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Gezeiten - Seite 2
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DrStupid



Anmeldungsdatum: 07.10.2009
Beiträge: 5063

Beitrag DrStupid Verfasst am: 31. Dez 2018 14:46    Titel: Re: Gezeiten Antworten mit Zitat

index_razor hat Folgendes geschrieben:
Die Kernaussage ist (4:13) "Die Gezeitenkräfte [...] ergeben sich durch vektorielle Addition von Gravitations- und Fliehkraft."

Das ist falsch. Die Gezeitenkräfte ergeben sich allein aus dem Gradienten der Gravitationskraft des Mondes (und der Sonne).


Nein, das ist nicht falsch. Siehe dazu https://de.wikipedia.org/wiki/Gezeitenkraft (Hervorhebung von mir):

Zitat:
Die Gezeitenkraft auf einen bestimmten Teil des ausgedehnten Körpers ist die Differenz der äußeren Gravitationskraft, die auf diesen Teil an seinem Ort wirkt, und der Gravitationskraft, die auf ihn wirken würde, wenn er sich im Massenmittelpunkt des ausgedehnten Körpers befände (siehe Abbildung, oberer Teil). Drei dazu äquivalente Definitionen sind: (1) Die Gezeitenkraft auf einen Teil des Körpers ist die Summe aus der äußeren Gravitationskraft und der Trägheitskraft, die sich aus der Beschleunigung des Massenmittelpunkts des ausgedehnten Körpers ergibt (siehe Abbildung, unterer Teil). (2) Die Gezeitenkraft ist die äußere Gravitationskraft, wie sie sich in dem beschleunigten Bezugssystem auswirkt, in dem der Massenmittelpunkt des ausgedehnten Körpers ruht. (3) Die Gezeitenkräfte ergeben sich aus den Gezeitenbeschleunigungen, das sind die Unterschiede in der Fallbeschleunigung, die verschiedene Teile des ausgedehnten Körpers in dem äußeren Gravitationsfeld erfahren.
VeryApe



Anmeldungsdatum: 10.02.2008
Beiträge: 3263

Beitrag VeryApe Verfasst am: 31. Dez 2018 15:33    Titel: Antworten mit Zitat

Dem was Dr Stupid hier über die Gezeitenkraft schreibt kann ich nichts weiter hinzufügen, bis auf das was er selber schon geschrieben hat

Zitat:
Das einzige was mir auffällt ist (wieder einmal) die irreführende Bezeichnung der im beschleunigten System auftretenden Scheinkraft als Fliehkraft.


Weil halt die Erde auf einer Kreisbahn ist taufen sie die Trägheitskraft als Fliehkraft und verwenden sie auch noch im Inertialsystem, aber das machen die halt in der ING Mechanik so mit der Dalembertkraft.

Prosit und Guten Rutsch

_________________
WAS IST LOS IN EUROPA? https://www.youtube.com/watch?v=a9mduhSSC5w
index_razor



Anmeldungsdatum: 14.08.2014
Beiträge: 3259

Beitrag index_razor Verfasst am: 01. Jan 2019 14:07    Titel: Antworten mit Zitat

So jetzt, mit etwas mehr Zeit noch etwas ausführlicher. Es ist ein bißchen länglich geworden. Ich hoffe du hast ein wenig Geduld.

ML hat Folgendes geschrieben:

index_razor hat Folgendes geschrieben:

Die Kernaussage ist (4:13) "Die Gezeitenkräfte [...] ergeben sich durch vektorielle Addition von Gravitations- und Fliehkraft."

Das ist falsch. Die Gezeitenkräfte ergeben sich allein aus dem Gradienten der Gravitationskraft des Mondes (und der Sonne).

Der Gezeiten-Effekt wäre exakt derselbe, selbst wenn Erde und Mond sich nicht umkreisen würden und folglich die im Video eingezeichneten "Fliehkräfte" gar nicht vorhanden wären. (Auch beim senkrechten Sturz auf auf ein Gravitationszentrum wären dieselben Gezeitenkräfte an beiden "Enden" des Körpers wirksam.)

Wenn ich Dich richtig verstehe, sagst Du, dass die unten im Bild (Bild: Fliehkraft.jpg) dargestellte Drehbewegung um das Baryzentrums gar keinen Einfluss auf die Pegelstände der Meere hat.


Ja, ich glaube das kann man so sagen. Um das deutlich zu machen will ich erstmal erklären, wie man Gezeitenkräfte in der Newtonschen Mechanik ohne Bezug auf irgendwelche Koordinatenachsen (ob rotierend oder nicht) analysieren kann. Damit soll auch deutlich werden welchen Stellenwert Trägheitskräfte hier einnehmen. (Spoiler: gar keinen.)

Die universell verwendete Definition von "Gezeitenkraft" ist: "Ursache der relativen Beschleunigung frei fallender Teilchen". Diese Definition ist zwar noch etwas vage, aber sie kann in dieser Form sowohl in der Newtonschen Gravitationstheorie als auch in der allgemeinen Relativitätstheorie mathematisch präzisiert werden. Der wesentliche Unterschied zwischen beiden Theorien ist, wie diese "Ursache" mathematisch zu beschreiben ist. (Wenn man noch tiefer gräbt, findet man heraus, daß es in beiden Fällen sogar dasselbe mathematische Objekt, "Krümmung der Raumzeit", ist, und daß sich nur die Struktur der Raumzeit unterscheidet. Aber um diese Analogie geht es im folgenden nicht. Ich nehme an, die Raumzeit ist flach und alle Effekte der Gravitation werden durch ein skalares Potential beschrieben.)

Versuchen wir die Definition mal auf die Newtonsche Mechanik zu übertragen. Von einem Teilchen am Ort zu einem anderen Teilchen am Ort zeigt der Ortsvektor . Die erste zeitliche Änderung des Ortsvektors ergibt die relative Geschwindigkeit, die zweite die relative Beschleunigung beider Teilchen. Im Gravitationspotential ergibt sich daraus sofort



Und das ist bereits alles. Links steht der Effekt, rechts die Ursache. Die Grundgleichung (1) ist übrigens auch diejenige die im Artikel Gezeitenkraft zur Herleitung verwendet wird.

Von Trägheitskräften keine Spur, denn wir haben keine Achsen eingeführt, relativ zu denen es Sinn ergäbe von Trägheitskräften zu sprechen. Wir können dies natürlich ohne weiteres tun. Die Wahl eines rotierenden Bezugssystems führt auf die Zerlegung



Das "rel" steht hier für "relativ zu den Achsen" und bezieht sich immer auf die Ableitungsoperation, d.h.



etc. Es hat nichts mit der relativen Bewegung der beiden Teilchen zu tun. Damit könnte man nun schreiben



Aber die ganzen Trägheitsterme auf der rechten Seite sind nur eine komplizierte Art auszudrücken. Sie sind nicht "Ursache" von irgendwas. Sie sind insbesondere nicht Ursache der relativen Beschleunigung, denn die relative Beschleunigung ist und nicht

Stattdessen sind die Trägheitskräfte nur die Folge der Drehung der Achsen. Und hat im Gegensatz zu keine von diesen Achsen unabhängige Bedeutung. Die Ursache für die Gezeiten ist die Differenz der Gravitationskräfte an den Punkten und



Normalerweise macht man aus dieser Differenz ein Differential, d.h.



Man betrachtet also nur infinitesimal benachbarte Teilchen. Dadurch wird die Gezeitenkraft zu einem lokalen (tensoriellen) Objekt und die ganze Definition ergibt auch Sinn in gekrümmten Raumzeiten, in denen man aus der Differenz entfernter Punkte keine Vektoren bilden kann.

Gleichung (2) ist eine vollständige Beschreibung der Gezeitenkraft in der Newtonschen Mechanik. (Siehe z.B. Thorne, Blandford, "Modern Classical Physics".)

Zitat:

Irgendwie kann ich mir das nicht so richtig vorstellen. Ich habe da immer dieses Experiment mit einem exzentrisch rotierenenden Suppenteller im Hinterkopf (ab Minute 3:10 bis 3:27):
https://www.youtube.com/watch?v=n4bpGTrcPoQ
(Über den restlichen Teil dieses Videos müssen wir uns nicht unterhalten.)

Ist das Suppenteller-Experiment kein gutes Anschauungsmodell für die Drehung von Erde und Mond um das Baryzentrum?


Um eine Antwort zu versuchen, will ich das obige Resultat für die Gezeitenkräfte rein qualitativ auf die Verhältnisse auf der Erde anwenden. Wir wissen, daß keine resultierende relative Beschleunigung der Punkte auf der Erde vorhanden sein kann. Andernfalls würden sie mit der Zeit auseinanderlaufen. Das heißt die Gezeitenkraft wird durch interne Wechselwirkungskräfte ausgeglichen.



Zu diesen Kräften gehören die elastischen, viskosen etc. Kräfte zwischen den Materieteilchen auf der Erde, aber natürlich auch das erdeigene Gravitationsfeld (welches in noch nicht enthalten war).

Vergleichen wir das mit der Situation im Suppenteller. Bei einer guten Analogie müßte es in der stationären Situation (= keine Relativbeschleunigung) eine Entsprechung für die Gesamtheit der Kräfte , sowie eine unabhängige Entsprechung für den zu veranschaulichenden Term geben.

Und hier werden die Dinge etwas undurchsichtig für mich. Bei der um versetzten dezentralen Drehung wirkt am Tellerrand die Zentripetalkraft



Zwischen den Tellerrändern wirken irgendwelche Adhäsions-, Reibungs- und Kohäsionskräfte auf das Wasser. In der finalen stationären Situation gleichen sich diese Terme zwar aus, aber was ist hier eine glaubhafte Verkörperung des inhomogenen Gravitationsfeldes und dessen Folge ?

