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Rotationskurven und Dunkle Materie - Seite 2
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TomS
Moderator


Anmeldungsdatum: 20.03.2009
Beiträge: 18049

Beitrag TomS Verfasst am: 15. Jan 2021 14:59    Titel: Antworten mit Zitat

DrStupid hat Folgendes geschrieben:

TomS hat Folgendes geschrieben:
[…]
1) nicht leuchtende baryonische Materie insbs. in Form brauner Zwerge
2) primordiale schwarze Löcher
3) Erweiterungen des Standardmodells, z.B. SUSY-Partner, Axionen etc.
4) Erweiterungen der ART durch zusätzliche Felder
(1 - 3) fasst man unter dem Begriff "Dunkle Materie" zusammen.

Was spricht dagegen?

Dagegen spricht die willkürliche Einschränkung der DM auf (1-3). Wozu ist das notwendig? Warum bleibt man nicht einfach dabei, dass es sich um zusätzliche Masse bisher unbekannter Natur handelt? Das schließt (1-3) mit ein aber mögliche andere, bisher unbekannte Phänomene nicht aus.

Erstens steht bei (3) etc, und zweitens wüsste ich nicht, welche Materieformen nicht im weitesten Sinne Erweiterungen des Standardmodells wären.

Wenn du eine konkrete Idee zu „zusätzlicher Masse bisher unbekannter Natur“ hast, die nicht unter (1 - 3) fällt, lass es mich wissen.

DrStupid hat Folgendes geschrieben:
TomS hat Folgendes geschrieben:
DrStupid hat Folgendes geschrieben:
Warum bestehst Du darauf, dass das Standardmodell beteiligt sein muss?

Weil es das Standardmodell ist, das alle bekannten Materieformen vollumfänglich beschreibt.

Das beantwortet die Frage nicht. Mit Punkt (2) zählst Du z.B. selbst primordiale Schwarze Löcher zur Dunkeln Materie. Die gehören nicht ins Standardmodell.

Nein, die SLs selbst gehören natürlich zur ART bzw. einer Erweiterung (4), die Vorläufermaterie zum Standardmodell oder einer Erweiterung.

DrStupid hat Folgendes geschrieben:
Warum braucht man z.B. bei primordialen Schwarzen Löchern eine Erweiterung zum Standardmodell oder zur ART?

Habe ich das geschrieben?

Primordiale Schwarze Löcher kann man in diesem Rahmen beschreiben. Ob man sie jedoch z.B. in ausreichender Zahl erhält, ist nicht sicher. Es könnte also sein, dass mehr derartige SLs existieren als die bisherigen Modelle vorhersagen, und dass deswegen (4) relevant sein könnte. Das ist jedoch Spekulation, da es diesbzgl. keine Hinweise gibt.

DrStupid hat Folgendes geschrieben:
Ich habe Dir bereits gesagt, dass Du Dich nicht vom Wort "Materie" irritieren lassen darfst. Nur weil die zusätzliche Masse "Dunkle Materie" genannt wird, muss sie noch lange keine Materie sein für die das Standardmodell zuständig ist.

Stimmt. Deswegen schreibe ich auch Erweiterungen des Standardmodells.

DrStupid hat Folgendes geschrieben:
Natürlich tust Du das. Du schränkst die Dunkle Materie ... auf Deine Punke (1-3) ... ein.

Welche Materieform schwebt dir vor, die keine Erweiterung des Standardmodells wäre?

DrStupid hat Folgendes geschrieben:
Noch einmal - weil man es anscheinend nicht oft genug sagen kann: Dass Zwicky die fehlende Masse als "Dunkle Materie" bezeichnet, bedeutet nicht, dass es sich dabei um etwas handelt was Du als Materie im Sinne von (1-3) oder gar nur im Sinne des Standardmodells verstehst. Das ist einfach nur ein Name und keine Definition.

Noch einmal - weil man es anscheinend nicht oft genug sagen kann: welche Materieform wäre nicht von einer Erweiterung des Standardmodells abgedeckt?

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Niels Bohr brainwashed a whole generation of theorists into thinking that the job (interpreting quantum theory) was done 50 years ago.
zulu14



Anmeldungsdatum: 16.11.2020
Beiträge: 10

Beitrag zulu14 Verfasst am: 15. Jan 2021 17:03    Titel: Antworten mit Zitat

Ich würde gerne eine geometrisch basierte Idee für die DM in den Ring werfen, analog der gravitativen Raumzeitkrümmung der ART:

(Mindestens) eine parallele Raumzeit, vergleichbar der unseren, befindet/befinden sich auf derselben Bran wie unsere Raumzeit, allerdings betrachtet aus einem 5d-Bezugssystem heraus "vor" unserer Raumzeit.

"Dort" krümmen Massen, Energien, Felder ebenfalls die "dortige" Raumzeit, verbeulen aber zusätzlich auch noch unsere lokale Raumzeit.

Am Beispiel einer Galaxienbildung, bei der modellhaft zuerst die DM kollabierte und danach erst die baryonische Materie, hat sich "dort" zuerst eine Gaswolke gravitativ zusammengezogen. Dies hat bei "uns" in Folge eine Delle in der Raumzeit erzeugt, welches erst dann "hier" zu einer Ansammlung von Gas in dieser Delle geführt und somit die Delle "hier" weiter vergrößert hat.

Bildlich gesprochen "schmiegt" sich unsere Raumzeit an die parallele Raumzeit an. Die "dortige" Raumzeit verbeult unsere, und diesem Effekt haben wir den Namen DM gegeben.

Dies setz allerdings voraus, daß man einen kosmischen Präsentismus akzeptiert, bei dem sich unsere Raumzeit dynamisch auf der Bran verhält. Also kein statisches Blockuniversum, sonst funktioniert das nicht.

Der Gedanke hat in meinem Kopf den Arbeitstitel "cosmic flow model" oder auch "spatial flow model" bekommen, falls es dafür noch keine Bezeichnung geben sollte ...


Zuletzt bearbeitet von zulu14 am 15. Jan 2021 17:28, insgesamt einmal bearbeitet
TomS
Moderator


Anmeldungsdatum: 20.03.2009
Beiträge: 18049

Beitrag TomS Verfasst am: 15. Jan 2021 17:28    Titel: Antworten mit Zitat

zulu14 hat Folgendes geschrieben:
Ich würde gerne eine geometrisch basierte Idee für die DM in den Ring werfen, analog der gravitativen Raumzeitkrümmung der ART:

(Mindestens) eine parallele Raumzeit, vergleichbar der unseren, befindet/befinden sich auf derselben Bran wie unsere Raumzeit, allerdings betrachtet aus einem 5d-Bezugssystem heraus "vor" unserer Raumzeit.

"Dort" krümmen Massen, Energien, Felder ebenfalls die "dortige" Raumzeit, verbeulen aber zusätzlich auch noch unsere lokale Raumzeit.

Guter Punkt!

So eine Idee gab es schon im Rahmen der M-Theorie. 4-dim. Welt-Bran, eingebettet in eine 10/11-dim Mannigfaltigkeit mit rein gravitativer WW. Es könnte auch ein effektives Modell mit „warped Gravity“ sein.

Ich muss nachschauen.

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DrStupid



Anmeldungsdatum: 07.10.2009
Beiträge: 5042

Beitrag DrStupid Verfasst am: 15. Jan 2021 18:03    Titel: Antworten mit Zitat

TomS hat Folgendes geschrieben:
Erstens steht bei (3) etc, und zweitens wüsste ich nicht, welche Materieformen nicht im weitesten Sinne Erweiterungen des Standardmodells wären.


Wenn Du alles was Masse besitzt, nicht leuchtet und nicht in (1) oder (2) passt in (3) packst, dann ist Deine Auffassung von DM mit meiner identisch. Wie kommst Du dann zu der Behauptung, ich würde eine "Privatdefinition" verwenden? Und warum bezeichnest Du es dann als "Schwachsinn", wenn ich sage dass die Existenz der DM so sicher ist wie die Gültigkeit der ART?

TomS hat Folgendes geschrieben:
Nein, die SLs selbst gehören natürlich zur ART bzw. einer Erweiterung (4), die Vorläufermaterie zum Standardmodell oder einer Erweiterung.


Das heißt also, dass das Standardmodell nicht zwangsläufig beteiligt sein muss. Das wollte ich nur wissen.

TomS hat Folgendes geschrieben:
Welche Materieform schwebt dir vor, die keine Erweiterung des Standardmodells wäre?


Wenn Du per Definition alles zur Erweiterung des Standardmodells erklärst, was nicht in (1), (2) oder (4) passt, dann bleibt da natürlich nichts mehr übrig. Diese Meinung muss man aber nicht unbedingt teilen.

Nehmen wir mal an, die DM würde außer der Gravitation keinen der uns bekannten Wechselwirkungen unterliegen, aber es gäbe zusätzliche, bisher unbekannte Wechselwirkungen, denen ausschließlich die DM unterliegt (diese Möglichkeit wird ja durchaus diskutiert). Wenn wir weiterhin annehmen, dass diese Wechselwirkungen zu nichts führen, was wir als Teilchen beschreiben würden, dann wäre diese DM nicht Gegenstand der Teilchenphysik und gehört somit auch nicht ins Standardmodell.

Selbst wenn die zusätzlichen Wechselwirkungen zu Teilchen führen, würden wir davon in absehbarer Zeit nichts bemerken. Elementarteilchen mittels Gravitation direkt zu beobachten wird – wenn überhaupt - bestenfalls in sehr ferner Zukunft möglich sein. Die DM wäre dann zwar theoretisch Gegenstand der Teilchenphysik, aber wir wüssten nichts davon. Also würde auch in diesem Fall keine Veranlassung bestehen, das Standardmodell zu erweitern.

In den beiden genanten Fällen wäre nur eine Art Thermodynamik Dunkler Materie denkbar, die ihr Verhalten auf makroskopischer Ebene beschreibt.

Und selbst wenn wir auf irgendeine Weise feststellen könnten, dass diese DM aus Teilchen besteht und sogar in der Lage wären sie hinreichend genau zu untersuchen (frag mich bitte nicht, wie das gehen soll), dann wäre es zunächst wenig sinnvoll das Standadmodell zu erweitern. Wozu braucht man ein gemeinsames Modell für zwei völlig voneinander isolierte Teilchenfamilien? Stattessen würde man ein separates Standardmodell nur für die DM entwickeln. Ein gemeinsames Standardmodell käme nur dann in Frage, wenn es gelänge, die jeweiligen Wechselwirklungen in einer Theorie zu vereinen. So etwas ist aber noch nicht einmal für die vier bereits bekannten Wechselwirkungen in Sicht.
TomS
Moderator


Anmeldungsdatum: 20.03.2009
Beiträge: 18049

Beitrag TomS Verfasst am: 15. Jan 2021 22:03    Titel: Antworten mit Zitat

DrStupid hat Folgendes geschrieben:
TomS hat Folgendes geschrieben:
Erstens steht bei (3) etc, und zweitens wüsste ich nicht, welche Materieformen nicht im weitesten Sinne Erweiterungen des Standardmodells wären.

