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Physik der Blechblasinstrumente
 
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blechbläser



Anmeldungsdatum: 05.02.2011
Beiträge: 1

Beitrag blechbläser Verfasst am: 05. Feb 2011 13:02    Titel: Physik der Blechblasinstrumente Antworten mit Zitat

Meine Frage:
1) Entspricht die Schallwelle in einer Posaune dem Modell eines einseitig geschlossenen oder eines an beiden Enden offenen Rohres?
2) Wie werden verschiedene Tonhöhen erzeugt ohne den Zug zu benutzen? (Überblasen, Naturtöne)
3) Wieso entstehen bei gleichbleibender Anregungsfrequenz der Lippen und dem Verlängern der Luftsäule durch den Zug zu jeder Zeit stehende Wellen?

Meine Ideen:
Ich hab nun schon einiges an Literatur zu Akustik und auch speziell zu Blechbläsern gelesen (3 Physikbücher, einige nette Websites und wissenschaftliche Paper), aber trotzdem konnte ich viele Fragen nicht klären. Leider waren die Modelle stets entweder zu oberflächlich oder viel zu komplex.
Das Prinzip der schwingenden Saite (mit einem festen/beweglichen Ende, mit zwei beweglichen Enden) habe ich verstanden, allerdings konnte ich das Modell nicht auf Blechblasinstrumente übertragen.

Meine bisherigen Überlegungen:
1) Vermutung: beidseitig offen (durch Analogie mit Kundtschem Rohr: das "Lautsprecherende" gilt auch als offen)
2) Ein Ton (Klang?) entsteht nur dann, wenn die Anregerfrequenz eine bestimmte Bedingung erfüllt, sodass eine stehende Welle entsteht. Wie diese Bedingung genau lautet, hängt von 1) ab, die Frequenz ist aber sicherlich von der Länge der Luftsäule abhängig. Außerdem erfüllen mehrere Frequenzen diese Bedingung: Neben der Grundfrequenz ergeben auch ganzzahlige Vielfache (harmonische Obertöne) eine stehende Welle. Schwingen diese nun aber immer mit oder nur, wenn die Lippen auch genau in dieser Frequenz schwingen? In letzterem Fall hätte sich Frage 2 geklärt, denn dann würden unterschiedliche Frequenzen der Lippen einfach unterschiedliche Töne anregen - doch wo kommen dann die Obertöne im Klang der Posaune überhaupt her?
Neben diesem Ansatz habe ich noch eine andere Erklärung in der Literatur gefunden: Die schwingende Luftsäule ist immer länger als das Rohr und kann durch verschiedene Frequenzen der Lippen verlängert werden. Eine längere Luftsäule führt dann zu einem tieferen Ton. Wie passen die beiden Erklärungen zusammen?

3) Nur Frequenzen, die in einem bestimmten Verhältnis zur Länge der schwingenden Luftsäule stehen, führen zu einer stehenden Welle. Wenn eine Frequenz nun die Eigenresonanz einer bestimmten Länge trifft, dann passt sie nicht mehr zu einer leicht verlängerten Luftsäule. Wenn die Rohrlänge der Posaune also bei gleichbleibender Lippenfrequenz durch den Zug erhöht wird, dann dürfte doch eigentlich keine stehende Welle entstehen.
Allerdings geschieht (zumindest gefühlt) genau das, wenn man ein Glissando auf der Posaune spielt.

Schonmal vielen Dank für's Lesen!
Viele Grüße
dermarkus
Administrator


Anmeldungsdatum: 12.01.2006
Beiträge: 14788

Beitrag dermarkus Verfasst am: 05. Feb 2011 15:06    Titel: Antworten mit Zitat

"beidseitig offen" wäre auch meine erste Vermutung, mit dem Gedanken, dass an den vibrierenden Lippen ein Bewegungsbauch der Luft entstehen dürfte.

Ich fände es aber in jedem Fall einmal interessant, so etwas experimentell zu überprüfen, also:

Einen Ton blasen (den tiefsten, der bei dieser Rohrlänge anspricht), die Grundfrequenz dieses Tones messen, und die zugehörige Rohrlänge der Posaune ausmessen (zum Beispiel mit einem biegsamen Metermass, das all die Kurven mitmacht, oder mit einem Faden, den man dann an den Zollstock legt). Und dann rechnen und ausprobieren, ob das mit der einfachen Formel für stehende Wellen zusammenpasst smile

Es gibt manche Instrumente, die entsprechen sehr gut dem Modell "lange schwingende Luftsäule" (zum Beispiel Orgelpfeifen), bei denen hängt die Frequenz des Tones so gut wie nur von der Länge der Luftsäule ab.

