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Schütz mit verzögert abfallendem Magnetfeld
 
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cede



Anmeldungsdatum: 20.12.2019
Beiträge: 4

Beitrag cede Verfasst am: 20. Dez 2019 21:58    Titel: Schütz mit verzögert abfallendem Magnetfeld Antworten mit Zitat

Guten Abend,

zunächst möchte ich sagen, dass ich sehr erfreut darüber bin, hier ein klassisches Forum aufzufinden. Simpel gestaltet und zudem auch noch die Möglichkeit, ganz so wie früher als Gast ohne Registrierung Themen zu erstellen. Bei diesem Forum fühle ich mich tatsächlich 15 Jahre zurückversetzt. Wie schön. smile

Nun zu meinem Anliegen.
Ich kümmere mich um eine 90 Jahre alte historische Straßenbahn und möchte sie fahrfähig machen. Eine Funktion, die für diese alte Tram doch ziemlich banal ist, beschäftigt mich seit vielen Monaten: Der Blinker.

In dieser alten Tram ist kein Umformer vorhanden. Alles wird mit der Spannung aus dem Fahrdraht gespeist. Zur Beleuchtung werden drei Glühbirnen für jeweils 230V in Reihe geschaltet - wie an der Lichterkette des Weihnachtsbaumes. So auch beim Blinker. Damit der Blinker blinkt, ist ein Schütz vorhanden. Und genau dieser Schütz bereitet mir Probleme, da ich seine Funktionsweise nicht verstehe.

Die angehängten Grafiken zeigen den Blinkschütz (Schütz und Vorwiderstand) und das Funktionsprinzip des Blinkers.
Der orangene Kasten ist der Schütz, der für den Blinktakt sorgt.
H sind die Glühbirnen. Die erste Glühbirne dient zur Kontrolle beim Fahrer und die nachfolgenden Glühbirnen sind die eigentlichen Blinkerlampen außen.

Wird der Schalter S nach links oder rechts gelegt, ist der Stromkreis geschlossen. Da der Schaltkontakt des Schützes offen ist, sind der Vorwiderstand R, die Schützspule K sowie die drei Glühbirnen H die Verbraucher und der Strom gering: Die drei Lampen leuchten nicht.
Der Schütz zieht laut Typenschild innerhalb von 0,8 Sekunden an. Dabei wird die Spule magnetisch und zieht den Schaltkontakt zu. Die einzigen Verbraucher sind nun die drei Glühbirnen H: Die drei Lampen leuchten hell.

Nun geschieht das Unerklärliche: Da der Vorwiderstand und die Spule durch den geschlossenen Kontakt überbrückt sind, müsste meinem Verständnis nach das Magnetfeld in der Spule zusammenbrechen und sich somit der Kontakt des Schützes wieder öffnen. Gleichzeitig müsste der Schütz dann wieder sofort anziehen. Im Grunde genommen müsste der Schütz in einem sehr schnellen Takt (mehrmals in der Sekunde) anziehen und abfallen und daher müssten auch die Glühbirnen in einem sehr schnellen Takt blinken.
Kurz gesagt: Der Schütz müsste rattern wie ein Presslufthammer.

Aber dieser Schütz fällt erst nach vier Sekunden ab. Sobald er abfällt, zieht er im Bruchteil einer Sekunde (laut Typenschild 0,8s) wieder an.

Somit sind die Blinkerlampen vier Sekunden lang an und 0,8 Sekunden lang aus. Ein sehr ungewöhnlicher Blinktakt, aber so ist das.
Den Blinktakt habe ich auch selbst in Aktion gesehen. Der ist tatsächlich so.


Nun meine Frage: Wie kann das sein? Gibt es Spulen, die ein Magnetfeld über mehrere Sekunden lang erhalten können, obwohl keine Spannung mehr anliegt?
Falls ja, wie nennt man dieses Phänomen?

Außerdem habe ich auch ein anderes Problem. Dieser Schütz zieht an und fällt nicht mehr ab. Er bleibt sogar angezogen, obwohl keine Spannung mehr anliegt. Wenn man den Kontakt mit dem Finger wegzieht, fühlt es sich so an, als würde man einen schwachen Magneten von der Kühlschranktür abziehen. Drückt man den Kontakt dann wieder zu und lässt los, fällt er wieder ab. Er klebt somit nicht mehr fest. Der Schütz klebt nur fest, wenn er elektrisch anzieht.

Vermutlich besteht dieser Fehler, seit die alte Tram in der Oberleitung nicht mehr 600V bekommt, sondern 700V. Kann es sein, dass das Funktionsprinzip dieses Magnetfeldes durch die zusätzlichen 100V gestört ist?



