ich Differentiale kürzen, erweitern, integrieren kann etc.?
Es gibt ja sicher noch andere Physiker und Mathematiker hier, die vor demselben Problem standen wie ich, daher freue ich mich sehr auf eure Antworten!
jh8979
Moderator


Anmeldungsdatum: 10.07.2012
Beiträge: 8584

Beitrag jh8979 Verfasst am: 22. Nov 2014 16:51    Titel: Re: Differenziale in der Physik (Nichtstandardanalysis?) Antworten mit Zitat

PAV hat Folgendes geschrieben:
Warum können die ganzen Physiker und Physikstudenten NSA betreiben, ohne zu wissen, dass sie es tun? Warum geht da nichts in die Hose und warum kann ich das nicht?

Also, erstens: Physiker betreiben keine NSA, sondern nur Standardanalysis (wenn auch auf ihre eigene oft schludrige Art Augenzwinkern ).

Ein Grund für Deine Verwirrung ist vermutlich, dass Größen wie dx, dy, df, etc oft in verschiedenen Bedeutungen benutzt werden, die nicht explizit definiert oder Unterschieden werden. In einem Grossteil der Fälle schreiben wir einfach dx, um eine Differenz zu beschreiben, die aber klein sein soll (weil wir am ende den Limes dx->0 betrachten wollen). D.h es sind wirklich einfach normale (und endliche) reelle Zahlen. Wenn es Dir schöner erscheint, dann stell Dir da immer ein ∆x vor und am Ende explizit lim ∆x ->0.

Der Grund, dass das funktioniert ist im wesentlichen, dass wir wissen wie es eigentlich "richtig" geht, es aber nicht die Mühe wert ist, das jedesmal durchzuturnen, weil man dabei nichts (physikalisches) lernt.

PS: Eine zweite sehr oft gebrauchte Bedeutung ist, dass man wirklich die Differentialform dx, df, etc meint.
http://en.wikipedia.org/wiki/Differential_form
(Das kommt aber normalerweise erst später in der theoretischen Physik vor.)
jh8979
Moderator


Anmeldungsdatum: 10.07.2012
Beiträge: 8584

Beitrag jh8979 Verfasst am: 22. Nov 2014 16:55    Titel: Antworten mit Zitat

Vielleicht hilft das hier auch etwas weiter
http://personal-homepages.mis.mpg.de/gransee/TheoPhysRemarks5.pdf
(ich hab es allerdings nur kurz überflogen)
Jayk



Anmeldungsdatum: 22.08.2008
Beiträge: 1450

Beitrag Jayk Verfasst am: 22. Nov 2014 16:58    Titel: Antworten mit Zitat

Ich habe mir dieselbe Frage auch gestellt, obwohl ich Physik, nicht Mathematik studiere. Warte mal, bis du Ana 2 und Ana 3 gehört hast! Physiker betreiben keine Nichtstandardanalysis und ich bin mir sicher, die meisten Physiker haben (wie auch die meisten Mathematiker wahrscheinlich) noch nie etwas davon gehört. Was verwendet wird, ist nichts als Intuition, die auch schon im Kopf Newtons vorkam, jedoch kann man mit Differentialen bzw. Differentialformen den meisten Aussagen einen rigorosen Sinn geben, ohne sie umzuschreiben.

Beachte, dass Formeln in der Physik nicht nur mathematisch, sondern auch physikalisch Sinn ergeben müssen! Es liegen physikalische Gesetze zugrunde, die kümmern sich nicht darum, was wovon abhängt. Der etwas laxe Umgang mit Funktionen/Variablen lässt sich dadurch etwas rechtfertigen. Ich gebe dir aber recht, dass man bei konkreten Rechnungen vorsichtiger damit sein sollte. Gleichungen wie ergeben streng genommen keinen Sinn.

Falls du den Königsberger Analysis 2 hast, schau mal bei Gelegenheit rein, da gibt es ein Kapitel über Pfaffsche Formen. Setzt aber natürlich voraus, dass du die Grundlagen über Differenzierbarkeit in mehreren Dimensionen parat hast.

PS:
http://de.wikipedia.org/wiki/Totales_Differential#Das_totale_Differential_als_lineare_Abbildung
Hippocampus



Anmeldungsdatum: 29.06.2014
Beiträge: 83

Beitrag Hippocampus Verfasst am: 22. Nov 2014 19:06    Titel: Antworten mit Zitat

Jayk hat Folgendes geschrieben:

[...]

[...]