Und umgekehrt: was wäre die reale Entsprechung der Zentripetalkraft auf das Wasser am Tellerrand? Die Gravitationskraft der Erde? In dem Suppenteller bewegen sich relative große Wassermengen relativ frei über den Tellerboden. Das liegt daran, daß in der Tellermitte recht unterschiedliche Kräfte auf Teller und Wasser wirken: die starken Bindungskräfte die den Teller zusammenhalten und die relativ schwachen Kräfte die das Wasser an den Teller binden. Dadurch wird die äußere Kraft, die die Rotationsbewegung verursacht und die gravitative Anziehung zwischen Mond und Erde darstellen soll, nicht gleichmäßig auf Teller und Wasser übertragen.

Nichts vergleichbares existiert, wenn die Rotation durch die Gravitation zwischen Mond und Erde verursacht wird. Wegen des Äquivalenzprinzips sind die Kräfte auf Wasser und Erde in räumlicher Nähe absolut identisch. Also existiert m.E. keine Ursache, die das Wasser so frei um die Erde schwappen ließe, wie im Suppenteller.

Das ist m.E. auch besser so. Wenn dieses Schwappen einen nennenswerten Effekt hätte, gäbe es für den rückseitigen Flutberg eine Ursache zu viel. Der Gezeitenterm erklärt seine Existenz nämlich bereits vollständig (er existiert wie gesagt auch beim senkrechten Fall ins Gravitationszentrum). Was könnte ein zusätzlicher Effekt hier bewirken? Eine Anhebung des rückseitigen Flutbergs im Vergleich zum Vorderseitigen? Das Gegenteil ist ja der Fall: Der Berg auf der Rückseite ist kleiner, was zum -Verlauf der Gezeitenkraft in Gl. (2) paßt.

Zitat:

Vielleicht verstehe ich nach Deiner Antwort auch, weshalb Du "Fliehkräfte" in Anführungezeichen setzt.

Zitat:

Edit: Später (5:1Rock wird (korrekterweise) behauptet, daß die Gezeitenkraft mit der dritten Potenz des Abstandes skaliert und daher schneller abfällt, als die Gravitationskraft. Das widerspricht aber der früheren Aussage, daß die Gezeitenkraft die Vektorsumme aus Gravitationskraft und konstanter "Fliehkraft" ist.

Die Aussage "konstant" soll m. E. heißen "örtlich konstant" (d. h. auf der ganzen Erde mit gleichem Betrag in die gleiche Richtung zeigend).
Es heißt aber nicht "zeitlich konstant" (da sich der Pfeil dreht) und auch nicht "unabhängig vom Abstand der beiden Himmelskörper", denn die Trägheitskräfte beim Erde-Mond-System unterscheiden sich, denke ich, schon von denen beim Erde-Sonne-System. Und mit "Abstand" ist m. E. der Abstand zwischen den Mittelpunkten der jeweiligen Himmelskörper gemeint.


Um nochmal klarer zu machen, worin mein Einwand hier besteht: Die Summe aus Gravitationskraft und homogener (= örtlich konstanter) Kraft skaliert wie mit dem Abstand der beiden Himmelskörper, nicht wie die Gezeitenkraft



die mit der inversen dritten Potenz desselben Abstands skaliert. Da die Gezeitenkraft sich aus der Differenz der Gravitationskräfte an verschieden Orten ergibt, hat die Addition einer konstanten Kraft zur Gravitation überhaupt keinen Einfluß auf den Verlauf der Gezeitenkraft.
index_razor



Anmeldungsdatum: 14.08.2014
Beiträge: 3259

Beitrag index_razor Verfasst am: 02. Jan 2019 09:47    Titel: Antworten mit Zitat

index_razor hat Folgendes geschrieben:

ML hat Folgendes geschrieben:

Die Aussage "konstant" soll m. E. heißen "örtlich konstant" (d. h. auf der ganzen Erde mit gleichem Betrag in die gleiche Richtung zeigend).
Es heißt aber nicht "zeitlich konstant" (da sich der Pfeil dreht) und auch nicht "unabhängig vom Abstand der beiden Himmelskörper", denn die Trägheitskräfte beim Erde-Mond-System unterscheiden sich, denke ich, schon von denen beim Erde-Sonne-System. Und mit "Abstand" ist m. E. der Abstand zwischen den Mittelpunkten der jeweiligen Himmelskörper gemeint.


Um nochmal klarer zu machen, worin mein Einwand hier besteht: [...]


Es hat ein bißchen gedauert, aber jetzt habe ich gemerkt, daß wir aneinander vorbeigeredet haben. Ich nahm an, es ginge um die Berechnung der Gezeitenkraft zwischen zwei benachbarten Punkten in der Nähe der Erdoberfläche. Dabei spielt ein homogenes Feld keine Rolle, selbst wenn seine Stärke vom Abstand der Mittelpunkte beider Himmelskörper abhängt. Denn nur die Differenz des Gesamtfeldes zwischen den beiden Punkten hat einen Einfluß auf das Ergebnis. Es ging aber in deiner Antwort (und im Video) offenbar immer um die Berechnung der Gezeitenbeschleunigung relativ zum Erdmittelpunkt. (Auch wenn das im Video nicht explizit erwähnt wird.) Deswegen trifft mein Einwand nicht. Die Rechnung ist zwar formal richtig (wenn auch eine Näherung), aber m.E. immer noch vollkommen irreführend. Die Rotation spielt wie gesagt bei der Berechnung des Effekts überhaupt keine Rolle. Das Argument erweckt aber den Eindruck, daß es ohne Rotation keine Gezeiten gäbe. Wenn ich die Gezeitenwirkung ohne Rotation berechnen wollte, bräuchte ich dann offenbar eine völlig andere Rechenvorschrift, obwohl es absolut derselbe Effekt ist. Dasselbe gilt, wenn ich die Gezeitenkraft zwischen zwei anderen Punkten berechnen will: entweder muß ich die Rechenregel ändern, oder ein anderes Bezugssystem wählen, obwohl der Effekt gar nicht vom Bezugssystem abhängt.
DrStupid



Anmeldungsdatum: 07.10.2009
Beiträge: 5063

Beitrag DrStupid Verfasst am: 02. Jan 2019 15:03    Titel: Antworten mit Zitat

index_razor hat Folgendes geschrieben:
Von Trägheitskräften keine Spur, denn wir haben keine Achsen eingeführt, relativ zu denen es Sinn ergäbe von Trägheitskräften zu sprechen.


Das liegt nicht am Fehlen irgendwelcher Achsen, sondern an der von Dir gewählten Beschränkung auf das Gravitationspotential. Mit dem effektiven Potential in einem Nicht-Inertialsystem liefert Deine Gleichung (1) eine Gezeitenkraft an der auch Trägheitskräfte beteiligt sind. Wählt man dafür z.B. das Ruhesystem der Erde, dann kann man die komplette Deformation der Erde in einem Abwasch behandeln. Warum sollte man sich solche eleganten Wege versperren, indem man darauf beharrt, dass Trägheitskräfte und Gezeitenkräfte nichts miteinander zu tun haben dürfen? Aus der Definition der Gezeitenkraft lässt sich das jedenfalls nicht ableiten – auch nicht aus der, die Du für "universell verwendet" hältst.

index_razor hat Folgendes geschrieben:
Um nochmal klarer zu machen, worin mein Einwand hier besteht: Die Summe aus Gravitationskraft und homogener (= örtlich konstanter) Kraft skaliert wie mit dem Abstand der beiden Himmelskörper


Du übersiehst anscheinend, dass sich mit dem Abstand der Himmelskörper auch das homogene Kraftfeld ändert. Dadurch skaliert die Summe der Kräfte umgekehrt proportional zur dritten Potenz dieses Abstandes – so wie es sich für die Gezeitenkraft gehört.
index_razor



Anmeldungsdatum: 14.08.2014
Beiträge: 3259

Beitrag index_razor Verfasst am: 02. Jan 2019 16:16    Titel: Antworten mit Zitat

DrStupid hat Folgendes geschrieben:
index_razor hat Folgendes geschrieben:
Von Trägheitskräften keine Spur, denn wir haben keine Achsen eingeführt, relativ zu denen es Sinn ergäbe von Trägheitskräften zu sprechen.


Das liegt nicht am Fehlen irgendwelcher Achsen, sondern an der von Dir gewählten Beschränkung auf das Gravitationspotential. Mit dem effektiven Potential in einem Nicht-Inertialsystem liefert Deine Gleichung (1) eine Gezeitenkraft an der auch Trägheitskräfte beteiligt sind.


Meine Gleichung (1) gilt unabhängig vom Bezugssystem, auch in Nicht-Inertialsystemen. Es ist nur von Punkten und Vektoren im Raum die Rede, sowie von skalaren Feldern auf diesem Raum. Die einzige Art, wie dort Trägheitskräfte auftauchen können, ist in der Gl. für weiter unten.

Zitat:

Wählt man dafür z.B. das Ruhesystem der Erde, dann kann man die komplette Deformation der Erde in einem Abwasch behandeln. Warum sollte man sich solche eleganten Wege versperren, indem man darauf beharrt, dass Trägheitskräfte und Gezeitenkräfte nichts miteinander zu tun haben dürfen?


Man versperrt sich hier gar nichts, wenn man nicht darauf beharrt, daß jede Deformation ein Gezeiteneffekt sein muß.

Zitat:

Aus der Definition der Gezeitenkraft lässt sich das jedenfalls nicht ableiten – auch nicht aus der, die Du für "universell verwendet" hältst.


Aus meiner Definition schon, denn diese nimmt ja explizit auf frei fallende Teilchen Bezug. Gravitation ist also die einzige Ursache, die hier in Frage kommt. Ich werde aber nicht über die "korrekte" Definition von Gezeitenkraft streiten.

Zitat:

index_razor hat Folgendes geschrieben:
Um nochmal klarer zu machen, worin mein Einwand hier besteht: Die Summe aus Gravitationskraft und homogener (= örtlich konstanter) Kraft skaliert wie mit dem Abstand der beiden Himmelskörper


Du übersiehst anscheinend, dass sich mit dem Abstand der Himmelskörper auch das homogene Kraftfeld ändert. Dadurch skaliert die Summe der Kräfte umgekehrt proportional zur dritten Potenz dieses Abstandes – so wie es sich für die Gezeitenkraft gehört.


