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Rotationskurven und Dunkle Materie
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Corbi



Anmeldungsdatum: 17.07.2018
Beiträge: 296

Beitrag Corbi Verfasst am: 13. Jan 2021 14:26    Titel: Rotationskurven und Dunkle Materie Antworten mit Zitat

Gibt es rotierende Galaxien, in denen die Rotationskurve auf 0 abflacht?

Ich würde in diesem Thread gerne Argumente für und gegen Dunkle Materie sammeln. Also schreibt alles rein was euch einfällt!

Ein Gegenargument von mir:
Warum sollte Dunkle Materie immer genau so verteilt sein, dass die Rotationskurven nach außen hin konstant sind? Es müsste doch auch andere Verteilungen der DM geben die zu abflachenden Kurven führt. Ich denke ein fundamentales Gesetz, das nur konstante Rotationskurven zulässt wäre hier deutlich plausibler.
DrStupid



Anmeldungsdatum: 07.10.2009
Beiträge: 5044

Beitrag DrStupid Verfasst am: 13. Jan 2021 15:15    Titel: Re: Rotationskurven und Dunkle Materie Antworten mit Zitat

Corbi hat Folgendes geschrieben:
Gibt es rotierende Galaxien, in denen die Rotationskurve auf 0 abflacht?


Das dürfte bei allen Galaxien der Fall sein. Man kann es nur nicht sehen, weil es erst in einem Abstand passiert, in dem es keine Sterne mehr gibt.

Corbi hat Folgendes geschrieben:
Warum sollte Dunkle Materie immer genau so verteilt sein, dass die Rotationskurven nach außen hin konstant sind?


Dunkle Materie kann sich nicht verteilen wie sie will. Sie unterliegt Naturgesetzen die unter ähnlichen Anfangsbedingungen zu ähnlichen Ergebnissen führen.

Corbi hat Folgendes geschrieben:
Es müsste doch auch andere Verteilungen der DM geben die zu abflachenden Kurven führt.


Das würde voraussetzen, dass sich die Galaxien aus anderen Anfangsbedingungen heraus gebildet haben. Sowas ist nicht auszuschließen, aber offenbar nicht häufig genug um besonders erwähnt zu werden.

Corbi hat Folgendes geschrieben:
Ich denke ein fundamentales Gesetz, dass nur konstante Rotationskurven zulässt wäre hier deutlich plausibler.


Das sieht mir nicht unbedingt nach einer fundamentalen Gesetzmäßigkeit aus (https://arxiv.org/pdf/astro-ph/9905056.pdf):



RotationCurves.jpg
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RotationCurves.jpg


TomS
Moderator


Anmeldungsdatum: 20.03.2009
Beiträge: 18079

Beitrag TomS Verfasst am: 13. Jan 2021 15:51    Titel: Re: Rotationskurven und Dunkle Materie Antworten mit Zitat

Corbi hat Folgendes geschrieben:
Warum sollte Dunkle Materie immer genau so verteilt sein, dass die Rotationskurven nach außen hin konstant sind? Es müsste doch auch andere Verteilungen der DM geben die zu abflachenden Kurven führt.

Das hängt einfach mit den (noch unbekannten) Gesetzen zur Dynamik der DM zusammen.

Also Gegenfrage: Warum sollte normale Materie immer zu „scharfen“ Stern- und Planetenoberflächen führen? Es müsste doch auch andere Verteilungen der Materie geben, die zu wolkigen und unscharfen Gebilden führt.
Die Antwort ist einfach: die Dynamik gewöhnlicher Materie führt genau zu dieser Verteilung.

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Niels Bohr brainwashed a whole generation of theorists into thinking that the job (interpreting quantum theory) was done 50 years ago.
Corbi



Anmeldungsdatum: 17.07.2018
Beiträge: 296

Beitrag Corbi Verfasst am: 13. Jan 2021 18:00    Titel: Re: Rotationskurven und Dunkle Materie Antworten mit Zitat

DrStupid hat Folgendes geschrieben:


Das sieht mir nicht unbedingt nach einer fundamentalen Gesetzmäßigkeit aus (https://arxiv.org/pdf/astro-ph/9905056.pdf):


wie meinst du das?

Natürlich meine ich mit einer fundamentalen Gesetzmäßigkeit nicht, dass die Rotationskurve bei allen Galaxien den selben konstanten Wert annehmen muss.
Ich meine eher ein Gravitationsgesetz, das nur konstante Rotationskurven im Außenbereich zulässt, aber der Wert dieser konstante natürlich von der Verteilung der (sichtbaren) Materie abhängen kann.

Zitat:
Das dürfte bei allen Galaxien der Fall sein. Man kann es nur nicht sehen, weil es erst in einem Abstand passiert, in dem es keine Sterne mehr gibt.

Das wäre wohl ein entscheidender Unterschied zwischen einem Gravitationsgesetz das nur konstante Rotationskurven zulässt und der DM-Erklärung. In ersterem Fall würden sich für beliebige Abstände ein konstanter Rotationswert ergeben.
Zitat:
Das hängt einfach mit den (noch unbekannten) Gesetzen zur Dynamik der DM zusammen.

Also Gegenfrage: Warum sollte normale Materie immer zu „scharfen“ Stern- und Planetenoberflächen führen? Es müsste doch auch andere Verteilungen der Materie geben, die zu wolkigen und unscharfen Gebilden führt.
Die Antwort ist einfach: die Dynamik gewöhnlicher Materie führt genau zu dieser Verteilung.

Das leuchtet ein, aber solange diese Gesetze nicht bekannt sind und sich daraus keine anderen experimentell überprüfbaren Vorhersagen ableiten lassen ist die Dunkle-Materie-Erklärung nicht besonders gut.
DrStupid



Anmeldungsdatum: 07.10.2009
Beiträge: 5044

Beitrag DrStupid Verfasst am: 13. Jan 2021 18:55    Titel: Re: Rotationskurven und Dunkle Materie Antworten mit Zitat

Corbi hat Folgendes geschrieben:
Ich meine eher ein Gravitationsgesetz, das nur konstante Rotationskurven im Außenbereich zulässt, aber der Wert dieser konstante natürlich von der Verteilung der (sichtbaren) Materie abhängen kann.


Das ist in der Realität aber offensichtlich nicht der Fall. Die obige Grafik enthält etliche Rotationskzurven, die am Ende deutlich abfallen oder ansteigen.

Zitat:
Das leuchtet ein, aber solange diese Gesetze nicht bekannt sind und sich daraus keine anderen experimentell überprüfbaren Vorhersagen ableiten lassen ist die Dunkle-Materie-Erklärung nicht besonders gut.


Dass man die Eigenschaften und Verteilung der Dunkle Materie nicht bis ins letzte Detail kennt, bedeutet nicht, dass man gar nichts darüber weiß. Was bislang bekannt ist, reicht zumindest, um experimentell überprüfbare Aussagen abzuleiten die mit der Realität übereinstimmen:

http://adsabs.harvard.edu/full/1987ApJ...318...15R

Jetzt könnte man natürlich einwenden, dass man dazu die Anfangsbedingungen entsprechend wählen muss. Das gilt dann aber auch für MOND. Da wird willkürlich angenommen, dass es keine DM gibt und dann das Gravitationsgesetz so zurecht gebogen, dass es zu dieser Annahme passt. Mit letzterem habe ich ein grundsätzliches Problem. Naturgesetze sind Generalisierungen experimenteller Beobachtungen und sollten es auch bleiben. Unter nicht-relativistischen Bedingungen es gibt keine experimentellen Beobachtungen die Modifikationen der Newtonschen Dynamik rechtfertigen.
TomS
Moderator


Anmeldungsdatum: 20.03.2009
Beiträge: 18079

Beitrag TomS Verfasst am: 13. Jan 2021 18:56    Titel: Re: Rotationskurven und Dunkle Materie Antworten mit Zitat

Corbi hat Folgendes geschrieben:
Zitat:
Das hängt einfach mit den (noch unbekannten) Gesetzen zur Dynamik der DM zusammen.

Also Gegenfrage: Warum sollte normale Materie immer zu „scharfen“ Stern- und Planetenoberflächen führen? Es müsste doch auch andere Verteilungen der Materie geben, die zu wolkigen und unscharfen Gebilden führt.
Die Antwort ist einfach: die Dynamik gewöhnlicher Materie führt genau zu dieser Verteilung.

Das leuchtet ein, aber solange diese Gesetze nicht bekannt sind und sich daraus keine anderen experimentell überprüfbaren Vorhersagen ableiten lassen ist die Dunkle-Materie-Erklärung nicht besonders gut.

Die mikroskopischen Gesetze sind nicht im Detail bekannt, jedoch haben alle Kandidaten (SUSY-Partner, Axion ...) für die DM gemein, dass die WIMPs aufgrund der geringen Wechselwirkung nur wenig verklumpen. Das erklärt zunächst die DM-Halos und die daraus folgenden Rotationskurven der Galaxien. Auch die Dynamik von Kugelsternhaufen und der Galaxienentstehung sowie Gravitationslinsen werden gut erklärt.

Das Problem der DM ist nicht, dass sich daraus keine anderen experimentell überprüfbaren Vorhersagen ableiten lassen - ganz im Gegenteil. Die Vorhersagen bzgl. Astrophysik und Kosmologie passen gut, und einige Modelle der DM lösen im Bereich der Elementarteilchenphysik noch völlig anders geartete Probleme wie z.B. das Hierarchieproblem, Naturalness ... Das Problem der DM ist vielmehr, dass experimentell überprüfbaren Vorhersagen bzgl. diverser einfacher Modelle am LHC (SUSY) und anderen Experimenten explizit widerlegt wurden. Die verbleibenden Modelle sind extrem kompliziert und aus diversen Gründen wohl nicht tragfähig.

Es ist m.E. ggw. kein erfolgversprechendes Modell mehr bekannt.

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TomS
Moderator


Anmeldungsdatum: 20.03.2009
Beiträge: 18079

Beitrag TomS Verfasst am: 13. Jan 2021 19:01    Titel: Re: Rotationskurven und Dunkle Materie Antworten mit Zitat

DrStupid hat Folgendes geschrieben:
Jetzt könnte man natürlich einwenden, dass man dazu die Anfangsbedingungen entsprechend wählen muss. Das gilt dann aber auch für MOND. Da wird willkürlich angenommen, dass es keine DM gibt und dann das Gravitationsgesetz so zurecht gebogen, dass es zu dieser Annahme passt. Mit letzterem habe ich ein grundsätzliches Problem. Naturgesetze sind Generalisierungen experimenteller Beobachtungen und sollten es auch bleiben.

Na ja, es gibt ja durchaus relativistische Verallgemeinerungen von MOND, die diverse Schwächen ausmerzen. Letztlich haben aber beide Ansätze - DM und MOND plus Verallgemeinerungen - das Problem, dass vernünftige Modelle nicht funktionieren bzw. explizit falsifiziert sind, und dass die verbleibenden Ansätze nicht vollständig funktionieren und/oder extrem gebastelt erscheinen.