Worin liegt denn der Unterschied zwischen und ?
PhysikGnom



Anmeldungsdatum: 04.11.2014
Beiträge: 77

Beitrag PhysikGnom Verfasst am: 22. Nov 2014 19:20    Titel: Antworten mit Zitat

Also in der Physik betrachtet man dinge wie auch als Differentialformen (antisymmetrisierte Tensoren ) für die gilt , wobei das das Dachprodukt ist. Zu jedem Vektorraum gibt es einen über eine vektorwertige linearform (die du dir als z.B. vorstellen kannst, bei zwei-formen einfach als verallgemeinte Multilinearform wie (auch Determinante genannt)) definierten dualen Vektorraum mit in diesem dualen Vektorraum sind dinge wie die Basis dieses dualen Vektorraums die Vektoren als input nehmen. Also z.B. bei sind und eine Basis von und und eine Basis des dazu dualen Vektorraums aus , für diese Basen gilt . Geometrisch vorstellen kannst du dir das z.B. das der von einer Reihe von Ebenen zerteilt wird die von z.B. (eindimensionale "Ebene") oder (zweidimensionale Ebene, die man in der geometrischen Algebra auch als Bivektor bezeichnet) aufgespannt wird. Diese Ebenen können dann von Vektoren "gestochen" werden und geben den jeweiligen Wert aus. Also wie bei einem gradienten der durch "level surfaces" den jeweils steilsten Anstieg eines Vektorfeldes messen kann. Das gute an diesen Differentialformen ist das man viele Konzepte auf alle Dimensionen verallgemeinern kann (z.B. das Kreuzprodukt) und man zur Integration keine Metrik braucht weil Differentialformen schon ein Maß definieren. Eine eins-form ist z.B. ect., zwei-formen sind dann und so geht es in ähnlicher weise weiter. Auch kannst du über das Dachproduk sehen ob zwei Vektoren linear abhängig sind indem du eben einfach ihr Dachprodukt nimmst, bei linear abhängigen Vektoren gilt einfach , in komponenten Schreibweise (was intuitiv Sinn macht, weil lin. abhängige Vektoren im keine Fläche aufspannen) . Kontravariant nennt man dann Elemente aus und Kovariant Elemente aus (die als input nehmen, also Vektorwertig sind, dieses Konzept kann man später noch auf Algebren verallgemeinern, z.B. Lie-Algebra wertige Differentialformen). Differentialformen sind natürliche Objekte die man integriert. Dadurch werden auch Oberflächen/Volumenintegrale sehr intuitiv und sehr suggestiv und gelten für alle Dimensionen, aber wie man Differentialformen integriert würde jetzt hier zu viel Platz einnehmen, ist aber ganz einfach. Dieser Begriff der dualität zieht sich übrigens durch die gesamte Mathematik, es gibt z.B. zur Homologietheorie die dazu duale Kohomologietheorie. Zur nicht-standart Analysis kann ich nichts sagen Big Laugh

Hier noch ein paar Links:
http://physics.stackexchange.com/questions/92925/how-to-treat-differentials-and-infinitesimals

http://math.stackexchange.com/questions/702474/differential-forms-turn-infinitesimal-stuff-rigorous


Zuletzt bearbeitet von PhysikGnom am 23. Nov 2014 01:00, insgesamt 14-mal bearbeitet
jh8979
Moderator


Anmeldungsdatum: 10.07.2012
Beiträge: 8584

Beitrag jh8979 Verfasst am: 22. Nov 2014 19:32    Titel: Antworten mit Zitat

Hi PhysikGnom,

Dein Beitrag ist wegen ziemlich vieler Unsauberkeiten (Flüchtigkeitsfehler?) ein wenig problematisch. Ich weiss auch nicht, ob ein Mathestudent sich über so einen kurzen unpräzisen Abriss so freut. Physiker die diesen Beitrag finden wohl schon eher smile

Cheers Prost
PhysikGnom



Anmeldungsdatum: 04.11.2014
Beiträge: 77

Beitrag PhysikGnom Verfasst am: 22. Nov 2014 19:34    Titel: Antworten mit Zitat

Ja sry ich hab das grade in Eile geschrieben Big Laugh , aber vielleicht hilt es ja trotzdem irgendwie smile
jh8979
Moderator


Anmeldungsdatum: 10.07.2012
Beiträge: 8584

Beitrag jh8979 Verfasst am: 22. Nov 2014 19:35    Titel: Antworten mit Zitat

PhysikGnom hat Folgendes geschrieben:
Ja sry ich hab das grade in Eile geschrieben Big Laugh , aber vielleicht hilt es ja trotzdem irgendwie smile

Klar. Das ganze ausführlich darzustellen ist ja auch eher eine Aufgabe, die man nicht so wirklich leisten kann in so einem Forum. Thumbs up!
Namenloser324
Gast





Beitrag Namenloser324 Verfasst am: 22. Nov 2014 20:31    Titel: Antworten mit Zitat

Streng genommen müssten in den Fällen an die ich denke eigentlich immer stehen, entsprechend dem Differenzierierbarkeitskriterium der Mathematik. Analog für (üblicherweise)

Dann kann man präzise die selben Umformungen wie vorher machen und abschließend den Limes betrachten was mathematisch dann rigoros wäre, aber wie jh8979 meinte, hat man dann wenig gewonnen, wenn man das ständig tut. Auch nimmt man in der Physik immer an, es sei denn es wird explizit erwähnt, dass die Funktionen entsprechend gutartig sind um die verwendeten mathematischen Operationen durchzuführen. (z.B. hinreichend oft stetig diffbar)

Hat verschiedene Gründe denke ich wieso das so gemacht wird in der Physik:

- Man weiß wie es richtig geht
- Es ist intuitiver ab einem gewissen punkt
- wenn man es zunächst akzeptiert einfacher zu handhaben (ist aber eigentlich er vorherige Punkt)

Ohne die Mathemagie die man manchmal nutzt, hätte man wohl die ersten semester gar kein Physik sondern nur Mathematik. Kann man machen, muss man aber nicht

[/latex]
TomS
Moderator


Anmeldungsdatum: 20.03.2009
Beiträge: 18196

Beitrag TomS Verfasst am: 22. Nov 2014 20:31    Titel: Antworten mit Zitat

PhysikGnom hat Folgendes geschrieben:
Ja sry ich hab das grade in Eile geschrieben :D , aber vielleicht hilt es ja trotzdem irgendwie :)

Wenn du in Eile bist, mache einen Umweg

_________________
Niels Bohr brainwashed a whole generation of theorists into thinking that the job (interpreting quantum theory) was done 50 years ago.
Jayk



Anmeldungsdatum: 22.08.2008
Beiträge: 1450

Beitrag Jayk Verfasst am: 22. Nov 2014 21:02    Titel: Antworten mit Zitat

@PhysikGnom: Trotzdem stimmt es nicht. Du sagst, Differentialformen seien total antisymmetrische Tensoren 2. Stufe. Das stimmt so nicht. Erstens gibt es keinen Grund zur Beschränkung auf 2. Ordnung (und das wäre auch nicht sinnvoll, weil ja durch die Cartan-Ableitung die Ordnung verändert wird), zweitens sollte man eher von einem Tensorfeld reden. Eine Differentialform auf einer Mannigfaltigkeit M ist eine glatte Abbildung



Bei Vektorräumen V kann man den Kotangentialraum einfach durch den Dualraum ersetzen und von einer glatten Abbildung sprechen. Entscheidend ist jedenfalls, dass jedem Punkt eine (möglicherweise) verschiedene algebraische Form zugeordnet wird (auch, wenn das in der Notation gerne unterdrückt wird), ansonsten gibt es keinen Grund, damit Kalkül machen zu wollen.