Wenn Du alles was Masse besitzt, nicht leuchtet und nicht in (1) oder (2) passt in (3) packst, dann ist Deine Auffassung von DM mit meiner identisch ... warum bezeichnest Du es dann als "Schwachsinn", wenn ich sage dass die Existenz der DM so sicher ist wie die Gültigkeit der ART?

Weil wir dich zunächst mal richtig zitieren wollen.

DrStupid hat Folgendes geschrieben:
Corbi hat Folgendes geschrieben:
Du tust so als ab schon feststehen würde dass es die Dunkle Materie gibt.

Wenn TomS nicht doch noch zusätzlichen Hypothesen benennen kann, die zur Berechnung der Masseverteilung benötigt werden, dann ist das so sicher wie die ART und die ART ist so sicher wie eine Theorie in der Physik nur sein kann.

Darauf bezog sich mein Zitat.

Wenn wir uns also einig sind, dass DM (1 - 3) umfasst jedoch nicht (4), dann es falsch ist zu behaupten, die Existenz der DM im Sinne von (1 - 3) sei gesichert, mit oder ohne Bezug zur ART.

Es lässt zunächst außer Acht, dass die Erklärung der Rotationskurven auch mittels (4) erfolgen könnte, ohne dass (1 - 3) herangezogen werden müsste. D.h. die ART könnte möglicherweise durch die Beobachtungen falsifiziert sein und durch etwas anderes ersetzt werden müssen.

Es könnte natürlich ebenso gut sein, dass die ART zutrifft und die Lösung ausschließlich bei (1 - 3) zu suchen wäre, insbs. bei (3), was in bestimmten Regimen einer Falsifizierung des Standardmodells entspräche.

Es ist darüber hinaus möglich, dass sowohl (1 - 3) als auch (4) benötigt werden, dass also weder das Standardmodell noch die ART alleine die Lösung liefern und beide einer Erweiterung bedürfen.

Da also außer (hoffentlich) den Beobachtungsdaten nichts bei (1 - 4) sicher ist, folgt für irgendeine Untermenge aus (1 - 4) rein logisch nichts; kein einzelner Punkt kann als verlässlicher Ausgangspunkt angenommen werden, alles steht in Frage. Logisch folgt lediglich, dass die Lösung irgendwo bei (1 - 4) zu suchen ist.

DrStupid hat Folgendes geschrieben:
Nehmen wir mal an, die DM würde außer der Gravitation keinen der uns bekannten Wechselwirkungen unterliegen, aber es gäbe zusätzliche, bisher unbekannte Wechselwirkungen, denen ausschließlich die DM unterliegt (diese Möglichkeit wird ja durchaus diskutiert). Wenn wir weiterhin annehmen, dass diese Wechselwirkungen zu nichts führen, was wir als Teilchen beschreiben würden, dann wäre diese DM nicht Gegenstand der Teilchenphysik und gehört somit auch nicht ins Standardmodell.

Ich habe noch keine Feldtheorie gesehen, die man nicht im weitesten Sinne (3) oder (4) zuordnen könnte. Wenn du aber diesbzgl. Ideen oder Quellen hast, dann können wir das gerne diskutieren.

DrStupid hat Folgendes geschrieben:
Selbst wenn die zusätzlichen Wechselwirkungen zu Teilchen führen, würden wir davon in absehbarer Zeit nichts bemerken. Elementarteilchen mittels Gravitation direkt zu beobachten wird - wenn überhaupt - bestenfalls in sehr ferner Zukunft möglich sein. Die DM wäre dann zwar theoretisch Gegenstand der Teilchenphysik, aber wir wüssten nichts davon. Also würde auch in diesem Fall keine Veranlassung bestehen, das Standardmodell zu erweitern.

Wir würden die korrekte Lösung bei (3) nicht erkennen. D.h. jedoch nicht, dass sie nicht bei (3) läge.

Bsp.: dass Newton nicht über unsere Beobachtungsdaten und die mathematischen Werkzeuge verfügte, bedeutet ja nicht, dass z.B. die Periheldrehung bereits zu Zeiten Newtons die Entwicklung der ART erfordert hätte. Er sah keine Veranlassung, falsch wird dadurch nicht.


Ab jetzt können wir hoffentlich wieder Physik treiben:

DrStupid hat Folgendes geschrieben:
In den beiden genanten Fällen wäre nur eine Art Thermodynamik Dunkler Materie denkbar, die ihr Verhalten auf makroskopischer Ebene beschreibt.

Das ist nahezu ausgeschlossen - und übrigens auch ein Grund, weswegen (4) kaum die endgültige Lösung sein kann. Die Kopplung des Standardmodells an nicht quantisierte Felder einschließlich der Gravitation ist nach allem was wir wissen mathematisch inkonsistent; bereits die Kopplung des Standardmodells an die Gravitation alleine ist nach allen gängigen Interpretationen der Quantenmechanik logisch inkonsistent. Das Problem wäre nur verschoben hin zu einer Theorie der Quantengravitation.

DrStupid hat Folgendes geschrieben:
Und selbst wenn wir auf irgendeine Weise feststellen könnten, dass diese DM aus Teilchen besteht und sogar in der Lage wären sie hinreichend genau zu untersuchen (frag mich bitte nicht, wie das gehen soll), dann wäre es zunächst wenig sinnvoll das Standardmodell zu erweitern. Wozu braucht man ein gemeinsames Modell für zwei völlig voneinander isolierte Teilchenfamilien?

Solange du keine Kopplung per Gravitation mit einbeziehst, wären beide Sektoren für einander tatsächlich völlig unsichtbar. Dies ändert sich jedoch, wenn beide gravitativ koppeln.

Vereinfacht wäre dies der Ausgangspunkt:



von links nach rechts Einstein-Hilbert, Standardmodell in einer gekrümmten Raumzeit, irgendwas Exotisches; phi und chi bezeichnen die Gesamtheit aller nicht-gravitativen Felder (im Falle von Fermionen müsste man streng genommen das Vierbein e statt der Metrik g betrachten; das folgende Argument funktioniert jedoch analog)

In einer flachen, statischen Raumzeit wäre dies



Soweit, so gut, zwei völlig voneinander isolierte Teilchenfamilien.

Nun führen wir wieder die Kopplung in einer wenig dynamischen Raumzeit



ein, d.h. kleine Fluktuationen h um eine statische Metrik g_0. Dies führt zu einer schwachen Kopplung der beiden Sektoren über die Fluktuationen h, die ausintegriert werden können. Dadurch erhält man



Formal sieht man das im Pfadintegral, indem man die Wirkung S in g um g_0 bis einschließlich zweiter Ordnung in h entwickelt und das Gaußsche Integral löst:



D.h. dass die kleinen Fluktuationen h der Metrik g um g_0 nach Ausintegration eine direkte Kopplung



des Standardmodells an den zweiten exotischen Sektor induzieren; damit haben wir nicht mehr das, was du ursprünglich erreichen wolltest, nämlich zwei völlig voneinander isolierte Teilchenfamilien.

Diese Herleitung gilt perturbativ at tree level. Bei nicht kleinen Fluktuationen h gilt das, was ich oben gesagt habe: die Kopplung des Standardmodells an nicht quantisierte Felder einschließlich der Gravitation ist nach allem was wir wissen mathematisch inkonsistent; und eine allgemein akzeptierte Theorie der Quantengravitation haben wir nicht. Eine solche umfassende Theorie müsste jedoch die verwendete Näherung enthalten.

Jedenfalls sind zwei vollständig entkoppelte Sektoren - jeder mit seinem eigenen Materiegehalt - in Anwesenheit von Gravitation unmöglich; die Gravitation induziert eine Erweiterung des Standardmodells um den exotischen Sektor mit einer Kopplung beider Sektoren - entweder perturbativ wie oben beschrieben, oder durch eine noch zu findende umfassender Theorie.

D.h. ausgehend von zwei vermeintlich vollständig entkoppelten Sektoren erhält man bei Anwesendheit von Gravitation immer (3).

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Zuletzt bearbeitet von TomS am 16. Jan 2021 11:26, insgesamt 10-mal bearbeitet
TomS
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Anmeldungsdatum: 20.03.2009
Beiträge: 18049

Beitrag TomS Verfasst am: 15. Jan 2021 22:08    Titel: Antworten mit Zitat

TomS hat Folgendes geschrieben:
zulu14 hat Folgendes geschrieben:
Ich würde gerne eine geometrisch basierte Idee für die DM in den Ring werfen, analog der gravitativen Raumzeitkrümmung der ART:

(Mindestens) eine parallele Raumzeit, vergleichbar der unseren, befindet/befinden sich auf derselben Bran wie unsere Raumzeit, allerdings betrachtet aus einem 5d-Bezugssystem heraus "vor" unserer Raumzeit.

"Dort" krümmen Massen, Energien, Felder ebenfalls die "dortige" Raumzeit, verbeulen aber zusätzlich auch noch unsere lokale Raumzeit.

Guter Punkt!

So eine Idee gab es schon im Rahmen der M-Theorie. 4-dim. Welt-Bran, eingebettet in eine 10/11-dim Mannigfaltigkeit mit rein gravitativer WW. Es könnte auch ein effektives Modell mit „warped Gravity“ sein.

Ich muss nachschauen.

Du findest Literatur unter den Suchbegriffen "dark matter" und "brane cosmology"

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DrStupid



Anmeldungsdatum: 07.10.2009
Beiträge: 5042

Beitrag DrStupid Verfasst am: 16. Jan 2021 16:29    Titel: Antworten mit Zitat

TomS hat Folgendes geschrieben:
Wenn wir uns also einig sind, dass DM (1 - 3) umfasst jedoch nicht (4), dann es falsch ist zu behaupten, die Existenz der DM im Sinne von (1 - 3) sei gesichert, mit oder ohne Bezug zur ART.


Um hier ein bisschen Ordnung rein zu bringen, definiere ich mal folgende Aussagen:

A = Die ART ist korrekt und muss nicht im Sinne von (4) erweitert oder korrigiert werden.
B = Es gibt DM im Sinne von (1-3)

Du behauptest hier, dass der Wahrheitsgehalt von B unabhängig von A ist. Das musst Du erklären. Wie kann B falsch sein, wenn A zutrifft?

Davon abgesehen widerspricht das der folgenden Aussage:

TomS hat Folgendes geschrieben:
Es lässt zunächst außer Acht, dass die Erklärung der Rotationskurven auch mittels (4) erfolgen könnte, ohne dass (1 - 3) herangezogen werden müsste. D.h. die ART könnte möglicherweise durch die Beobachtungen falsifiziert sein und durch etwas anderes ersetzt werden müssen.