Nein, ich hatte übersehen, daß mit der "vektoriellen Summe" die Gezeitenbeschleunigung relativ zum Erdmittelpunkt berechnet werden sollte. (Siehe meine letzte Antwort an ML.)
TomS
Moderator


Anmeldungsdatum: 20.03.2009
Beiträge: 18206

Beitrag TomS Verfasst am: 02. Jan 2019 16:53    Titel: Antworten mit Zitat

index_razor hat Folgendes geschrieben:
Die Rotation spielt wie gesagt bei der Berechnung des Effekts überhaupt keine Rolle. Das Argument erweckt aber den Eindruck, daß es ohne Rotation keine Gezeiten gäbe.

Die Rotation spielt insofern eine Rolle, als die Erde ggü. der als fest angenommenen Achse Erdmittelpunkt - Mondmittelpunkt rotiert. Dadurch verschieben sich die Orte der beiden Flutberge.

Die Rotation spielt jedoch keine Rolle für die Existenz der beiden Flutberge.

_________________
Niels Bohr brainwashed a whole generation of theorists into thinking that the job (interpreting quantum theory) was done 50 years ago.
DrStupid



Anmeldungsdatum: 07.10.2009
Beiträge: 5063

Beitrag DrStupid Verfasst am: 02. Jan 2019 19:55    Titel: Antworten mit Zitat

index_razor hat Folgendes geschrieben:
Meine Gleichung (1) gilt unabhängig vom Bezugssystem, auch in Nicht-Inertialsystemen. Es ist nur von Punkten und Vektoren im Raum die Rede, sowie von skalaren Feldern auf diesem Raum.


Genau davon rede ich doch. Wenn die Gleichung unabhängig vom Bezugssystem und auch in Nicht-Inertialsystemen gilt, dann gilt sie beispielsweise auch im Ruhesystem der Erde mit Ursprung im Erdmittelpunkt. Dort hat das Feld des effektiven Potentials die Form



wobei die Winkelgeschwindigkeit des Bezugssystems sowie und die Massen und Positionen aller anderen Himmelskörper in diesem Bezugssystem sind. Setz das einfach mal in Deine Gleichung ein und rechne die resultierende Gezeitenkraft aus.

index_razor hat Folgendes geschrieben:
Aus meiner Definition schon, denn diese nimmt ja explizit auf frei fallende Teilchen Bezug.


Auf solche Teilchen wirken in Nicht-Inertialsystemen neben der Gravitationskraft auch Scheinkräfte. Wenn die Gravitation als Ursache für Gezeitenkräfte in Frage kommt, warum dann nicht auch die Scheinkräfte?

index_razor hat Folgendes geschrieben:
Nein, ich hatte übersehen, daß mit der "vektoriellen Summe" die Gezeitenbeschleunigung relativ zum Erdmittelpunkt berechnet werden sollte. (Siehe meine letzte Antwort an ML.)


Deine letzte Antwort macht es nicht unbedingt besser:

index_razor hat Folgendes geschrieben:
Ich nahm an, es ginge um die Berechnung der Gezeitenkraft zwischen zwei benachbarten Punkten in der Nähe der Erdoberfläche. […] Es ging aber in deiner Antwort (und im Video) offenbar immer um die Berechnung der Gezeitenbeschleunigung relativ zum Erdmittelpunkt.


Zwischen benachbarten Punkten wirken gar keine Gezeitenkräfte und selbst wenn Du ihnen einen kleinen von Null verschiedenen Abstand zugestehst, würden Betrag und Richtung der zwischen ihnen wirkenden Gezeitenkraft von der willkürlichen Wahl der Punkte abhängen weil diese Gezeitenkraft in guter Näherung proportional zu ihrem Abstand ist. Ein Kraftfeld wie das hier:

https://www.lockhaven.edu/~dsimanek/scenario/Field_tidal.jpg

ergibt sich dagegen aus der Differenz der Gravitationskräfte und einem homogenen Kraftfeld das bei einer kugelsymmetrischen Masseverteilung so stark ist wie die Gravitationskraft im Mittelpunkt. Das ist in allen hier behandelten Quellen mit der Gezeitenkraft gemeint - auch bei Simanek. Deine Antwort klingt so als ob Du vorher die ganze Zeit nicht verstanden hast, worum es überhaupt geht.
VeryApe



Anmeldungsdatum: 10.02.2008
Beiträge: 3263

Beitrag VeryApe Verfasst am: 02. Jan 2019 20:08    Titel: Antworten mit Zitat

Zitat:
Ich nahm an, es ginge um die Berechnung der Gezeitenkraft zwischen zwei benachbarten Punkten in der Nähe der Erdoberfläche.


Es geht um die Gezeitenkräfte von äußeren Gravitationsfelder, wie das des Mondes.

Nimm mal an die Erde wäre ne starre Kugel und würde um keine eigene Achse rotieren und wir hätten ein Gestänge an der Oberfläche Boden montiert auf der Verbindungslinie Mond Erde und wir tun zunächst so als gebe es nur das Gravitationsfeld der Erde selbst und verzichten auf das des Mondes (der Mond ist nicht da, oder Sonne) und sonstige irgendwelche Gravitationsfelder.
Erdmittelpunkt wäre ein Inertialsystem.

Am Gestänge ist ein punktförmiges Gewicht eingehakt mit einem Lösungmechanismus.
Was passiert wenn ich das Gewicht löse.
Es beschleunigt in Richtung Erdmittelpunkt mit (sei in Richtung in Richtung Erdemittelpunkt negativ.

vom Gestänge weg
Das wäre auch die Beschleunigung aufs Inertialsystem laut Newton.

wäre dazwischen eine Feder wird die Feder mit der Kraft
belastet.

.... Abstand Gewicht zum Massenmittelpunkt der Erde

Durch die große Masse kann man die Erde weiterhin als unbeschleunigt betrachten -> Erdmittelpunkt = Inertialsystem

So jetzt schalten wir das Mond Gravitationsfeld ein und lösen wieder das Gewicht, was passiert.
Die gesamte starre Erde beschleunigt in Richtung Mond mit einer Massenmittelpunktsbeschleunigung durch die resultierende Gravitationskraft des Mondes und so auch das Gestänge .
Inertialsystem wäre nun das Baryzentrum.

Das Gewicht beschleunigt jetzt -

Beschleunigung Inertialsystem (Baryzentrum} auf der Mond-Erde-Linie in Richtung Mond positiv wie vorher.



... Abstand Gewicht Mond-Massenmittelpunkt

Da aber das Gestänge mit der Massenmittelpunktsbeschleunigung der Erde beschleunigt ist die Beschleunigung auf das Gestänge jetzt.



und würde man das Gewicht wieder am Gestänge einhacken würde man dort auf der Federwaage messen.



also eine andere Kraft als vorher.

Der eingeklammerte Begriff ist die Gezeitenkraft, die Veränderung der Belastung durch das Mond Gravitationsfeld

_________________
WAS IST LOS IN EUROPA? https://www.youtube.com/watch?v=a9mduhSSC5w


Zuletzt bearbeitet von VeryApe am 02. Jan 2019 21:04, insgesamt einmal bearbeitet
index_razor



Anmeldungsdatum: 14.08.2014
Beiträge: 3259

Beitrag index_razor Verfasst am: 02. Jan 2019 20:29    Titel: Antworten mit Zitat

DrStupid hat Folgendes geschrieben:
index_razor hat Folgendes geschrieben:
Meine Gleichung (1) gilt unabhängig vom Bezugssystem, auch in Nicht-Inertialsystemen. Es ist nur von Punkten und Vektoren im Raum die Rede, sowie von skalaren Feldern auf diesem Raum.


Genau davon rede ich doch. Wenn die Gleichung unabhängig vom Bezugssystem und auch in Nicht-Inertialsystemen gilt, dann gilt sie beispielsweise auch im Ruhesystem der Erde mit Ursprung im Erdmittelpunkt. Dort hat das Feld des effektiven Potentials die Form



wobei die Winkelgeschwindigkeit des Bezugssystems sowie und die Massen und Positionen aller anderen Himmelskörper in diesem Bezugssystem sind.


Der Kraftgradient dieses Potentials ergibt dann aber nicht die relative Beschleunigung. Ich glaube du hast meine Definition noch nicht richtig verstanden. Die Änderung des Bezugssystems ändert nichts an der skalaren Funktion

Zitat:

Setz das einfach mal in Deine Gleichung ein und rechne die resultierende Gezeitenkraft aus.


Schau dir mal meine Gl. für an. Das ist exakt die Gl. (1) ausgewertet in einem Nichtinertialsystem. Die Scheinkräfte stehen explizit drin.

Zitat:

index_razor hat Folgendes geschrieben:
Nein, ich hatte übersehen, daß mit der "vektoriellen Summe" die Gezeitenbeschleunigung relativ zum Erdmittelpunkt berechnet werden sollte. (Siehe meine letzte Antwort an ML.)


Deine letzte Antwort macht es nicht unbedingt besser:


Ich wollte auch nichts "besser" machen, sondern nur einen Irrtum eingestehen.

Zitat:

index_razor hat Folgendes geschrieben:
Ich nahm an, es ginge um die Berechnung der Gezeitenkraft zwischen zwei benachbarten Punkten in der Nähe der Erdoberfläche. […] Es ging aber in deiner Antwort (und im Video) offenbar immer um die Berechnung der Gezeitenbeschleunigung relativ zum Erdmittelpunkt.


Zwischen benachbarten Punkten wirken gar keine Gezeitenkräfte und selbst wenn Du ihnen einen kleinen von Null verschiedenen Abstand zugestehst, würden Betrag und Richtung der zwischen ihnen wirkenden Gezeitenkraft von der willkürlichen Wahl der Punkte abhängen weil diese Gezeitenkraft in guter Näherung proportional zu ihrem Abstand ist. Ein Kraftfeld wie das hier:

https://www.lockhaven.edu/~dsimanek/scenario/Field_tidal.jpg

ergibt sich dagegen aus der Differenz der Gravitationskräfte und einem homogenen Kraftfeld das bei einer kugelsymmetrischen Masseverteilung so stark ist wie die Gravitationskraft im Mittelpunkt. Das ist in allen hier behandelten Quellen mit der Gezeitenkraft gemeint - auch bei Simanek. Deine Antwort klingt so als ob Du vorher die ganze Zeit nicht verstanden hast, worum es überhaupt geht.