@Hippocampus:
Vielleicht sollte ich den Kontext erwähnen: H ist die Hamiltonfunktion, für diese gilt



H ist eine Funktion der Koordinaten q, der Impulse p und der Zeit t. Das Differential erfüllt also


denn die beiden vorderen Terme heben sich nach den Hamiltonschen Gleichungen und dem Satz von Schwarz auf. Dabei bedeutet in der Notation





(nur, weil es gerade zum Thema passt)

Jedenfalls ist gemeint, dass, falls man ein definiert und , also , dann gilt

.

Physiker notieren das kurz und nennen das erste "totale Ableitung".

Die formal richtige Schreibweise



verleitet ja förmlich zur formal falschen Schreibweise

,

und wer noch nie etwas von Pfaffschen Formen gehört hat, hält die zweite Schreibweise womöglich sogar für richtiger.

Im Prinzip richtig (wenn allerdings mit fragwürdiger Notation) wäre allerdings

,

jedoch dann mit dem gleichen Recht auch , was nicht eindeutig ist: Aus der Notation geht nicht hervor, ob man die Komposition nach t ableitet oder f partiall nach t und bei x(t) und t auswertet. Und das ist sehr wohl ein Unterschied. (ich persönlich schreibe aus diesem Grund gerne die abzuleitende Funktion mit in den "Zähler" und das Argument alleine auf eine Zeile)

Das Problem ist, dass man sich zwar vornehmen kann, selbst sauber zu arbeiten, aber diesen Unsinn trotzdem lernen muss, weil man sonst den Rest der Welt (oder wenigstens einen Großteil davon) nicht versteht.
Jayk



Anmeldungsdatum: 22.08.2008
Beiträge: 1450

Beitrag Jayk Verfasst am: 22. Nov 2014 21:12    Titel: Antworten mit Zitat

Namenloser324 hat Folgendes geschrieben:
Streng genommen müssten in den Fällen an die ich denke eigentlich immer stehen, entsprechend dem Differenzierierbarkeitskriterium der Mathematik. Analog für (üblicherweise)


So kann man es natürlich auch lesen. Ich stelle mir unter einem dx jedenfalls immer etwas unendlich Kleines vor. Da es etwas unendlich Kleines nicht gibt, habe ich kein Problem damit, stattdessen eine Linearform zu nehmen. Man muss wohl je nach Kontext entscheiden, welche Interpretation man bevorzugt. Deswegen habe ich auch geschrieben, er soll Ana 2 abwarten, denn im ersten Semester definiert man Differenzierbarkeit ja üblicherweise als Limes und kennt noch nicht die äquivalente Charakterisierung



mit den Landau-Symbolen.

"Man weiß, wie es richtig geht" möchte ich mal infrage stellen: Spätestens, wenn die berüchtigte Deltafunktion auftaucht und man das erste Mal auf die Nase fällt, weil man ein Integral in Kugelkoordinaten ausgerechnet hat (und sich keine Sorgen gemacht hat, dass diese nicht für den Ursprung definiert hat, weil nach der Lebesgueschen Theorie ja eine Nullmenge keinen Beitrag leistet) oder zwei Distributionen multipliziert hat, fängt es an, komisch zu werden. Eigentlich sollten die Mathematik für Physiker Vorlesungen um Differentialgeometrie und Funktionalanalysis erweitert werden...
jh8979
Moderator


Anmeldungsdatum: 10.07.2012
Beiträge: 8584

Beitrag jh8979 Verfasst am: 22. Nov 2014 21:13    Titel: Antworten mit Zitat

Jayk hat Folgendes geschrieben:

,

und wer noch nie etwas von Pfaffschen Formen gehört hat, hält die zweite Schreibweise womöglich sogar für richtiger.

Auch jemand der von Pfaffschen Formen gehört hat hält diese Schreibweise für richtig. Das ganze nennt sich "Kettenregel".
Zitat:

jedoch dann mit dem gleichen Recht auch , was nicht eindeutig ist: Aus der Notation geht nicht hervor, ob man die Komposition nach t ableitet oder f partiall nach t und bei x(t) und t auswertet. Und das ist sehr wohl ein Unterschied. (ich persönlich schreibe aus diesem Grund gerne die abzuleitende Funktion mit in den "Zähler" und das Argument alleine auf eine Zeile)

Das Problem ist, dass man sich zwar vornehmen kann, selbst sauber zu arbeiten, aber diesen Unsinn trotzdem lernen muss, weil man sonst den Rest der Welt (oder wenigstens einen Großteil davon) nicht versteht.

Was gemeint ist ist relativ eindeutig, da die Symbole und sich schon recht deutlich unterscheiden. Im Kontext ist immer klar was gemeint ist, darum machen sich Physiker hier kein grosses Fass auf so wie Du es hier gerade tust.