Dass die ART ohne (1-3) durch die Beobachtungen falsifiziert wird und gemäß (4) korrigiert oder ersetzt werden muss, bedeutet not B → not A. Das ist logisch äquivalent zu A → B, was meiner obigen Aussage entspricht, die Du als Schwachsinn bezeichnest.

TomS hat Folgendes geschrieben:
Es könnte natürlich ebenso gut sein, dass die ART zutrifft und die Lösung ausschließlich bei (1 - 3) zu suchen wäre, insbs. bei (3), was in bestimmten Regimen einer Falsifizierung des Standardmodells entspräche.


Das deckt sich ebenfalls mit meiner Aussage A → B.

TomS hat Folgendes geschrieben:
Es ist darüber hinaus möglich, dass sowohl (1 - 3) als auch (4) benötigt werden, dass also weder das Standardmodell noch die ART alleine die Lösung liefern und beide einer Erweiterung bedürfen.


Wenn man Aussage B so verallgemeinert, dass es zwar DM im Sinne von (1-3) gibt, aber nicht unbedingt in der Menge und mit den Eigenschaften, von denen wir auf Basis von Beobachtungen und der ART ausgehen, dann ist das korrekt, steht aber nicht im Widerspruch zu meiner Aussage. A → B ist in diesem Fall nämlich nicht äquivalent zu not A → not B. Ich müsste meine Formulierung dann aber auch dahingehend ändern, dass die DM mindestens so sicher ist, wie die ART. Ist Dir das lieber?

TomS hat Folgendes geschrieben:
Da also außer (hoffentlich) den Beobachtungsdaten nichts bei (1 - 4) sicher ist


Natürlich kann in der Naturwissenschaft nichts absolut sicher sein. Das hat hier auch niemand behauptet. Aussagen können (und müssen) in der Naturwissenschaft aber experimentell gesichert werden. In dieser Hinsicht gibt es (vielleicht abgesehen von der QM) keine andere Theorie, die besser da steht als die ART. Einfach pauschal zu behaupten, dass hier nichts sicher sei, ist deshalb bestenfalls grob irreführend.

TomS hat Folgendes geschrieben:
Wir würden die korrekte Lösung bei (3) nicht erkennen. D.h. jedoch nicht, dass sie nicht bei (3) läge.


Was spielt das für eine Rolle, wenn es nicht experimentell überprüfbar ist? Wir reden hier schließlich immer noch über Physik.

TomS hat Folgendes geschrieben:
Die Kopplung des Standardmodells an nicht quantisierte Felder einschließlich der Gravitation ist nach allem was wir wissen mathematisch inkonsistent; bereits die Kopplung des Standardmodells an die Gravitation alleine ist nach allen gängigen Interpretationen der Quantenmechanik logisch inkonsistent. Das Problem wäre nur verschoben hin zu einer Theorie der Quantengravitation.


Richtig. Das Problem haben wir aber auch ohne DM. Zusätzliche Felder würden es nur noch verschlimmern (es sei denn sie liefern überraschenderweise eine einfache Lösung, an die bisher niemand gedacht hat).

DrStupid hat Folgendes geschrieben:
D.h. dass die kleinen Fluktuationen h der Metrik g um g_0 nach Ausintegration eine direkte Kopplung



des Standardmodells an den zweiten exotischen Sektor induzieren; damit haben wir nicht mehr das, was du ursprünglich erreichen wolltest, nämlich zwei völlig voneinander isolierte Teilchenfamilien.


Das ist interessant. Aber was bedeutet das praktisch? Wir tun uns ja schon schwer damit, ART und Standardmodell unter einen Hut zu bringen. Und dabei kennen wir beide ziemlich gut. Von Teilchen einer DM mit völlig neuen Wechselwirkungen wüssten wir auf absehbare Zeit so gut wie gar nichts. Wir hätten also schon ein Problem damit neben ART und Standardmodell eine weitere Theorie aufzustellen. Wir wüssten dann zwar von vorn herein, dass wir irgendwann alle irgendwie vereinen müssen. Aber das kann ewig dauern. Was machen wir bis dahin?
TomS
Moderator


Anmeldungsdatum: 20.03.2009
Beiträge: 18049

Beitrag TomS Verfasst am: 16. Jan 2021 18:38    Titel: Antworten mit Zitat

Um es kurz zu machen, ich komme von den Daten, nicht von einer rein logischen Beziehung zwischen Theorien ohne Berücksichtigung der Daten.

Deswegen fange ich nochmal ganz von vorne an.

Die Astrophysik basiert auf zwei wesentlichen Grundpfeilern, nämlich
i) der ART sowie
ii) der Physik von Materie und Strahlung (d.h. letztlich dem Standardmodell).
Daraus folgen viele beobachtbare und zum großen Teil auch bestätigte Konsequenzen. Es folgen jedoch auch einige Konsequenzen, die im expliziten Widerspruch zu Beobachtung stehen, insbs.
- Rotationskurven von Galaxien
- Gravitationslinseneffekte
- Galaxienbildung sowie großräumige Strukturen (Filamente, Voids)
- Winkelspektrum der kosmologischen Hintergrundstrahlung
Diese vier Phänomene lassen sich nicht quantitativ zutreffend aus (i) und (ii) berechnen, m.a.W., die Vorhersagen der Kombination von (i) und (ii) sind in diesen vier genannten Fällen falsch!

Daraus folgt, dass
a) entweder die ART,
b) oder das Standardmodell,
c) oder beide, d.h. sowohl die ART als auch das Standardmodell
bzgl. dieser vier genannten Effekte falsifiziert sind (im selben Sinne wie die Newtonsche Mechanik z.B. durch die Periheldrehung falsifiziert wird).

Nun behauptest du

DrStupid hat Folgendes geschrieben:
... und die ART ist so sicher wie eine Theorie in der Physik nur sein kann

Im hier diskutierten Kontext und aufgrund der vier genannten Phänomene ist es nicht von der Hand zu wiesen, dass die ART falsch sein könnte.

DrStupid hat Folgendes geschrieben:
In dieser Hinsicht gibt es keine andere Theorie, die besser da steht als die ART.

Es gibt nur die zwei genannten Grundpfeiler - ART und Standardmodell - und beide stehen im genannten Kontext auf wackligen Füßen.

DrStupid hat Folgendes geschrieben:
Aus astronomischen Beobachtungen und der ART folgt zwingend etwas mit den Eigenschaften dessen, was man als Dunkle Materie bezeichnet.

Ja, unter unter der Annahme, dass die ART zutrifft. Wie gesagt ist das keineswegs sicher.

Zusammenfassung: Aus den genannten Beobachtungen folgt, als dass a) die ART, oder b) das Standardmodell, oder c) beide gemeinsam unzureichend sind, um diese Beobachtungen zu erklären. Rein aus den Daten folgt zunächst nichts, was irgendwie darauf hindeuten würde, dass eine der drei Möglichkeiten (a - c) zu bevorzugen wäre.

Es ist also im hier diskutierten Kontext rein logisch ein völlig absurdes Vorurteil, dass die ART zutreffend sei und die Lösung wo anders zu suchen wäre.

Ich verstehe dich jedoch so, dass du meinst, es wäre naheliegend (oder gar zwingend?), an der ART festzuhalten und die Lösung der genannten Probleme wo anders zu suchen zu müssen. Rein logisch kannst du das nicht behaupten, das ist widersinnig.

Du müsstest also weitere, physikalische Argumente anführen, warum das Festhalten an der ART und die Lösung mittels Dunkler Materie physikalisch sinnvoller ist als das Modifizieren der ART und das Festhalten am Standardmodell ohne Einführung der Dunkler Materie.

Was wären denn derartige physikalische Argumente? Das wäre interessant!

Es gibt tatsächlich starke Gründe für Dark Matter und gegen Modified Gravity, es gibt umgekehrt aber auch immer mehr Gründe gegen viele konkrete Modelle zur Dark Matter, so dass auch Modified Gravity weiterhin eine potentielle Lösung sein könnte. Diese Gründe - das wären doch spannende Diskussionen!

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Zuletzt bearbeitet von TomS am 17. Jan 2021 08:21, insgesamt 6-mal bearbeitet
TomS
Moderator


Anmeldungsdatum: 20.03.2009
Beiträge: 18049

Beitrag TomS Verfasst am: 16. Jan 2021 18:49    Titel: Antworten mit Zitat

Dein letztes Zitat ist wieder falsch ;-)

DrStupid hat Folgendes geschrieben:
TomS hat Folgendes geschrieben:
D.h. dass die kleinen Fluktuationen h der Metrik g um g_0 nach Ausintegration eine direkte Kopplung



des Standardmodells an den zweiten exotischen Sektor induzieren; damit haben wir nicht mehr das, was du ursprünglich erreichen wolltest, nämlich zwei völlig voneinander isolierte Teilchenfamilien.

Das ist interessant. Aber was bedeutet das praktisch?

Es ging mir gar nicht darum, was das praktisch bedeutet, lediglich darum, dass deine Option jenseits von (3) und (4) - ein vom Standardmodell völlig entkoppelter Materiesektor - bei Einbeziehung der Gravitation nicht funktioniert.

DrStupid hat Folgendes geschrieben:
Von Teilchen einer DM mit völlig neuen Wechselwirkungen wüssten wir auf absehbare Zeit so gut wie gar nichts.

War ja nicht meine Idee, sondern deine ;-)

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DrStupid



Anmeldungsdatum: 07.10.2009
Beiträge: 5042

Beitrag DrStupid Verfasst am: 17. Jan 2021 13:28    Titel: Antworten mit Zitat

TomS hat Folgendes geschrieben:
Im hier diskutierten Kontext und aufgrund der vier genannten Phänomene ist es nicht von der Hand zu wiesen, dass die ART falsch sein könnte.


Niemand behauptet hier etwas anderes. Jede naturwissenschaftliche Theorie kann falsch sein. Das bedeutet aber nicht, dass es keinerlei Sicherheit gäbe. Der Wahrheitsgehalt von Aussagen wird in der Naturwissenschaft durch experimentelle Beobachtung überprüft. Eine Theorien gilt als umso sicherer, je öfter sie überprüft wird und je besser die Beobachtungen dabei mit ihren Aussagen übereinstimmen.

Die ART ist unzählige Male überprüft und bis jetzt immer bestätigt worden. Mehr geht nicht. Sie kann schließlich nicht öfter bestätigt werden als sie überprüft wird. Deshalb bleibe ich dabei, dass die ART so sicher ist, wie es eine physikalische Theorie nur sein kann. Da die verfügbaren astronomischen Beobachtungen bei Gültigkeit der ART zwangsläufig zur DM führen, ist die Existenz der DM mindestens genauso sicher.

TomS hat Folgendes geschrieben:
Es gibt nur die zwei genannten Grundpfeiler - ART und Standardmodell - und beide stehen im genannten Kontext auf wackligen Füßen.


