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Schwache Wechselwirkung
 
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Sonnenwind



Anmeldungsdatum: 25.04.2022
Beiträge: 677

Beitrag Sonnenwind Verfasst am: 01. Jun 2022 14:54    Titel: Schwache Wechselwirkung Antworten mit Zitat

Warum nennt man die schwache Wechselwirkung eigentlich "Wechselwirkung"? Bevor ein Neutron zerfällt sind ja die Zerfallsprodukte Proton, Elektron und Antineutrino noch gar nicht da. Wie kann dann das Start-Teilchen mit den End-Teilchen wechselwirken? Oder existieren die End-Teilchen schon in einem Schattenreich?

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Das Photon: Eine Geschichte voller Missverständnisse.
TomS
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Beitrag TomS Verfasst am: 01. Jun 2022 17:20    Titel: Antworten mit Zitat

Sich das Ganze als Teilchen vorzustellen ist irreführend.

Es handelt sich um die Wechselwirkung von Quantenfeldern, beim beta-Zerfall



mit den beiden Einzelreaktionen





geht es dabei um die Wechselwirkungsterme





der entsprechenden Quantenfelder, so dass die Übergangs-Matrixelemente zwischen initialen und finalen Zuständen





nicht verschwinden.

Beim ersten Term handelt es sich dabei zunächst um Zustände wie





bei zweiten würde das W-Boson im initialen Zustand und Elektron sowie Antineutrino im finalen Zustand auftreten.

Diese Wechselwirkungsterme kommen im Hamiltonoperator vor, d.h.



Damit führt die Zeitentwicklung eines initialen Zustandes z.B. für das Neutron dazu, dass diesem Zustand andere Komponenten beigemischt werden, nämlich die der erlaubten Zwischen- bzw. Endzustände; die Zwischenzustände mit dem W-Bosonen treten im Endergebnis nicht mehr auf.

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Niels Bohr brainwashed a whole generation of theorists into thinking that the job (interpreting quantum theory) was done 50 years ago.
Sonnenwind



Anmeldungsdatum: 25.04.2022
Beiträge: 677

Beitrag Sonnenwind Verfasst am: 01. Jun 2022 17:36    Titel: Antworten mit Zitat

Also nimmt das Quantenfeld für das Proton (Elektron und Antineutrino vernachlässige ich jetzt mal) zu, während es für das Neutron abnimmt?

Es entsteht ein Protonenfeld aus dem Nichts, das ist schonmal komisch.

Dann ist noch komisch, dass immer Neutronenfeld und Protonenfeld gleichzeitig da sind.

Dann könnte es sein, dass die Wahrscheinlichkeit, ein Neutron zu finden noch 3/4 beträgt, während die Wahrscheinlichkeit ein Proton zu finden schon 1/4 beträgt. Daraus folgt aber, dass mit der Wahrscheinlichkeit 3/4 * 1/4 = 3/16 Neutron und Proton vorhanden sind, was absurd ist.

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index_razor



Anmeldungsdatum: 14.08.2014
Beiträge: 3259

Beitrag index_razor Verfasst am: 01. Jun 2022 18:51    Titel: Antworten mit Zitat

Sonnenwind hat Folgendes geschrieben:
Also nimmt das Quantenfeld für das Proton (Elektron und Antineutrino vernachlässige ich jetzt mal) zu, während es für das Neutron abnimmt?


Die Felder ändern sich. Von "Zunahme" oder "Abnahme" zu sprechen, ist in dem Zusammenhang nicht sinnvoll. (Außerdem gibt es strenggenommen nicht "ein" Protonenfeld, sondern nur sogenannte "fast lokale" Produkte von Quarkfeldern, die für die Erzeugung von Protonen zuständig sind.)

Zitat:

Es entsteht ein Protonenfeld aus dem Nichts, das ist schonmal komisch.


Es entsteht auch nicht aus dem Nichts, sondern aus den anderen beteiligten Feldern. Ungefähr so, wie das elektromagnetische Feld aus den vorhandenen Ladungsdichten und -stromdichten entsteht.

Zitat:

Dann könnte es sein, dass die Wahrscheinlichkeit, ein Neutron zu finden noch 3/4 beträgt, während die Wahrscheinlichkeit ein Proton zu finden schon 1/4 beträgt. Daraus folgt aber, dass mit der Wahrscheinlichkeit 3/4 * 1/4 = 3/16 Neutron und Proton vorhanden sind, was absurd ist.


Nein, das folgt nicht. Wenn die Wahrscheinlichkeit für Kopf und Zahl jeweils 1/2 ist, ist die Wahrscheinlichkeit für beides trotzdem nicht 1/4.