Ich hoffe sehr, dass es jemanden gibt, der sich mit dieser Mischung aus Elektrik und Physik auskennt.
Wink




Nachfolgend die technischen Daten zum Blinkschütz für den Fall, dass sie zur Lösung der Funktionsweise benötigt werden.
Spulenspannung: 220V DC
Spulenstrom: 0,06A
Frequenz (vermutlich, da kaum lesbar): 60,0
Verzögerung: 0,8s
Baujahr: 73
DKT (Bedeutung unbekannt): K



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Nobby1



Anmeldungsdatum: 19.08.2019
Beiträge: 1543

Beitrag Nobby1 Verfasst am: 21. Dez 2019 16:45    Titel: Antworten mit Zitat

Kann es sein, dass parallel zur Schützspule noch ein Kondensator verbaut ist. Dann hätte man ein RC Glied was diesen Schaltvorgang erklären würde.
Andere Möglichkeit, da ja hier mit Gleichstrom gearbeitet wird, besteht der Kern der Spule aus einem besonderen ferromagnetischen Material, das teilweise ein permanent Magnet da ist. Das würde auch erklären wenn mit höherer Spannung gearbeitet wird, das Relais klebt.
cede



Anmeldungsdatum: 20.12.2019
Beiträge: 4

Beitrag cede Verfasst am: 21. Dez 2019 19:05    Titel: Antworten mit Zitat

Nein, parallel zur Schützspule ist kein Kondensator, sondern nur der eigene Schließerkontakt, der die Spule und den Vorwiderstand überbrückt.
Den Stromkreis habe ich nachverfolgt. Er ist wirklich so, wie in der angehängten Grafik.


Als ich das erste Mal mit diesem Bauteil in Berührung kam, ging ich auf dem ersten Blick von einem Schwingkreis aus, da ich dachte, dass da ein Kondensator verbaut ist. Es ist aber tatsächlich ein Widerstand. Die Beschriftung deutet darauf hin und ich habe auch nachgemessen.


Interessante Erklärung. Das heißt also, dass die vier Sekunden anhaltende Selbsthaltung damit zu erklären ist, dass es sich um eine besondere Spule handelt?
Wie ist denn zu erklären, dass dieses besondere ferromagnetische Material trotz fehlender Spannung ein Magnetfeld für einige Sekunden halten kann?

Ich kann verstehen, dass sich die Elementarmagnete bei anliegender Spannung in eine Richtung ausrichten. Allerdings verstehe ich nicht, warum sie trotz abfallender Spannung für einige Sekunden ausgerichtet bleiben. Und vor allem, warum sie bei zu hoher Spannung über Stunden hinweg ausgerichtet bleiben und erst dann wieder unausgerichtet sind, wenn das Objekt, das sie angezogen haben, von Hand weggezogen wird.


Aber ich habe sowas schon bei Elektromagneten beobachtet. Straßenbahnen haben als Bremse für den Notfall mehrere Elektromagneten, die an die Schiene angezogen werden und den ganzen Zug abbremsen. Manchmal kommt es vor, dass diese Elektromagnete noch einige Sekunden lang haften bleiben, obwohl die elektrische Spannung abgeschaltet wurde.
Wahrscheinlich handelt es sich hierbei um die selbe Ursache wie bei meinem Schütz für den Blinker, wobei es bei dem Blinker gewollt ist.
Nobby1



Anmeldungsdatum: 19.08.2019
Beiträge: 1543

Beitrag Nobby1 Verfasst am: 23. Dez 2019 15:36    Titel: Antworten mit Zitat

Zusatz: Aus den Widerstandsangaben kann man den Spannungsabfall an der Zugspule bei 600 V berechnen. Dieser sollte bei 700 V genauso sein, dazu den Vorwiderstand dementsptechend anpassen.
Weiterhin den Schaltkontakt auf Oxidation untersuchen.Vielleicht ist es kein 100%iger Kurzschluss mehr.
Beim Kurzschluss wird der Vorwiderstand parallel zur Zugspule geschaltet. Der Induktionsstrom entlädt sich über diesen dann, verzögert dadurch das Magnetfeld.
cede



Anmeldungsdatum: 20.12.2019
Beiträge: 4

Beitrag cede Verfasst am: 27. Dez 2019 22:48    Titel: Antworten mit Zitat

Nobby1 hat Folgendes geschrieben:
Zusatz: Aus den Widerstandsangaben kann man den Spannungsabfall an der Zugspule bei 600 V berechnen. Dieser sollte bei 700 V genauso sein, dazu den Vorwiderstand dementsptechend anpassen.

Mittlerweile beträgt die Spannung an der Oberleitung theoretisch 750V, aber tatsächlich sind 850V vorhanden.

