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Eichsymmetrie
 
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Physiknovize
Gast





Beitrag Physiknovize Verfasst am: 02. Sep 2019 18:18    Titel: Eichsymmetrie Antworten mit Zitat

Hallo

Bekanntlich haben die Potentiale in der Elektrodynamik eine Eichfreiheit, da durch entsprechenden Umeichungen sich die elektrischen und magnetischen Felder nicht ändern.

In den Feldtheorien betrachtet man Wirkungen, die mit entsprechenden Lagrangedichten berechnet werden.
Nun ist es so, dass das Schrödingerfeld eine lokale U(1) Eichsymmetrie hat, wobei dazu ein Eichfeld notwendig ist, welches an das Schrödingerfeld koppelt. Im Nachhinein kann man dieses Feld mit dem elektromagnetischen Feld identifizieren. Dieses Feld muss sich in einer ganz bestimmten Weise transformieren, wenn das Schrödingerfeld einer U(1) Transformation unterzogen wird, so dass die Symmetrie gewährleistet wird.

Soweit so gut.
Ich habe dazu ein paar Verständnisfragen.
Worin besteht der Zusammenhang zwischen der Eichfreiheit in der klassischen Elektrodynamik und der modernen feldtheoretischen Beschreibung? Bei der modernen feldtheoretischen Beschreibung muss das elektromagnetische Feld genauso transformieren, wie man es in der klassischen E-Dynamik gefunden hatte. Bei der klassischen E-Dynamik betrachtet aber Transformationen der Potentiale durch welche sich die Felder E und B nicht ändern, während man bei der modernen feldtheoretischen Beschreibung nach Transformationen sucht, welche die Wirkung nicht ändern., wobei sich die Wirkung nur aus den Potentialen nicht aber aus E und B zusammensetzt.
Wo ist da der Zusammenhang?

Man sagt häufig salopp, dass eine Symmetrie vorliegt, wenn nach der Transformation die physikalischen Gesetze genauso aussehen wir vor der Transformation. Was bedeutet das genau und wieso soll das nur der Fall sein, wenn die Wirkung sich nicht ändert? Kann es nicht auch Transformationen geben, bei denen die Wirkung sich zwar ändert, dies aber keine Auswirkungen auf die Euler-Lagrange-Gleichungen hat?`

Bei der Ableitung des Noethertheorems habe ich gesehen, dass man einfach Transformationen betrachtet, welche die Lagrangedichte nciht ändern, aber kann man zur Lagrangedichte nicht irgendwelche Oberflächenterme hinzufügen, so dass die Wirkung nicht trotzdem nicht ändert? Ich mein damit, dass man im Integral dann eine divergenz hat, die man dann mit dem gaußschen Satz zu Oberflächenterme umformen kann, die dann verschwinden.

Vielen Dank im Voraus
jh8979
Moderator


Anmeldungsdatum: 10.07.2012
Beiträge: 8582

Beitrag jh8979 Verfasst am: 02. Sep 2019 21:42    Titel: Re: Eichsymmetrie Antworten mit Zitat

Alles nicht ganz trivial. Ich nehme an mit moderne Feldtheorien meist du Quantenfeldtheorien:
Physiknovize hat Folgendes geschrieben:

Ich habe dazu ein paar Verständnisfragen.
Worin besteht der Zusammenhang zwischen der Eichfreiheit in der klassischen Elektrodynamik und der modernen feldtheoretischen Beschreibung? Bei der modernen feldtheoretischen Beschreibung muss das elektromagnetische Feld genauso transformieren, wie man es in der klassischen E-Dynamik gefunden hatte. Bei der klassischen E-Dynamik betrachtet aber Transformationen der Potentiale durch welche sich die Felder E und B nicht ändern, während man bei der modernen feldtheoretischen Beschreibung nach Transformationen sucht, welche die Wirkung nicht ändern., wobei sich die Wirkung nur aus den Potentialen nicht aber aus E und B zusammensetzt.
Wo ist da der Zusammenhang?

Letztendlich muss sich die klassische Theorie aus der Quantentheorie ergeben wenn h -> 0. Schon in der klassischen Feldtheorie kann ich im Lagrange-Formalismus keine Wechselwirkung mit geladenen Teilchen formulieren, die nur E und B enthält, sondern muss auf das Potential A zurückgreifen.