PS: Ich hab irgendwie das Gefühl, das wird hier zu einem Thread in dem jeder zeigen will wie toll er mal Mathematik gelernt hat (oder glaubt gelernt zu haben). Ich glaube nicht, dass das irgendjemandem hilft. Besonders nicht dem ursprünglichen Fragesteller... Also: ganz entspannt Prost
jh8979
Moderator


Anmeldungsdatum: 10.07.2012
Beiträge: 8584

Beitrag jh8979 Verfasst am: 22. Nov 2014 21:15    Titel: Antworten mit Zitat

[quote="Jayk"]
Namenloser324 hat Folgendes geschrieben:
S
"Man weiß, wie es richtig geht" möchte ich mal infrage stellen: Spätestens, wenn die berüchtigte Deltafunktion auftaucht und man das erste Mal auf die Nase fällt, weil man ein Integral in Kugelkoordinaten ausgerechnet hat (und sich keine Sorgen gemacht hat, dass diese nicht für den Ursprung definiert hat, weil nach der Lebesgueschen Theorie ja eine Nullmenge keinen Beitrag leistet) oder zwei Distributionen multipliziert hat, fängt es an, komisch zu werden. Eigentlich sollten die Mathematik für Physiker Vorlesungen um Differentialgeometrie und Funktionalanalysis erweitert werden...

Dass Studenten die es gerade lernen (noch) nicht wissen ist klar... Aber das war auch nicht gemeint... Der letzte Satz ist natürlich kompletter Quatsch (auch wenn diese Vorlesungen für Theoretiker durchaus sinnvoll sind).
Jayk



Anmeldungsdatum: 22.08.2008
Beiträge: 1450

Beitrag Jayk Verfasst am: 22. Nov 2014 21:45    Titel: Antworten mit Zitat

jh8979 hat Folgendes geschrieben:
Dass Studenten die es gerade lernen (noch) nicht wissen ist klar... Aber das war auch nicht gemeint... Der letzte Satz ist natürlich kompletter Quatsch (auch wenn diese Vorlesungen für Theoretiker durchaus sinnvoll sind).


Das sollte auch keine Unterstellung sein. Aber ich glaube, dass selbst ein Großteil der Theoretiker keinen Schimmer hat, "wie es richtig geht". Von Experimentalphysikern ganz zu schweigen. Das ist jedenfalls meine Einschätzung, aber es lohnt sich wahrscheinlich nicht, darüber zu streiten. Der letzte Satz war durchaus ernst gemeint: Man muss ja nicht alles beweisen, aber ein paar Grundlagen über Tensorrechnung und Spektraltheorie sowie Distributionentheorie gehört meiner meinung Nach einfach dazu: Distributionen sind allgegenwärtig - ich möchte mal den Prof sehen, der auch nur die kleinste Bemerkung macht, wenn er das erste Mal die Fouriertransformierte eines Cosinus anschreibt, dass das eigentlich problematisch wäre. Ohne ein paar Resultate aus der Funktionalanalysis gibt es keine Quantenmechanik. Und hamiltonsche Mechanik gibt es auch nicht ohne Differentialformen. In der Scheck-Reihe findet sich jedes Mal aufs Neue eine Darlegung der Grundlagen des Differentialformenkalküls, weil er eben nicht im Standard-Kurrikulum enthalten ist. Das zeigt aber, dass das Thema wichtig ist. Sollte danach nicht entschieden werden, was in die Vorlesungen kommt? Da würde ich eher in Kauf nehmen, z.B. bei der Integrationstheorie Abstriche zu machen. (aber das wird ja sowieso schon in vielen Vorlesungen gemacht)

jh8979 hat Folgendes geschrieben:
Auch jemand der von Pfaffschen Formen gehört hat hält diese Schreibweise für richtig. Das ganze nennt sich "Kettenregel".


Ich bestreite nicht, dass die Schreibweise ihre Berechtigung hat, um mal schnell etwas aufzuschreiben. Man weiß ja meistens, was gemeint ist. Trotzdem ist sie formal falsch. Zeig mir mal ein Mathebuch, dass so etwas wie eine totale Ableitung definiert. Du wirst es nicht finden. Jetzt erkläre mal jemandem, was damit gemeint ist. Na? Ich finde das schwierig und das ist wahrscheinlich auch der Grund, weshalb es fast nie erklärt wird. Es gibt hier im Forum etliche Beiträge, in denen das versucht wird. Meist hoffnungslos. Man kann die Schreibweise akzeptieren, aber sollte sich keine Vorstellungen machen, sie hätte irgendeinen tieferen Sinn. (oder möchtest du das wirklich bestreiten? Zeig mir nur ein Mathebuch, das diese Schreibweise einführt, und ich nehme alles zurück)

Um zu rechtfertigen, was ich tue: Es ging dem Fragesteller nicht darum, zu erfahren, was damit "ungefähr" gemeint ist. Jedenfalls habe ich ihn so verstanden, dass er weiß, wie es anschaulich zu verstehen ist, und gerne wissen möchte, was die richtige Bedeutung ist. "Man weiß ja, was gemeint ist" sehe ich nicht als Antwort auf die Frage. Dieses Fass ist immer noch ein bisschen kleiner als das Fass "Nichtstandardanalysis".
jh8979
Moderator


Anmeldungsdatum: 10.07.2012
Beiträge: 8584

Beitrag jh8979 Verfasst am: 22. Nov 2014 22:34    Titel: Antworten mit Zitat

Jayk hat Folgendes geschrieben:

Das ist jedenfalls meine Einschätzung, aber es lohnt sich wahrscheinlich nicht, darüber zu streiten.