Ich kenne die Gezeitenkraft als Tensor, in den man den vektoriellen Abstand benachbarter Teilchentrajektorien einsetzt (hauptsächlich aus der ART). Von der willkürlichen Wahl der Referenz- und Nachbartrajektorie hängt das ganze dann ab, da hast du recht. Das scheint mir aber bei der Analyse von Verformungen auch das korrekte Objekt zu sein. Deswegen hörte es sich für mich aber falsch an, wenn dieses Objekt als Vektorsumme zweier Kräfte definiert wird. Wie der genaue Verlauf der Kraftlinien aus der Abbildung zustande kommt, war mir vorher tatsächlich nicht klar.
index_razor



Anmeldungsdatum: 14.08.2014
Beiträge: 3259

Beitrag index_razor Verfasst am: 02. Jan 2019 20:42    Titel: Antworten mit Zitat

DrStupid hat Folgendes geschrieben:

Ein Kraftfeld wie das hier:

https://www.lockhaven.edu/~dsimanek/scenario/Field_tidal.jpg

ergibt sich dagegen aus der Differenz der Gravitationskräfte und einem homogenen Kraftfeld das bei einer kugelsymmetrischen Masseverteilung so stark ist wie die Gravitationskraft im Mittelpunkt. Das ist in allen hier behandelten Quellen mit der Gezeitenkraft gemeint - auch bei Simanek. Deine Antwort klingt so als ob Du vorher die ganze Zeit nicht verstanden hast, worum es überhaupt geht.


Kannst du dazu mal eine Formel hinschreiben? Ich glaube ich habe es immer noch nicht verstanden. Wenn ich das richtig verstehe, wird durchgehend die Näherung



in diesen Herleitungen verwendet. Die Gezeitenbeschleunigung am Ort A relativ zum Erdmittelpunkt, wäre dann aber



(=Radiusvektor zu A), was, denke ich, nicht den eingezeichneten Feldverlauf ergibt. (EDIT: Doch, genau dies ist der Fall, siehe den Diskussionsverlauf weiter unten.)


Zuletzt bearbeitet von index_razor am 03. Jan 2019 08:59, insgesamt 2-mal bearbeitet
DrStupid



Anmeldungsdatum: 07.10.2009
Beiträge: 5063

Beitrag DrStupid Verfasst am: 02. Jan 2019 23:07    Titel: Antworten mit Zitat

index_razor hat Folgendes geschrieben:
Kannst du dazu mal eine Formel hinschreiben?


Nehmen wir mal die Fallbeschleunigung



im Gravitationsfeld einer im Koordinatenursprung sitzenden Masse m. Dieses Vektorfeld bewirkt sowohl Deformationen eines verformbaren Körpers als auch seine Beschleunigung als Ganzes. Da wir nur an der Deformation interessiert sind, müssen wir den homogenen Anteil eliminieren, der für die komplette Beschleunigung verantwortlich ist und keinen Anteil an der Deformation hat. Die Differenz



ist dann ein Maß für die Gezeitenkräfte. Das bedeutet, muss so gewählt werden, dass die resultierende Kraft



auf den kompletten Körper verschwindet. Im Falle einer kugelsymmetrischen Masseverteilung ist das besonders einfach, weil die Gesamtkraft der Kraft auf eine gleich große Punktmasse im Mittelpunkt entspricht. Das bedeutet



und somit



Anstatt das homogene Kraftfeld im Iniertialsystem zu eliminieren, kann man auch ein beschleunigtes Bezugssystem verwenden, indem sie durch eine gleich große Scheinkraft kompensiert wird. Mit dem resultierenden effektiven Potential



kannst Du die Gezentenkräfte mit Deiner Gleichung (1) dann auch direkt ausrechnen.

Ob man nur mit Gravitationskräften, Fallbeschleunigungen oder Gravitationspotentialen in Inertialsystemen oder zusätzlich mit Scheinkräften und ihren Potentialen (wenn sie denn existieren) in Nicht-Inertialsystemen rechnet, ist am Ende völlig egal, solange man es richtig macht. Das sind alles nur verschiedene Formalismen für die Beschreibung desselben Phänomens.

index_razor hat Folgendes geschrieben:
Die Gezeitenbeschleunigung am Ort A relativ zum Erdmittelpunkt, wäre dann aber



(=Radiusvektor zu A), was, denke ich, nicht den eingezeichneten Feldverlauf ergibt.


Das ist nicht die Gezeitenbeschleunigung sondern ihr Gradient. Um die Gezeitenbeschleunigung zwischen einem Ort und einem Ort zu erhalten, musst Du den Gradienten von bis integrieren oder für die erste Nährung am Ort mit multiplizieren. Wenn ich mich nicht verrechnet habe, dann ergibt das



wobei I die Einheitsmatrix ist. Das entspricht genau den Kraftfeldern, die man in den Abbildungen sieht. Ist A der Mittelpunkt einer kugelsymmetrischen Masseverteilung, dann ist das auch die auf die Verteilung wirkende Gezeitenbeschleunigung. In diesem Fall verschwindet das unerwünschte homogene Kraftfeld durch die zweifache Ableitung des Potentials und die anschließende Integration vom Mittelpunkt aus.
index_razor



Anmeldungsdatum: 14.08.2014
Beiträge: 3259

Beitrag index_razor Verfasst am: 03. Jan 2019 08:41    Titel: Antworten mit Zitat

DrStupid hat Folgendes geschrieben:

Mit dem resultierenden effektiven Potential



kannst Du die Gezentenkräfte mit Deiner Gleichung (1) dann auch direkt ausrechnen.


Wenn ich das in Formel (1) einsetze, kommt doch dasselbe raus, wie wenn ich von vornherein ignoriert hätte, da



räumlich konstant ist, also bei der Differenzbildung wieder raus fällt. Ich kann also genauso gut mit dem Potential



arbeiten.

Zitat:

index_razor hat Folgendes geschrieben:
Die Gezeitenbeschleunigung am Ort A relativ zum Erdmittelpunkt, wäre dann aber



(=Radiusvektor zu A), was, denke ich, nicht den eingezeichneten Feldverlauf ergibt.


Das ist nicht die Gezeitenbeschleunigung sondern ihr Gradient. Um die Gezeitenbeschleunigung zwischen einem Ort und einem Ort zu erhalten, musst Du den Gradienten von bis integrieren oder für die erste Nährung am Ort mit multiplizieren.


Das ist der Gradient der Gravitationsbeschleunigung. Wenn ich den integriere und dann die lineare Näherung verwende, lande ich wieder beim Gradienten. Deine Definition hier ist genau äquivalent zu (was ja schon linear in ist).

Es ist dieser Gradient des Gravitationsfeldes, der normalerweise als "Gezeitenkraft" bezeichnet wird. (Siehe z.B. hier, S. 1207f).

Und genau den habe ich auch die ganze Zeit so verwendet, wie du jetzt. Ich hatte lediglich beim Berechnen des Feldverlaufs einen Fehler gemacht. (dazu siehe unten.)

Zitat:

Wenn ich mich nicht verrechnet habe, dann ergibt das



wobei I die Einheitsmatrix ist.


Du hast dich m.E. nicht verrechnet (bis aufs Vorzeichen). Das ist übrigens genau die letzte Formel in meinem Beitrag hier mit etwas anderen Bezeichnungen. Meine Vermutung hier

index_razor hat Folgendes geschrieben:

Ich nahm an, es ginge um die Berechnung der Gezeitenkraft zwischen zwei benachbarten Punkten in der Nähe der Erdoberfläche. Dabei spielt ein homogenes Feld keine Rolle, selbst wenn seine Stärke vom Abstand der Mittelpunkte beider Himmelskörper abhängt. Denn nur die Differenz des Gesamtfeldes zwischen den beiden Punkten hat einen Einfluß auf das Ergebnis.


war dann doch absolut vernünftig und führt auch auf das korrekte Ergebnis. Dein ist genau mein .

Was man beim Plotten der Gezeitenkräfte macht ist folgendes: man betrachtet die relative Beschleunigung zweier benachbarter Teichen in der Nähe der Erdoberfläche, deren Abstandsvektor in Richtung Erdmittelpunkt zeigt. (In den meisten Herleitungen wird als Nachbarpunkt jeweils der Erdmittelpunkt selbst verwendet; also von einem genügend kleinen Erdradius ausgegangen.)

Dann ergibt sich am sublunaren Punkt



Am gegenüberliegenden Punkt hat die Kraft denselben Betrag und zeigt in entgegengesetzte Richtung vom Mond weg.

An den Punkten senkrecht zur Verbindungslinie ist und deshalb

,

zeigt also näherungsweise zum Erdmittelpunkt. Genauso hatte ich mir das die ganze Zeit gedacht. (Ich hatte vorher schon dieses Ergebnis ausgerechnet, dummerweise aber falsch interpretiert und deswegen gedacht es wäre nicht korrekt.)

Zitat:

Das entspricht genau den Kraftfeldern, die man in den Abbildungen sieht.


Genau das habe ich jetzt auch erkannt. Danke.

Zitat:

Ist A der Mittelpunkt einer kugelsymmetrischen Masseverteilung, dann ist das auch die auf die Verteilung wirkende Gezeitenbeschleunigung. In diesem Fall verschwindet das unerwünschte homogene Kraftfeld durch die zweifache Ableitung des Potentials und die anschließende Integration vom Mittelpunkt aus.