Immerhin stehen sie auf Füßen. Wie sieht es denn mit den Alternativen aus? Sind die schon mal irgendwo experimentell bestätigt worden?

TomS hat Folgendes geschrieben:
Ja, unter unter der Annahme, dass die ART zutrifft. Wie gesagt ist das keineswegs sicher.
[...]
Rein aus den Daten folgt zunächst nichts, was irgendwie darauf hindeuten würde, dass eine der drei Möglichkeiten (a - c) zu bevorzugen wäre.


"Keineswegs" und "nichts"?! Du ignorierst hier mal eben so alle experimentellen Bestätigungen der ART und stellst unbestätigte Hypothesen gleichberechtigt neben bewährte Theorien und Naturgesetze. Das hat mit Naturwissenschaft nichts mehr zu tun.

TomS hat Folgendes geschrieben:
Du müsstest also weitere, physikalische Argumente anführen, warum das Festhalten an der ART und die Lösung mittels Dunkler Materie physikalisch sinnvoller ist als das Modifizieren der ART und das Festhalten am Standardmodell ohne Einführung der Dunkler Materie.


Nein, Du müsstest experimentelle Beobachtungen anführen, die gegen die ART sprechen. Welche sind das?
TomS
Moderator


Anmeldungsdatum: 20.03.2009
Beiträge: 18049

Beitrag TomS Verfasst am: 17. Jan 2021 16:06    Titel: Antworten mit Zitat

Und er kommt zu dem Ergebnis:
nur ein Traum war das Erlebnis.
Weil, so schließt er messerscharf,
nicht sein kann, was nicht sein darf.

(Christian Morgenstern)

Es tut mir leid das sagen zu müssen, aber du argumentierst zunehmend unwissenschaftlich. Deine Argumentation widerspricht sowohl Popper als auch Quine & Durham.

DrStupid hat Folgendes geschrieben:
Jede naturwissenschaftliche Theorie kann falsch sein. Das bedeutet aber nicht, dass es keinerlei Sicherheit gäbe. Der Wahrheitsgehalt von Aussagen wird in der Naturwissenschaft durch experimentelle Beobachtung überprüft.

Eine Theorien gilt als umso sicherer, je öfter sie überprüft wird und je besser die Beobachtungen dabei mit ihren Aussagen übereinstimmen.

Die ART ist unzählige Male überprüft und bis jetzt immer bestätigt worden. Mehr geht nicht.

Tatsache ist, dass die ART durch die vier genannten Probleme nicht verifiziert wird.

Dann würde ich gerne deinen letzten Satz gerne präzisieren:

Eine Theorien gilt in einem bestimmten Anwendungsbereich als umso sicherer, je öfter sie in diesem Anwendungsbereich überprüft wird und je besser die Beobachtungen dabei mit ihren Aussagen übereinstimmen.

Tatsache ist, dass die Vorhersagen aus der Kombination zweier - in anderen Anwendungsbereichen bestätigten - Theorien, durch die vier genannten Probleme widerlegt werden. Nochmal: die Kombination aus ART und Standardmodell wird in bestimmten Bereichen - Rotationskurven, Gravitationslinsen, Galaxienbildung u.a. großräumige Strukturen, CBR-Spektren - widerlegt.

Ein Wissenschaftler sollte jeden Anlass zum Zweifeln ernst nehmen; nach Popper sollten wir uns bemühen, Hypothesen zu falsifizieren. Das ist das Gegenteil von dem, was du gerade tust.

(Nicht dass wir uns falsch verstehen, du bist mit dieser Einstellung bzgl. der ART und des Lambda-CDM-Ansatzes nicht alleine; dadurch wird die Argumentation jedoch nicht schlüssiger).

DrStupid hat Folgendes geschrieben:
Da die verfügbaren astronomischen Beobachtungen bei Gültigkeit der ART zwangsläufig zur DM führen, ist die Existenz der DM mindestens genauso sicher.

Das ist logisch richtig, jedoch physikalisch wertlos, weil im Rahmen der genannten Phänomene eben keine Begründung für die Gültigkeit der ART vorliegt.

Dass die ART bei Phänomen X verifiziert wird, bedeutet nicht, dass sie bei Phänomen Y zutrifft, insbs. dann nicht, wenn sie - um bei Y zutreffenden Vorhersagen zu gelangen - ihrerseits eine unbewiesene Hypothese bemühen muss.

Das bringt mich zur Duhem-Quine-These:

In sum, the physicist can never subject an isolated hypothesis to experimental test, but only a whole group of hypotheses; when the experiment is in disagreement with his predictions, what he learns is that at least one of the hypotheses constituting this group is unacceptable and ought to be modified; but the experiment does not designate which one should be changed.“

https://plato.stanford.edu/entries/scientific-underdetermination/

Das ist genau das, was ich die ganze Zeit sage.

Nun mag es ad hominem klingen, wenn ich dir vorwerfe, dass du die in diesem Sinne falsch liegst; ich tu‘s trotzdem:

Du verteidigst ART + DM mit dem Hinweis auf die Erfolge der ART, ohne zu berücksichtigen, dass die DM eine unbestätigte Hypthese ist, deren Existenz ausschließlich mittels der Annahme der Gültigkeit der ART folgt - eine Gültigkeit, die nun gerade mittels der DM gerettet werden muss.

Die Begründung für die Existenz der DM ist die ART. Die Gültigkeit der ART folgt nur unter der Annahme der Existenz der DM. Ein klassischer logischer Zirkel!


Im Sinne von Duhem & Quine solltest du „the whole group of hypotheses“ bzw. „ a bundle of hypotheses“ in den Blick nehmen. Damit wird klar, dass sowohl die Bestätigung als auch die Widerlegeng einzelner Hypothesen zu kurz greifend.

Das ist das, was ich die ganze Zeit sage: keine Hypothese für sich kann als gesicherter Ausgangspunkt gelten - weder die ART noch das Standardmodell; die Gesamtheit der Hypothesen steht zu Disposition.

Das bedeutet natürlich nicht, dass man nicht unter der Annahme der Gültigkeit der ART Hypothesen zur DM untersuchen darf. Es bedeutet jedoch, dass es logisch und physikalisch gleichwertig ist, Alternativen oder Erweiterungen zur ART zu suchen, die insbs. im hier diskutierten Kontext dann auch von der ART abweichen.

Aber da weigerst du dich, versuchst dem o.g. Zirkelschluss zu entkommen, weil die ART ja anderweitig bestätigt sei, deswegen kommen wir wohl nicht zusammen.

(Zumindest was die Astrophysiker betrifft kann ich deren „pro ART“ sogar verstehen: warum die schöne ART hässlich machen, wenn doch die Theoretiker ständig neue Modelle zur DM entwickeln, die alle genannten Probleme lösen ... Scheiße, jetzt fangen jetzt die blöden Teilchenphysiker an, immer größere Klassen der DM-Kandidaten zu falsifizieren ... Aber das hatten wir vor ca. 100 Jahren schon mal ;-)

DrStupid hat Folgendes geschrieben:
Wie sieht es denn mit den Alternativen aus? Sind die schon mal irgendwo experimentell bestätigt worden?

Falsche Frage. Sind sie falsifiziert worden?

Das stärkstes Gegenargument ist m.W.n. der Bullet-Cluster. Hier existieren gegeneinander verschobene Zentren von sichtbarerer Materie sowie hypothetischer Dunkler Materie, wobei letzteres aus Berechnungen zum Zentrum der Lichtablenkung folgt.

Dieser Versatz lässt sich nur schwer durch MOND bzw. allgemein mittels Modified Gravity erklären. Es gibt jedoch auch Gegenargumente, denen zufolge auch der Bullet-Cluster mittels MOND ö.ä. plus einem geringen Anteil DM erklärbar ist, wobei letzterer auch durch gewöhnliche Materie erklärbar sein sollte, eben da der Beitrag eher klein ist.

Eine Smoking Gun contra Modified Gravity und pro Dark Matter ist der Bullet-Cluster - auch wenn das manchmal so dargestellt wird - nicht.


DrStupid hat Folgendes geschrieben:
Du ignorierst hier mal eben so alle experimentellen Bestätigungen der ART und stellst unbestätigte Hypothesen gleichberechtigt neben bewährte Theorien und Naturgesetze. Das hat mit Naturwissenschaft nichts mehr zu tun.

s.o.: dass die ART bei Phänomen X verifiziert wird, bedeutet nicht, dass sie bei Phänomen Y zutrifft, insbs. dann nicht, wenn sie um bei Y zutreffenden Vorhersagen zu gelangen, eine ihrerseits unbewiesene Hypothese bemühen muss.

Und ganz nebenbei: die Hypothese der DM, für die gegenwärtig ein einziges Argument spricht - wenn es sie gäbe, wäre unser Weltbild wieder in Ordnung - ist gute Wissenschaft? Etwas dünn, oder?

DrStupid hat Folgendes geschrieben:
Nein, Du müsstest experimentelle Beobachtungen anführen, die gegen die ART sprechen.

Erstens hast du nicht verstanden - oder weigerst dich, zur Kenntnis zu nehmen - dass ich nicht gegen die ART alleine argumentiere, sondern gegen die Vorstellung, die Hypothese der Korrektheit der ART wäre irgendwie zu bevorzugen - obwohl diese Hypothese wiederum einer anderen unbewiesenen Hypothese bedarf, die ihrerseits nur aus der ART folgt; ein logischer Zirkel.

Zweitens habe ich nicht den Eindruck, dass du bereit bist, ergebnisoffen zu diskutieren. Ich habe in einigen meiner Beiträge versucht, Argumente pro und contra anzusprechen. Ich habe auf diverse Probleme der Modified Gravity hingewiesen. Ich habe nie behauptet, die ART sei falsch, sondern lediglich die Möglichkeit in Betracht gezogen, sie könne im Kontext der diskutierten Phänomene falsch oder unvollständig sein - womit ich nicht alleine stehe. Ich habe nie ein „Modified-Gravity-Paradigma“ errichtet.

Drittens kamen von deiner Seite logische Spitzfindigkeiten, jedoch keinerlei Argumente mit physikalischem Gehalt. Es gibt durchaus ernstzunehmende Einwände gegen Modified Gravity; diese argumentieren jedoch, aus welchen konkreten Gründen eine konkrete Theorie unzureichend ist - und nicht, „dass Modified Gravity falsch ist, weil die ART richtig ist“. Und sorry, viel mehr als das hast du hier eigentlich nicht gesagt.

Wenn wir das ändern und konkrete Modelle mit Für und Wider diskutieren - sei‘s DM, Modified Gravity o.a. - diskutieren, dann gerne - ganz im Sinne von
Corbi hat Folgendes geschrieben:
Ich würde in diesem Thread gerne Argumente für und gegen Dunkle Materie sammeln.