In der Tat, darum sag ich zu dem ganzen Absatz mal nichts.
Zitat:

Man kann die Schreibweise akzeptieren, aber sollte sich keine Vorstellungen machen, sie hätte irgendeinen tieferen Sinn. (oder möchtest du das wirklich bestreiten? Zeig mir nur ein Mathebuch, das diese Schreibweise einführt, und ich nehme alles zurück)

Ja das möchte ich bestreiten, aber ich möchte hier jetzt wirklich nicht die Kettenregel erklären nur weil Du Dich an möglicherweise unterschiedlichen Schreibweisen/-konventionen in der Mathematik und Physik ergötzen willst...
PhysikGnom



Anmeldungsdatum: 04.11.2014
Beiträge: 77

Beitrag PhysikGnom Verfasst am: 22. Nov 2014 23:51    Titel: Antworten mit Zitat

Jayk hat Folgendes geschrieben:
@PhysikGnom: Trotzdem stimmt es nicht. Du sagst, Differentialformen seien total antisymmetrische Tensoren 2. Stufe. Das stimmt so nicht. Erstens gibt es keinen Grund zur Beschränkung auf 2. Ordnung (und das wäre auch nicht sinnvoll, weil ja durch die Cartan-Ableitung die Ordnung verändert wird), zweitens sollte man eher von einem Tensorfeld reden. Eine Differentialform auf einer Mannigfaltigkeit M ist eine glatte Abbildung


Ja das stimmt, kann natürlich auch höherer Ordnung sein und ja man sagt auch Tensorfeld in der Physik. Thumbs up!
PhysikGnom



Anmeldungsdatum: 04.11.2014
Beiträge: 77

Beitrag PhysikGnom Verfasst am: 23. Nov 2014 00:16    Titel: Antworten mit Zitat

Es gibt auch noch eine Definition von Differentialformen über die synthetische Differentialgeometrie und Topos theorie als infinitesimale Simplizes, dort ist die skew-symmetrie des Dachprodukts eine natürliche Eigenschaft von infinitesimalen :
http://ncatlab.org/nlab/show/differential+forms+in+synthetic+differential+geometry

http://ncatlab.org/nlab/show/infinitesimal+object#SpacOfInfSimpl

Falls es niemanden interessiert.

Noch kurz ein Kommentar: Physik muss nicht mathematisch rigoros sein um konsistent zu sein und zu funktionieren. Bei der Physik gehts um Experimente, da ist es egal ob etwas mathematisch wohl definiert ist (wie es auch in der Geschicht oft nie der Fall war). Aber natürlich hätte man die physikalische Mathematik gerne auf einem mathematisch rigorosen Fundament, das ist klar, aber vielleicht wird sich irgendwann zeigen welcher Zugang zur wirklichkeit besser die Natur beschreibt. Beispiel
http://de.wikipedia.org/wiki/Replika-Trick


Zuletzt bearbeitet von PhysikGnom am 23. Nov 2014 10:29, insgesamt einmal bearbeitet
TomS
Moderator


Anmeldungsdatum: 20.03.2009
Beiträge: 18196

Beitrag TomS Verfasst am: 23. Nov 2014 07:35    Titel: Antworten mit Zitat

Meine Meinung: man muss klar fokussieren, worauf man hinaus will; heute mit Bachelor und Master wohl noch mehr als früher.

Ich habe selbst eine Vorlesung und Thermodynamik und statistischer Mechanik gehört sowie später einige Übungsgruppen dazu betreut. Meine Erfahrung ist, dass ohne explizite Vorkenntnisse die Einführung von Differentialformen in einem Semester nicht zu schaffen ist, insbs. wenn man auch noch handfeste Physik betreiben will. Spätestens wenn man zur Quantenstatistik übergeht liegen die eigtl. Probleme eh' wo anders. D.h. > 90% der Studenten benötigen die Differentialformen nicht und empfinden sie nur als Ballast. Also im Bereich Thermodynamik nur im Rahmen einer erweiterten Vorlesung.

Im Bereich der Eichtheorien habe ich relativ lange gearbeitet. Da ging es mir ähnlich, denn der eigtl. Fokus war die Quantisierung, also nicht-abelsche QFTs, und da benötigt man keine Differentialformen. Ich gebe aber zu, dass die Untersuchung topologischer Strukturen auch physikalisch sinnvoll ist, und man dazu durchaus Differentialgeometrie anwenden sollte. Aber ich sehe das wieder in Spezialvorlesungen und Seminaren.

Ähnlich verhält es sich mit der ART. Diese gehörte früher (und gehört wohl auch heute) überhaupt nicht zu den Standardvorlesungen. Dummerweise sind hier bereits elementare Probleme mit enormen Rechenaufwand verbunden (aufwändig, nicht unbedingt schwierig) und auch da helfen die Differentialformen nicht.

D.h. für mich, dass in allen diesen Bereichen die Differentialgeometrie in einer einsemestrigen, vierstündigen Vorlesung kaum unterzubringen ist. Das ist ein rein praktischer Gesichtspunkt, aber dem muss man Rechnung tragen.