DrStupid hat Folgendes geschrieben:
Unter nicht-relativistischen Bedingungen es gibt keine experimentellen Beobachtungen die Modifikationen der Newtonschen Dynamik rechtfertigen.

Die Rotationskurven wären schon nicht-relativistische Effekte.

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Beitrag DrStupid Verfasst am: 13. Jan 2021 19:20    Titel: Re: Rotationskurven und Dunkle Materie Antworten mit Zitat

TomS hat Folgendes geschrieben:
Letztlich haben aber beide Ansätze - DM und MOND plus Verallgemeinerungen - das Problem, dass vernünftige Modelle nicht funktionieren bzw. explizit falsifiziert sind, und dass die verbleibenden Ansätze nicht vollständig funktionieren und/oder extrem gebastelt erscheinen.


Das betrifft doch aber "nur" den mikroskopischen Bereich. Auf astronomischen Skalen sind mir keine Falsifizierungen bekannt und genau für diesen Bereich wurde die DM eingeführt. Die Beobachtungen und die uns bekannten Naturgesetze sagen uns, dass da etwas ist, was wir nicht sehen. Uns gehen nur die Ideen darüber aus, was das ist.

TomS hat Folgendes geschrieben:
Die Rotationskurven wären schon nicht-relativistische Effekte.


Solange wir nicht wissen, wovon sie verursacht werden bzw. wovon nicht, hilft uns das nicht weiter.
TomS
Moderator


Anmeldungsdatum: 20.03.2009
Beiträge: 18079

Beitrag TomS Verfasst am: 13. Jan 2021 20:11    Titel: Re: Rotationskurven und Dunkle Materie Antworten mit Zitat

DrStupid hat Folgendes geschrieben:
TomS hat Folgendes geschrieben:
Letztlich haben aber beide Ansätze - DM und MOND plus Verallgemeinerungen - das Problem, dass vernünftige Modelle nicht funktionieren bzw. explizit falsifiziert sind, und dass die verbleibenden Ansätze nicht vollständig funktionieren und/oder extrem gebastelt erscheinen.


Das betrifft doch aber "nur" den mikroskopischen Bereich. Auf astronomischen Skalen sind mir keine Falsifizierungen bekannt und genau für diesen Bereich wurde die DM eingeführt.

Was heißt da „nur“?

Man führt ein mikroskopisches Modell ein, das makroskopische Effekte erklärt, jedoch auf mikroskopischer Ebene falsifiziert wird.

Die mikroskopischen Modelle hätten außerdem nie diese Aufmerksamkeit erlangt, wenn sie nicht mit dem Anspruch angetreten wären, zugleich mikroskopische wie makroskopische Probleme zu lösen.

Aber natürlich hast du recht, „uns gehen die Ideen darüber aus, was das ist“.

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Beitrag DrStupid Verfasst am: 13. Jan 2021 20:32    Titel: Re: Rotationskurven und Dunkle Materie Antworten mit Zitat

TomS hat Folgendes geschrieben:
Man führt ein mikroskopisches Modell ein, das makroskopische Effekte erklärt, jedoch auf mikroskopischer Ebene falsifiziert wird.


So hat sich das nicht abgespielt. Die Dunkle Materie resultiert aus der Diskrepanz zwischen der Massebestimmung über die Masse-Leuchtkraft-Beziehung bzw. über die Geschwindigkeitsverteilung. Das wurde zuerst von Jan Hendrik Oort in der Michstraße entdeckt. Kurz darauf hat Fritz Zwicky eine ähnliche Beobachtung bei Galaxienhauifen gemacht. Er war es auch, der diese Differenz - in Unterscheidung zur leuchtenden Materie - als erster "Dunkle Materie" genannt hat. Das Ganze war rein makroskopisch. Worum es sich dabei auf mikroskopischer Ebene handelt war (und ist) auf Skalen von Galaxien oder gar Galaxienhaufen irrelevant. Darüber hat man sich erst Gedanken gemacht, als klar war, dass der überwiegende Teil der Dunklen Materie nicht barionisch sein kann.
TomS
Moderator


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Beiträge: 18079

Beitrag TomS Verfasst am: 13. Jan 2021 21:34    Titel: Re: Rotationskurven und Dunkle Materie Antworten mit Zitat

DrStupid hat Folgendes geschrieben:
TomS hat Folgendes geschrieben:
Man führt ein mikroskopisches Modell ein, das makroskopische Effekte erklärt, jedoch auf mikroskopischer Ebene falsifiziert wird.

Das Ganze war rein makroskopisch. Worum es sich dabei auf mikroskopischer Ebene handelt war (und ist) auf Skalen von Galaxien oder gar Galaxienhaufen irrelevant. Darüber hat man sich erst Gedanken gemacht, als klar war, dass der überwiegende Teil der Dunklen Materie nicht barionisch sein kann.

und ist?

Ist es natürlich nicht.

Gerade weil - wie du richtig sagst - klar wurde, dass der überwiegende Teil der Dunklen Materie nicht baryonisch sein kann, hat man makroskopische Modelle auf SUSY et al. zurückgeführt.

Und damit ist es höchst relevant, dass die Modelle, die makroskopisch am besten funktionieren, mikroskopisch wahrscheinlich falsch sind ;-)

Ein paar alternative Modelle sind aber evtl. noch übrig, u.a. primordiale schwarze Löcher, die keine neuen Felder erfordern, weder mikroskopisch noch als Erweiterung der ART.

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Beitrag DrStupid Verfasst am: 13. Jan 2021 22:12    Titel: Re: Rotationskurven und Dunkle Materie Antworten mit Zitat

TomS hat Folgendes geschrieben:
Gerade weil - wie du richtig sagst - klar wurde, dass der überwiegende Teil der Dunklen Materie nicht baryonisch sein kann, hat man makroskopische Modelle auf SUSY et al. zurückgeführt.


Problem wofür? Für SUSY vielleicht, aber sicher nicht für den Zweck, für den die Dunkle Materie eingeführt wurde. Dafür genügt es, dass da etwas ist, was außer über die Gravitation kaum oder gar nicht mit baryonischer Materie oder seinesgleichen interagiert. Ob das Zeug jetzt aus SUSY-Teilchen, primordialen Schwarzen Löchern oder etwas bisher völlig unbekannten besteht, spielt dabei keine Rolle.
TomS
Moderator


Anmeldungsdatum: 20.03.2009
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Beitrag TomS Verfasst am: 13. Jan 2021 22:50    Titel: Antworten mit Zitat

Verstehst du unter Physik tatsächlich, dass du irgendetwas postulierst um einen Effekt zu erklären - und diesem Etwas auch noch einen schönen Namen gibst - um dann völlig zu ignorieren, was dieses Etwas ist, ob da eine schlüssige Theorie vorliegt, ob evtl. nichts oder etwas völlig anderes vorliegt?

Dann wären wir heute noch beim Äther ...

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DrStupid



Anmeldungsdatum: 07.10.2009
Beiträge: 5044

Beitrag DrStupid Verfasst am: 14. Jan 2021 08:25    Titel: Antworten mit Zitat

TomS hat Folgendes geschrieben:
Verstehst du unter Physik tatsächlich, dass du irgendetwas postulierst um einen Effekt zu erklären - und diesem Etwas auch noch einen schönen Namen gibst - um dann völlig zu ignorieren, was dieses Etwas ist, ob da eine schlüssige Theorie vorliegt, ob evtl. nichts oder etwas völlig anderes vorliegt?


Nein, das tue ich nicht. Deshalb sehe ich auch kein Problem darin, dass sich die postulierten SUSY-Teilchen nicht bestätigt haben.
TomS
Moderator


Anmeldungsdatum: 20.03.2009
Beiträge: 18079

Beitrag TomS Verfasst am: 14. Jan 2021 09:16    Titel: Antworten mit Zitat

Aber stimmst du mir zu, dass es wissenschaftlich nicht ausreichend ist, ein Modell „Dunkle Materie“ zu postulieren, das ex post zwar die Rotationskurven u.a. erklären kann, dem man aber vorwerfen muss, dass diese unbekannte Entität „Dunkle Materie“ selbst eben gerade nicht erklärt?

Bsp. Neutrino: Das Neutrino erklärt die fehlende Energie im beta-Spektrum, doch das Postulat des Neutrinos wäre unwissenschaftlich, wenn darüberhinaus keine weitere experimentelle Überprüfung und insbs. Falsifikation möglich wäre. Gerade deswegen war Pauli so unglücklich über dieses Postulat, denn das Postulat alleine liefert nichts dergleichen.

Bsp. Higgs: Das Higgsfeld erklärt die Masse einiger Elementarteilchen in mathematisch konsistenter Weise, doch das Postulat des Higgsfeldes wäre unwissenschaftlich, wenn ... Glücklicherweise liefert das Modell automatisch weitere Vorhersagen, die dann auch experimentell bestätigt wurde - oder am LHC auch hätten falsifiziert werden können.

Bsp. Dunkle Materie: hier sehe ich drei wesentliche Ansätze
1) baryonische Materie, braune Zwerge, ... - nicht ausreichend
2) (primordiale) schwarze Löcher - bisher nicht nachgewiesen
3) WIMPs, SUSY, sterile Neutrinos, Axionen ... - einfache Modelle sind auszuschließen, kompliziere postulieren eher mehr als sie erklären
(modifizierte Gravitation zähle ich nicht zu DM-Modellen sondern sehe sie als Alternative dazu, da sie gerade keine Materie im eigentlichen Sinne beinhalten)

Alle diese Erklärungen postulieren entweder keine fundamental neue Entität (1,2) oder sie postulieren eine solche (3) und müssen daher deren Existenz unabhängig bestätigen. Dass (3) in der Astrophysik funktioniert, ist nicht ausreichend.

DrStupid hat Folgendes geschrieben:
Deshalb sehe ich auch kein Problem darin, dass sich die postulierten SUSY-Teilchen nicht bestätigt haben.

Siehst du überhaupt ein Problem? Wenn ja, welches?

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DrStupid



Anmeldungsdatum: 07.10.2009
Beiträge: 5044

Beitrag DrStupid Verfasst am: 14. Jan 2021 10:15    Titel: Antworten mit Zitat

TomS hat Folgendes geschrieben:
Aber stimmst du mir zu, dass es wissenschaftlich nicht ausreichend ist, ein Modell „Dunkle Materie“ zu postulieren


Die Dunkle Materie ist kein Modell, sondern eine Beobachtung. Sie ist - wie ich oben schon schrieb - die Differenz zwischen den Massen, die über die Gravitation bzw. über die Leuchtkraft bestimmt wird. Wenn hier überhaupt Modelle im Spiel sind, dann betreffen sie die sichtbare Materie. Die Bestimmung der Gesamtmasse beruht auf Naturgesetzen die bisher ausnamlos experimentell bestätigt wurden.