Das homogene Kraftfeld fällt auch bei endlichen Differenzen schon weg. Ich denke die Definition von kann man sich vollkommen sparen.
DrStupid



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Beitrag DrStupid Verfasst am: 03. Jan 2019 12:53    Titel: Antworten mit Zitat

index_razor hat Folgendes geschrieben:
Wenn ich das in Formel (1) einsetze, kommt doch dasselbe raus, wie wenn ich von vornherein ignoriert hätte


Natürlich kommt dasselbe raus. Ich habe doch geschrieben, dass der Formalismus keine Rolle spielt. Ob Du das Gravitationsfeld im Inertialsystem zerlegst oder in ein Nicht-Inertialsystem mit zusätzlichen Scheinkräften wechselst oder ein Potential daraus machst oder so lange ableitest bis alles verschwindet was Dich nicht interessiert ist reine Geschmackssache. Man kann die Deformation sogar berechnen, ohne vorher die Gezeitenkräfte zu isolieren. Jeder wählt den Weg, der ihm am besten liegt. Wenn Simanek & Co. eine Abneigung gegen Scheinkräfte haben, dann dürfen sie gern darauf verzichten. Das heißt aber nicht, dass sie es auch allen anderen verbieten müssen. Wer lieber mit Nicht-Inertialsystemen arbeitet darf das genauso gern tun. Für das Ergebnis ist das egal.

index_razor hat Folgendes geschrieben:
Das ist der Gradient der Gravitationsbeschleunigung.


Das klingt so als würdest Du glauben, dass sich die Gradienten von Gezeitenbeschleunigung und Gravitationsbeschleunigung unterscheiden. Der Witz an der ganzen Rechnung besteht aber gerade darin, dass das nicht der Fall ist. Andernfalls wäre die Ableitung und anschließende Integration nur ein Schildbürgerstreich.

index_razor hat Folgendes geschrieben:
Wenn ich den integriere und dann die lineare Näherung verwende, lande ich wieder beim Gradienten.


Wenn Du den Gradienten der Gravitationsbeschleunigung integrierst, dann landest Du nicht wieder beim Gradienten sondern bei Differenzen von Gravitationsbeschleunigungen. Das siehst Du schon allein daran, dass es sich um völlig unterschiedliche mathematische Objekte mit verschiedenen Einheiten handelt. Die Beschleunigung ist ein Vektor mit der Einheit m/s² und ihr Gradient eine quadratische Matrix mit der Einheit 1/s².

index_razor hat Folgendes geschrieben:
Es ist dieser Gradient des Gravitationsfeldes, der normalerweise als "Gezeitenkraft" bezeichnet wird.


Das halte ich eher für eine Ausnahme. Normalerweise sind mit Gezeitenkräften und Gezeitenbeschleunigungen Kräfte und Beschleunigungen gemeint (siehe z.B. Wikipedia oder so ziemlich alle Quellen über die hier diskutiert wurde). Warum sollte man sie sonst so nennen?

index_razor hat Folgendes geschrieben:
Du hast dich m.E. nicht verrechnet (bis aufs Vorzeichen).


Ich bin mir ziemlich sicher, dass das Vorzeichen korrekt ist.

index_razor hat Folgendes geschrieben:
Was man beim Plotten der Gezeitenkräfte macht ist folgendes: man betrachtet die relative Beschleunigung zweier benachbarter Teichen in der Nähe der Erdoberfläche, deren Abstandsvektor in Richtung Erdmittelpunkt zeigt.


Nein, man betrachtet die Beschleunigung aller Teilchen relativ zu der des Massescherpunktes. Und das liefert keine Nährung, sondern die exakten Werte für die Gezeitenbeschleunigungen.
index_razor



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Beitrag index_razor Verfasst am: 03. Jan 2019 13:39    Titel: Antworten mit Zitat

DrStupid hat Folgendes geschrieben:
index_razor hat Folgendes geschrieben:
Wenn ich das in Formel (1) einsetze, kommt doch dasselbe raus, wie wenn ich von vornherein ignoriert hätte


Natürlich kommt dasselbe raus. Ich habe doch geschrieben, dass der Formalismus keine Rolle spielt.


Ich frage mich nur, wozu dann die Definition von eigentlich gut sein soll.

Zitat:

Ob Du das Gravitationsfeld im Inertialsystem zerlegst oder in ein Nicht-Inertialsystem mit zusätzlichen Scheinkräften wechselst oder ein Potential daraus machst oder so lange ableitest bis alles verschwindet was Dich nicht interessiert ist reine Geschmackssache. Man kann die Deformation sogar berechnen, ohne vorher die Gezeitenkräfte zu isolieren. Jeder wählt den Weg, der ihm am besten liegt. Wenn Simanek & Co. eine Abneigung gegen Scheinkräfte haben, dann dürfen sie gern darauf verzichten. Das heißt aber nicht, dass sie es auch allen anderen verbieten müssen. Wer lieber mit Nicht-Inertialsystemen arbeitet darf das genauso gern tun. Für das Ergebnis ist das egal.


Kein Mensch hat irgendwas gegen Scheinkräfte oder wollte etwas verbieten. Scheinkräfte sind nur nicht die Ursache für die Gezeitendeformation, wie man an den Folgerungen aus meiner Gl (1) sieht oder ganz explizit, wenn man ins mitrotierende System transformiert und feststellt, daß die Trägheitskräfte dort homogen sind. (Also Gradient/Differenz null besitzen.)

Zitat:

index_razor hat Folgendes geschrieben:
Das ist der Gradient der Gravitationsbeschleunigung.


Das klingt so als würdest Du glauben, dass sich die Gradienten von Gezeitenbeschleunigung und Gravitationsbeschleunigung unterscheiden.


Ja das glaube ich. Ich verwende "Gezeitenbeschleunigung" und "relative Beschleunigung" als Synonyme. Dann ist der Gradient der Gravitationsbeschleunigung, also , (in linearer Näherung) gleich der Gezeitenbeschleunigung (nicht gleich deren Gradienten). Aber wenn dir diese Sprechweise nicht gefällt, dann schenke ich dir gern das Wort "Gezeitenbeschleunigung" und rede nur noch von relativer Beschleunigung.

Zitat:

Der Witz an der ganzen Rechnung besteht aber gerade darin, dass das nicht der Fall ist. Andernfalls wäre die Ableitung und anschließende Integration nur ein Schildbürgerstreich.


Ein bißchen so kommt es mir auch vor. Aber vielleicht habe ich auch nur deine Beschreibung mißverstanden.

Zitat:

index_razor hat Folgendes geschrieben:
Wenn ich den integriere und dann die lineare Näherung verwende, lande ich wieder beim Gradienten.


Wenn Du den Gradienten der Gravitationsbeschleunigung integrierst, dann landest Du nicht wieder beim Gradienten sondern [...]


Diese Behauptung steht da auch nicht.

Zitat:

index_razor hat Folgendes geschrieben:
Es ist dieser Gradient des Gravitationsfeldes, der normalerweise als "Gezeitenkraft" bezeichnet wird.


Das halte ich eher für eine Ausnahme. Normalerweise sind mit Gezeitenkräften und Gezeitenbeschleunigungen Kräfte und Beschleunigungen gemeint (siehe z.B. Wikipedia oder so ziemlich alle Quellen über die hier diskutiert wurde). Warum sollte man sie sonst so nennen?


Ich rede doch von der Größe . Die hat die Einheit einer Beschleunigung. Sie ist ja auch (ungefähr) gleich der relativen Beschleunigung.

Zitat:

index_razor hat Folgendes geschrieben:
Du hast dich m.E. nicht verrechnet (bis aufs Vorzeichen).


Ich bin mir ziemlich sicher, dass das Vorzeichen korrekt ist.


Ach stimmt. ich hatte die Orientierung von umgedreht. Es gilt . Dann stimmen unsere Ergebnisse überein.

Zitat:

index_razor hat Folgendes geschrieben:
Was man beim Plotten der Gezeitenkräfte macht ist folgendes: man betrachtet die relative Beschleunigung zweier benachbarter Teichen in der Nähe der Erdoberfläche, deren Abstandsvektor in Richtung Erdmittelpunkt zeigt.


Nein, man betrachtet die Beschleunigung aller Teilchen relativ zu der des Massescherpunktes. Und das liefert keine Nährung, sondern die exakten Werte für die Gezeitenbeschleunigungen.


Das selbst liefert noch keine Näherung. Die Näherung ist



mit der dauernd gerechnet wird. Die Näherung ist umso besser, je näher die Teilchentrajektorien verlaufen. Beim Verhältnis von Erdradius zum Abstand vom Mond spielt das nur keine Rolle und man kann den Mittelpunkt als allgemeinen Referenzpunkt verwenden.
DrStupid



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Beitrag DrStupid Verfasst am: 03. Jan 2019 14:33    Titel: Antworten mit Zitat

index_razor hat Folgendes geschrieben:
Ich frage mich nur, wozu dann die Definition von eigentlich gut sein soll.


Das homogene Kraftfeld wird definiert und berechnet, um es von den Gravitationskräften zu subtrahieren, so dass nur die Gezeitenkräfte übrig bleiben.

index_razor hat Folgendes geschrieben:
Scheinkräfte sind nur nicht die Ursache für die Gezeitendeformation


Sie können aber bei ihrer Berechnung verwendet werden, indem man die Gravitationskraft und die Scheinkräfte in einem beschleunigten System addiert. Dabei überwiegt auf der mondzugewandten Seite die Gravitation und auf der mondabgewandten Seite die Scheinkraft. Das zu sagen mag didaktisch fragwürdig sein, aber es ist nicht falsch.

index_razor hat Folgendes geschrieben:
wie man an den Folgerungen aus meiner Gl (1) sieht oder ganz explizit, wenn man ins mitrotierende System transformiert und feststellt, daß die Trägheistkräfte dort homogen sind. (Also Gradient/Differenz null besitzen.)


Das hast Du also immer noch nicht mit dem effektiven Potential nachgerechnet das ich Dir oben hingeschrieben habe.

index_razor hat Folgendes geschrieben:
Ich verwende "Gezeitenbeschleunigung" und "relative Beschleunigung" als Synonyme.


Ich auch.

index_razor hat Folgendes geschrieben:
Dann ist der Gradient der Gravitationsbeschleunigung, also , (in linearer Näherung) gleich der Gezeitenbeschleunigung (nicht gleich deren Gradienten).


Der Gradient einer Beschleunigung kann nicht gleich einer Beschleunigung sein (egal ob relativ oder absolut).

index_razor hat Folgendes geschrieben:
Ich rede doch von der Größe latex]\nabla_{\vec{\xi}}\nabla\phi[/latex].