Andere Instrumente sind viel mehr ein sogenannter Helmholtz-Resonator (zum Beispiel eine Okarina, so eine Art Flöten-Ei), bei denen wird die erklingende Frequenz durch das Volumen des Instrumentes und die Länge des Anblasstückes bestimmt.

Manche Instrumente scheinen mir ein Mittelding zwischen beiden Modellen zu sein, wenn zum Beispiel die Form sehr länglich ist, die Formeln für die längliche Luftsäule aber bereits gar nicht mehr so recht passen wollen.

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Im Detail kann die Frequenz sicher auch noch davon beeinflusst werden, wie das Ende des Rohres geformt ist. Das trichterförmige Ende stellt ja sicher schon mal ein bisschen eine Abweichung von der "nur ein langes Rohr" - Form dar. Wie sehr die schwingende Luftsäule, die die Resonanzfrequenz bestimmt, wirklich länger ist als das Ende dieses Trichters, könnte man zum Beispiel ausprobieren, indem man das Ende der Posaune beim Spielen eines Tones zum Beispiel über eine Tischplatte hält und den Abstand verändert, und ausprobiert, in wieweit das die erklingende Grundfrequenz beeinflusst.

(So weit ich weiß, verwenden Hornisten so etwas zur Korrektur der Intonation bei manchen Tönen, dazu engen sie den Luftraum im Trichter mehr oder weniger stark ein, je nachdem, wie stark der Ton korrigiert werden soll. Im Endeffekt dürfte das im Wesentlichen eine Veränderung der Länge der schwingenden Luftsäule sein. Dazu hält man die Hand in den Trichter. ("Stopfen"))

Möglicherweise - und das ist momentan erstmal eine Spekulation von mir - erlaubt so ein Trichter am Ende das Ansprechen verschiedener Frequenzen je nach Anblasweise (Anblasdruck, Lippenspannung -> Lippenfrequenzvorgabe, ...). Auch das könnte man versuchen, auszuprobieren, indem man testet, wie weit sich die Tonhöhe einer Posaune durch verschiedenes Anblasen verändern lässt (ich meine jetzt nicht Überblasen, sondern kontinuierlich ein bisschen rauf und runter), ohne die Rohrlänge dabei zu verändern. Und diese Testresultate mit dem vergleichen, das man zum Beispiel beim Anblasen eines Gartenschlauches (also ohne Trichter am Ende) erzeugen kann.


(edit: Als Bestätigung dazu finde ich in
http://de.wikipedia.org/wiki/Blechblasinstrument#Einfluss_der_Schalltrichterform
, dass Instrumente mit weiterem Trichter (Horn) eine größere Veränderung der Tonhöhe allein durch Anblasen ermöglichen als Instrumente mit schmalerem Trichter (Trompete, Posaune) Bei schmalerem Trichter muss man also auch den Ansatz genauer treffen, damit der Ton anspricht.

Obendrein führen schmalere Trichter zu obertonreicheren Tönen (weil sie die Ausbildung von stehenden Wellen auch der höheren Töne mit kürzerer Wellenlänge am Rohrende weniger stören). Breitere Trichter ergeben einen weicheren Klang mit weniger Obertönen, denn hier bleiben nur die stehenden Wellen mit den größten Wellenlängen von der Rohrendeformveränderung ungestört.)


Die Lippen geben mit ihrer Spannung, zusammen mit dem Anblasdruck, nicht ganz alleine die Grundfrequenz des erklingenden Tones und seine Obertöne vor. Denn der Resonator dahinter besteht ja aus schwingender Luft, die auch zurückwirkt auf die Schwingung der Lippen. So wirkt der Resonator als ein gehöriges Stück dabei mit, die Frequenzen und Obertöne zu bestimmen, die gut oder weniger gut zu ihm passen, und damit in ihm erklingen können und stärker oder weniger im Obertonspektrum ausgeprägt sind.

Möglicherweise braucht man bei einem Glissando auf einer Posaune so wenig selbst aktiv die Lippenspannung nachregulieren (weil der Resonator und die Luftschwingungen dabei mithelfen), dass man es selbst nicht mehr so deutlich merkt? Oder geschieht das Nachregulieren der Lippenspannung bei so einem Glissando bei einem geübten Posaunisten vielleicht schon so automatisch, dass es schon ein Glissando über einen sehr großen Tonraum sein muss, damit er noch wirklich bewusst etwas davon merkt, wie er die Lippenspannung nachreguliert? Wie fühlt sich so etwas bei einem Oktavglissando an?
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