Möglicherweise lässt Du Dich von der Bezeichnung irritieren. "Dunkle Materie" ist nur ein Name. Irgendwie muss man das Kind ja nennen, wenn man darüber reden will. Das bedeutet nicht, dass da tatsächlich irgend eine Form von Materie im Spiel ist. Aus den Beobachtungen geht lediglich hervor, dass es sich um etwas handelt, was Masse besitzt und kaum oder gar nicht elektromagnetisch mit sichtbarer Materie oder sich selbst interagiert.

TomS hat Folgendes geschrieben:
Siehst du überhaupt ein Problem? Wenn ja, welches?


Nicht in Bezug auf Dunkle Materie. Ich sehe hier Forschungsbedarf. Aber das ist aber nichts, was ich als Naturwissenschaftler als Problem bezeichnen würde.

Ein Problem wäre es beispielseise, wenn man mit einer unabhängigen Methode zu einer anderen Gesamtmasse kommen würde (Aber welche sollte das sein?) oder nachweist, dass die Dunkle Materie nicht die Eigenschaften haben kann, die sie laut Beobachtungen haben muss (Aber wie sollte das gehen?). Es wäre natürlich auch ein Problem, wenn sich unsere Gravitationstheorien im Experiment als falsch herausstellen würden. Das würde dann aber nicht nur die Dunkle Matertie betreffen.

Es ist ganz sicher kein Problem, wenn eine Hypothese, die auf einer Hypothese basiert, experimentell widelegt wird. Das mag ein Problem für die Forscher sein, die große Hoffnungen auf diese Hypothesen gesetzt haben, aber nicht für die Physik im Allgemeinen oder die Dunklem Materie im Besonderen.
Corbi



Anmeldungsdatum: 17.07.2018
Beiträge: 296

Beitrag Corbi Verfasst am: 14. Jan 2021 10:43    Titel: Antworten mit Zitat

Zitat:
Ein Problem wäre es beispielseise, wenn man mit einer unabhängigen Methode zu einer anderen Gesamtmasse kommen würde (Aber welche sollte das sein?)


Ich habe mal gelesen, dass an vielen Galaxien auch die Lichtablenkung stärker ist, als die sichtbare Materie vorhersagt. Weißt du ob es da Vergleiche gibt, die die Menge der Dunklen Materie aus den Rotationskurven, mit der Menge der Dunklen Materie aus der Lichtablenkung abgleicht?
DrStupid



Anmeldungsdatum: 07.10.2009
Beiträge: 5044

Beitrag DrStupid Verfasst am: 14. Jan 2021 11:10    Titel: Antworten mit Zitat

Corbi hat Folgendes geschrieben:
Ich habe mal gelesen, dass an vielen Galaxien auch die Lichtablenkung stärker ist, als die sichtbare Materie vorhersagt. Weißt du ob es da Vergleiche gibt, die die Menge der Dunklen Materie aus den Rotationskurven, mit der Menge der Dunklen Materie aus der Lichtablenkung abgleicht?


Lichtablenkung und Rotationskurven basieren beide auf der Gravitation. Deshalb sehe ich das nicht als unabhängige Methoden. Wenn die Ergebnisse nicht übereinstimmen würden, dann wäre das eine Falsifizierung der ART. Ich gehe davon aus, dass so etwas lautstark kommuniziert worden wäre.
Corbi



Anmeldungsdatum: 17.07.2018
Beiträge: 296

Beitrag Corbi Verfasst am: 14. Jan 2021 11:32    Titel: Antworten mit Zitat

Zitat:
...das nicht als unabhängige Methoden. Wenn die Ergebnisse nicht übereinstimmen würden, dann wäre das eine Falsifizierung der ART. Ich gehe davon aus, dass so etwas lautstark kommuniziert worden wäre.


Es könnte sowohl die ART als auch die Annahme, dass diese Effekte durch unsichtbare Materie hervorgerufen werden falsifizieren.

Falls jemand dazu ein Paper kennt, gerne verlinken!
TomS
Moderator


Anmeldungsdatum: 20.03.2009
Beiträge: 18079

Beitrag TomS Verfasst am: 14. Jan 2021 11:36    Titel: Antworten mit Zitat

DrStupid hat Folgendes geschrieben:
TomS hat Folgendes geschrieben:
Aber stimmst du mir zu, dass es wissenschaftlich nicht ausreichend ist, ein Modell „Dunkle Materie“ zu postulieren

Die Dunkle Materie ist kein Modell, sondern eine Beobachtung. Sie ist - wie ich oben schon schrieb - die Differenz zwischen den Massen, die über die Gravitation bzw. über die Leuchtkraft bestimmt wird.

Das ist schlicht falsch.

Beobachtet werden Rotationskurven, Lichtablenkung usw.

Dass daraus eine Abweichung zwischen gravitativer und sichtbarer Materie abgeleitet wird, ist nicht zwingend, es ist eine mögliche Hypothese; MOND et al. sind weitere Hypothesen ohne Abweichungen bzgl. des Materiegehaltes.

DrStupid hat Folgendes geschrieben:
Aus den Beobachtungen geht lediglich hervor, dass es sich um etwas handelt, was Masse besitzt ...

Genau das geht nicht eindeutig aus den Beobachtungen hervor. Alleine die Existenz diverser Modelle zur Modified Gravity zeigt, dass nicht zwingend weitere Masse im Spiel sein muss.

DrStupid hat Folgendes geschrieben:
Wenn hier überhaupt Modelle im Spiel sind, dann betreffen sie die sichtbare Materie. Die Bestimmung der Gesamtmasse beruht auf Naturgesetzen die bisher ausnamlos experimentell bestätigt wurden.

Natürlich sind auch bzgl. der nicht sichtbaren Materie Modelle im Spiel, z.B. cold DM und hot DM.

DrStupid hat Folgendes geschrieben:
Möglicherweise lässt Du Dich von der Bezeichnung irritieren. "Dunkle Materie" ist nur ein Name. Irgendwie muss man das Kind ja nennen, wenn man darüber reden will. Das bedeutet nicht, dass da tatsächlich irgend eine Form von Materie im Spiel ist.

Üblicherweise unterscheidet man genau so: Dark Matter = im weitesten Sinne Materie vs. Modified Gravity = Modifizierung der Einstein-Gleichungen ohne Materie. So verstehen das insbs. auch die Kollegen, die an Modified Gravity arbeiten und die dies als Alternative zu DM sehen, nicht als Spielart von DM. Ich gebe dir aber recht, da gibt es durchaus eine gewisse Begriffsverwirrung, insbs. in populärwissenschaftlichen Darstellungen.

Ich habe mich immer auf diese Definition bezogen - siehe oben (1 - 3). Evtl. hat sich damit die eine oder Unstimmigkeit erledigt.

DrStupid hat Folgendes geschrieben:
TomS hat Folgendes geschrieben:
Siehst du überhaupt ein Problem? Wenn ja, welches?

Nicht in Bezug auf Dunkle Materie. Ich sehe hier Forschungsbedarf. Aber das ist aber nichts, was ich als Naturwissenschaftler als Problem bezeichnen würde.

Dann konkretisiere ich: Siehst du überhaupt ein Problem bzgl. der Dunklen Materie im engeren Sinne von (1 - 3)? Wenn ja, welches?

DrStupid hat Folgendes geschrieben:
Es wäre natürlich auch ein Problem, wenn sich unsere Gravitationstheorien im Experiment als falsch herausstellen würden.

Nun, die etablierte Gravitationstheorie (ART) zusammen mit der etablierten Theorie der Materie (Standardmodell) haben sich evtl. tatsächlich als falsch erwiesen. Die Frage ist, in welchem Bereich will man das lösen:
A) die etablierten Theorien sind doch zutreffend, d.h. Ansätze in Richtung (1) und (2)
B) von den etablierten Theorien ist mindestens eine falsch, d.h.
(3) Erweiterung des Standardmodells oder
(4) Erweiterung der ART

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Zuletzt bearbeitet von TomS am 14. Jan 2021 13:14, insgesamt 6-mal bearbeitet
TomS
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Anmeldungsdatum: 20.03.2009
Beiträge: 18079

Beitrag TomS Verfasst am: 14. Jan 2021 11:37    Titel: Antworten mit Zitat

Corbi hat Folgendes geschrieben:
Ich habe mal gelesen, dass an vielen Galaxien auch die Lichtablenkung stärker ist, als die sichtbare Materie vorhersagt. Weißt du ob es da Vergleiche gibt, die die Menge der Dunklen Materie aus den Rotationskurven, mit der Menge der Dunklen Materie aus der Lichtablenkung abgleicht?


DrStupid hat Folgendes geschrieben:
Lichtablenkung und Rotationskurven basieren beide auf der Gravitation. Deshalb sehe ich das nicht als unabhängige Methoden. Wenn die Ergebnisse nicht übereinstimmen würden, dann wäre das eine Falsifizierung der ART. Ich gehe davon aus, dass so etwas lautstark kommuniziert worden wäre.

Das sind bzgl. der Beobachtung und der Auswertung zwei völlig unabhängige Methoden. Die eine Methode beobachtet Rotationskurven und fittet Daten bzgl. der DM-Verteilung (1 - 3) in den Galaxien. Die andere Methode beobachtet Gravitationslinsen und fittet wiederum Daten bzgl. der DM (1 - 3).

Beide Methoden führen aber m.W.n. auf konsistente makroskopische Modelle bzgl. der DM. Genau deswegen ist die DM (1 - 3) ja so attraktiv, da sie unabhängige Beobachtungen und Methoden mittels einer Hypothese unter einen Hut bringt.

Als dritte unabhängige Methode gilt die Galaxienbildung, die Formierung großräumiger Strukturen wie Galaxiengruppen, -cluster und -supercluster sowie der Filamente und Voids. Simulationen unter Einbeziehung einer hypothetischen DM (1 - 3) liefern im wesentlichen die heute sichtbaren Muster; lässt man die DM weg, funktioniert dies nicht.

Das Problem der DM ist nicht, dass - unter Annahme der DM im Sinne von (1 - 3) - die Beobachtungen nicht erklärt werden könnten; das Problem ist vielmehr, dass überzeugende Argumente für das Zutreffen der Hypothesen (1 - 3) eher nicht gegeben sind: Es gibt deutliche Hinweise, dass (1 - 2) zusammen nicht ausreichen, und es gibt heute keinen Nachweis von (3); damit hängt die Hypothese der DM im Sinne von (1 - 3) ziemlich in der Luft.

Corbi hat Folgendes geschrieben:
Es könnte sowohl die ART als auch die Annahme, dass diese Effekte durch unsichtbare Materie hervorgerufen werden falsifizieren.

Da muss man differenzieren.