In der Quantenfeldtheorie stellt sich heraus, dass Felder wie E und B (die Ableitungen vom Potential sind) keine Kräfte übertragen können, die mit 1/r abfallen, sondern nur schneller (ich vermute gerade fast, dass dies auch in der klassischen Theorie so ist -siehe oben- aber bin mir nicht sicher). Aber um ein 1/r-Potential (4er-Vektor, Spin 1, masselos) in einer Lorentz-invarianten Theorie* zu quantisieren ist Eichinvarianz zwingend** erforderlich. Das ist alles andere als einsichtig und trivial und hat viel mit der Gruppenstruktur von SO(2,1) vs. SO(3) zu tun. Ich empfehlen hier "The Quantum Theory of Fields, Vol. 1" von Steven Weinberg, DAS BESTE BUCH über Quantenfeldtheorie (auch wenn es für einen Einsteiger etwas erschreckend sein kann).
Zitat:

Man sagt häufig salopp, dass eine Symmetrie vorliegt, wenn nach der Transformation die physikalischen Gesetze genauso aussehen wir vor der Transformation. Was bedeutet das genau und wieso soll das nur der Fall sein, wenn die Wirkung sich nicht ändert? Kann es nicht auch Transformationen geben, bei denen die Wirkung sich zwar ändert, dies aber keine Auswirkungen auf die Euler-Lagrange-Gleichungen hat?`

Das bedeutet, dass die Wirkung nach einer Symmetrietransformation genauso aussieht wie vorher. Dann sehen die EL-Gleichungen logischerweise genauso aus und die Physik ist dieselbe. Im Umkehrschluss: Wenn die Wirkung anders aussieht, dann sind natürlich auch die EL-Gleichungen anders, die physikalischen Gesetze sind also nicht dieselben.
Zitat:

Bei der Ableitung des Noethertheorems habe ich gesehen, dass man einfach Transformationen betrachtet, welche die Lagrangedichte nciht ändern, aber kann man zur Lagrangedichte nicht irgendwelche Oberflächenterme hinzufügen, so dass die Wirkung nicht trotzdem nicht ändert? Ich mein damit, dass man im Integral dann eine divergenz hat, die man dann mit dem gaußschen Satz zu Oberflächenterme umformen kann, die dann verschwinden.

Ja, kann man. Das passiert z.B. bei allg. Lorentztransformationen, die die Wirkung invariant lassen, aber nicht die Lagrangefunktion (ist eine schöne Übung, guck dir mal Translationen an).

* plus ein paar andere "physikalisch einleuchtende" Einschränkungen, insbesondere das "Cluster Decomposition Principle": Messungen, die "weit" voneinander entfernt sind, sollten sich nicht beeinflussen.
** zumindest kennen wir keinen anderen Weg.

PS: Ziemlich schöne, weil nicht triviale, Frage. Danke. smile
Physiknovize
Gast





Beitrag Physiknovize Verfasst am: 02. Sep 2019 22:24    Titel: Re: Eichsymmetrie Antworten mit Zitat

Hallo jh8979
Danke für deine Antwort
[quote="jh8979"]Alles nicht ganz trivial. Ich nehme an mit moderne Feldtheorien meist du Quantenfeldtheorien:
[quote="Physiknovize"]
Also ich meine damit keine Quantenfeldtheorien. Soweit bin ich noch nicht.
Stattdessen meinte ich damit die Formulierung von Feldtheorien im Lagrangeformalismus.
Wenn man zum ersten Mal die klassische Elektrodynamik mit den Maxwell-Gleichungen kennenlernt, formuliert man dies ja noch nicht als Lagrangedichte. Maxwell hat seine Theorie in dieser Form ja auch nie gesehen.
Von Feldquantisierung rede ich hier noch nicht.

Ich glaube ich muss noch etwas weiter ausholen, um meine Verständnisprobleme weiter einzukreisen.