Daher hatte ich bereits vor, hinter die Sicherung einen neuen Vorwiderstand einzubauen, der den gesamten Stromkreis des Blinkers bei 850V auf 600V herabsetzt. Dann ist der originale Zustand erreicht.

Mich hat jedoch diese eigenartige Schaltung des Blinkerschützes irritiert, da ich nicht verstanden habe, wie es möglich ist, dass er so funktioniert und vor allem der anschließende Fehler der dauerhaft magnetischen Spule hat mich beschäftigt.
Dank der Hilfe kann ich nun davon ausgehen, dass die zu hohe Spannung dafür verantwortlich ist.


Es wird noch einige Monate dauern, bis ich das alte Gefährt einschalten kann, da noch andere Arbeiten anstehen, aber ich werde auf jeden Fall berichten, ob der Schütz wieder funktioniert, um die Vermutung in diesem Thema zu bestätigen.



Nobby1 hat Folgendes geschrieben:
Weiterhin den Schaltkontakt auf Oxidation untersuchen.Vielleicht ist es kein 100%iger Kurzschluss mehr.
Beim Kurzschluss wird der Vorwiderstand parallel zur Zugspule geschaltet. Der Induktionsstrom entlädt sich über diesen dann, verzögert dadurch das Magnetfeld.

Der Schaltkontakt ist sauber und ich habe ihn auch probeweise getauscht. Das Problem blieb bestehen.

Danke für die Erklärung, wie das Magnetfeld erhalten wird.
Nobby1



Anmeldungsdatum: 19.08.2019
Beiträge: 1543

Beitrag Nobby1 Verfasst am: 28. Dez 2019 09:51    Titel: Antworten mit Zitat

Eine Frage noch , in welcher Stadt wird die Strassenbahn fahren.
PhyMaLehrer



Anmeldungsdatum: 17.10.2010
Beiträge: 1085
Wohnort: Leipzig

Beitrag PhyMaLehrer Verfasst am: 28. Dez 2019 19:03    Titel: Antworten mit Zitat

Ich hatte mal ein wenig in einer Telefonzentrale zu tun, so richtig mit Relais und Wählern und Gleichrichterschrank. Da gab es auch abfallverzögerte Relais. Bei denen befand sich um den Eisenkern herum ein Ring aus Kupfer, quasi eine kurzgeschlossene Windung. Beim Abschalten floß in dieser Windung ein Induktionsstrom, der wegen des geringen Widerstandes ziemlich groß war. Dadurch blieb das Relais noch etwas länger angezogen. Ich weiß aber leider nicht mehr, in welcher Größenordnung diese Zeit lag (Zehntelsekunden, eine Sekunde?).
Ob in deinem Falle so etwas vorhanden ist und sich eine Abfallverzögerung von 4 s erreichen läßt, weiß ich nicht. Aber ich dachte bei dieser Frage sofort an die Telefonrelais...
cede



Anmeldungsdatum: 20.12.2019
Beiträge: 4

Beitrag cede Verfasst am: 30. Dez 2019 15:12    Titel: Antworten mit Zitat

Sie wird in der Stadt Mainz fahren.
So sieht der Wagen aus: https://de.wikipedia.org/wiki/Stra%C3%9Fenbahn_Mainz#/media/Datei:Mainz-tw93.jpg

Ich möchte alles im Originalzustand belassen und daher soll auch der Schütz vom Blinker so bleiben, wie er ist. Zwar könnte ich eine moderne technische Lösung wählen, allerdings ist das nicht originalgetreu und uninteressant. smile

Übrigens: Die Blinker auf dem Foto sind seitlich die hervorstehenden Teile neben den vier großen Fenstern. Die orangene Leuchte am Heck ist das Bremslicht. Früher waren Bremslichter orange.



PhyMaLehrer hat Folgendes geschrieben:
Da gab es auch abfallverzögerte Relais. Bei denen befand sich um den Eisenkern herum ein Ring aus Kupfer, quasi eine kurzgeschlossene Windung. Beim Abschalten floß in dieser Windung ein Induktionsstrom, der wegen des geringen Widerstandes ziemlich groß war. Dadurch blieb das Relais noch etwas länger angezogen.

Gut möglich, dass mein Schütz so auch funktioniert. Jedoch sind die Wicklung und der Kern vollständig abgedeckt. Die intakte Umhüllung möchte ich daher nicht öffnen.




PhyMaLehrer hat Folgendes geschrieben:
Ob in deinem Falle so etwas vorhanden ist und sich eine Abfallverzögerung von 4 s erreichen läßt, weiß ich nicht. Aber ich dachte bei dieser Frage sofort an die Telefonrelais...

Das merke ich mir aber auf jeden Fall und schaue, ob ich mit der Suche nach Telefonrelais irgendwo einen ähnlichen Schütz auftreiben kann. Danke.
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