Die Ableitung eines Vektors mit der Einheit m/s² nach einem Vektor mit der Einheit m ergibt nicht wieder einen Vektor mit der Einheit m/s², sondern eine Matrix mit der Einheit 1/s².

index_razor hat Folgendes geschrieben:
Die Näherung ist



Du hast auf der rechten Seite vergessen mit zu multiplizieren. So steht da schon wieder der Gradient anstelle der relativen Beschleunigung. Das verwechselst Du die ganze Zeit.
index_razor



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Beitrag index_razor Verfasst am: 03. Jan 2019 14:56    Titel: Antworten mit Zitat

DrStupid hat Folgendes geschrieben:
index_razor hat Folgendes geschrieben:
Ich frage mich nur, wozu dann die Definition von eigentlich gut sein soll.


Das homogene Kraftfeld wird definiert und berechnet, um es von den Gravitationskräften zu subtrahieren, so dass nur die Gezeitenkräfte übrig bleiben.


Achso, ich dachte du meinst es wäre wichtig das Gravitationspotential durch das von dir definierte effektive Potential zu ersetzen bevor man es in Gl (1) einsetzt. War wohl ein Mißverständnis. Dann scheinen wir uns in fast allen wesentlichen Punkten einig zu sein.

Zitat:

index_razor hat Folgendes geschrieben:
wie man an den Folgerungen aus meiner Gl (1) sieht oder ganz explizit, wenn man ins mitrotierende System transformiert und feststellt, daß die Trägheistkräfte dort homogen sind. (Also Gradient/Differenz null besitzen.)


Das hast Du also immer noch nicht mit dem effektiven Potential nachgerechnet das ich Dir oben hingeschrieben habe.


Doch. Was da rauskommt ist aber nicht die von mir definierte relative Beschleunigung. Das hatten wir doch schon.

Zitat:

index_razor hat Folgendes geschrieben:
Ich rede doch von der Größe latex]\nabla_{\vec{\xi}}\nabla\phi[/latex].


Die Ableitung eines Vektors mit der Einheit m/s² nach einem Vektor mit der Einheit m ergibt nicht wieder einen Vektor mit der Einheit m/s², sondern eine Matrix mit der Einheit 1/s².

index_razor hat Folgendes geschrieben:
Die Näherung ist



Du hast auf der rechten Seite vergessen mit zu multiplizieren. So steht da schon wieder der Gradient anstelle der relativen Beschleunigung. Das verwechselst Du die ganze Zeit.


Das ist wieder ein Mißverständnis. Die äußere Ableitung ist die Ableitung eines Vektorfeldes in Richtung des Vektors (kovariante Ableitung). Diese ist linear in (das hatte ich vorher schon mal erwähnt). Also gilt

.

Berechnen wir nun was ich als "Gradient der Gravitationsbeschleunigung" bezeichne mal in kartesischen Koordinaten:



(der zweite Term vor dem letzten "=" verschwindet wegen der kovarianten Konstanz der kartesischen Basisvektoren.) Die Multiplikation mit ist sozusagen implizit schon mit ausgeführt und alle Einheiten stimmen deshalb auch.
DrStupid



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Beitrag DrStupid Verfasst am: 03. Jan 2019 15:29    Titel: Antworten mit Zitat

index_razor hat Folgendes geschrieben:
Was da rauskommt ist aber nicht die von mir definierte relative Beschleunigung.


Doch, das ist schon die von Dir definierte relative Beschleunigung. Sie hat nur nicht die Eigenschaften die Du erwartest. Ob die Schweinkräfte homogen sind oder nicht folgt nicht aus Deiner Gleichung (1) sondern aus dem was man da einsetzt. Mit dem Potential der Zentrifugalbeschleunigung erhält z.B. relative Zentrifugalbeschleunigungen und die sind inhomogen.

index_razor hat Folgendes geschrieben:
Die äußere Ableitung ist die Ableitung eines Vektorfeldes in Richtung des Vektors (kovariante Ableitung).


So hatte ich das verstanden. Die kovariante Ableitung eines Tensors n-ter Stufe ist ein Tensor (n+1)-ter Stufe. In diesem Fall wird aus einem Tensor erster Stufe (Vektor) ein Tensor zweiter Stufe (Matrix) und um aus der Matrix wieder einen Vektor zu machen musst Du sie mit einem Vektor multiplizieren.

Anscheinend meinst Du aber etwas anderes. Kannst Du das eventuell mit einer anderen Notation formulieren?
index_razor



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Beitrag index_razor Verfasst am: 03. Jan 2019 16:35    Titel: Antworten mit Zitat

DrStupid hat Folgendes geschrieben:
index_razor hat Folgendes geschrieben:
Was da rauskommt ist aber nicht die von mir definierte relative Beschleunigung.


Doch, das ist schon die von Dir definierte relative Beschleunigung. Sie hat nur nicht die Eigenschaften die Du erwartest. Ob die Scheinkräfte homogen sind oder nicht folgt nicht aus Deiner Gleichung (1) sondern aus dem was man da einsetzt. Mit dem Potential der Zentrifugalbeschleunigung erhält z.B. relative Zentrifugalbeschleunigungen und die sind inhomogen.


Wir scheinen uns nicht einig zu sein, auf welche Weise Scheinkräfte in Gl. (1) eingehen können. Meiner Definition zufolge entstehen sie aus der linken Seite, wenn ich bzgl. rotierender Achsen in einem eventuell beschleunigten Bezugspunkt auswerte. Das ergibt



Dies ändert zunächst weder etwas an noch an sonst einer Größe der Gl., denn diese war ja vom Bezugssystem unabhängig. (Es werden aber ein paar neue Größen eingeführt, z.B. .)

Bei dir kann man offenbar zu dem Potential in (1) einfach so Potentiale für Scheinkräfte hinzuaddieren. Das ergibt keinen Sinn für mich, denn Scheinkräfte sind ein Effekt von beschleunigten Bezugssystemen. Sie tauchen in bezugsystemunabhängigen Gleichungen wie (1) niemals auf. Insbesondere das Potential ist eine skalare bezugssystemunabhängige Funktion auf dem absoluten Raum und beschreibt eine reale Wechselwirkung zwischen Teilchen. Wo soll da plötzlich eine Scheinkraft herkommen? Höchstens so...

Ich kann natürlich eine kovariante Gleichung wie auch in der folgenden Form schreiben



und den Term rechts als Gradient eines Zentrifugalpotentials ausdrücken. (Das funktioniert allerdings ohnehin nicht mit allen Scheinkräften so.) Aber die linke Seite beschreibt dann ja nicht mehr die vollständige Änderung von . Das meine ich damit, daß der Gradient von nicht die relative Beschleunigung ergibt, sondern nur die Beschleunigung relativ zu den Achsen .



Zitat:

index_razor hat Folgendes geschrieben:
Die äußere Ableitung ist die Ableitung eines Vektorfeldes in Richtung des Vektors (kovariante Ableitung).


So hatte ich das verstanden. Die kovariante Ableitung eines Tensors n-ter Stufe ist ein Tensor (n+1)-ter Stufe. In diesem Fall wird aus einem Tensor erster Stufe (Vektor) ein Tensor zweiter Stufe (Matrix) und um aus der Matrix wieder einen Vektor zu machen musst Du sie mit einem Vektor multiplizieren.

Anscheinend meinst Du aber etwas anderes. Kannst Du das eventuell mit einer anderen Notation formulieren?


Wir meinen ungefähr dasselbe, aber nicht ganz. Der Unterschied ist folgender:

Die kovariante Ableitung eines Tensors n-ter Stufe in Richtung eines bestimmten Vektors ergibt wieder einen Tensor n-ter Stufe.

Du meinst aber die kovariante Ableitung in eine unspezifizierte Richtung (manchmal auch als kovariantes Differential bezeichnet). Dies ist tatsächlich ein Tensor n+1-ter Stufe. Kontraktion dieses Tensors mit einem Vektor reduziert die Stufe wieder um eins und ergibt .
DrStupid



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Beitrag DrStupid Verfasst am: 03. Jan 2019 17:44    Titel: Antworten mit Zitat

index_razor hat Folgendes geschrieben:
Ich kann natürlich eine kovariante Gleichung wie auch in der folgenden Form schreiben



und den Term rechts als Gradient eines Zentrifugalpotentials ausdrücken.


Genau das habe ich Dir doch oben beschrieben!? Hast Du das nicht gelesen?

index_razor hat Folgendes geschrieben:
(Das funktioniert allerdings ohnehin nicht mit allen Scheinkräften so.)


Das funktioniert auch nicht mit allen Wechselwirkungskräften.

index_razor hat Folgendes geschrieben:
Aber die linke Seite beschreibt dann ja nicht mehr die vollständige Änderung von .


Sie beschreibt die vollständige Änderung von im jeweiligen Bezugssystem.

index_razor hat Folgendes geschrieben:
Das meine ich damit, daß der Gradient von nicht die relative Beschleunigung ergibt, sondern nur die Beschleunigung relativ zu den Achsen .


Das schafft der Gradient von bei einer rotierenden Erde auch nicht. Mit erhälst Du da zumindest im mitrotierenden System das vollständige Feld der äußeren deformierenden Kräfte.
index_razor



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Beitrag index_razor Verfasst am: 04. Jan 2019 08:24    Titel: Antworten mit Zitat

DrStupid hat Folgendes geschrieben:

Genau das habe ich Dir doch oben beschrieben!? Hast Du das nicht gelesen?


Aus keinem anderen Grund habe ich das hier erwähnt: um festzustellen, ob wir uns einig sind, wie das Zentrifugalpotential in die Gl. (1) kommt. Sind wir dann wohl offenbar.

Zitat:

index_razor hat Folgendes geschrieben:
(Das funktioniert allerdings ohnehin nicht mit allen Scheinkräften so.)


Das funktioniert auch nicht mit allen Wechselwirkungskräften.


Das stimmt, ist aber irrelevant. Ich rede ja von der relativen Beschleunigung frei fallender Teilchen.