Also in der klassischen Elektrodynamik führt man die Felder
und ein, wobei die Beziehung zu dem elektrischem und magnetischem Feld wie folgt gegeben ist:

und


Dann stellt man fest, dass man die Felder wie folgt tranformieren kann, ohne dass sich und
verändern:



Im Lagrangeformalismus betrachtet man eine Lagrangedichte mit dem Vierervektor , wobei die Wirkung unter der gleichen Transformation wie oben, sich nicht ändert. Meine Frage ist nun inwiefern es äquivalent zueinander ist, dass die elektrischen und magnetischen Felder unter einer Transformation invariant sind und dass die Wirkung bzw. die zugrundeliegenden Euler-Lagrange-Gleichungen unter dieser Transformation invariant sind. Für mich sind das zunächst zwei unterschiedliche Dinge. Kann es denn nicht Transformationen geben, die E und B invariant lassen, aber die EL-Gleichungen nicht?
Die eigentliche physikalische Auswirkung wird ja über die Felder E und B vermittelt, während der Vierervektor A Eichfreiheit hat. Aus meiner Sicht ist die Invarianz der EL-Gleichungen für das A-Feld eine schärfere Bedingung als die Invarianz der E- und B Felder.

Man könnte ähnliches bei der Schrödingergleichung betrachten.
Die eigentliche Messgröße ist
. Diese Größe ist invariant gegenüber einer Phasentransformation

Die Schrödingergleichung hat ebenfalls diese Eigenschaft.
Das Betragsquadrat ist sogar invariant gegenüber einer lokalen Transformation


Diese Eigenschaft hat die Schrödingergleichung aber nicht.

Damit die physikalisch beobachtbaren Gesetzmäßigkeiten vor und nach der Transformation gleich sind, müsste es doch ausreichen, dass invariant ist, wobei es aber auch möglich ist diese Invariant zu lassen, während die Schrödingergleichung nicht invariant ist.

Ich hoffe du verstehst wo mein Verständnisproblem liegt.
TomS
Moderator


Anmeldungsdatum: 20.03.2009
Beiträge: 18067

Beitrag TomS Verfasst am: 03. Sep 2019 09:26    Titel: Re: Eichsymmetrie Antworten mit Zitat

Physiknovize hat Folgendes geschrieben:
Meine Frage ist nun inwiefern es äquivalent zueinander ist, dass die elektrischen und magnetischen Felder unter einer Transformation invariant sind und dass die Wirkung bzw. die zugrundeliegenden Euler-Lagrange-Gleichungen unter dieser Transformation invariant sind. Für mich sind das zunächst zwei unterschiedliche Dinge.

Du hast völlig recht, das sind in der Tat zwei unterschiedliche Dinge.

Kontinuierliche Transformationen lassen sich zumeist mit Lie-Gruppen identifizieren, und für letztere gibt es eine Theorie der Darstellungen. Diese Darstellungen klassifiziert man üblicherweise als Skalar-, Vektor-, (allg.) Tensor oder auch Spinor-Darstellungen.

Betrachte die Rotationen SO(3). Du kennst sie als Rotationen von Objekten im 3-dim. Raum. Das Transformationsverhalten eines Vektors unterscheidet sich offenbar von dem eines Skalars. Du kannst die SO(3) zur SU(2) verallgemeinern und zudem noch Spinoren mit einbeziehen.

Diese Eigenschaften sind zunächst rein algebraischer Natur und haben noch keine physikalische Bedeutung.

Nun kannst du diese Lie-Gruppen auch als Eichgruppen auffassen, die keine Objekte im 3-dim. Raum transformieren, sondern in einem "internen" Raum wirken. Diese Objekte gehören wiederum zu verschiedenen Darstellungen. Vereinfacht gesprochen gehören Objekte, die invariant unter einer derartigen Eichtransformation sind, zur skalaren bzw. trivialen Darstellung der Eichgruppe; die Transformation "ist die Eins", sie "tut nichts". Eine Eichsymmetrie liegt genau dann vor, wenn die Wirkung (sowie später der daraus abgeleitete Hamiltonoperator) invariant unter dieser lokalen Transformation sind, also ein Skalar.



Im Falle der U(1) Eichsymmetrie existieren keine nicht-trivialen Darstellungen, da die Gruppe abelsch ist. Daher sind auch andere Objekte Skalare, d.h. konkret



Letzteres muss aber nicht so sein - und ist auch nicht so, wenn man andere Gruppen betrachtet.

Betrachtet man z.B. die SU(N) z.B. mit N=3 für die "Farbe" in der QCD, so findet man u.a. Vektor-Darstellungen. In diesem Fall gilt für das Transformationsverhalten das bekannte "Matrix * Vektor", d.h.