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bassiks



Anmeldungsdatum: 11.08.2010
Beiträge: 194

Beitrag bassiks Verfasst am: 23. Nov 2014 10:37    Titel: Antworten mit Zitat

Zitat:
PS: Ich hab irgendwie das Gefühl, das wird hier zu einem Thread in dem jeder zeigen will wie toll er mal Mathematik gelernt hat (oder glaubt gelernt zu haben). Ich glaube nicht, dass das irgendjemandem hilft. Besonders nicht dem ursprünglichen Fragesteller... Also: ganz entspannt


Gut gesagt Big Laugh Prost

Ich denke, wenn das jemand genauer lernen will, dann kann er das auch in Spezial VO's etc. Ich würde das allerdings nicht unbedingt in den Standard-Lehrplan einbauen, denn dazu wäre es wohl zu speziell. Dann fragt sich womöglich noch jemand, warum Diffgeo und nicht auch Darstellungstheorie? (Meiner Meinung nach ebenso wichtig in Hinblick auf Eichtheorien oder wie siehst du das TomS? Vllt. nicht unbedingt bei der Quantisierung, aber bei den Schritten davor :-)...). Und dann ist man ganz schnell bei einem Mathematik Studium. Also wenn es jemand ganz genau wissen will, dann kann er ja auch noch Mathe dazu machen.
PhysikGnom



Anmeldungsdatum: 04.11.2014
Beiträge: 77

Beitrag PhysikGnom Verfasst am: 23. Nov 2014 11:01    Titel: Antworten mit Zitat

Das Lustige ist ja das sich der Thread Ersteller noch kein einziges mal zurück gemeldet hat (wahrscheinlich Studienfach gewechselt) Big Laugh
TomS
Moderator


Anmeldungsdatum: 20.03.2009
Beiträge: 18196

Beitrag TomS Verfasst am: 23. Nov 2014 12:15    Titel: Antworten mit Zitat

bassiks hat Folgendes geschrieben:
Dann fragt sich womöglich noch jemand, warum Diffgeo und nicht auch Darstellungstheorie? (Meiner Meinung nach ebenso wichtig in Hinblick auf Eichtheorien oder wie siehst du das TomS? Vllt. nicht unbedingt bei der Quantisierung, aber bei den Schritten davor :-)...). Und dann ist man ganz schnell bei einem Mathematik Studium. Also wenn es jemand ganz genau wissen will, dann kann er ja auch noch Mathe dazu machen.

Ja, man ist recht schnell bei zumindest mathematischer Physik.

Bei Eichtheorien benötigt man Differentialgeometrie für nicht-perturbative Themen, wie man sie im Umfeld Confinement, Anomalien etc. betrachtet.

Aber auch da habe ich noch keine Arbeit gesehen, die man nicht auch ohne Differentialformen hätte formulieren können.

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MatheGast
Gast





Beitrag MatheGast Verfasst am: 23. Nov 2014 14:06    Titel: Antworten mit Zitat

Ja, ja, die lieben Physiker...

Wie sie das können? Sie können's nicht - tun es aber einfach. So einfach ist das. Ich denke, das könnte etwas damit zu tun haben, dass sie Experimente haben, welche ihnen sagen, was richtig und was falsch ist. D.h. wenn's mal mathematisch in die Hose geht, dann merken sie das, weil am Ende etwas - physikalisch gesehen - unsinniges rauskommt.

Andererseits habe ich auch gemerkt, dass man häufig die fraglichen Physikerargumente in Beweise verwandeln könnte, die auch einen Mathematiker zufriedenstellen würden (z.B. kann man manchmal die infinitesimalen ersetzen durch endlich grosse und erst am Schluss dann den Grenzübergang vollziehen. Damit kann man das unschöne Teilen von infinitesimalen Zahlen und Multiplizieren etc. umgehen; Weshalb sie diese Dinge nicht einfach anständig behandeln, statt dieser schlampigen Rumrechnerei - sogar in den Fällen wo beide Möglichkeiten gleich aufwändig sind - bleibt mir ein Rätsel. Ich vermute jedoch, dass sie's schlichtweg nicht können/vielleicht sogar den Unterschied nicht wirklich sehen).

Ich denke nicht, dass es sich wirklich lohnt NSA zu lernen, nur wegen der Physik...
Hippocampus



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Beitrag Hippocampus Verfasst am: 23. Nov 2014 14:26    Titel: Antworten mit Zitat

Danke Jayk für die ausführliche Erklärung, was aber hat das für eine allgemeine Bedeutung (in Bezug zur Mathematik/Physik)?

Zuletzt bearbeitet von Hippocampus am 23. Nov 2014 14:44, insgesamt einmal bearbeitet
PhysikerGast
Gast





Beitrag PhysikerGast Verfasst am: 23. Nov 2014 14:35    Titel: Antworten mit Zitat

@MatheGast: Ich denke du verallgemeinerst hier ein wenig...
TomS
Moderator


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Beitrag TomS Verfasst am: 23. Nov 2014 14:48    Titel: Antworten mit Zitat

MatheGast hat Folgendes geschrieben:
Ja, ja, die lieben Physiker...

Wie sie das können? Sie können's nicht - tun es aber einfach. So einfach ist das. Ich denke, das könnte etwas damit zu tun haben, dass sie Experimente haben, welche ihnen sagen, was richtig und was falsch ist. D.h. wenn's mal mathematisch in die Hose geht, dann merken sie das, weil am Ende etwas - physikalisch gesehen - unsinniges rauskommt.

Nee, so einfach ist das nicht. Ich würde sagen, viele theoretische Physiker können das prinzipiell, aber nur die wenigsten Physiker gehören zu dieser Sorte und müssen es können. Wenn du dich mit der Oberflächenbeschichtung von Halbleitern befasst, dann sind Faserbündel und charakteristische Klassen eher irrelevant. Wenn du dich mit nichtabelschen Eichtheorien, Instantonen, Anomalien etc. befasst, dann schon - und dann können wir das auch ;-)

MatheGast hat Folgendes geschrieben:
Weshalb sie diese Dinge nicht einfach anständig behandeln, statt dieser schlampigen Rumrechnerei - sogar in den Fällen wo beide Möglichkeiten gleich aufwändig sind - bleibt mir ein Rätsel. Ich vermute jedoch, dass sie's schlichtweg nicht können/vielleicht sogar den Unterschied nicht wirklich sehen).