Zitat:

index_razor hat Folgendes geschrieben:
Aber die linke Seite beschreibt dann ja nicht mehr die vollständige Änderung von .


Sie beschreibt die vollständige Änderung von im jeweiligen Bezugssystem.


Ich hatte aber "Gezeitenkraft" als Ursache von definiert (zweite Ableitung des Abstandsvektors frei fallender Teilchen), nicht als Ursache von (welches überhaupt nicht die Ableitung irgendeines Vektors ist). Der Punkt ist, daß dies zwei vollkommen verschiedene Objekte sind. Es ist also egal was beschreibt, denn es geht um .

Du kannst das gern als Ausdruck meiner Vorurteile gegenüber Trägheitskräften ansehen. Aber ich sehe überhaupt keinen Zweck darin, darüber zu streiten, welche Definition "richtig" ist.

Zitat:

index_razor hat Folgendes geschrieben:
Das meine ich damit, daß der Gradient von nicht die relative Beschleunigung ergibt, sondern nur die Beschleunigung relativ zu den Achsen .


Das schafft der Gradient von bei einer rotierenden Erde auch nicht. Mit erhälst Du da zumindest im mitrotierenden System das vollständige Feld der äußeren deformierenden Kräfte.


Wir wiederholen uns. Deine Aussage stimmt ja. Aber ich bezeichne nicht "jeglich Abweichung von der Kugelform" als "Deformation" im Sinne des Gezeiteneffekts, sondern nur diejenige, auf die ebenfalls die relative Beschleunigung frei fallender Teilchen zurückzuführen ist. Du kannst "Gezeitenkraft" gern anders definieren, es wäre aber m.E. ungewöhnlich.
DrStupid



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Beitrag DrStupid Verfasst am: 04. Jan 2019 12:13    Titel: Antworten mit Zitat

index_razor hat Folgendes geschrieben:
Das stimmt, ist aber irrelevant. Ich rede ja von der relativen Beschleunigung frei fallender Teilchen.


Dann ist Dein Einwand auch irrelevant. Ich rede ja von Teilchen die in einem rotierenden und beschleunigten Bezugssystem ruhen.

index_razor hat Folgendes geschrieben:
Ich hatte aber "Gezeitenkraft" als Ursache von definiert (zweite Ableitung des Abstandsvektors frei fallender Teilchen)


Genau das liefert Dir das oben genannte Potential im Ruhesystem der rotierenden Erde.

index_razor hat Folgendes geschrieben:
Aber ich bezeichne nicht "jeglich Abweichung von der Kugelform" als "Deformation" im Sinne des Gezeiteneffekts, sondern nur diejenige, auf die ebenfalls die relative Beschleunigung frei fallender Teilchen zurückzuführen ist.


Das tut ich doch auch. Ich beharre nur nicht darauf, dass diese Definition ausschließlich in Inertialsystemen verwendet werden darf.
index_razor



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Beiträge: 3259

Beitrag index_razor Verfasst am: 04. Jan 2019 13:23    Titel: Antworten mit Zitat

DrStupid hat Folgendes geschrieben:
index_razor hat Folgendes geschrieben:
Das stimmt, ist aber irrelevant. Ich rede ja von der relativen Beschleunigung frei fallender Teilchen.


Dann ist Dein Einwand auch irrelevant. Ich rede ja von Teilchen die in einem rotierenden und beschleunigten Bezugssystem ruhen.


Dann reden wir anscheinend von völlig verschiedenen Situationen. Ich spreche von Teilchentrajektorien im Gravitationsfeld mit beliebigen Anfangsgeschwindigkeiten. Es können aber nicht alle diese Teilchen in einem festen rotierenden System ruhen.

Zitat:

index_razor hat Folgendes geschrieben:
Ich hatte aber "Gezeitenkraft" als Ursache von definiert (zweite Ableitung des Abstandsvektors frei fallender Teilchen)


Genau das liefert Dir das oben genannte Potential im Ruhesystem der rotierenden Erde.

index_razor hat Folgendes geschrieben:
Aber ich bezeichne nicht "jeglich Abweichung von der Kugelform" als "Deformation" im Sinne des Gezeiteneffekts, sondern nur diejenige, auf die ebenfalls die relative Beschleunigung frei fallender Teilchen zurückzuführen ist.


Das tut ich doch auch. Ich beharre nur nicht darauf, dass diese Definition ausschließlich in Inertialsystemen verwendet werden darf.


Ich weiß nicht wie du darauf kommst, ich würde darauf beharren. Ich erwähne nicht mal irgendein Inertialsystem. ist die relative Beschleunigung zweier Teilchen, nicht die relative Beschleunigung "in einem Inertialystem". Genauso ist die Ursache für die Beschleunigung jedes dieser Teilchen, nicht deren Ursache "in einem Inertialystem". Wir sind uns wohl immer noch nicht einig in Bezug darauf, was Gl. (1) überhaupt bedeutet.
DrStupid



Anmeldungsdatum: 07.10.2009
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Beitrag DrStupid Verfasst am: 04. Jan 2019 15:04    Titel: Antworten mit Zitat

index_razor hat Folgendes geschrieben:
Ich spreche von Teilchentrajektorien im Gravitationsfeld mit beliebigen Anfangsgeschwindigkeiten.


Ich spreche von der Erde in einem äußeren Potentialfeld das im Nicht-Inertialsystem auch Scheinkräfte beinhaltet. Selbst wenn man plötzlich alle Wechselwirkungen zwischen den Bestandteilen der Erde ausschaltet, haben sie keine beliebigen Anfangsgeschwindigkeiten, sondern sie ruhen zunächst im mitbewegten System. Natürlich würde sich das ändern, wenn sie sich unter diesen Bedingungen in Bewegung setzen, aber dann würden wir auch nicht mehr von der Erde reden.

index_razor hat Folgendes geschrieben:
Ich weiß nicht wie du darauf kommst, ich würde darauf beharren.


Du wendest deine Gleichung (1) immer nur im Inertialsystem auf das Gravitationspotential des Mondes an und transformierst das Ergebnis anschließend in das rotierende System, anstatt sie direkt im Nicht-Inertialsystem auf das dort wirkende Potentialfeld anzuwenden. Du akzeptierst nur die Lösung im Inertialsystem als Gezeitenkraft, obwohl die Lösung im Nicht-Inertialsystem derselben Definition genügt.

index_razor hat Folgendes geschrieben:
ist die relative Beschleunigung zweier Teilchen, nicht die relative Beschleunigung "in einem Inertialystem". Genauso ist die Ursache für die Beschleunigung jedes dieser Teilchen, nicht deren Ursache "in einem Inertialystem".


Sowohl die relative Beschleunigungen als auch ihre Ursache sind bezugssystemabhängig. Sie sehen im rotierenden System anders aus als im Inertialsystem. Lediglich die Gleichung, die beide verbindet ist in allen Bezugssystemen dieselbe.
index_razor



Anmeldungsdatum: 14.08.2014
Beiträge: 3259

Beitrag index_razor Verfasst am: 04. Jan 2019 15:14    Titel: Antworten mit Zitat

DrStupid hat Folgendes geschrieben:
index_razor hat Folgendes geschrieben:
Ich spreche von Teilchentrajektorien im Gravitationsfeld mit beliebigen Anfangsgeschwindigkeiten.


Ich spreche von der Erde in einem äußeren Potentialfeld das im Nicht-Inertialsystem auch Scheinkräfte beinhaltet.


Ich auch. Diese konkrete Situation hat aber nichts mit meiner Definition von Gezeitenkraft zu tun. Wie ich diese Definition auf die Erde anwende, deren Bestandteile nicht frei fallen, steht weiter oben in meiner ausführlichen Antwort an ML.

Zitat:

index_razor hat Folgendes geschrieben:
Ich weiß nicht wie du darauf kommst, ich würde darauf beharren.


Du wendest deine Gleichung (1) immer nur im Inertialsystem auf das Gravitationspotential des Mondes an und transformierst das Ergebnis anschließend in das rotierende System, anstatt sie direkt im Nicht-Inertialsystem auf das dort wirkende Potentialfeld anzuwenden.


Das ist falsch. Ich transformiere nichts. Ich werte eine bezugssystemunabhängige Gleichung (1) direkt in einem rotierenden System aus. (Die meiste Zeit verwende ich sie aber einfach ohne Bezug zu irgendeinem System.)

Zitat:

index_razor hat Folgendes geschrieben:
ist die relative Beschleunigung zweier Teilchen, nicht die relative Beschleunigung "in einem Inertialystem". Genauso ist die Ursache für die Beschleunigung jedes dieser Teilchen, nicht deren Ursache "in einem Inertialystem".


Sowohl die relative Beschleunigungen als auch ihre Ursache sind bezugssystemabhängig.


Nein, die relative Beschleunigung ist die zweifache (in etwas anderem Kontext: kovariante) Ableitung eines Vektors nach der Zeit. Daran ist nichts abhängig vom Bezugssystem. Dasselbe gilt für die Gravitationskraft . Das ist der Gradient eines Skalarfeldes auf dem Raum. Wenn wir uns über diese fundamentalen Tatsachen nicht einigen können, kommen wir hier zu keinem Ergebnis.
DrStupid



Anmeldungsdatum: 07.10.2009
Beiträge: 5063

Beitrag DrStupid Verfasst am: 04. Jan 2019 17:28    Titel: Antworten mit Zitat

index_razor hat Folgendes geschrieben:
Nein, die relative Beschleunigung ist die zweifache (in etwas anderem Kontext: kovariante) Ableitung eines Vektors nach der Zeit.


Daraus folgt noch lange keine Bezugssystemunabhängigkeit. Wenn der ursprüngliche Vektor schon bezugssystemabhängig ist, dann sind es auch seine nicht-verschwindenden Ableitungen nach der Zeit.

index_razor hat Folgendes geschrieben:
Dasselbe gilt für die Gravitationskraft .