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Beitrag DrStupid Verfasst am: 18. Jan 2021 19:31    Titel: Antworten mit Zitat

TomS hat Folgendes geschrieben:
Tatsache ist, dass die ART durch die vier genannten Probleme nicht verifiziert wird.


Das hat auch niemand behauptet.

TomS hat Folgendes geschrieben:
Ein Wissenschaftler sollte jeden Anlass zum Zweifeln ernst nehmen; nach Popper sollten wir uns bemühen, Hypothesen zu falsifizieren. Das ist das Gegenteil von dem, was du gerade tust.


Davon abgesehen, dass Du die ART hier schon wieder mit Hypothesen gleichsetzt, kann eine Falsifizierung nur auf Basis experimenteller Beobachtungen erfolgen. Zweifel allein genügen da nicht.

Und für den letzte Satz hätte ich gerne eine nachvollziehbare Begründung.

TomS hat Folgendes geschrieben:
Dass die ART bei Phänomen X verifiziert wird, bedeutet nicht, dass sie bei Phänomen Y zutrifft


Das ist doch nur ein Spezialfall der allgemeinen Tatsache, dass jede naturwissenschaftliche Theorie falsch sein kann.

TomS hat Folgendes geschrieben:
insbs. dann nicht, wenn sie - um bei Y zutreffenden Vorhersagen zu gelangen - ihrerseits eine unbewiesene Hypothese bemühen muss.


Was genau bedeutet das im vorliegenden Fall? Welche Hypothese ist hier für welche Vorhersage nötig?

TomS hat Folgendes geschrieben:
Du verteidigst ART + DM mit dem Hinweis auf die Erfolge der ART, ohne zu berücksichtigen, dass die DM eine unbestätigte Hypthese ist, deren Existenz ausschließlich mittels der Annahme der Gültigkeit der ART folgt - eine Gültigkeit, die nun gerade mittels der DM gerettet werden muss.


Entschuldige, dass ich das so deutlich sagen muss, aber das ist komplett falsch. Ich verteidige nicht ART + DM, sondern ART → DM. Das die DM aus der Annahme der Gültigkeit der ART folgt, habe ich nicht nur berücksichtigt, sondern dass ist der Kern meiner Aussage. Da gibt es auch nichts zu retten. Wenn es die DM so wie aus der ART abgeleitet gibt, dann ist die ART korrekt und muss nicht gerettet werden. Andernfalls ist die ART falsch und kann in ihrer jetzigen Form nicht gerettet werden.

TomS hat Folgendes geschrieben:
Die Begründung für die Existenz der DM ist die ART.


Und deshalb ist die Existenz der DM in der Menge und mit den Eigenschaften, von denen wie heute ausgehen, so sicher wie die Gültigkeit der ART.

TomS hat Folgendes geschrieben:
Die Gültigkeit der ART folgt nur unter der Annahme der Existenz der DM. Ein klassischer logischer Zirkel!


Es wäre ein Zirkel, wenn ich so argumentieren würde. Das habe ich aber nicht.

TomS hat Folgendes geschrieben:
Es bedeutet jedoch, dass es logisch und physikalisch gleichwertig ist, Alternativen oder Erweiterungen zur ART zu suchen, die insbs. im hier diskutierten Kontext dann auch von der ART abweichen.


Solange diese Alternativen nicht experimentell bestätigt sind und die ART nicht falsifiziert ist, sind sie nicht gleichwertig. Andernfalls wären wir wieder bei der altgriechischen Naturphilosophie.

TomS hat Folgendes geschrieben:
s.o.: dass die ART bei Phänomen X verifiziert wird, bedeutet nicht, dass sie bei Phänomen Y zutrifft, insbs. dann nicht, wenn sie um bei Y zutreffenden Vorhersagen zu gelangen, eine ihrerseits unbewiesene Hypothese bemühen muss.


s.o.: das gilt grundsätzlich für alle physikalischen Theorien - nicht nur für die ART.

TomS hat Folgendes geschrieben:
Ich habe nie behauptet, die ART sei falsch, sondern lediglich die Möglichkeit in Betracht gezogen, sie könne im Kontext der diskutierten Phänomene falsch oder unvollständig sein - womit ich nicht alleine stehe.


Und ich habe nie behauptet, die ART sei richtig und ziehe ebenfalls in Betracht, sie könne falsch oder unvollständig sein – nicht nur im Kontext der hier diskutierten Phänomene. Wir stimmen hier also grundsätzlich überein. Das macht es allerdings noch unverständlicher, dass Du meine obige Aussage für Schwachsinn hältst.
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Beitrag TomS Verfasst am: 18. Jan 2021 21:06    Titel: Antworten mit Zitat

Wollen wir jetzt mit dem Kindergarten aufhören und vernünftig weitermachen?

TomS hat Folgendes geschrieben:
Das stärkstes Gegenargument ist m.W.n. der Bullet-Cluster. Hier existieren gegeneinander verschobene Zentren von sichtbarerer Materie sowie hypothetischer Dunkler Materie, wobei letzteres aus Berechnungen zum Zentrum der Lichtablenkung folgt.

Dieser Versatz lässt sich nur schwer durch MOND bzw. allgemein mittels Modified Gravity erklären. Es gibt jedoch auch Gegenargumente, denen zufolge auch der Bullet-Cluster mittels MOND ö.ä. plus einem geringen Anteil DM erklärbar ist, wobei letzterer auch durch gewöhnliche Materie erklärbar sein sollte, eben da der Beitrag eher klein ist.

Eine Smoking Gun contra Modified Gravity und pro Dark Matter ist der Bullet-Cluster - auch wenn das manchmal so dargestellt wird - nicht.

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Beitrag TomS Verfasst am: 19. Jan 2021 09:27    Titel: Antworten mit Zitat

DrStupid hat Folgendes geschrieben:
Ich verteidige nicht ART + DM, sondern ART → DM. Dass die DM aus der Annahme der Gültigkeit der ART folgt, habe ich nicht nur berücksichtigt, sondern dass ist der Kern meiner Aussage. Da gibt es auch nichts zu retten. Wenn es die DM so wie aus der ART abgeleitet gibt, dann ist die ART korrekt und muss nicht gerettet werden. Andernfalls ist die ART falsch und kann in ihrer jetzigen Form nicht gerettet werden.

Danke.

Da jedoch im Kontext der betrachteten Phänomene folgende Schlussfolgerung zwar logisch und physikalisch zulässig ist



die folgenden Schlussfolgerung jedoch in diesem Kontext logisch nicht zwingend gelten







und weil die Hypothesen







rein logisch gleichwertig sind, hilft dir die rein logische Betrachtung physikalisch nichts.

Hypothese jeweils deshalb, weil es nunmal eine Hypothese ist, dass eine Theorie in einem Bereich gültig ist, wenn sie dort nur unter Zuhilfenahme weiterer Hypothesen gerettet werden kann.

Diese Hypothesen müssen physikalisch bewertet werden, und da sehe ich nicht, dass eine so viel besser abschneiden würde als die anderen (innerhalb der Community mag es da einen deutlichen Social Bias geben).

Jedenfalls ist das Rennen m.M.n. heute ziemlich offen, wenn man einerseits berücksichtigt, dass bisher keine exotische DM in unabhängigen Experimenten bestätigt wurde, und andererseits Lambda-CDM auch an anderen Stellen zunehmend in die Kritik gerät: Einige Messungen zur beschleunigten Expansionen liefern Hinweise, dass ein fester, entfernungsunabhängiger Wert von Lambda nicht mehr gesichert ist; eine Analyse der ursprünglichen Daten zur beschleunigten Expansion liefern Hinweise, dass es da einen Sample-Bias gab.

Insgs. würde ich nicht behaupten wollen, dass da irgendetwas gesichert sei, und daher sind alle Hypothesen gleichrangig zu untersuchen (dass dies ggw. nicht der Fall ist, hat viele historische und vermutlich auch soziologische Gründe).

Deswegen nochmal die Bitte, physikalisch und nicht logisch zu diskutieren; letzteres bringt bei zig unbestätigten Prämissen nichts.

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Beitrag DrStupid Verfasst am: 19. Jan 2021 19:42    Titel: Antworten mit Zitat

TomS hat Folgendes geschrieben:
die folgenden Schlussfolgerung jedoch in diesem Kontext logisch nicht zwingend gelten








Natürlich gelten die nicht. Das spielt für meine Aussage aber keine Rolle. Weder ziehe ich diese Schlussfolgerungen, noch beziehe ich mich darauf.

TomS hat Folgendes geschrieben:
TomS hat Folgendes geschrieben:
und weil die Hypothesen







rein logisch gleichwertig


Was genau bedeutet es, dass Hypothesen rein logisch gleichwertig sind? Als Aussagen sind sie zumindest nicht logisch gleichwertig. Sie sind auch nicht gleichwertig im Sinne der naturwissenschaftlichen Methodik, weil die ART eine experimentell bestätigte Theorie ist und Modified Gravity nur eine unbestätigte Hypothese. Wenn es da keinen Unterschied gäbe, dann könnte hier jeder Crackpot mit seiner Privattheorie aufwarten. (Nur damit wir uns nicht falsch verstehen: Das heißt nicht, dass Modified Gravity unwissenschaftlich ist, sondern dass die Grenze zwischen Naturwissenschaft und Pseudowissenschaft verschwimmen würde.)

TomS hat Folgendes geschrieben:
Hypothese jeweils deshalb, weil es nunmal eine Hypothese ist, dass eine Theorie in einem Bereich gültig ist, wenn sie dort nur unter Zuhilfenahme weiterer Hypothesen gerettet werden kann.


Ich weiß noch immer nicht, was Du damit meinst. Was heißt "retten" und welche Hypothesen wären das?

TomS hat Folgendes geschrieben:
Diese Hypothesen müssen physikalisch bewertet werden


Das geht in der Naturwissenschaft nur auf Grundlage experimenteller Beobachtungen. Welche kommen da in Frage?

TomS hat Folgendes geschrieben:
Insgs. würde ich nicht behaupten wollen, dass da irgendetwas gesichert sei, und daher sind alle Hypothesen gleichrangig zu untersuchen (dass dies ggw. nicht der Fall ist, hat viele historische und vermutlich auch soziologische Gründe).


Ob das im Widerspruch zu meiner Aussage steht, hängt davon ab, was Du mit "gesichert" meinst.
TomS
Moderator


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Beitrag TomS Verfasst am: 19. Jan 2021 22:19    Titel: Antworten mit Zitat

Nachdem ich selbst mehrfach vorgeschlagen habe, die Logik ruhen zu lassen, nur ganz kurz:

DrStupid hat Folgendes geschrieben:
Was genau bedeutet es, dass Hypothesen rein logisch gleichwertig sind? Als Aussagen sind sie zumindest nicht logisch gleichwertig.

Mit logisch gleichwertig ist gemeint, dass sie allesamt logisch weder bestätigt noch widerlegt sind oder widerlegt werden können.