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Sonnenwind



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Beiträge: 677

Beitrag Sonnenwind Verfasst am: 01. Jun 2022 20:14    Titel: Antworten mit Zitat

Auf welche Wellenfunktion wirken denn die Operatoren?

Naiverweise würde man vermuten psi(x_n,x_p,x_e,x_an). Es sind aber niemals alle vier Teilchen gleichzeitig vorhanden und demnach auch nicht die vier Teilchenorte x_<Teilchen>.

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Beitrag TomS Verfasst am: 01. Jun 2022 20:29    Titel: Antworten mit Zitat

Sonnenwind hat Folgendes geschrieben:
Also nimmt das Quantenfeld für das Proton (Elektron und Antineutrino vernachlässige ich jetzt mal) zu, während es für das Neutron abnimmt?

Nein.

Die Feldoperatoren sind erst mal einfach da. Sie beschreiben auch nicht das Quantenobjekt, sondern beschreiben in diesem Fall, was mit ihm geschieht; es ist eher eine immer gültige Vorschrift.

Was tatsächlich geschieht, steckt in den Zuständen.

Verlassen wir mal die Quantenfeldtheorie und schauen uns ein einfaches Beispiel in der Quantenmechanik an, nämlich die Kopplung eines Spins an ein Magnetfeld.

Dann lautet der Wechselwirkungsterm im Hamiltonoperator zwischen Spinoperator S und externem Magnetfeld



B und S sind Vektoren, i = 1..3 bezeichnet die Komponenten, H enthält also das Skalarprodukt.

Der Hamiltonoperator generiert die Zeitentwicklung eines Spin-Zustandes



gemäß



Im allgemeinen rotiert er dabei den Spin, d.h.



Der Operator „mischt“ dem initialen Zustand einen zeitabhängigen Anteil bei.

Sonnenwind hat Folgendes geschrieben:
Es entsteht ein Protonenfeld aus dem Nichts ….

Nein, die Zeitentwicklung mischt dem Neutronenzustand einen Protonenzustand bei.

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Beitrag TomS Verfasst am: 01. Jun 2022 20:43    Titel: Antworten mit Zitat

Sonnenwind hat Folgendes geschrieben:
Auf welche Wellenfunktion wirken denn die Operatoren?

Naiverweise würde man vermuten psi(x_n,x_p,x_e,x_an). Es sind aber niemals alle vier Teilchen gleichzeitig vorhanden und demnach auch nicht die vier Teilchenorte x_<Teilchen>.

Auf Zustände, die durch Impuls, Spin, schwacher Isospin u.ä. definiert sind. Keine Wellenfunktionen, keine Orte.

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Beitrag index_razor Verfasst am: 01. Jun 2022 21:09    Titel: Antworten mit Zitat

Sonnenwind hat Folgendes geschrieben:
Auf welche Wellenfunktion wirken denn die Operatoren?


In diesem speziellen Fall auf eine Wellenfunktion, die anfänglich ein einzelnes Neutron beschreibt. Der Fall wird etwas komplizierter dadurch, daß das Neutron instabil ist. Einteilchenzuständen ordnet man normalerweise Impulswellenfunktionen zu, die "auf der Massenschale" liegen, d.h. mit festem reellem . Instabile Teilchen haben komplexes und die Massenschale besteht aus den komplexen Vektoren mit der Eigenschaft

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Zuletzt bearbeitet von index_razor am 01. Jun 2022 21:19, insgesamt einmal bearbeitet
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Beitrag index_razor Verfasst am: 01. Jun 2022 21:12    Titel: Antworten mit Zitat

TomS hat Folgendes geschrieben:
Sonnenwind hat Folgendes geschrieben:
Also nimmt das Quantenfeld für das Proton (Elektron und Antineutrino vernachlässige ich jetzt mal) zu, während es für das Neutron abnimmt?

Nein.

Die Feldoperatoren sind erst mal einfach da. Sie beschreiben auch nicht das Quantenobjekt, sondern beschreiben in diesem Fall, was mit ihm geschieht; es ist eher eine immer gültige Vorschrift.

Was tatsächlich geschieht, steckt in den Zuständen.


Du beschreibst das Schrödingerbild. Im Heisenbergbild ist es genau umgekehrt.

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Beiträge: 18026

Beitrag TomS Verfasst am: 01. Jun 2022 21:23    Titel: Antworten mit Zitat

Ja.

Und im Wechselwirkungsbild ist es noch mal anders…

Ich weiß, dass das Schrödinger Bild in der Quantenfeldtheorie extrem unüblich ist, ich halte diese Erklärung jedoch für einfacher, da sämtliche Eigenschaften ausschließlich von den Zuständen getragen werden und sich ausschließlich diese mit der Zeit ändern.