D(g) ist eine 8*8 matrix-wertige Darstellung eines Gruppenelementes g, die chromoe-elektrischen Felder transformieren sich als Vektoren bzgl. der SU(3). Ausgeschrieben mit Indizes usw. sieht das wie folgt aus:



i steht für den Index des 3-dim. Ortsraumes, a und b für den SU(3)-Index der 8-dim. Vektor-Darstellung.

Zusammenfassend: in dieser Eichtheorie transformieren sich die Felder E und B wie Vektoren, die Quarkfelder wie Spinoren, die Wirkung jedoch weiterhin als Skalar - letzteres garantiert die Eichsymmetrie.

Anmerkugn 1: statt Spinor- bzw. Vektor-Darstellung einer SU(N) oder SO(N) findet du oft auch den Begriff Fundamental- bzw. adjungierte Darstellung.

Anmerkung 2: die Eichfelder A selbst sind mit Objekten der Vektor-Darstellung verwandt, gehören jedoch nicht selbst dieser Darstellung an; Grund ist der Divergenzterm. Eichfelder entsprechen einer sogenannten Zusammenhangsform.

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Zuletzt bearbeitet von TomS am 03. Sep 2019 17:07, insgesamt 2-mal bearbeitet
TomS
Moderator


Anmeldungsdatum: 20.03.2009
Beiträge: 18067

Beitrag TomS Verfasst am: 03. Sep 2019 16:06    Titel: Antworten mit Zitat

Zur SGL:

Hier argumentiert man am besten mittels des Hamiltonoperators. Eine Eichsymmetrie muss als unitäre Transformation realisierbar sein, so dass das Spektrum der Observablen invariant ist.

Das bedeutet jedoch nicht, dass jeder Operator für sich invariant ist. Z.B. wäre der Feldoperator für das chromo-elektrische Feld nicht invariant, genausowenig wie der Farbladungsoperator, der Hamiltonoperator schon.

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Physiknovize
Gast





Beitrag Physiknovize Verfasst am: 03. Sep 2019 16:55    Titel: Antworten mit Zitat

Hallo TomS
TomS hat Folgendes geschrieben:
Zur SGL:

Hier argumentiert man am besten mittels des Hamiltonoperators. Eine Eichsymmetrie muss als unitäre Transformation realisierbar sein, so dass das Spektrum der Observablen invariant ist.

Das bedeutet jedoch nicht, dass jeder Operator für sich invariant ist. Z.B. wäre der Feldoperator für das chromo-elektrische Feld nicht invariant, genausowenig wie der Farbladungsoperator, der Hamiltonoperator schon.


Heißt das, dass bei Eichtransformationen des Schrödinger (oder bspw des Diracspinor-Feldes) zusätzlich zu der Invarianz der Wirkung die Transformation unitär sein muss, weil sich sonst die Messwerte ändern, auch wenn die Bewegungsgleichungen unverändert blieben?

Muss man analog bei dem elektromagnetischem Feld zusätzlich darauf achten, dass die physikalisch wirksamen Felder E und B, bei der Transformation unverändert bleiben?
Ist es dann nur Zufall, dass diejenigen Transformationen des Viererpotentials A, die die E und B Felder unverändert lassen auch die Wirkung unverändert lassen?


Mir fiel grad noch eine Frage ein. Gibt es bei den Eichfeldern der schwachen und starken Wechselwirkung, also den W und Z Feldern sowie den Gluonenfeldern, auch Entsprechungen für die E und B Felder im Elektromagnetismus? Die W und Z Felder entsprechen ja beim elektromagnetismus eher dem A Feld.
TomS
Moderator


Anmeldungsdatum: 20.03.2009
Beiträge: 18067

Beitrag TomS Verfasst am: 03. Sep 2019 17:14    Titel: Antworten mit Zitat

Die Forderung der Unitarität ist zentral in der QM. Die Invarianz skalarer Größen ist eine Konsequenz daraus. Demnach ist es auch kein Zufall, dass dies zusammenhängt; es gibt letztlich nur einen einzigen Operator U, der andere Objekte wie Hamiltonian, Felder, Zustände jeweils unterschiedlich transformiert.

Und ja, es gibt einen Feldstärketensor, der die Verallgemeinerung der E- und B-Felder enthält.

https://en.m.wikipedia.org/wiki/Yang%E2%80%93Mills_theory

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