Die selbe Hypothese (1 - 3) liefert m.W.n. eine Erklärung für alle drei genannten Beobachtungen. Eine Falsifizierung läge dann vor, wenn dies für mindestens eine der drei Beobachtungen nicht funktionieren würde, oder wenn es zwar isoliert für jede Beobachtung funktionieren würde, jedoch für die Gesamtbetrachtung inkonsistent wäre. Konkret: die notwendigen DM-Eigenschaften oder -Verteilungen würden für die drei Beobachtungen nicht übereinstimmen, z.B. wenn die aus den Rotationskurven berechnete DM-Verteilung zu klein wäre, um die Lichtablenkung zu erklären.

Das ist dann jedoch noch keine Falsifizierung der ART oder des Standardmodells sondern eine Falsifizierung des DM-Ansatzes.

Um die ART explizit zu falsifizieren, müsste man alle denkbaren Hypothesen zur DM im Sinne von (1 - 3) ausschließen; das ist unmöglich. Denkbar ist jedoch eine einfache Erweiterung der ART, die insbs. die extrem komplizierten Modelle (3) überflüssig macht und zugleich die unzureichenden Erklärungen durch (1 - 2) ersetzt. Damit wäre die ART zwar nicht falsifiziert, eine Erweiterung der ART erschiene jedoch deutlich attraktiver. Das ist die Stoßrichtung aller modifizierten Gravitationstheorien, insbs. ohne (3).

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Anmeldungsdatum: 07.10.2009
Beiträge: 5044

Beitrag DrStupid Verfasst am: 14. Jan 2021 13:58    Titel: Antworten mit Zitat

TomS hat Folgendes geschrieben:
Beobachtet werden Rotationskurven.


Beobachtet werden Verschiebungen von Spektrallinien. Die Rotationskurven werden daraus auf Grundlage uns bekannter Naturgesetzen berechnet. Das Ergebnis erkennst Du offensichtlich als Beobachtung an. Warum dann nicht auch die ebenfalls auf Grundlage bekannter Naturgesetze berechnete Masseverteilung?

TomS hat Folgendes geschrieben:
Dass daraus eine Abweichung zwischen gravitativer und sichtbarer Materie abgeleitet wird ist nicht zwingend, es ist eine mögliche Hypothese


Die Anwendung von Naturgesetzen ist keine Hypothese.

TomS hat Folgendes geschrieben:
MOND et al. sind weitere Hypothesen ohne Abweichungen bzgl. des Materiegehaltes.


Richtig. MOND et al. sind Hypothesen. Im Gegensatz zur ART und dem Newtonschen Gravitationsgesetz sind sie nicht experimentell bestätigt.

TomS hat Folgendes geschrieben:
Alleine die Existenz diverser Modelle zur Modified Gravity zeigt, dass nicht zwingend Masse im Spiel sein muss.


Die Existenz von alternativen Hypothesen widerlegt keine Naturgesetze. Da musst Du schon sehr viel mehr bieten.

TomS hat Folgendes geschrieben:
Natürlich sind auch bzgl. der nicht sichtbaren Materie Modelle im Spiel, z.B. cold DM und hot DM.


Diese Modelle haben keinen Einsfluss auf Masse und Eigenschaften der Dunklen Materie. Weder die gemessenen Spektren noch die daraus abgeleiteten Rotationskurven und Masseverteilungen hängen von diesen Modellen ab. Es ist umgekehrt. Die Modelle müssen sich nach den Beobachtungen richten. Sollten sie sich nicht bestätigen, dann bleiben die Beobachtungen unverändert bestehen.

TomS hat Folgendes geschrieben:
Dann konkretisiere ich: Siehst du überhaupt ein Problem bzgl. der Dunklen Materie im engeren Sinne von (1) und (2)? Wenn ja, welches?


So weit ich weiß ist (1) nicht mit den etablierten kosmologischen Modellen vereinbar. Es wäre nach heutigem Wissen also nicht weniger spekulativ als z.B. MOND.

Bei (2) sehe ich bislang kein grundsätzliches Problem. Dass man noch keine primordialen Schwarzen Löcher gefunden hat, bedeutet nicht, dass es sie nicht gibt. Erstens sind sie grundsätzlich schwer nachzuweisen und zweitens gilt absence of evidence is not evidence of absence.

Um Missverständnissen vorzubeugen muss ich aber hinzufügen, dass die Dunkle Materie nicht auf (1) oder (2) angewiesen ist. Wenn beide Möglichkeiten ausgeschlossen werden sollten, dann steht sie immer noch unverändert im Raum. Probleme von (1) oder (2) sind also nicht notwendigerweise Probleme der Dunklen Materie.

TomS hat Folgendes geschrieben:
Nun, die etablierte Gravitationstheorie (ART) zusammen mit der etablierten Theorie der Materie (Standardmodell) haben sich evtl. tatsächlich als falsch erwiesen.


Ist das so? Die ART würde sich als falsch erweisen, wenn sie widersprüchliche Aussagen liefert oder wenn man mit irgendeiner unabhängigen Methode nachweisen könnte, dass es weniger oder gar keine Dunkle Materie gibt bzw. dass sie Eigenschaften hat, die mit bisherigen Beobachtungen unvereinbar sind. Eindeutig widersprüchliche Ergebnisse sind mir aber nicht bekannt (vielleicht weißt Du da mehr) und unabhängige Methoden kenne ich auch nicht. Die Massebestimmung über Rotationskurven und die über die Lichtablenkung beruhen jedenfalls beide auf der ART.

Die etablierten Theorien der Materie würden sich als falsch erweisen, wenn die Dunkle Materie Eigenschaften hätte, die nicht mit ihnen vereinbar sind. Das wäre noch viel schwerer nachzuweisen als eine Verletzung der ART. Ich hätte überhaupt keine Idee, wie man das anstellen könnte.

TomS hat Folgendes geschrieben:
A) die etablierten Theorien sind doch zutreffend


Was heißt "doch"? Zumindest im Zusammenhang mit der Dunklen Materie gibt es keine Hinweise darauf, dass sie nicht zutreffen. Die ART hat meines Wissens ausnahmslos jeder experimentellen Überprüfung standgehalten. Beim Standardmodell gibt es zwar Ungereimtheiten (z.B. die Masse der Neutrinos), aber die stehen nicht unbwedingt im Zusammenhang mit der Dunklen Materie. Tatsächlich gibt es keine Hinweise darauf, dass die etablierten Theorien der Materie überhaupt irgend etwas mit der Dunklen Materie zu tun haben müssen (wie bereits gesagt: der Begriff "Dunkle Materie" impliziert nicht, dass es sich um Materie handelt).

TomS hat Folgendes geschrieben:
d.h. Ansätze in Richtung (1) und (2)


Warum unbedingt (1) und (2)? Natürlich ist es sinnvoll mit dem zu beginnen, was wir kennen bzw. mit bestehendem Wissen beschreiben können. Deshalb sollte man aber nicht die Möglichkeit aus dem Auge verlieren, dass es sich um etwas völlig Neues handelt.


Zuletzt bearbeitet von DrStupid am 14. Jan 2021 15:36, insgesamt einmal bearbeitet
TomS
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Beitrag TomS Verfasst am: 14. Jan 2021 15:07    Titel: Antworten mit Zitat

Es ist falsch, „dass Dunkle Materie eine Beobachtungen wäre“; dunkle Materie ist eine Hypothese. Und diverse Forschungsgruppen zeigen, dass prinzipiell Alternativen ohne Dunklen Materie (1 - 3) existieren; das zieht heute niemand in Zweifel. Diskutiert wird lediglich, ob diese Alternativen genauso leistungsfähig sind wie die Ansätze mittels Dunkler Materie (1 - 3).

Nochmal: Alleine die Existenz diverser Modelle zur Modified Gravity zeigt, dass nicht zwingend Masse im Spiel sein muss. D.h. es sind Modelle möglich, die - entgegen deiner Aussage „aus den Beobachtungen ginge ... hervor, dass es sich um etwas handelt, was Masse besitzt ...“ ohne zusätzliche Masse auskommen; deine Aussage ist demnach falsch; es kann sich um zusätzliche Masse handeln, muss aber nicht; die Beobachtungen an sich (Spektrallinien, daraus abgeleitete Rotationskurven) legen weder das eine noch das andere nahe, es handelt sich eher gewisse Vorurteile - oder sagen wir „Schulen“.

Dass die von mir genannten Modelle cDM und hDM „keinen Einsfluss auf Masse und Eigenschaften der Dunklen Materie [haben]“ ist ebenfalls falsch. Insbs. die Clusterbildung wird durch die Eigenschaften der DM maßgeblich beeinflusst.

Den zweiten Teil deines Beitrags beantworte ich gleich separat.

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Zuletzt bearbeitet von TomS am 14. Jan 2021 15:51, insgesamt 2-mal bearbeitet
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Beitrag TomS Verfasst am: 14. Jan 2021 15:48    Titel: Antworten mit Zitat

DrStupid hat Folgendes geschrieben:
TomS hat Folgendes geschrieben:
Dann konkretisiere ich: Siehst du überhaupt ein Problem bzgl. der Dunklen Materie im engeren Sinne von (1) und (2)? Wenn ja, welches?

So weit ich weiß ist (1) nicht mit den etablierten kosmologischen Modellen vereinbar. Es wäre nach heutigem Wissen also nicht weniger spekulativ als z.B. MOND.

Bei (2) sehe ich bislang kein grundsätzliches Problem. Dass man noch keine primordialen Schwarzen Löcher gefunden hat, bedeutet nicht, dass es sie nicht gibt. Erstens sind sie grundsätzlich schwer nachzuweisen und zweitens gilt absence of evidence is not evidence of absence.

MOND und insbs. vernünftige Erweiterungen - niemand nimmt MOND im Original wirklich ernst - ist deswegen spekulativ, weil es neue Entitäten einführt, während (1) lediglich existierende Entitäten (bekannte Materie) zur Erklärung heranzieht.

Ja, (1 - 2) sind m.W.n. ggw. nicht ausreichend, um die beobachteten Effekte vollständig zu erklären.

DrStupid hat Folgendes geschrieben:
[quoUm Missverständnissen vorzubeugen muss ich aber hinzufügen, dass die Dunkle Materie nicht auf (1) oder (2) angewiesen ist. Wenn beide Möglichkeiten ausgeschlossen werden sollten, dann steht sie immer noch unverändert im Raum. Probleme von (1) oder (2) sind also nicht notwendigerweise Probleme der Dunklen Materie.

Aber Dunkle Materie ist doch irgendwas: Teilchen, Felder ... Wenn nichts gefunden wird, was DM konstituiert, dann ist DM als Idee letztlich tot. Man kann nicht behaupten, DM erkläre die diskutierten Phänomene, wenn nichts gefunden wird, was irgendetwas erklären könne.

DrStupid hat Folgendes geschrieben:
TomS hat Folgendes geschrieben:
Nun, die etablierte Gravitationstheorie (ART) zusammen mit der etablierten Theorie der Materie (Standardmodell) haben sich evtl. tatsächlich als falsch erwiesen.

Ist das so?

Ja das ist so, du hast meinen wesentlichen Punkt übersehen.