Ab jetzt wieder zur Physik:

DrStupid hat Folgendes geschrieben:
Sie sind auch nicht gleichwertig im Sinne der naturwissenschaftlichen Methodik, weil die ART eine experimentell bestätigte Theorie ist und Modified Gravity nur eine unbestätigte Hypothese. Wenn es da keinen Unterschied gäbe, dann könnte hier jeder Crackpot mit seiner Privattheorie aufwarten. (Nur damit wir uns nicht falsch verstehen: Das heißt nicht, dass Modified Gravity unwissenschaftlich ist, sondern dass die Grenze zwischen Naturwissenschaft und Pseudowissenschaft verschwimmen würde.)

Fangen wir von hinten an: es heißt auch, dass die Grenzen zwischen Theorie und Hypothese unscharf sind. Dass die ART eine in weiten Bereichen experimentell bestätigte Theorie ist und Modified Gravity nur eine unbestätigte Hypothese, ist zunächst mal richtig; aber die ART ist aber in diesem Kontext keine bestätigte Theorie; siehe Beispiele weiter unten *)

Den Unterschied zwischen den Hypothesen “ART + DM” und “Modified Gravity” kann man nicht quantifizieren. Solange keine endgültigen Ergebnisse vorliegen, sind es zwei logisch äquivalente Hypothesen, die verschiedene Physiker subjektiv unterschiedlich bewerten.

Übrigens sind viele Theorien zur Modified Gravity im selben Sinne Erweiterungen zur ART wie Theorien zur DM Erweiterungen zum Standardmodell sind. Auch von daher eher Gleichstand.

DrStupid hat Folgendes geschrieben:
TomS hat Folgendes geschrieben:
Hypothese jeweils deshalb, weil es nunmal eine Hypothese ist, dass eine Theorie in einem Bereich gültig ist, wenn sie dort nur unter Zuhilfenahme weiterer Hypothesen gerettet werden kann.

Ich weiß noch immer nicht, was Du damit meinst. Was heißt "retten" und welche Hypothesen wären das?

Hypothese deshalb, weil es nunmal eine Hypothese ist, dass die ART in einem Bereich gültig ist, wo ihre ihre Gültigkeit nur unter Zuhilfenahme der Hypothese DM gerettet werden kann.

Beispiele zu *)

Die Newtonsche Auffassung von Raum und Zeit konnte nicht unter Zuhilfenahme der Hypothese des Äthers gerettet werden. Dagegen konnte der Energieerhaltungssatz tatsächlich unter Zuhilfenahme der Hypothese des Neutrinos gerettet werden.

Eine schlüssige Bewertung ist aber nur ex post möglich. Trotzdem ist natürlich klar und legitim, dass Physiker zu einer jeweils subjektiven Bewertung kommen, welche Hypothese erfolgversprechender ist oder attraktiver erscheint. Nichts dagegen einzuwenden, aber eben weder logisch noch objektiv.

DrStupid hat Folgendes geschrieben:
TomS hat Folgendes geschrieben:
Diese Hypothesen müssen physikalisch bewertet werden

Das geht in der Naturwissenschaft nur auf Grundlage experimenteller Beobachtungen. Welche kommen da in Frage?

Gegenwärtig spielen experimentelle Beobachtungen m.E. keine wirklich herausragende Rolle. Sie haben bereits die wesentlichen Lücken im etablierten Weltbild aufgezeigt, und sie tun dies in zunehmendem Maße - siehe z.B. das Argument bzgl. Lambda-CDM.

Bzgl. der Hypothesen sind aber wohl eher die Theoretiker am Zug.

Zum ersten müssten Theorien zu Modifikationen oder Erweiterungen der ART ähnlich detailliert ausformuliert untersucht werden wie die zu “exotischer Materie”. Letztere haben - historisch bedingt - einen enormen Vorsprung.

Zum zweiten müssten sich die Theoretiker noch stärker vom Paradigma “SUSY” oder “Strings => SUSY” lösen, das über Jahrzehnte quasi das alleinige Heilsversprechen war. Nicht, dass es falsch ist, es bindet jedoch vergleichsweise viele Ressourcen bei zugleich geringem Fortschritt und verhindert Vielfalt in der Forschung (seit Jahrzehnten).

Genial wäre natürlich ein ähnlicher Paradigmenwechsel, wie ihn die QM oder die ART geleistet haben. Ich habe eh den Eindruck, dass wir uns in einer Phase vergleichbar zum Beginn des letzten Jahrhunderts befinden, wo viele einstmals etablierte Ansichten zugleich in Frage gestellt wurden.

Auch die Haltung vieler Physiker erinnert zunehmend an die Abwehrhaltung Plancks gegen die eigene Idee, später die Abwehrhaltung der “Altvorderen” gegen die “neue Quantenmechanik”.

Wenn ich wetten müsste, dann auf ein neues Paradigma wie “emergent Gravity”.

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jh8979
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Beitrag jh8979 Verfasst am: 19. Jan 2021 23:55    Titel: Antworten mit Zitat

TomS hat Folgendes geschrieben:

Zum zweiten müssten sich die Theoretiker noch stärker vom Paradigma “SUSY” oder “Strings => SUSY” lösen, das über Jahrzehnte quasi das alleinige Heilsversprechen war. Nicht, dass es falsch ist, es bindet jedoch vergleichsweise viele Ressourcen bei zugleich geringem Fortschritt und verhindert Vielfalt in der Forschung (seit Jahrzehnten).

Ich bin mir nicht sicher, ob das stimmt: es gibt so viele (Teilchen)Modelle zu DM mit und ohne SUSY. Ein Problem ist, dass eine ganze Klasse von Modellen einfach kaum zu berechnen ist, nämlich alle, die auf neuen starken Wechselwirkungen beruhen (Technicolor, etc). Ein weiteres Problem der Teilchenphysiker ist, dass es keine offensichtlichen, experimentellen Befunde in der Teilchenphysik selber gibt, die einem sage, wie man weitermachen soll. (Das kann man als Argument für Modified Gravity sehen, muss man aber nicht.)
Zitat:

Genial wäre natürlich ein ähnlicher Paradigmenwechsel, wie ihn die QM oder die ART geleistet haben. Ich habe eh den Eindruck, dass wir uns in einer Phase vergleichbar zum Beginn des letzten Jahrhunderts befinden, wo viele einstmals etablierte Ansichten zugleich in Frage gestellt wurden.

Ich denke ehrlich gesagt nicht, dass wir in so einer Phase sind. Ich finde, dafür gibt es schlicht zu wenig wirklich unerklärtes. DM wäre ein Beispiel, aber es ist ohne Probleme möglich sich eine Erweiterung des SM zu bauen, die DM erklärt und noch nicht ausgeschlossen ist. (Wäre in der Regel sicher nicht schön, würde sonst nichts erklären, aber so what?)
Zitat:

Auch die Haltung vieler Physiker erinnert zunehmend an die Abwehrhaltung Plancks gegen die eigene Idee, später die Abwehrhaltung der “Altvorderen” gegen die “neue Quantenmechanik”.

Auch dies halte ich für arg fatalistisch. Ich glaube schon, dass wir (als Physik-Community) heute soweit sind, dass uns eine neue Theorie, die Experimente korrekt beschreiben kann, überzeugen würde.
Zitat:

Wenn ich wetten müsste, dann auf ein neues Paradigma wie “emergent Gravity”.

Würde ich dagegen wetten (Kasten Bier? Ein paar Flaschen guten Wein? Prost ).
Auch wenn ich so ein neues Paradigma extrem interessant spannend finden würde.
TomS
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Beitrag TomS Verfasst am: 20. Jan 2021 07:10    Titel: Antworten mit Zitat

jh8979 hat Folgendes geschrieben:
TomS hat Folgendes geschrieben:

Zum zweiten müssten sich die Theoretiker noch stärker vom Paradigma “SUSY” oder “Strings => SUSY” lösen, das über Jahrzehnte quasi das alleinige Heilsversprechen war. Nicht, dass es falsch ist, es bindet jedoch vergleichsweise viele Ressourcen bei zugleich geringem Fortschritt und verhindert Vielfalt in der Forschung (seit Jahrzehnten).

Ich bin mir nicht sicher, ob das stimmt: es gibt so viele (Teilchen)Modelle zu DM mit und ohne SUSY. Ein Problem ist, dass eine ganze Klasse von Modellen einfach kaum zu berechnen ist, nämlich alle, die auf neuen starken Wechselwirkungen beruhen (Technicolor, etc).

Gut, Technicolor ist sicher eine Ausnahmsweise.

Meine Wahrnehmung - mag unzutreffend sein - ist dennoch, dass die Astrophysik den Versprechungen geglaubt hat, SUSY et al. würden es sozusagen als Dreingabe schon richten, und gleichzeitig die eigtl. Kernprobleme der QFTs lösen.

jh8979 hat Folgendes geschrieben:
Ein weiteres Problem der Teilchenphysiker ist, dass es keine offensichtlichen, experimentellen Befunde in der Teilchenphysik selber gibt, die einem sage, wie man weitermachen soll. (Das kann man als Argument für Modified Gravity sehen, muss man aber nicht.)

Zumindest sollte man es als Indiz ansehen, dass Alternativen außerhalb der Teilchenphysik relevant sein könnten.

Und deswegen halte ich das Insistieren auf DM, das man in einigen Darstellungen findet, inzwischen für ziemlich unpassend. Es ist doch absurdes Wunschdenken, DM als bestes Modell darzustellen, wenn DM gleichzeitig experimentell in immer weiteren Bereichen ausgeschlossen werden muss.

jh8979 hat Folgendes geschrieben:
Zitat:
Genial wäre natürlich ein ähnlicher Paradigmenwechsel, wie ihn die QM oder die ART geleistet haben. Ich habe eh den Eindruck, dass wir uns in einer Phase vergleichbar zum Beginn des letzten Jahrhunderts befinden, wo viele einstmals etablierte Ansichten zugleich in Frage gestellt wurden.

Ich denke ehrlich gesagt nicht, dass wir in so einer Phase sind. Ich finde, dafür gibt es schlicht zu wenig wirklich unerklärtes. DM wäre ein Beispiel, aber es ist ohne Probleme möglich sich eine Erweiterung des SM zu bauen, die DM erklärt und noch nicht ausgeschlossen ist. (Wäre in der Regel sicher nicht schön, würde sonst nichts erklären, aber so what?)

Ich halte Lambda-CDM inzwischen für ziemlich fragwürdig.

Zum letzten Punkt: es ist sicher ohne Probleme möglich, Erweiterungen des SM zu bauen, die DM erklären und noch nicht ausgeschlossen sind; diese Erweiterungen lösen jedoch zunehmend weniger die Probleme des SM selbst, die sie eigentlich lösen sollten, weil die Energieskalen nicht mehr passen.