Natürlich ist die Gravitationskraft bezugssystemunabhängig. Dass ist ja auch eine Wechselwirkungskraft. Ich rede hier aber über die Scheinkräfte und für die gilt das nicht.
index_razor



Anmeldungsdatum: 14.08.2014
Beiträge: 3259

Beitrag index_razor Verfasst am: 04. Jan 2019 18:17    Titel: Antworten mit Zitat

DrStupid hat Folgendes geschrieben:
index_razor hat Folgendes geschrieben:
Nein, die relative Beschleunigung ist die zweifache (in etwas anderem Kontext: kovariante) Ableitung eines Vektors nach der Zeit.


Daraus folgt noch lange keine Bezugssystemunabhängigkeit. Wenn der ursprüngliche Vektor schon bezugssystemabhängig ist, dann sind es auch seine nicht-verschwindenden Ableitungen nach der Zeit.


Der Vektor ist aber nicht bezugssystemabhängig. Es ist der Abstandsvektor von einem Punkt A (momentaner Aufenthaltsort des ersten Teilchens) zu einem anderen Punkt B (momentaner Aufenthaltsort des zweiten Teilchens) . Da kommt nirgendwo ein Bezugssystem vor.
DrStupid



Anmeldungsdatum: 07.10.2009
Beiträge: 5063

Beitrag DrStupid Verfasst am: 04. Jan 2019 22:22    Titel: Antworten mit Zitat

index_razor hat Folgendes geschrieben:
Der Vektor ist aber nicht bezugssystemabhängig.


Der Vektor nicht, aber seine Darstellung. Ich glaube jetzt weiß ich was Du meinst.
ML



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Beiträge: 3405

Beitrag ML Verfasst am: 05. Jan 2019 19:08    Titel: Re: Gezeiten Antworten mit Zitat

Hallo,

index_razor hat Folgendes geschrieben:

Ja, ich glaube es ist keine gute Analogie. Im Augenblick fehlt mir etwas die Zeit, aber ich werde später versuchen darauf zurückkommen, wenn ich in Ruhe darüber nachgedacht habe.

Ich war eine Weile verreist, daher die lange Wartezeit bis zu meiner Antwort.

Um zu schauen, ob ich alles verstanden habe, versetze mich in das Inertialsystem "Baryzentrum Erde/Mond" und gehe näherungsweise von einer Kreisbewegung des Erdmittelpunkts um das Baryzentrum und von einer Erde ohne Eigenrotation aus.

Dann würde ich die Zusammenhänge so beschreiben:
- Der Erdmittelpunkt rotiert mit einer (zeitlich weitgehend konstanten) Winkelgeschwindigkeit um das Baryzentrum Erde/Mond.
- Andere Punkte der Erde rotieren mit der gleichen* Winkelgeschwindigkeit um ein Zentrum in der Nähe des Baryzentrums (Maximalabstand des Rotationszentrums vom Baryzentrum: ein Erdradius).
- Die Gravitationskraft, die auf die gesamte Erde wirkt, beträgt:

- Die Beschleunigung, die für die Aufrechterhaltung der Kreisbewegung einzelner (isolierter) Punkte der Erde um ihr jeweiliges Drehzentrum erforderlich ist, ist über die gesamte Erde räumlich und zeitlich* konstant.
- Die tatsächlich wirksame Gravitationsbeschleunigung ist jedoch nicht über die gesamte Erde konstant: Sie ist auf der mondzugewandten Seite größer als die für isolierte Massenelemente erforderliche Zentripetalbeschleunigung und auf der mondabgewandten Seite geringer als die für isolierte Massenelemente erforderliche Zentripetalbeschleunigung.
- Innere Kräfte sorgen für einen Ausgleich zwischen den gravitativ über- bzw. unterversorgten Bereiche der Erde und halten das Gesamtsystem Erde zusammen, so dass letztlich die gesamte Erde auf der Kreisbahn um das Baryzentrum gehalten wird.
- Die inneren Kräfte bewirken dabei aber 1) eine Verformung der Erde, 2) Meeresströmungen und 3) -- das wäre zumindest naheliegend -- Luftströmungen. Die Erde wird dabei in Richtung der Achse "Erde-Mond" gestreckt und in Richtung der dazu senkrechten Ebenen gestaucht. Ursache ist der Gradient der Gravitationsbeschleunigung in Verbindung mit den Materialeigenschaften des jeweiligen Festkörperelements/Fluids.
- Idealtypisch ergeben sich dabei zwei Flutberge: einer auf der mondzugewanten und einer auf der mondabgewandten Seite. Diese treten in den Ozeanen in dieser Form aber nicht Erscheinung, da die Landmassen die Strömungen sehr stark beeinflussen. Dennoch erfolgen Ebbe und Flut im Takt von 12h25min.

Es gilt also folgende Aufgabenverteilung:
- Gravitationskraft: hält die Erde auf der Kreisbahn
- Gravitationsgradient: verursacht eine Verformung der Erde und treibt Ebbe und Flut an
- Landmassen: sorgen dafür, dass Ebbe und Flut nicht als "zwei Flutberge" auf der mondzugewandten bzw. -abgewandten Seite auftreten, sondern kompliziertere Formen annehmen, die aber dennoch im 12h25min-Takt auftreten.


Viele Grüße
Michael


* hier: Vernachlässigung der Verformung der Erde durch den Gravitationsgradienten.
index_razor



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Beitrag index_razor Verfasst am: 06. Jan 2019 15:17    Titel: Re: Gezeiten Antworten mit Zitat

Ich denke das meiste deckt sich soweit mit meiner Auffassung von den Grundlagen des Gezeiteneffekts. Über ein paar Punkte bin ich etwas gestolpert:

ML hat Folgendes geschrieben:

- Innere Kräfte sorgen für einen Ausgleich zwischen den gravitativ über- bzw. unterversorgten Bereiche der Erde und halten das Gesamtsystem Erde zusammen, so dass letztlich die gesamte Erde auf der Kreisbahn um das Baryzentrum gehalten wird.
- Die inneren Kräfte bewirken dabei aber 1) eine Verformung der Erde,


Bewirken die inneren Kräfte eine Verformung? Ich würde sagen, sie stabilisieren lediglich die Erde und verhindern dadurch ein Zerreißen durch die Gezeitenkraft.

Zitat:

2) Meeresströmungen und 3) -- das wäre zumindest naheliegend -- Luftströmungen. Die Erde wird dabei in Richtung der Achse "Erde-Mond" gestreckt und in Richtung der dazu senkrechten Ebenen gestaucht.


Dieses Strecken und Stauchen betrifft hauptsächlich die Erdkruste und -mantel und ist nicht der Haupteffekt. Die Wassermassen werden zum Großteil durch die tangential wirkenden Scherkräfte beeinflußt, die bei ca. Winkel zur Erd-Mond-Achse am stärksten sind.

Zitat:

Ursache ist der Gradient der Gravitationsbeschleunigung in Verbindung mit den Materialeigenschaften des jeweiligen Festkörperelements/Fluids.
- Idealtypisch ergeben sich dabei zwei Flutberge: einer auf der mondzugewanten und einer auf der mondabgewandten Seite. Diese treten in den Ozeanen in dieser Form aber nicht Erscheinung, da die Landmassen die Strömungen sehr stark beeinflussen.


Einflüsse auf die Strömung haben m.E. damit wenig zu tun. Die Flutberge sind nicht das Resultat von Strömungen großer Wassermengen über große Entfernungen. Es werden nur große Wassermengen jeweils um kleine Entfernungen versetzt. Das führt in der Tat zu einem relativ kleinen Flutberg mitten im Ozean. (Ich glaube Größenordnung ~ 1m.)

Zitat:

Dennoch erfolgen Ebbe und Flut im Takt von 12h25min.

Es gilt also folgende Aufgabenverteilung:
- Gravitationskraft: hält die Erde auf der Kreisbahn
- Gravitationsgradient: verursacht eine Verformung der Erde und treibt Ebbe und Flut an
- Landmassen: sorgen dafür, dass Ebbe und Flut nicht als "zwei Flutberge" auf der mondzugewandten bzw. -abgewandten Seite auftreten, sondern kompliziertere Formen annehmen, die aber dennoch im 12h25min-Takt auftreten.


Ja, ich denke das kann man schon so formulieren, wobei beim letzten Punkt vielleicht noch einiges von der Ausformulierung abhängt.

Wichtig ist vielleicht auch noch, daß der genaue Takt der Gezeiten im Prinzip nur etwas mit der relativen Drehung zwischen Erde un Mond zu tun hat, durch das Hin- und Herschwappen des Wassers zwischen den Landmassen aber Resonanzeffekte entstehen, die lokal starke Abweichungen von diesem Zyklus verursachen können (bis hin zur kompletten Aufhebung des Effekt).
TomS
Moderator


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Beitrag TomS Verfasst am: 06. Jan 2019 15:49    Titel: Re: Gezeiten Antworten mit Zitat

index_razor hat Folgendes geschrieben:

Die Flutberge sind nicht das Resultat von Strömungen großer Wassermengen über große Entfernungen. Es werden nur große Wassermengen jeweils um kleine Entfernungen versetzt. Das führt in der Tat zu einem relativ kleinen Flutberg mitten im Ozean. (Ich glaube Größenordnung ~ 1m.)

... erfolgen Ebbe und Flut im Takt von 12h25min.

Wichtig ist vielleicht auch noch, daß der genaue Takt der Gezeiten im Prinzip nur etwas mit der relativen Drehung zwischen Erde un Mond zu tun hat, durch das Hin- und Herschwappen des Wassers zwischen den Landmassen aber Resonanzeffekte entstehen, die lokal starke Abweichungen von diesem Zyklus verursachen können (bis hin zur kompletten Aufhebung des Effekt).

In Wyk auf Föhr werden die Gezeiten inoffiziell mit 12:25 plusminus wenige Minuten zwischen Flut und Flut angegeben; die Höhe beträgt 3 m plusminus 10 bis 20 cm.

Offizielle Seite mit Berechnungen hier: https://www.bsh.de/DE/DATEN/Gezeiten/gezeiten_node.html

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Niels Bohr brainwashed a whole generation of theorists into thinking that the job (interpreting quantum theory) was done 50 years ago.
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