Ich rede nicht von der ART alleine oder dem Standardmodell alleine sondern von „der etablierten Gravitationstheorie (ART) zusammen mit der etablierten Theorie der Materie (Standardmodell)“. Wenn (1 - 2) tatsächlich ausscheiden, dann wäre diese Kombination ART + Standardmodell tatsächlich falsifiziert. Und alle Forscher, die (3) oder (4) bemühen, sehen das auch so: die etablierten Gravitationstheorie (ART) zusammen mit der etablierten Theorie der Materie (Standardmodell) kann die Rotationskurven nicht erklären.

DrStupid hat Folgendes geschrieben:
TomS hat Folgendes geschrieben:
A) die etablierten Theorien sind doch zutreffend

Was heißt "doch"? Zumindest im Zusammenhang mit der Dunklen Materie gibt es keine Hinweise darauf, dass sie nicht zutreffen.

Die ART hat meines Wissens ausnahmslos jeder experimentellen Überprüfung standgehalten.

Aber das ist doch gerade in diesem Zusammenhang völlig unsinnig - sorry für die Wortwahl.

Es geht doch gerade darum, dass die Rotationskurven u.a. Phänomene die Möglichkeit nahelegen, dass die ART in diesem Regime tatsächlich falsch ist; Theorien wie MOND sowie Verallgemeinerung befassen sich genau damit. Du kannst doch nicht ernsthaft behaupten, „die ART hätte ausnahmslos jeder experimentellen Überprüfung standgehalten“, wenn wir gerade Phänomene diskutieren, die genau das in Zweifel ziehen. Es ist offen, ob die ART auch diesen Test besteht. Kollegen, die in Richtung (1 - 3) denken, sehen das zwar so wie du, andere Kollegen, die an (4) arbeiten, jedoch nicht. Das kannst du doch nicht einfach ausblenden.

DrStupid hat Folgendes geschrieben:
Beim Standardmodell gibt es zwar Ungereimtheiten (z.B. die Masse der Neutrinos), aber die stehen nicht unbwedingt im Zusammenhang mit der Dunklen Materie.

Bereits die Masse von Neutrinos alleine ist im Standardmodell nicht enthalten. Erweiterungen wie z.B. mittels see-saw und sterilen Neutrinos liefern wiederum Erklärungsansätze für Dunkle Materie.

DrStupid hat Folgendes geschrieben:
Tatsächlich gibt es keine Hinweise darauf, dass die etablierten Theorien der Materie überhaupt irgend etwas mit der Dunklen Materie zu tun haben müssen (wie bereits gesagt: der Begriff "Dunkle Materie" impliziert nicht, dass es sich um Materie handelt).

Richtig.

Die etablierten Theorien ART + Standardmodell liefern für die diskutierten Phänomene gerade keine Erklärung; diese Erklärungen liegen - mit Ausnahme von (1 - 2) - immer außerhalb der etablierten Theorien im Sinne (3) oder (4). Und damit ist diese Kombination ART + Standardmodell im Regime dieser Phänomene falsifiziert.

DrStupid hat Folgendes geschrieben:
Warum unbedingt (1) und (2)? Natürlich ist es sinnvoll mit dem zu beginnen, was wir kennen bzw. mit bestehendem Wissen beschreiben können. Deshalb sollte man aber nicht die Möglichkeit aus dem Auge verlieren, dass es sich um etwas völlig Neues handelt.

Gegen was argumentierst du denn überhaupt? Genau das tut man doch mittels (3) und (4). Aus der Perspektive von ART + Standardmodell ist das doch etwas Neues.

Oder hast du eine Idee (5), auf die noch keiner gekommen ist?

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Beitrag DrStupid Verfasst am: 14. Jan 2021 15:58    Titel: Antworten mit Zitat

TomS hat Folgendes geschrieben:
Deine Zitate falsch. Du zitierst dich teilweise selbst, was nicht zutrifft. Kannst du das bitte ändern?


Ich hab das korrigiert.

TomS hat Folgendes geschrieben:
Es ist falsch, „dass Dunkle Materie eine Beobachtungen wäre“; dunkle Materie ist eine Hypothese.


Allein durch Widerholung wird das nicht richtiger. Du schreibst oben, dass die Rotationskurven eine Beobachtung wären, obwohl es sich nicht um das primäre Messsignal handelt. Meine Frage, warum Du das bei der Masseverteilung anders siehst, hast Du nicht beantwortet.

Wen Du das nachholst, kannst Du mir auch erklären, an welcher Stelle auf dem Weg von den Spektren zur Masseverteilung welche Hypothesen ins Spiel kommen. Experimentell bestätigte Theorien oder Naturgesetze brauchst Du dabei nicht zu nennen. Die sind schließlich keine Hypothesen mehr.

TomS hat Folgendes geschrieben:
Und diverse Forschungsgruppen zeigen, dass prinzipiell Alternativen ohne Dunklen Materie (1 - 3) existieren


Auch auf die Gefahr hin, mich zu wiederholen: Die Existenz von Alternativen widerlegt keine Naturgesetze. Wenn die ART gilt, dann gibt es Dunkle Materie und die ART gehört zu den am besten experimentell bestätigten Theorien. Sie für falsch zu erklären ist eine außerordentliche Behauptung und außerordentliche Behauptungen erfordern außerordentliche Belege. Die kann ich beim besten Willen nicht erkennen.

Darüber hinaus kommt die die Existenz von Alternativen ohne Dunkle Materie grundsätzlich nicht als Argument gegen die Dunkle Materie in Frage. Sie resultieren ja überhaupt erst aus der Annahme, dass die ART falsch ist und somit keine DM existiert und die Konsequenz aus einer Behauptung kann nicht als Beleg für die Behauptung selbst herangezogen werden. Das wäre ein Zirkelschluss.

TomS hat Folgendes geschrieben:
Dass die von mir genannten Modelle cDM und hDM „keinen Einsfluss auf Masse und Eigenschaften der Dunklen Materie [haben]“ ist ebenfalls falsch. Insbs. die Clusterbildung wird durch die Eigenschaften der DM maßgeblich beeinflusst.


Ich fürchte Du verwechselst Ursache und Wirkung. Die Modelle bestimmen nicht die beobachteten Eigenschaften der Dunklen Materie, sondern umgekehrt.
TomS
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Beitrag TomS Verfasst am: 14. Jan 2021 16:21    Titel: Antworten mit Zitat

Wenn ich dir jetzt recht gebe, dass auch die Rotationskurven keine direkten Beobachtungsdaten sind, dann bleibt deine Aussage, „die Dunkle Materie sei eine Beobachtung“ weiterhin falsch; Dunkle Materie ist und bleibt eine Hypothese. Und jetzt bist du wieder dran ;-)

Alternative Ansätze widerlegen keine Naturgesetze, das habe ich auch nie behauptet, das ist lediglich deine Interpretation. Alternative Ansätze ohne zusätzliche Masse widerlegen jedoch deine Aussage „aus den Beobachtungen ginge ... hervor, dass es sich um etwas handelt, was Masse besitzt ...“; das ist eine Hypothese aber kein Fakt. Und wieder bist du am Zug.

Dein Argument
Zitat:
Darüber hinaus kommt die die Existenz von Alternativen ohne Dunkle Materie grundsätzlich nicht als Argument gegen die Dunkle Materie in Frage. Sie resultieren ja überhaupt erst aus der Annahme, dass die ART falsch ist und somit keine DM existiert und die Konsequenz aus einer Behauptung kann nicht als Beleg für die Behauptung selbst herangezogen werden. Das wäre ein Zirkelschluss.

verstehe ich nicht. Kannst du das nochmal erklären?

Auch das
Zitat:
Ich fürchte Du verwechselst Ursache und Wirkung. Die Modelle bestimmen nicht die beobachteten Eigenschaften der Dunklen Materie, sondern umgekehrt.

verstehe ich nicht.

Konkrete Teilchen wie z.B. leichte, heiße Neutrinos scheiden aus, weil sie die aus den Rotationskurven extrahierten DM-Massedichten nicht erklären können. Insofern spielen diese mikroskopischen Mofelle durchaus eine Rolle; sie liefern unterschiedliche makroskopische Vorhersagen.

Mich würde interessieren, was dir als Lösungsansatz (1 - 4) oder gar (5) vorschwebt. (1 - 4) sind jedenfalls etablierte Forschungsvorhaben.

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Beitrag DrStupid Verfasst am: 14. Jan 2021 16:32    Titel: Antworten mit Zitat

TomS hat Folgendes geschrieben:
Man kann nicht behaupten, DM erkläre die diskutierten Phänomene, wenn nichts gefunden wird, was irgendetwas erklären könne.


DM soll doch gar keine Phänomene erklären. DM ist das Phänomen das erklärt werden muss.

TomS hat Folgendes geschrieben:
Wenn (1 - 2) tatsächlich ausscheiden, dann wäre diese Kombination ART + Standardmodell tatsächlich falsifiziert.


Warum? Dass ART + Standardmodell nicht ausreichen um die DM zu erklären heißt doch nicht, dass sie falsch sind.

TomS hat Folgendes geschrieben:
Es geht doch gerade darum, dass die Rotationskurven u.a. Phänomene die Möglichkeit nahelegen, dass die ART in diesem Regime tatsächlich falsch ist


Das musst Du mir erklären.

TomS hat Folgendes geschrieben:
Gegen was argumentierst du denn überhaupt? Genau das tut man doch mittels (3) und (4). Aus der Perspektive von ART + Standardmodell ist das doch etwas Neues.


Ich habe kein grundsätzliches Problem mit (3) und (4). Tatsächlich wäre (3) ja noch nicht einmal eine Alternative zur DM. (4) wird dann fragwürdig, wenn man es nur mit dem Ziel tut, die DM los zu werden. Damit würde man ein Problem lösen, dass man sich eigens für diese Lösung selbst geschaffen hat. Korrekturen der ART oder andere Alternativen ohne DM braucht man schließlich nur, wenn man willkürlich annimmt, dass es keine DM gibt. Ist die ART korrekt ist, dann gibt es die DM und es gibt keinen Bedarf für Korrekturen der ART oder Alternativen wie MOND. Solange die ART experimentell bestätigt bleibt und alles andere nur unbestätigte Hypothesen sind, ist letzteres zu bevorzugen.
Corbi



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Beitrag Corbi Verfasst am: 14. Jan 2021 17:37    Titel: Antworten mit Zitat

DrStupid hat Folgendes geschrieben:
(4) wird dann fragwürdig, wenn man es nur mit dem Ziel tut, die DM los zu werden. Damit würde man ein Problem lösen, dass man sich eigens für diese Lösung selbst geschaffen hat. Korrekturen der ART oder andere Alternativen ohne DM braucht man schließlich nur, wenn man willkürlich annimmt, dass es keine DM gibt. Ist die ART korrekt ist, dann gibt es die DM und es gibt keinen Bedarf für Korrekturen der ART oder Alternativen wie MOND. Solange die ART experimentell bestätigt bleibt und alles andere nur unbestätigte Hypothesen sind, ist letzteres zu bevorzugen.