Physiker, die Differentialformen verwenden (eine verschwindend kleine Minderheit) kennen den Unterschied sehr wohl. In diesem Fall ist ein "dx" einfach eine Schreibweise für "... und wir haben uns das mal überlegt und schreiben fapp immer dx wenn wir meinen ... Tangentialraum ... Kotangentialraum ... Grenzübergang ..." In diesem Bereich der theoretischen Physik sagt dir auch kein Experiment, ob du mathematisch auf dem Holzweg bist (Stichwort Confinement: dass es das gibt wissen wir seit ca. 40 Jahren, dass wir's noch nicht vollständig erklären können auch. Seither gibt's letztlich kein neues Experiment, das uns da weiterhelfen könnte. Es gab aber auch noch keinen "Rechenfehler", der uns Jahrzehnte gekostet hätte. Und leider auch noch keinen Mathematiker, der uns irgendwie geholfen hätte ...).

Und die rein experimentell und praktisch orientierten Physiker rechnen auch richtig. Sie machen das deiner Meinung nach schlampig, aber sie wissen, was sie tun.

Ich habe selbst u.a. zwei Semester Funktionalanalysis gehört. Ich hatte danach nicht den Eindruck, dass mir das bei 99% der QM und der QFT weiterhilft. Das selbe galt für Differentialgeometrie, algebraische Topologie, Liegruppen und -algebren. Was ich in der theoretischen Physik wirklich gebraucht habe, musste ich mir außerhalb der reinen Mathematikvorlesungen aneignen.

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MatheGast
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Beitrag MatheGast Verfasst am: 23. Nov 2014 15:43    Titel: Antworten mit Zitat

Theoretische Physik, die ja angeblich mathematischer sein soll, setzt dem Ganzen dann noch die Krone auf. Die Sätze von Gauß und Stokes werden dort verwendet, ohne auch nur einen Gedanken an dieVoraussetzungen zu verschwenden. Stokes wird auch gerne auf unbeschränkte Mengen angewandt, diese sind dann "im Unendlichen berandet"...
Das mit den Tensoren ist auch so eine tolle Sache, denn wie ich in Theoretischer Physik II lernen durfte ist ein Tensor das, was sich wie ein Tensor transformiert. Auf die Frage, wie man denn einen Tensor mit Hilfe eines Tensors definieren könne, gab es nur ein lapidares "Das ist die Definition" zurück. verwirrt
Mein persönliches Highlight war der Versuch, [l][/l]-Matrizen mit [l][/l]-Vektoren zu multiplizieren. Auf die Frage, wie das denn gehe, antwortete der Professor: "Einfach so, indem ich es hinschreibe." Eine erneute Nachfrage brachte dann noch den Kommentar "Die Physiker machen das seit 80 Jahren so" (es ging um Quantenmechanik). Die vergleichsweise einfache Interpretation des fraglichen Ausdrucks als Linearkombination im Schiefvektorraum über den Hamilton-Quaternionen musste von einem der anwesenden Mathematiker gefunden werden. Interessiert hat sie aber auch nur die anwesenden Mathematiker...

Jedenfalls verfluche ich den Tag, an dem ich Physik als Nebenfach gewählt habe.
jh8979
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Beitrag jh8979 Verfasst am: 23. Nov 2014 15:50    Titel: Antworten mit Zitat

MatheGast hat Folgendes geschrieben:

Jedenfalls verfluche ich den Tag, an dem ich Physik als Nebenfach gewählt habe.

Das glaub ich Dir gerne. Du hast nämlich ziemlich vieles ganz offensichtlich nicht verstanden...
TomS
Moderator


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Beitrag TomS Verfasst am: 23. Nov 2014 15:56    Titel: Antworten mit Zitat

MatheGast hat Folgendes geschrieben:
Theoretische Physik, die ja angeblich mathematischer sein soll, setzt dem Ganzen dann noch die Krone auf. Die Sätze von Gauß und Stokes werden dort verwendet, ohne auch nur einen Gedanken an dieVoraussetzungen zu verschwenden. Stokes wird auch gerne auf unbeschränkte Mengen angewandt, diese sind dann "im Unendlichen berandet"...

Wer sagt das? Und wo hast du das her?

Man verwendet die Asymptotik der Felder, um den Randterm abzuschätzen. Den Physikern sind die Voraussetzungen sehr klar.

MatheGast hat Folgendes geschrieben:
Das mit den Tensoren ist auch so eine tolle Sache, denn wie ich in Theoretischer Physik II lernen durfte ist ein Tensor das, was sich wie ein Tensor transformiert. Auf die Frage, wie man denn einen Tensor mit Hilfe eines Tensors definieren könne, gab es nur ein lapidares "Das ist die Definition" zurück.

Ok, du schließt induktiv von einer speziellen Vorlesung auf "die theoretische Physik". Logisch nicht ganz eineandfrei, oder?

MatheGast hat Folgendes geschrieben:
Mein persönliches Highlight war der Versuch, [l][/l]-Matrizen mit [l][/l]-Vektoren zu multiplizieren. Auf die Frage, wie das denn gehe, antwortete der Professor: "Einfach so, indem ich es hinschreibe." Eine erneute Nachfrage brachte dann noch den Kommentar "Die Physiker machen das seit 80 Jahren so" (es ging um Quantenmechanik).

Du wirst lachen, ich habe in ganz vielen Mathematikübungen Matrizen mit Vektoren multipliziert, und das war eigtl. immer ganz OK. Der von geschilderte Fall sieht kurios aus. Ich denke, da fehlt wohl etwas entscheidendes, oder?