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Beitrag Sonnenwind Verfasst am: 02. Jun 2022 11:23    Titel: Antworten mit Zitat

Mehrteilchensysteme werden ja bekanntlich im Konfigurationsraum dargestellt. Die vier Teilchen n,p,e und ano werden also im 12-dimensionalen Raum als ein Pseudo-Teilchen abgebildet.

Das wäre dann .

Es wären dann aber immer alle vier Teilchen da.

Da aber immer entweder das Neutron oder seine Zerfallsprodukte vorhanden sind, benötigt man noch eine Variable, die die Existenz des Neutrons bezeichnet. Ich führe deshalb die "Existenzdimension" epsilon_n für das Neutron ein, die wie eine normale Raumdimension behandelt wird.

epsilon_n > 0 => nur Neutron vorhanden
epsilon_n = 0 => Vertex
epsilon_n < 0 => nur Proton + Elektron + Antineutrino vorhanden

Also:



Damit könnte man vielleicht sogar de-Broglie-Bohm auf Zerfallsvorgänge erweitern.

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Beitrag TomS Verfasst am: 02. Jun 2022 12:19    Titel: Antworten mit Zitat

Sonnenwind hat Folgendes geschrieben:
Mehrteilchensysteme werden ja bekanntlich im Konfigurationsraum dargestellt. Die vier Teilchen n,p,e und ano werden also im 12-dimensionalen Raum als ein Pseudo-Teilchen abgebildet.

Das wäre dann .

Es wären dann aber immer alle vier Teilchen da.

Und genau deswegen schrieb ich oben nichts von Wellenfunktionen sondern von Zustandsvektoren.

Ein Zustand mit Impuls p, Spin s und Flavor f = u,d,s… wird mittels eines Erzeugers



dargestellt, wobei diese Kommutator-Relation analog zu denen des harmonischen Oszillators erfüllen. Bei Mehrteilchensystemen leben die Zustände im sogenannten Fock-Raum.

Die o.g. Wechselwirkungsterme führen zu Produkten aus Erzeugern und Vernichter, delta-Funktionen an Vertizes etc.

Sonnenwind hat Folgendes geschrieben:
Damit könnte man vielleicht sogar de-Broglie-Bohm auf Zerfallsvorgänge erweitern.

Ist nicht gerade Mainstream, aber es gibt derartige Ansätze.

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Beitrag index_razor Verfasst am: 02. Jun 2022 12:59    Titel: Antworten mit Zitat

Sonnenwind hat Folgendes geschrieben:
Mehrteilchensysteme werden ja bekanntlich im Konfigurationsraum dargestellt. Die vier Teilchen n,p,e und ano werden also im 12-dimensionalen Raum als ein Pseudo-Teilchen abgebildet.

Das wäre dann .


So einen Zustand könnte es ja auch prinzipiell geben. Er taucht nur im Neutronenzerfall nirgendwo auf. Außerdem handelt es sich hier ja nicht um ein schlichtes Mehrteilchensystem, sondern um eine Feldtheorie. Teilchen treten darin nur unter speziellen Bedingungen auf.

Zitat:

Es wären dann aber immer alle vier Teilchen da.


Wie TomS ganz am Anfang sagte, ist es irreführend sich den ganzen Prozeß als Wechselwirkung von Teilchen vorzustellen. Denke lieber an wechselwirkende Felder.

Zitat:

Da aber immer entweder das Neutron oder seine Zerfallsprodukte vorhanden sind, benötigt man noch eine Variable, die die Existenz des Neutrons bezeichnet.


Nein, benötigt man nicht. Man benötigt nur die Feststellung, daß dein Vierteilchenzustand zu jeder Zeit verschwindende Übergangsamplitude zum Zustand des zerfallenden Neutrons besitzt. Das folgt übrigens schon aus der Erhaltung der Baryonenzahl.

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Anmeldungsdatum: 25.04.2022
Beiträge: 677

Beitrag Sonnenwind Verfasst am: 02. Jun 2022 14:02    Titel: Antworten mit Zitat

TomS hat Folgendes geschrieben:
Sonnenwind hat Folgendes geschrieben:
Damit könnte man vielleicht sogar de-Broglie-Bohm auf Zerfallsvorgänge erweitern.

Ist nicht gerade Mainstream, aber es gibt derartige Ansätze.

Hast du dazu einen Link? Wenn dBB Zerfallsprozesse nicht beschreiben kann, dann ist diese Interpretation tot. Das ist genauso schlimm wie eine fehlende relativistische Variante.

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Beitrag TomS Verfasst am: 02. Jun 2022 16:52    Titel: Antworten mit Zitat

here we go

http://philsci-archive.pitt.edu/3026/1/bohm.pdf

Aber so einfach wie im nicht-relativistischen Fall scheint das wohl nicht zu sein

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