Ich kann deine Argumentation hier wirklich nicht nachvollziehen. Du tust so als ab schon feststehen würde dass es die Dunkle Materie gibt.
Man tut (4) nicht um Dunkle Materie los zu werden (man weiß ja noch garnicht ob es sie überhaupt gibt also kann man sie auch nicht los werden) sondern um die Rotationskurven zu erklären.

Das Argumentationsschema bei (4) ist folgende: Die Rotationskurven sind im Außenbereich konstant & die ART sagt abflachende Rotationskurven voraus -> Die ART muss modifiziert werden.
Man löst also kein selbstgeschaffenes Problem damit.

Die Annahme es gebe Dunkle Materie ist wohl genauso willkürlich wie die Annahme, dass die ART nicht vollständig korrekt ist.
DrStupid



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Beitrag DrStupid Verfasst am: 14. Jan 2021 17:37    Titel: Antworten mit Zitat

TomS hat Folgendes geschrieben:
Wenn ich dir jetzt recht gebe, dass auch die Rotationskurven keine direkten Beobachtungsdaten sind, dann bleibt deine Aussage, „die Dunkle Materie sei eine Beobachtung“ weiterhin falsch; Dunkle Materie ist und bleibt eine Hypothese.


Du widersprichst Dir also selbst, um Recht zu behalten? Wie auch immer - ich wüsste trotzdem gern welche Hypothesen zur Berechnung der Masseverteilung herangezogen werden müssen bzw. was die Masseverteilung zur Hypothese degradiert. Wenn Du Recht hast, dann muss an den Messungen oder den darauf folgenden Berechnungen irgendetwas spekulativ sein. Andernfalls wäre das Ergebnis keine Hypothese. Was genau ist das?

TomS hat Folgendes geschrieben:
Kannst du das nochmal erklären?


Ich habe es im letzten Beitrag schon erklärt, aber ich tue es hier gern noch mal: Alternativen zur ART, wie z.B. MOND, gibt es nur, weil willkürlich angenommen wird, dass die ART falsch ist und somit keine DM (oder zumindest keine nicht-baryonische DM) existiert. Die Existenz dieser Hypothesen als Begründung für diese willkürliche Annahme zu verwenden wäre ein Zirkelschluss.

Um der nächsten Frage zuvor zu kommen: nein, umgekehrt geht das auch nicht. Wenn alle willkürlich annehmen würden, dass die ART korrekt ist, dann würde das implizieren, dass es die DM gibt (es sei denn Du kannst mir unbestätigte Hypothesen nennen, die dafür benötigt werden) und es gäbe deshalb keine Alternativen ohne DM. Daraus könnte man natürlich auch nicht schlussfolgern, dass die willkürliche Annahme bezüglich der Gültigkeit der ART berechtigt ist.

Aus der Existenz oder Nichtexistenz unbestätigter Hypothesen lässt sich rein gar nichts schlussfolgern. Belastbare Aussagen lassen sich nur aus experimentellen Beobachtungen ableiten und die sprechen ausnahmslos für die ART.

TomS hat Folgendes geschrieben:
Konkrete Teilchen wie z.B. leichte, heiße Neutrinos scheiden aus, weil sie die aus den Rotationskurven extrahierten DM-Massedichten nicht erklären können.


Das ist ein gutes Beispiel. Die Beobachtungen bestätigen oder falsifizieren die Modelle und nicht umgekehrt. Wenn es zwischen den aus Beobachtungen abgeleiteten Eigenschaften der DM und den Modellen einen Widerspruch gibt, dann liegt das nicht an der DM, sondern an den Modellen. Die Modelle werden angepasst oder verworfen. Der DM ist das alles egal.

TomS hat Folgendes geschrieben:
Mich würde interessieren, was dir als Lösungsansatz (1 - 4) oder gar (5) vorschwebt. (1 - 4) sind jedenfalls etablierte Forschungsvorhaben.


(1-3) sind nahe liegende Ansätze die man weiter verfolgen sollte (und zwar nicht nur wegen der DM).

(4) halte ich vorerst für eine Sackgasse. Dazu bräuchte man eine von der ART unabhängige Methode zur Massebestimmung. Solange es die nicht gibt, bleiben die Modelle so spekulativ wie die Annahmen zur "wahren" Masseverteilung.

Für (5) fehlen uns momentan die Informationen. Es ist nicht einmal auszuschließen, dass das so bleiben wird. Die Beobachtungen legen nahe, dass Dunkle Materie außer durch Gravitation kaum oder gar nicht interagiert. Wenn sie aus mikroskopischen Teilchen (oder gar einem Kontinuum?) bestehen und ausschließlich gravitativ mit baryonischer Materie wechselwirken sollte, dann sehe ich schwarz für einen Nachweis im Labor. Alle unsere Messgeräte bestehen aus baryonischer Materie. Die DM würde da einfach ungehindert durchrauschen ohne Spuren zu hinterlassen. In dem Fall könnten wie sie nur makroskopisch beobachten und beschreiben.


Zuletzt bearbeitet von DrStupid am 14. Jan 2021 17:49, insgesamt einmal bearbeitet
DrStupid



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Beitrag DrStupid Verfasst am: 14. Jan 2021 17:49    Titel: Antworten mit Zitat

Corbi hat Folgendes geschrieben:
Du tust so als ab schon feststehen würde dass es die Dunkle Materie gibt.


Wenn TomS nicht doch noch zusätzlichen Hypothesen benennen kann, die zur Berechnung der Masseverteilung benötigt werden, dann ist das so sicher wie die ART und die ART ist so sicher wie eine Theorie in der Physik nur sein kann.

Corbi hat Folgendes geschrieben:
Man tut (4) nicht um Dunkle Materie los zu werden (man weiß ja noch garnicht ob es sie überhaupt gibt also kann man sie auch nicht los werden) sondern um die Rotationskurven zu erklären.


Wenn man nicht weiß, ob es DM gibt, dann weiß man auch nicht, ob (4) korrekt oder überhaupt notwendig ist.

Corbi hat Folgendes geschrieben:
Das Argumentationsschema bei (4) ist folgende: Die Rotationskurven sind im Außenbereich konstant & die ART sagt abflachende Rotationskurven voraus -> Die ART muss modifiziert werden.
Man löst also kein selbstgeschaffenes Problem damit.


Die ART sagt nur dann abflachende Rotationskurven voraus, wenn es keine DM gibt. Wie kommt man zu dieser Annahme? Gibt es dafür irgend eine experimentelle Bestätigung? Wenn nicht, dann modifiziert man die ART, um ein Problem zu lösen, dass man sich mit einer willkürlichen Annahme selbst geschaffen hat.
Corbi



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Beitrag Corbi Verfasst am: 14. Jan 2021 17:50    Titel: Antworten mit Zitat

Zitat:
Wenn alle willkürlich annehmen würden, dass die ART korrekt ist, dann würde das implizieren, dass es die DM gibt


Was ist denn das bitte für eine Aussage?

Die Annahmen von uns Menschen ändern überhaupt nichts an der Existenz oder nicht-Existenz der Dunklen Materie.
TomS
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Beitrag TomS Verfasst am: 14. Jan 2021 17:50    Titel: Antworten mit Zitat

DrStupid hat Folgendes geschrieben:
TomS hat Folgendes geschrieben:
Man kann nicht behaupten, DM erkläre die diskutierten Phänomene, wenn nichts gefunden wird, was irgendetwas erklären könne.

DM soll doch gar keine Phänomene erklären. DM ist das Phänomen das erklärt werden muss.

Nein.

Das Problem scheint zu sein, dass du diverse Begriff in unüblicher Weise verwendest; siehe https://de.m.wikipedia.org/wiki/Dunkle_Materie

Zitat:
Dunkle Materie ist eine postulierte Form von Materie, die nicht direkt sichtbar ist, aber über die Gravitation wechselwirkt. Ihre Existenz wird postuliert, weil im Standardmodell der Kosmologie nur so die Bewegung der sichtbaren Materie erklärt werden kann, insbesondere die Geschwindigkeit, mit der sichtbare Sterne das Zentrum ihrer Galaxie umkreisen. In den Außenbereichen ist diese Geschwindigkeit deutlich höher, als man es allein auf Grund der Gravitation der Sterne, Gas- und Staubwolken erwarten würde.

Sollte klar sein: die Dunkle Materie ist eine postulierter Ansatz mittels hypothetischer Materieformen zur Erklärung beobachteter Phänomene. Die Dunkle Materie ist nicht selbst das Phänomen (aber du wirst auch dieses Mal natürlich auf deiner Meinung beharren).

DrStupid hat Folgendes geschrieben:
TomS hat Folgendes geschrieben:
Wenn (1 - 2) tatsächlich ausscheiden, dann wäre diese Kombination ART + Standardmodell tatsächlich falsifiziert.

Warum? Dass ART + Standardmodell nicht ausreichen um die DM zu erklären heißt doch nicht, dass sie falsch sind.

Doch, natürlich, sie sind bzgl. der diskutierten Phänomene falsifiziert (genauso wie die Newtonsche Gravitationstheorie bzgl. der Periheldrehung falsifiziert ist).

Die ART ist definiert durch eine Lagrangedichte; wenn der geometrische Teil erweitert werden muss, ist die ART zumindest für bestimmte Regime nicht mehr zutreffend. Das Standardmodell ist ebenfalls definiert durch eine Lagrangedichte; wenn diese ergänzt werden muss durch neue Felder, dann ist das Standardmodell für bestimmte Regime nicht mehr zutreffend.

DrStupid hat Folgendes geschrieben:
TomS hat Folgendes geschrieben:
Es geht doch gerade darum, dass die Rotationskurven u.a. Phänomene die Möglichkeit nahelegen, dass die ART in diesem Regime tatsächlich falsch ist


Das musst Du mir erklären.

Das habe ich jetzt schon mehrfach versucht.

Die Rotationskurven sind nach ggw. Kenntnisstand nicht mittels ART + Standardmodell erklärbar; gewöhnliche baryonische Materie ist nicht ausreichend. D.h. man benötigt entweder eine Erweiterung der ART oder des Standardmodells. Bisher konnten für keinen der untersuchten Ansätze zur Erweiterung des Standardmodells die postulierten neuen Teilchen nachgewiesen werden. Deswegen legen die Beobachtungen sowie das bisherige Scheitern der genannten Erklärungen auch die Möglichkeit nahe, dass die ART in diesem Regime falsch sein könnte und eine Erweiterung notwendig ist.

Das ist letztlich auch die Argumentation für die Untersuchung diverser Ansätze bzgl. Modified Gravity.

DrStupid hat Folgendes geschrieben:
TomS hat Folgendes geschrieben:
Gegen was argumentierst du denn überhaupt? Genau das tut man doch mittels (3) und (4). Aus der Perspektive von ART + Standardmodell ist das doch etwas Neues.