MatheGast hat Folgendes geschrieben:
Die vergleichsweise einfache Interpretation des fraglichen Ausdrucks als Linearkombination im Schiefvektorraum über den Hamilton-Quaternionen musste von einem der anwesenden Mathematiker gefunden werden. Interessiert hat sie aber auch nur die anwesenden Mathematiker...

Weil's in dem Zusammenhang ungefähr so interessant ist, wie wenn in China ein Sack Reis umfällt. Der Prof. wird schon noch mehr an die Tafel geschrieben haben, oder? Was war der physikalische Anwendungsfall?

MatheGast hat Folgendes geschrieben:
Jedenfalls verfluche ich den Tag, an dem ich Physik als Nebenfach gewählt habe.

Das kannst du jetzt nicht den Physikern anlasten, oder?

Fliegst du eigentlich nur mit Flugzeugen, deren Existenz du selbst mathematisch exakt bewiesen hast? Oder akzeptierst du, dass die Physiker für diesen Spezialfall die Navier-Stokes-Gleichungen lösen können, ohne dass du ihre Existenz beweisen kannst?

Viel Spaß weiterhin.

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PhysikGnom



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Beitrag PhysikGnom Verfasst am: 23. Nov 2014 17:43    Titel: Antworten mit Zitat

Hier verwechselt jemand ganz böse Physik mit Mathematik. Bestes Beispiel das Physik nicht immer mathematisch definiert sein muss ist z.B. der replika Trick in der statistischen Physik.
TomS
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Beitrag TomS Verfasst am: 23. Nov 2014 17:52    Titel: Antworten mit Zitat

Stimmt.

Viele wesentliche physikalische Theorien sind mathematisch nicht wohldefiniert, z.B. die Navier-Stokes-Gleichungen sowie die Quantenfeldtheorien (siehe die Liste der Millenium-Probleme).

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Beitrag franz Verfasst am: 23. Nov 2014 19:08    Titel: Antworten mit Zitat

Abseits dîeser Feinheiten:

Es gab, glaube ich, mal eine kurze Auseinandersetzung zwischen Hilbert und Einstein bezüglich der Allgemeinen Relativitätstheorie. Der Mathematiker äußerte dazu wohl später sinngemäß, daß er zwar teilweise ähnliche Ergebnisse / Formeln erhalten hatte, sie aber physikalisch nicht so tiefgründig verstand wie Einstein. f.
TomS
Moderator


Anmeldungsdatum: 20.03.2009
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Beitrag TomS Verfasst am: 24. Nov 2014 07:10    Titel: Antworten mit Zitat

MatheGast hat Folgendes geschrieben:
Mein persönliches Highlight war der Versuch, [l][/l]-Matrizen mit [l][/l]-Vektoren zu multiplizieren ... Die vergleichsweise einfache Interpretation des fraglichen Ausdrucks als Linearkombination im Schiefvektorraum über den Hamilton-Quaternionen musste von einem der anwesenden Mathematiker gefunden werden. Interessiert hat sie aber auch nur die anwesenden Mathematiker.

Ich habe ein bisschen nachgedacht, was sich wohl dahinter verbergen könnte, und bin auf folgende Idee gekommen. Wir betrachten die 3 Paulimatrizen (als Basis der su(2) Lie-Algebra; dass man Quaternionen inkl. der Eins betrachten müsste, ist mir nicht bewusst) sowie reelle 3-Vektoren, also





sowie



Dabei fallen mir mehrere Dinge auf:
1) es handelt sich gar nicht zwingend um ein Produkt mit 2*2 Matrizen ;-)
2) der Ausdruck kann für eine beliebige Darstellung der su(2) betrachtet werden, dass hier speziell 2*2 Matrizen vorliegen, ist irrelevant
3) betrachtet man speziell Matrizen, dann liegt ein Produkt dreier Matrizen mit drei reellen Zahlen vor; anschließend wird darüber summiert; das ist ganz normale Matrixalgebra: "Zahl aus dem Körper mal Matrix über dem Körper"
4) es gibt damit überhaupt kein Problem - selbst dann nicht, wenn man jetzt keine tollen mathematischen Namen dafür hat
5) egal wie man es nennt, es geht doch um den physikalischen Gehalt

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!physikstudent
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Beitrag !physikstudent Verfasst am: 24. Nov 2014 20:08    Titel: Antworten mit Zitat

Darf ich mich als Physiker jetzt eigentlich beleidigt fühlen, was man hier im Thread so liest..


Physiker beschränken sich halt auf das Wesentliche und damit Wichtige. Würden sich diese
auch noch um die mathematische Seite kümmern, wären die Mathematiker bald arbeitslos... .

Im Übrigen darf man Physiker nicht in einen Topf schmeißen. Abgesehen von Taylorn sind
wir in der theoretischen Physik sehr exakt!
TomS
Moderator


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Beitrag TomS Verfasst am: 24. Nov 2014 22:13    Titel: Antworten mit Zitat

!physikstudent hat Folgendes geschrieben:
Darf ich mich als Physiker jetzt eigentlich beleidigt fühlen, was man hier im Thread so liest..

warum sollte dich eine Einzelmeinung persönlich treffen?



Rock

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jh8979
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Beitrag jh8979 Verfasst am: 24. Nov 2014 22:16    Titel: Antworten mit Zitat

TomS hat Folgendes geschrieben:
!physikstudent hat Folgendes geschrieben:
Darf ich mich als Physiker jetzt eigentlich beleidigt fühlen, was man hier im Thread so liest..

warum sollte dich eine Einzelmeinung persönlich treffen?

Rock

Weil er anscheinend nicht Taylorn kann Augenzwinkern

Nichts fuer ungut !physikstudent Augenzwinkern Der Thread hier ist schon lange aus dem Ruder gelaufen wie Du unschwer sehen kannst smile
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