Die Attraktivität derartiger Modelle ist m.E. gering.

jh8979 hat Folgendes geschrieben:
Zitat:
Auch die Haltung vieler Physiker erinnert zunehmend an die Abwehrhaltung Plancks gegen die eigene Idee, später die Abwehrhaltung der “Altvorderen” gegen die “neue Quantenmechanik”.

Auch dies halte ich für arg fatalistisch. Ich glaube schon, dass wir (als Physik-Community) heute soweit sind, dass uns eine neue Theorie, die Experimente korrekt beschreiben kann, überzeugen würde.

Letzteres glaube ich auch.

Mein Vergleich hinkt tatsächlich, weil es eben diese neue Theorie noch nicht gibt.

jh8979 hat Folgendes geschrieben:
Zitat:
Wenn ich wetten müsste, dann auf ein neues Paradigma wie “emergent Gravity”.

Würde ich dagegen wetten (Kasten Bier? Ein paar Flaschen guten Wein? :prost: ).
Auch wenn ich so ein neues Paradigma extrem interessant spannend finden würde.

Wettest du einfach nur dagegen, oder hast du eine Alternative?

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DrStupid



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Beitrag DrStupid Verfasst am: 20. Jan 2021 09:39    Titel: Antworten mit Zitat

TomS hat Folgendes geschrieben:
Mit logisch gleichwertig ist gemeint, dass sie allesamt logisch weder bestätigt noch widerlegt sind oder widerlegt werden können.


Demnach wäre die Hypothese, dass mit dem nächsten Wurf eine 6 gewürfelt wird, logisch gleichwertig mit der Hypothese, dass keine 6 gewürfelt wird. Bevor die Würfel gefallen sind kann schließlich keine der beiden Annahmen bestätigt oder widerlegt werden. Trotzdem gibt es Gründe eine davon zu bevorzugen.

TomS hat Folgendes geschrieben:
Aber im Kontext der diskutierten Phänomene ist es eben auch nur eine Hypothese, dass die ART zutrifft; die ART ist eben in diesem Kontext nicht gut abgesichert; siehe unten.


Wie ich bereits sagte, gilt das für jede naturwissenschaftliche Theorie. Allerdings schränkst Du ja selbst ein, dass die ART außerhalb des bestätigten Gültigkeitsbereiches "nicht gut abgesichert" ist. Das ist besser als gar nicht abgesichert. Die ART hat bewiesen, dass sie Aussagen machen kann, die nicht ihrer Entwicklung zugrunde lagen (z.B. Gravitationswellen). Für "Modified Gravity" gibt es bislang überhaupt keine experimentelle Bestätigung und solange sie im Bereich der DM so wenig überprüft werden kann wie die ART, dürfte sie obendrein auch noch komplizierter werden, ohne bessere Vorhersagen zu machen.

TomS hat Folgendes geschrieben:
Übrigens sind viele Theorien zur Modified Gravity im selben Sinne Erweiterungen zur ART wie Theorien zur DM Erweiterungen zum Standardmodell sind. Auch von daher eher Gleichstand.


Auch nicht ganz. Im Gegensatz zur ART ist das Standardmodell nicht vollständig mit experimentellen Beobachtungen vereinbar. Es steht in dieser Hinsicht also etwas schlechter da. Das Problem beim Standardmodell zu suchen, liegt deshalb näher.

TomS hat Folgendes geschrieben:
Hypothese deshalb, weil es nunmal eine Hypothese ist, dass die ART in einem Bereich gültig ist, wo ihre ihre Gültigkeit nur unter Zuhilfenahme der Hypothese DM gerettet werden kann.


Dass Naturgesetze auch dort gelten, wo sie noch nicht überprüft wurden, ist eine Hypothese, die der gesamten Naturwissenschaft zugrunde liegt. Andernfalls könnten wir gar keine Theorien formulieren, sondern hätten nur Sammlungen von isolierten Einzelbeobachtungen. In dieser Hinsicht ist die ART also nichts Besonderes.

Darüber hinaus ist die Existenz der DM keine willkürliche Annahme, sondern eine aus Messdaten und der ART abgeleitete Aussage, die experimentell überprüft werden muss. Ansatzweise ist das jetzt schon möglich. Wenn die DM beispielsweise in der Menge und mit den Eigenschaften existiert, die sie laut ART haben muss, dann sollte ihre Verteilung aufgrund zufälliger Schwankungen in den Anfangsbedingungen nicht vollständig mit der Verteilung der sichtbaren Materie korrelieren. Das könnte beispielsweise bedeuten dass das Verhältnis zwischen DM und sichtbarer Materie nicht bei allen Galaxien gleich ist. Dass sich das mit den Beobachtungen deckt, spricht für die ART und ist ein Problem für Versuche, die die Dynamik von Galaxien ohne DM zu beschreiben.

TomS hat Folgendes geschrieben:
Gegenwärtig spielen experimentelle Beobachtungen m.E. keine wirklich herausragende Rolle.


Das halte ich für ein Problem. Die Aufgabe der Naturwissenschaft ist die Beschreibung der Natur, so wie sie sich uns darstellt. Wie will man eine "Modified Gravity" entwickeln, die das "in diesem Kontext" besser können soll, als die ART, wenn man gar nicht weiß, wie die Natur dort tatsächlich aussieht?
TomS
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Beitrag TomS Verfasst am: 20. Jan 2021 10:20    Titel: Antworten mit Zitat

DrStupid hat Folgendes geschrieben:
Wie ich bereits sagte, gilt das für jede naturwissenschaftliche Theorie. Allerdings schränkst Du ja selbst ein, dass die ART außerhalb des bestätigten Gültigkeitsbereiches "nicht gut abgesichert" ist. Das ist besser als gar nicht abgesichert. Die ART hat bewiesen, dass sie Aussagen machen kann, die nicht ihrer Entwicklung zugrunde lagen (z.B. Gravitationswellen). Für "Modified Gravity" gibt es bislang überhaupt keine experimentelle Bestätigung und solange sie im Bereich der DM so wenig überprüft werden kann wie die ART, dürfte sie obendrein auch noch komplizierter werden, ohne bessere Vorhersagen zu machen.

Viele Theorien der Modified Gravity sind technisch gesehen Erweiterungen zur ART, d.h. sie sind in anderen Bereichen exakt so gut abgesichert wie die ART selbst. Das unterscheidet Modified Gravity in nichts von vielen Theorien zur exotischen Materie.

Zur Komplexität der Modified Gravity: diese ist gering im Vergleich zu den inzwischen notwendigen Konstrukten insbs. zu SUSY. Am besten einfach mal die Lagrangedichten vergleichen ;-)

TomS hat Folgendes geschrieben:
Übrigens sind viele Theorien zur Modified Gravity im selben Sinne Erweiterungen zur ART wie Theorien zur DM Erweiterungen zum Standardmodell sind. Auch von daher eher Gleichstand.


DrStupid hat Folgendes geschrieben:
Im Gegensatz zur ART ist das Standardmodell nicht vollständig mit experimentellen Beobachtungen vereinbar. Es steht in dieser Hinsicht also etwas schlechter da. Das Problem beim Standardmodell zu suchen, liegt deshalb näher.

Probleme beim Standardmodell zu suchen ist tatsächlich naheliegend.

Nur:

Welche experimentellen Beobachtungen widersprechen dem Standardmodell? die Neutrinomassen und eventuell - die Gültigkeit der ART vorausgesetzt - die Existenz exotischer dunkler Materie.

Welche experimentellen Beobachtungen widersprechen dementsprechend ART? die Rotationskurven etc. - die Gültigkeit des SM vorausgesetzt.

Dass das SM schlechter dasteht als die ART, ist sicher nicht objektiv bewertbar sondern deine subjektive Meinung (mit der du möglicherweise nicht alleine da stehst, die aber auch nicht alle Physiker teilen).

DrStupid hat Folgendes geschrieben:
Darüber hinaus ist die Existenz der DM keine willkürliche Annahme, sondern eine aus Messdaten und der ART abgeleitete Aussage, die experimentell überprüft werden muss.

Ja.

Und die Existenz der Modified Gravity ist ebenfalls keine willkürliche Annahme, sondern eine aus Messdaten, der ART und dem SM abgeleitete Aussage, die experimentell überprüft werden muss ;-)


DrStupid hat Folgendes geschrieben:
Wenn die DM beispielsweise in der Menge und mit den Eigenschaften existiert, die sie laut ART haben muss, dann sollte ihre Verteilung aufgrund zufälliger Schwankungen in den Anfangsbedingungen nicht vollständig mit der Verteilung der sichtbaren Materie korrelieren. Das könnte beispielsweise bedeuten dass das Verhältnis zwischen DM und sichtbarer Materie nicht bei allen Galaxien gleich ist. Dass sich das mit den Beobachtungen deckt, spricht für die ART und ist ein Problem für Versuche, die die Dynamik von Galaxien ohne DM zu beschreiben.

Ja, das ist richtig, das geht in die selbe Richtung wie die Argumente zum Bullet Cluster und die zur Oszillationen der CMB. Ganz allgemein gesprochen kann die Verteilung der DM ggü. der Materie des SM verschoben sein; das ist m.W.n. bei Modified Gravity so nicht möglich, deswegen erfordert letztere zusätzlich einen gewissen Beitrag DM; das ist noch kein KO-Kriterium, aber zunächst mal extrem unschön. Ich denke. Modified Gravity wird nur dann eine ernst zunehmende Alternative sein, wenn diese fehlende DM vollständig mittels gewöhnlicher Materie (baryon ich dark matter, ...) erklärt werden kann.

Gleichzeitig ist dies aber auch nicht verwunderlich. DM führt einfach mehr Freiheiten in die Dynamik ein als Modified Gravity, deswegen lassen sich die Daten leichter fitten ;-) Generell sind alle Theorien zur Modified Gravity, die ich kenne, deutlich sparsamer als viele Theorien zur exotischen DM (Axionen und Sterile Neutrinos ausgenommen; insbs. SUSY wird geradezu bizarr)

DrStupid hat Folgendes geschrieben:
TomS hat Folgendes geschrieben:
Gegenwärtig spielen experimentelle Beobachtungen m.E. keine wirklich herausragende Rolle.

Das halte ich für ein Problem. Die Aufgabe der Naturwissenschaft ist die Beschreibung der Natur, so wie sie sich uns darstellt. Wie will man eine "Modified Gravity" entwickeln, die das "in diesem Kontext" besser können soll, als die ART, wenn man gar nicht weiß, wie die Natur dort tatsächlich aussieht?

Heute kann keiner der beiden Ansätze alle vorliegenden Daten vollumfänglich erklären: die Modified Gravity hat die o.g. Probleme, die DM das zentrale Problem, dass der Nachweis fehlt.