Ich habe kein grundsätzliches Problem mit (3) und (4). Tatsächlich wäre (3) ja noch nicht einmal eine Alternative zur DM. (4) wird dann fragwürdig, wenn man es nur mit dem Ziel tut, die DM los zu werden. Damit würde man ein Problem lösen, dass man sich eigens für diese Lösung selbst geschaffen hat. Korrekturen der ART oder andere Alternativen ohne DM braucht man schließlich nur, wenn man willkürlich annimmt, dass es keine DM gibt. Ist die ART korrekt ist, dann gibt es die DM und es gibt keinen Bedarf für Korrekturen der ART oder Alternativen wie MOND. Solange die ART experimentell bestätigt bleibt und alles andere nur unbestätigte Hypothesen sind, ist letzteres zu bevorzugen.

(3) ist logischerweise keine Alternative zur DM sondern eine konkrete Theorie zur Erklärung der DM; zum Beispiel: „DM besteht aus Neuralinos“.

(4) ist eine Alternative zur DM und kommt ohne DM aus; zum Beispiel: „Gauge vector–tensor gravity erklärt sämtliche diskutierte Effekte“

Ob man jetzt (3) oder (4) bevorzugt ist zunächst reine Geschmacksache.

Wenn z.B. SUSY die genannten Teilchen mit den notwendigen Eigenschaften vorhersagt, wenn damit auch weitere konzeptionelle Probleme gelöst werden und wenn diese nachgewiesen werden, dann ist (3) sicher eine vernünftige Hypothese für die DM. Nur leider scheitert das letzte wenn für zunehmend mehr Modelle; die verbleibenden werden zunehmend hässlich, fine-tuned, künstlich usw.

Und damit ist die ursprünglich unattraktive Alternative (4) gar nicht mehr soo unattraktiv, denn auch die ART ist lediglich ein Spezialfall einer großen Klasse von Feldtheorien, so dass es nicht ausgeschlossen erscheint, dass eben nicht gerade die allereinfachste Variante zutrifft.

Da die Theorien (4) heute nicht alle Beobachtungsdaten aus der Astrophysik erklären, und da (3) zwar diese makroskopischen Beobachtungen erklärt, jedoch bisher kein akzeptierter experimenteller Hinweis auf die postulierten Teilchen existiert, ist es mittels wissenschaftlicher Argumente schwierig zu erklären, warum der eine oder der andere Ansatz besser sein sollte; beide sind sicher noch unvollständig.

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Anmeldungsdatum: 20.03.2009
Beiträge: 18079

Beitrag TomS Verfasst am: 14. Jan 2021 17:55    Titel: Antworten mit Zitat

DrStupid hat Folgendes geschrieben:
Corbi hat Folgendes geschrieben:
Du tust so als ab schon feststehen würde dass es die Dunkle Materie gibt.

Wenn TomS nicht doch noch zusätzlichen Hypothesen benennen kann, die zur Berechnung der Masseverteilung benötigt werden, dann ist das so sicher wie die ART und die ART ist so sicher wie eine Theorie in der Physik nur sein kann.

Weder ART noch das Standardmodell noch beide zusammen können heute alle Beobachtungsdaten erklären. Daraus folgt rein logisch sicher nicht, dass die ART richtig ist.

Das ist schlicht Schwachsinn; du hast dich hier in etwas verrannt.

DrStupid hat Folgendes geschrieben:
(4) halte ich vorerst für eine Sackgasse. Dazu bräuchte man eine von der ART unabhängige Methode zur Massebestimmung. Solange es die nicht gibt, bleiben die Modelle so spekulativ wie die Annahmen zur "wahren" Masseverteilung.

Ich habe nicht den Eindruck, dass du verstanden hast, wie die Ansätze zu (4) funktionieren.

Zu allem weiteren schreibe ich nichts mehr, das stört nur die Diskussion mit Corbi.

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Zuletzt bearbeitet von TomS am 14. Jan 2021 18:10, insgesamt 2-mal bearbeitet
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Anmeldungsdatum: 20.03.2009
Beiträge: 18079

Beitrag TomS Verfasst am: 14. Jan 2021 18:02    Titel: Antworten mit Zitat

Corbi hat Folgendes geschrieben:
Man tut (4) nicht um Dunkle Materie los zu werden (man weiß ja noch garnicht ob es sie überhaupt gibt also kann man sie auch nicht los werden) sondern um die Rotationskurven zu erklären.

Richtig; die Rotationskurven sowie weitere Phänomene.

Corbi hat Folgendes geschrieben:
Das Argumentationsschema bei (4) ist folgende: Die Rotationskurven sind im Außenbereich konstant & die ART sagt abflachende Rotationskurven voraus -> Die ART muss modifiziert werden.
Man löst also kein selbstgeschaffenes Problem damit.

Richtig.

Das besagt jedoch noch nicht, dass die Hypothese (4) zutrifft.

Das alternative Argumentationsschema bei (3) lautet: Die Rotationskurven sind im Außenbereich konstant & die ART + bekannte Materie sagen abflachende Rotationskurven voraus -> Das Standardmodell muss erweitert werden.

Beides ist keine leichtfertige Entscheidung, denn beide Theorien sind in vielen anderen Fällen präzise bestätigt worden. Und deswegen sind die Annahmen
Corbi hat Folgendes geschrieben:
es gebe Dunkle Materie [und] die ART [sei] nicht vollständig korrekt

keinesfalls willkürlich; man hat sich da schon ernsthaft Gedanken gemacht.

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Anmeldungsdatum: 07.10.2009
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Beitrag DrStupid Verfasst am: 14. Jan 2021 18:50    Titel: Antworten mit Zitat

TomS hat Folgendes geschrieben:
die Dunkle Materie ist eine postulierter Ansatz mittels hypothetischer Materieformen zur Erklärung beobachteter Phänomene


Was genau ist Teil dieses Ansatzes? Nur das, was man aus astronomischen Beobachtungen und der ART ableitet (das wäre genau das, was ich als DM bezeichne) oder noch etwas darüber hinaus (wenn ja, was und warum)?

TomS hat Folgendes geschrieben:
Die Rotationskurven sind nach ggw. Kenntnisstand nicht mittels ART + Standardmodell erklärbar; gewöhnliche baryonische Materie ist nicht ausreichend. D.h. man benötigt entweder eine Erweiterung der ART oder des Standardmodells.


Oder ART + etwas anderes als das Standardmodell. Warum bestehst Du darauf, dass das Standardmodell beteiligt sein muss? Natürlich kann man willkürlich festlegen, dass die DM vom Standardmodell abgebildet werden muss. Aber wenn sich das nicht bestätigt, dann wäre doch nur diese Festlegung falsifiziert und nicht das Standardmodell.

TomS hat Folgendes geschrieben:
Weder ART noch das Standardmodell noch beide zusammen können heute alle Beobachtungsdaten erklären.


Das habe ich auch nicht behauptet. Um Streitereien über Semantik aus dem Weg zu gehen, formuliere ich es mal etwas sperriger: Aus astronomischen Beobachtungen und der ART folgt zwingend etwas mit den Eigenschaften dessen, was man als Dunkle Materie bezeichnet (es sei denn, Dir fällt doch noch eine zusätzliche unbestätigte Hypothese ein, die man dafür benötigt).
DrStupid



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Beitrag DrStupid Verfasst am: 14. Jan 2021 19:21    Titel: Antworten mit Zitat

Corbi hat Folgendes geschrieben:
Die Annahmen von uns Menschen ändern überhaupt nichts an der Existenz oder nicht-Existenz der Dunklen Materie.


So war das auch nicht gemeint. Da wir keine widersprüchlichen Annahmen machen dürfen, haben Annahmen von uns Menschen einen Einfluss darauf, was wir darüber hinaus noch annehmen dürfen. Wenn man beispielsweise annimmt, dass die Masseverteilung im Universum der Verteilung der sichtbaren Materie entspricht, dann kann man nicht gleichzeitig annehmen, dass die ART korrekt ist. Das führt zu Deiner obigen Aussage zu den Rotationskurven und der ART. Dummerweise funktioniert das auch anders herum. Das führt dann zur DM. Dass das alles nichts mit dem tatsächlichen Wahrheitsgehalt der Annahmen zu tun hat, ist doch das eigentliche Problem.
DrStupid



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Beitrag DrStupid Verfasst am: 14. Jan 2021 19:55    Titel: Antworten mit Zitat

TomS hat Folgendes geschrieben:
Das Problem scheint zu sein, dass du diverse Begriff in unüblicher Weise verwendest; siehe https://de.m.wikipedia.org/wiki/Dunkle_Materie


Ich habe mir nochmal die Original-Publikation von Zwicky durchlegesen und finde dort meine Vorstellung von Dunkler Materie bestätigt (siehe http://articles.adsabs.harvard.edu/pdf/1933AcHPh...6..110Z):

Zitat:
Um, wie beobachtet, einen mittleren Dopplereffekt von 1000 km/sec oder mehr zu erhalten, müsste also die mittlere Dichte im Comasystem mindestens 400 mal größer sein als die auf Grund von Beobachtungen an leuchtender Materie abgeleitete. Falls sich dies bewahrheiten sollte, würde sich also das überraschende Resultat ergeben, dass dunkle Materie in sehr viel größerer Dichte vorhanden ist als leuchtende Materie.


"Dunkle Materie" bezeichnet hier alles, was zur Gesamtmasse beiträgt, aber nicht von der Massebestimmung über die Leuchtkraft erfasst wird.

Ich weiß, dass dieser Begriff im Laufe der Zeit auch für etwas anderes verwendet wurde und wird (z.B. als Synonym für nichtbaryonische Materie). Offenbar beziehen sich Deine Aussagen auf eine dieser Umdeutungen (obwohl ich nicht so recht weiß, wie die aussieht). Allerdings ist es mehr als fragwürdig, wenn eine Unvereinbarkeit einer dieser speziellen Formen von DM mit etablierten Theorien oder Naturgesetze als Falsifizierung eben dieser Theorien und Naturgesetze verstanden wird. Tatsächlich ist damit doch nur der jeweilige Spezialfall von DM vom Tisch. Wenn man beispeilsweise eine Form von DM postuliert, die vom Standardmodell erfasst wird und sich das nicht bestätigt, dann verwirft man doch nicht gleich das Standardmodell, sondern nur dieses Postulat.

DM im weitesten Sinne, wie sie von Zwicky eingeführt wurde, ist von alldem jedenfalls nicht betroffen.
TomS
Moderator


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Beitrag TomS Verfasst am: 14. Jan 2021 23:12    Titel: Antworten mit Zitat

DrStupid hat Folgendes geschrieben:
Um Streitereien über Semantik aus dem Weg zu gehen, formuliere ich es mal etwas sperriger: Aus astronomischen Beobachtungen und der ART folgt zwingend etwas mit den Eigenschaften dessen, was man als Dunkle Materie bezeichnet.