Gerade bei der Modified Gravity haben erst mal die Theoretiker noch Nachholbedarf, existierende Daten vollständig zu erklären. Natürlich sollte die Modified Gravity darüberhinaus neue Vorhersagen machen, die dann experimentell zu überprüfen wären.

Ist halt ein Wechselspiel zwischen Theorie und Experiment, aktuell liegen die Astronomen m.M.n. an einigen Stellen in Führung (Rotationskurven, Gravitationslinsen), an anderen eher nicht (z.B. Lambda auf verschiedenen Skalen).

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DrStupid



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Beitrag DrStupid Verfasst am: 20. Jan 2021 12:53    Titel: Antworten mit Zitat

TomS hat Folgendes geschrieben:
Welche experimentellen Beobachtungen widersprechen dem Standardmodell? die Neutrinomassen und eventuell - die Gültigkeit der ART vorausgesetzt - die Existenz exotischer dunkler Materie.


Da die Existenz der DM das SM nur mit zusätzlichen Annahmen falsifiziert, die noch nicht experimentell bestätigt sind (dazu gehört meines Wissens auch die Annahme, dass primordiale Schwarze Löcher allein nicht ausreichen würden), bleiben hier momentan "nur" die Neutrinomassen.

TomS hat Folgendes geschrieben:
Welche experimentellen Beobachtungen widersprechen dementsprechend ART? die Rotationskurven etc. - die Gültigkeit des SM vorausgesetzt.


Da die Rotationskurven die ART nur bei Gültigkeit des SM falsifizieren würden, welches wegen der Neutrinomassen in Frage steht, beliebt hier momentan nichts übrig. Das heißt 1:0 für die ART.

TomS hat Folgendes geschrieben:
Und die Existenz der Modified Gravity ist ebenfalls keine willkürliche Annahme, sondern eine aus Messdaten, der ART und dem SM abgeleitete Aussage, die experimentell überprüft werden muss ;-)


So einfach kannst Du es Dir nicht machen. Da eine Aussage nicht den Voraussetzungen widersprechen darf, aus denen sie hergeleitet wurde, könnte eine Modified Gravity, die u.a. aus der ART hergeleitet wurde, keine Aussagen machen die der ART widersprechen. Das schließt ein, dass sie nicht zu weniger oder gar keiner DM führen dürfte.

TomS hat Folgendes geschrieben:
DM führt einfach mehr Freiheiten in die Dynamik ein als Modified Gravity, deswegen lassen sich die Daten leichter fitten ;-)


Das ist natürlich richtig und es muss sich noch zeigen, ob eine Modified Gravity flexibel genug sein kann, um zu den Daten zu passen, ohne dabei absurd kompliziert zu werden.

TomS hat Folgendes geschrieben:
insbs. SUSY wird geradezu bizarr


Das ist nicht ihr einziges Problem. Sie wurde noch nirgends bestätigt und einige Vorhersagen wurden experimentell widerlegt. Momentan muss man geradezu hoffen, dass es dabei bleibt. Denn wenn sie doch noch irgendwo bestätigt werden sollte, dann müsste man erklären, warum die Symmetrie, aus der sie ursprünglich resultiert, gebrochen ist. Bildlich gesprochen sitz SUSY auf einem Ast, der schon halb durch gesägt ist.

TomS hat Folgendes geschrieben:
Heute kann keiner der beiden Ansätze alle vorliegenden Daten vollumfänglich erklären: die Modified Gravity hat die o.g. Probleme, die DM das zentrale Problem, dass der Nachweis fehlt.


Für die Modified Gravity fehlt der Nachweis doch genauso – zusätzlich zu den o.g. Problemen. Es ist nichts dagegen einzuwenden, wenn man alle verfügbaren Informationen (einschließlich ART und gesicherten Aussagen des Standardmodell und astronomischen Beobachtungen) in einer gemeinsamen Theorie vereint. Vor dieser Aufgabe stehen wir mit oder ohne DM. Man sollte es aber nicht mit dem Ziel tun, die DM erklären oder vermeiden zu wollen. Man läuft hier Gefahr, die Theorie an eine Erwartung anzupassen, die nicht durch experimentelle Daten gesichert ist. Es wäre nicht das erste Mal, dass so etwas passiert (z.B. Einsteins berühmte "Eselei").
TomS
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Beitrag TomS Verfasst am: 20. Jan 2021 16:44    Titel: Antworten mit Zitat

Nur zwei Punkte:

Zwar widersprechen Neutrinomassen dem Standardmodell im engeren Sinne, jedoch sind die Neutrinos des Standardmodells für das Problem der Dunklen Materie praktisch irrelevant, da ihr Beitrag zur DM aufgrund der geringen Massen vernachlässigbar ist, und da aufgrund der schwachen Wechselwirkung keine Thermalisierung und demnach keine Halobildung stattfinden kann.

Natürlich widersprechen einige Aussagen der Modified Gravity den Aussagen der ART im hier diskutierten Kontext: die ART + SM sagt falsche Rotationskurven voraus, Modified Gravity + SM dagegen (fast) korrekte. Daraus folgt (fast) verschwindende DM (bis auf geringe Beiträge von baryonic DM).

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Beitrag jh8979 Verfasst am: 20. Jan 2021 22:44    Titel: Antworten mit Zitat

TomS hat Folgendes geschrieben:

jh8979 hat Folgendes geschrieben:
Zitat:
Wenn ich wetten müsste, dann auf ein neues Paradigma wie “emergent Gravity”.

Würde ich dagegen wetten (Kasten Bier? Ein paar Flaschen guten Wein? Prost ).
Auch wenn ich so ein neues Paradigma extrem interessant spannend finden würde.

Wettest du einfach nur dagegen, oder hast du eine Alternative?

Nichts schlaues. Ich tippe auf irgendeinen DM-Materie Quatsch, der (wieso auch immer) schwach wechselwirkt.

SUSY wäre ästhetisch aus mathematischen Gründen, auch wenn mögliche SUSY-breaking-Szenarien mittlerweile immer "unnatürlicher" wirken, aber naturalnass fand ich noch nie besonders zwingend als Argument.
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Beitrag jh8979 Verfasst am: 20. Jan 2021 22:49    Titel: Antworten mit Zitat

TomS hat Folgendes geschrieben:

Zwar widersprechen Neutrinomassen dem Standardmodell im engeren Sinne, ...

und zwar in einem sehr, sehr engen Sinne. Die Erweiterungen für die bekannten Neutrinos sind trivial einzubauen. Das Standardmodell dadurch als nicht vollständig mit dem Experiment vereinbar zu deklarieren ist absurd.
TomS
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Beitrag TomS Verfasst am: 21. Jan 2021 09:25    Titel: Antworten mit Zitat

Na ja, ich träume immer noch davon, dass Geometrie und andere Felder aus einem gemeinsamen Substrat hervorgehen. Da die Quantisierung der Gravitation notorisch schwierig ist - Status Strings, Loops, Asymptotic Safety ... - für die Gravitation selbst jedoch Mechanismen bekannt sind, wie diese aus quantisieren Freiheitsgraden und deren Verschränkung hervorgehen könnte, wäre das für mich ein inzwischen näher liegender Ansatz. Die Theorie für das Substrat sollte einfacher sein und möglicherweise doch die beobachtete Struktur des Standardmodells erklären; bei der non-commutative Geometry gab es da mal Ansätze.

Egal welche Erweiterung des Standarmodells man vornimmt, es führt immer zu noch mehr Parametern, noch mehr Beliebigkeit, noch weniger Testbarkeit. Nehmen wir an, es gäbe ein SUSY-Modell, dessen Vorhersagen im Energiebereich des LHC bestätigt wären; dann hätte dieses Modell viele Dutzend Parameter sowie Anregungen jenseits dieses Bereiches; fühlt sich ein bisschen so an, wie vier Experimente mit jeweils vier Messpunkte durch ein Polynom sechzehnten Grades zu fitten ...

Insgs. müssten neue Ansätze neben “DM” weitere Probleme in den Blick nehmen:
- Lambda / Vakuumenergie und Renormierung
- Struktur / Symmetrien und Stabilität des SM, Higgs
- Gravitation und deren Unverträglichkeit mit QFTs, Unitarity, Hawking Radiation ...

Wir können gerne wetten, obwohl ich da natürlich im Hintertreffen bin. Du hättest zumindest eine Chance, deinen Gewinn noch selbst zu erhalten, nicht erst deine Erben ;-)

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Beitrag jh8979 Verfasst am: 21. Jan 2021 20:37    Titel: Antworten mit Zitat

TomS hat Folgendes geschrieben:
Na ja, ich träume immer noch davon, dass Geometrie und andere Felder aus einem gemeinsamen Substrat hervorgehen.

Das wäre vermutlich eine der spannendsten und interessantesten Lösungen.
Zitat:

Nehmen wir an, es gäbe ein SUSY-Modell, dessen Vorhersagen im Energiebereich des LHC bestätigt wären; dann hätte dieses Modell viele Dutzend Parameter sowie Anregungen jenseits dieses Bereiches; fühlt sich ein bisschen so an, wie vier Experimente mit jeweils vier Messpunkte durch ein Polynom sechzehnten Grades zu fitten ...

Ja Big Laugh Hammer
Zitat:

Wir können gerne wetten, obwohl ich da natürlich im Hintertreffen bin. Du hättest zumindest eine Chance, deinen Gewinn noch selbst zu erhalten, nicht erst deine Erben ;-)

Wette angenommen: Irgendeine Form von "emergent gravity" gegen "DM-Materie-Quatsch".
Gentleman's agreement.
Prost Prost
TomS
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Beitrag TomS Verfasst am: 21. Jan 2021 22:21    Titel: Antworten mit Zitat

Einsatz?

Prost

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Beitrag jh8979 Verfasst am: 21. Jan 2021 22:27    Titel: Antworten mit Zitat

TomS hat Folgendes geschrieben:
Einsatz?

Prost

Kiste Bier? Flaschen Wein? ... Glaub wir haben noch Zeit, das weiter zu konkretisieren Augenzwinkern
TomS
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Beitrag TomS Verfasst am: 21. Jan 2021 23:18    Titel: Antworten mit Zitat

Ich werfe für mich eine Flasche Single Malt Whisky in den Raum.

Also wenn eine experimentelle Bestätigung für irgendeine Form von "emergent gravity" bzw. einen "DM-Materie-Quatsch" vorliegt, erhält TomS bzw. jh8979 vom jeweiligen Wettpartner ein noch zu vereinbarendes Getränk; grobe Idee siehe oben. Die Wette endet mit dem Tod eines der beiden Wettpartner; kommende Generationen sind nicht mehr an diese Wette gebunden.

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Beitrag jh8979 Verfasst am: 21. Jan 2021 23:37    Titel: Antworten mit Zitat

Thumbs up! Hand drauf Prost
TomS
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Beitrag TomS Verfasst am: 21. Jan 2021 23:42    Titel: Antworten mit Zitat

Prost Prost
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