Warum musst du unbedingt eine Privatterminologie benutzen, die den Begriff Dunkle Materie einführt, ohne ihn zu erklären?

Gegenvorschlag:

Aus astronomischen Beobachtungen, der ART sowie der Dynamik bekannter Materieformen folgt, dass bekannte Materieformen im Rahmen der ART nicht ausreichend sind, um die Rotationskurven von Galaxien (und weitere Phänomene) zu erklären. Derzeit werden verschiedene Lösungsansätze untersucht:
1) nicht leuchtende baryonische Materie insbs. in Form brauner Zwerge
2) primordiale schwarze Löcher
3) Erweiterungen des Standardmodells, z.B. SUSY-Partner, Axionen etc.
4) Erweiterungen der ART durch zusätzliche Felder
(1 - 3) fasst man unter dem Begriff "Dunkle Materie" zusammen.

Was spricht dagegen?


DrStupid hat Folgendes geschrieben:
Was genau ist Teil dieses Ansatzes?

Genau das, was ist ich einige Zeilen weiter oben und schon mehrfach in im Verlauf des Threads geschrieben habe.

DrStupid hat Folgendes geschrieben:
Warum bestehst Du darauf, dass das Standardmodell beteiligt sein muss?

Weil es das Standardmodell ist, das alle bekannten Materieformen vollumfänglich beschreibt.

Wenn also bekannte Materieformen nicht ausreichen, dann auch nicht das Standardmodell - und umgekehrt.

DrStupid hat Folgendes geschrieben:
Natürlich kann man willkürlich festlegen, dass die DM vom Standardmodell abgebildet werden muss.

Nicht willkürlich.

Und "soll", nicht "muss".

Man möchte keine zusätzlichen Hypothesen einführen und versucht es zunächst mit gewöhnlicher Materie im Rahmen des Standardmodell. Das klappt nicht, also benötigt man Erweiterungen - entweder zum Standardmodell oder zur ART.

Erschließt sich dir die Logik wirklich nicht?

DrStupid hat Folgendes geschrieben:
Aber wenn sich das nicht bestätigt, dann wäre doch nur diese Festlegung falsifiziert und nicht das Standardmodell.

Das Standardmodell sagt uns, welche Materieformen existieren. Wenn es darüberhinaus weitere gibt wie (3), dann ist das Standardmodell diesbzgl. falsifiziert.

Du kannst nicht Neutralinos oder sonst was einführen, und geichzeitig behaupten, das Standardmodell wäre weiterhin vollumfänglich gültig. Das ist Quatsch.

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Niels Bohr brainwashed a whole generation of theorists into thinking that the job (interpreting quantum theory) was done 50 years ago.


Zuletzt bearbeitet von TomS am 15. Jan 2021 00:20, insgesamt einmal bearbeitet
TomS
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Beitrag TomS Verfasst am: 14. Jan 2021 23:45    Titel: Antworten mit Zitat

DrStupid hat Folgendes geschrieben:
TomS hat Folgendes geschrieben:
Das Problem scheint zu sein, dass du diverse Begriff in unüblicher Weise verwendest; siehe https://de.m.wikipedia.org/wiki/Dunkle_Materie

Ich habe mir nochmal die Original-Publikation von Zwicky durchlegesen und finde dort meine Vorstellung von Dunkler Materie bestätigt.

Zitat:
Um, wie beobachtet, einen mittleren Dopplereffekt von 1000 km/sec oder mehr zu erhalten, müsste also die mittlere Dichte im Comasystem mindestens 400 mal größer sein als die auf Grund von Beobachtungen an leuchtender Materie abgeleitete. Falls sich dies bewahrheiten sollte, würde sich also das überraschende Resultat ergeben, dass dunkle Materie in sehr viel größerer Dichte vorhanden ist als leuchtende Materie.

"Dunkle Materie" bezeichnet hier alles, was zur Gesamtmasse beiträgt, aber nicht von der Massebestimmung über die Leuchtkraft erfasst wird.

Ja. Da stimme ich zu, und ich habe nie etwas anderes behauptet.

DrStupid hat Folgendes geschrieben:
Ich weiß, dass dieser Begriff im Laufe der Zeit auch für etwas anderes verwendet wurde und wird (z.B. als Synonym für nichtbaryonische Materie). Offenbar beziehen sich Deine Aussagen auf eine dieser Umdeutungen.

Offenbar nicht! Könntest du zur Abwechslung mal lesen, was ich schreibe?

TomS hat Folgendes geschrieben:
Bsp. Dunkle Materie: hier sehe ich drei wesentliche Ansätze
1) baryonische Materie, braune Zwerge, ... - nicht ausreichend
2) (primordiale) schwarze Löcher - bisher nicht nachgewiesen
3) WIMPs, SUSY, sterile Neutrinos, Axionen ... - einfache Modelle sind auszuschließen, kompliziere postulieren eher mehr als sie erklären
(modifizierte Gravitation zähle ich nicht zu DM-Modellen sondern sehe sie als Alternative dazu, da sie gerade keine Materie im eigentlichen Sinne beinhalten)

Das habe ich jetzt mehrfach erklärt.

DrStupid hat Folgendes geschrieben:
DM im weitesten Sinne, wie sie von Zwicky eingeführt wurde, ist von alldem jedenfalls nicht betroffen.

DM nicht.

Zwicky nimmt jedoch an, so wie du auch -
DrStupid hat Folgendes geschrieben:
"Dunkle Materie" bezeichnet hier alles, was zur Gesamtmasse beiträgt, aber nicht von der Massebestimmung über die Leuchtkraft erfasst wird.

- dass eine Materieform vorliegt, die zur Masse beiträgt und so die beobachteten Effekte erklärt.

Aber das trifft nur auf (1 - 3) zu, nicht jedoch auf (4); in (4) tritt gerade keine zusätzliche Masse auf.

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Beitrag DrStupid Verfasst am: 15. Jan 2021 10:22    Titel: Antworten mit Zitat

TomS hat Folgendes geschrieben:
Warum musst du unbedingt eine Privatterminologie benutzen, die den Begriff Dunkle Materie einführt, ohne ihn zu erklären?


Es ist erstens nicht meine Privatterminologie und zweitens habe ich den Begriff erklärt:

DrStupid hat Folgendes geschrieben:
Die Dunkle Materie resultiert aus der Diskrepanz zwischen der Massebestimmung über die Masse-Leuchtkraft-Beziehung bzw. über die Geschwindigkeitsverteilung. Das wurde zuerst von Jan Hendrik Oort in der Michstraße entdeckt. Kurz darauf hat Fritz Zwicky eine ähnliche Beobachtung bei Galaxienhauifen gemacht. Er war es auch, der diese Differenz - in Unterscheidung zur leuchtenden Materie - als erster "Dunkle Materie" genannt hat.


Alles was ich hier geschrieben habe und schreibe bezieht sich auf diese Bedeutung des Begriffes.

TomS hat Folgendes geschrieben:
[…]
1) nicht leuchtende baryonische Materie insbs. in Form brauner Zwerge
2) primordiale schwarze Löcher
3) Erweiterungen des Standardmodells, z.B. SUSY-Partner, Axionen etc.
4) Erweiterungen der ART durch zusätzliche Felder
(1 - 3) fasst man unter dem Begriff "Dunkle Materie" zusammen.

Was spricht dagegen?


Dagegen spricht die willkürliche Einschränkung der DM auf (1-3). Wozu ist das notwendig? Warum bleibt man nicht einfach dabei, dass es sich um zusätzliche Masse bisher unbekannter Natur handelt? Das schließt (1-3) mit ein aber mögliche andere, bisher unbekannte Phänomene nicht aus.

TomS hat Folgendes geschrieben:
DrStupid hat Folgendes geschrieben:
Warum bestehst Du darauf, dass das Standardmodell beteiligt sein muss?

Weil es das Standardmodell ist, das alle bekannten Materieformen vollumfänglich beschreibt.


Das beantwortet die Frage nicht. Mit Punkt (2) zählst Du z.B. selbst primordiale Schwarze Löcher zur Dunkeln Materie. Die gehören nicht ins Standardmodell. Die Frage bleibt also bestehen: Warum muss die DM notwendigerweise etwas mit dem Standardmodell zu tun haben?

TomS hat Folgendes geschrieben:
Man möchte keine zusätzlichen Hypothesen einführen und versucht es zunächst mit gewöhnlicher Materie im Rahmen des Standardmodell. Das klappt nicht, also benötigt man Erweiterungen - entweder zum Standardmodell oder zur ART.

Erschließt sich dir die Logik wirklich nicht?


Nein, das tut sie nicht. Warum braucht man z.B. bei primordialen Schwarzen Löchern eine Erweiterung zum Standardmodell oder zur ART? Und was ist mit der Option, doch zusätzliche Hypothesen einzuführen? Es ist doch gar nicht sicher, dass man die DM ohne solche Hypothesen beschreiben kann.

TomS hat Folgendes geschrieben:
Das Standardmodell sagt uns, welche Materieformen existieren. Wenn es darüberhinaus weitere gibt wie (3), dann ist das Standardmodell diesbzgl. falsifiziert.


Ich habe Dir bereits gesagt, dass Du Dich nicht vom Wort "Materie" irritieren lassen darfst. Nur weil die zusätzliche Masse "Dunkle Materie" genannt wird, muss sie noch lange keine Materie sein für die das Standardmodell zuständig ist.

TomS hat Folgendes geschrieben:
DrStupid hat Folgendes geschrieben:
[…]"Dunkle Materie" bezeichnet hier alles, was zur Gesamtmasse beiträgt, aber nicht von der Massebestimmung über die Leuchtkraft erfasst wird.

Ja. Da stimme ich zu, und ich habe nie etwas anderes behauptet.


Natürlich tust Du das. Du schränkst die Dunkle Materie wahlweise auf Deine Punke (1-3) oder nur auf (1) und (3) ein (es wäre schön, wenn Du Dich wenigstens dabei festlegen würdest). Die obige Bedeutung des Begriffes bezeichnest Du, als meine "Privatterminologie", was wohl kaum als Zustimmung zu verstehen ist.

TomS hat Folgendes geschrieben:
Zwicky nimmt jedoch an, so wie du auch -
DrStupid hat Folgendes geschrieben:
"Dunkle Materie" bezeichnet hier alles, was zur Gesamtmasse beiträgt, aber nicht von der Massebestimmung über die Leuchtkraft erfasst wird.

- dass eine Materieform vorliegt, die zur Masse beiträgt und so die beobachteten Effekte erklärt.


Noch einmal - weil man es anscheinend nicht oft genug sagen kann: Dass Zwicky die fehlende Masse als "Dunkle Materie" bezeichnet, bedeutet nicht, dass es sich dabei um etwas handelt was Du als Materie im Sinne von (1-3) oder gar nur im Sinne des Standardmodells verstehst. Das ist einfach nur ein Name und keine Definition.
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