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Beschleunigte Ladung und retardiertes Feld
 
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Manfred29



Anmeldungsdatum: 31.10.2018
Beiträge: 8

Beitrag Manfred29 Verfasst am: 13. Nov 2018 20:37    Titel: Beschleunigte Ladung und retardiertes Feld Antworten mit Zitat

Meine Frage:
Hallo, ich habe eine Frage zu einer sehr stark aber in beliebig kurzer Zeit beschleunigten Ladung. Wenn ich das richtig verstanden habe, breitet sich die Information, dass eine Ladung beschleunigt wird ja nur mit Lichtgeschwindigkeit aus. Wenn ich nun eine Ladung sehr schnell in Richtung einer gleich großen Ladung zu beschleunige, ist das Feld dieser beschleunigten Ladung ja retardiert, d.h. die andere Ladung weiß noch nichts davon. Wenn nun aber die Information bei der anderen Ladung ankommt, ist dann nicht die potentielle Energie schon größer als sie eigentlich sein dürfte? Im Extremfall ist die beschleunigte Ladung direkt "hinter" der Information, dass diese beschleunigt wurde, oder? Woher weiß die Ladung also, wie nah sie an die zweite "kommen" darf mit der eigenen kinetischen Energie. Denn die wird ja letztlich in potentielle umgewandelt bevor die Ladung wieder abgestoßen wird. Ich hoffe auf eine für mich verständliche, also einfache, Erklärung. Ich bin vollprofessioneller Laie (-:

Meine Ideen:
Ich dachte erst, dass irgendwie die "Erzeugung" des retardierten Feldes schon Energie kostet. Dann müsste es aber sowas wie ne Rüchstellkraft geben, die meines Wissens aber nicht existiert.
Nescio



Anmeldungsdatum: 05.12.2015
Beiträge: 279

Beitrag Nescio Verfasst am: 15. Nov 2018 16:30    Titel: Re: Beschleunigte Ladung und retardiertes Feld Antworten mit Zitat

Manfred29 hat Folgendes geschrieben:

Wenn ich das richtig verstanden habe, breitet sich die Information, dass eine Ladung beschleunigt wird ja nur mit Lichtgeschwindigkeit aus. Wenn ich nun eine Ladung sehr schnell in Richtung einer gleich großen Ladung zu beschleunige, ist das Feld dieser beschleunigten Ladung ja retardiert, d.h. die andere Ladung weiß noch nichts davon.

So ist es.

Manfred29 hat Folgendes geschrieben:
Wenn nun aber die Information bei der anderen Ladung ankommt, ist dann nicht die potentielle Energie schon größer als sie eigentlich sein dürfte?

Wie kommst du darauf?

Manfred29 hat Folgendes geschrieben:
Im Extremfall ist die beschleunigte Ladung direkt "hinter" der Information, dass diese beschleunigt wurde, oder?

Ja, wenn die Ladung in sehr kurzer Zeit auf nahezu Lichgeschwindigkeit beschleunigt wird.

Manfred29 hat Folgendes geschrieben:
Woher weiß die Ladung also, wie nah sie an die zweite "kommen" darf mit der eigenen kinetischen Energie.

Für eine elektrische Ladung sind zu jedem Zeitpunkt nur die elektrischen und magnetischen Felder am eigenen Ort relevant (das eigene Feld ausgenommen). Die elektrischen und magnetischen Felder bewegen sicht mit Lichtgeschwidigkeit fort. Deine ruhende Ladung hat also ein ganz normales statisches E-Feld, welches deine bewegte Ladung durchläuft. Dabei wirkt auf die bewegte Ladung eine Kraft, die nur von dem elektrischen Feld am momentanen Ort der bewegten Ladung abhängt. Während die Ladung dieses Feld durchläuft gewinnt oder verliert sie entsprechend Energie.

Die anfangs ruhende Ladung wird sicht nicht bewegen, bis die bewegte Ladung sie fast erreicht hat, dann wird schlagartig ein sehr starkes elektrisches Feld auf die ruhende Ladung wirken, da das Feld vor der bewegten Ladung stark gestaucht ist.

Hier findest du eine detaillierte mathematische Herleitung für die retardierten Felder von beschleunigten Ladungen: https://www.mathpages.com/home/kmath576/kmath576.htm

Manfred29 hat Folgendes geschrieben:

Ich dachte erst, dass irgendwie die "Erzeugung" des retardierten Feldes schon Energie kostet. Dann müsste es aber sowas wie ne Rüchstellkraft geben, die meines Wissens aber nicht existiert.

Ich bin mir nicht ganz sicher, was du meinst. Es ist allerdings wichtig zu verstehen, dass elektrische und magnetische Felder selbst auch physikalische Objekte sind, welche zwar durch Ladungen erzeugt werden, aber sich ansonsten unabhängig von den Ladungen weiter ausbreiten können.
Die Felder bewegen sich gemäß bestimmter Bewegungsgleichungen (Maxwell-Gleichung) und sie besitzen eine eigene Energie, einen Impuls und auch einen Drehimpuls.

Denk mal daran, was passiert wenn du einen Spule abschaltest: Für eine Weile fließt der Strom weiter und kann einen Verbraucher (z.B. Lampe oder Elektromotor) antreiben. Die Energie hierfür kommt aus dem noch vorhandenen Magnetfeld, welches dabei abgebaut wird.
Manfred29



Anmeldungsdatum: 31.10.2018
Beiträge: 8

Beitrag Manfred29 Verfasst am: 15. Nov 2018 17:09    Titel: Re: Beschleunigte Ladung und retardiertes Feld Antworten mit Zitat

Zunächst mal vielen Dank, dass du dir die Mühe gemacht hast, mir das zu erklären

Nescio hat Folgendes geschrieben:


Manfred29 hat Folgendes geschrieben:
Wenn nun aber die Information bei der anderen Ladung ankommt, ist dann nicht die potentielle Energie schon größer als sie eigentlich sein dürfte?

Wie kommst du darauf?


Ich versuche mal, es an einem symmetrischen Beispiel klarzumachen:
Ich überleg mir den Fall, dass beide Ladungen in einer beliebig kurzen Zeit aufeinander zu beschleunigt werden auf fast LG. Dann muss jede Ladung doch nur das statische Potential der anderen durchlaufen (bis zur Hälfte der Wegstrecke versteht sich) bis sie sich treffen.
D.h jede Ladung hat hier eine gewisse Arbeit "gegen" das jeweils andere Feld verrichtet. Und die ist bei retardierten Feldern meines Erachtens sehr viel geringer als wenn ich den gleichen Vorgang betrachte, der ganz langsam abläuft. Da muss dann jede der beiden Ladungen gegen das gesamte "mitgeschleppte" Potential der jeweils anderen arbeiten. Da klafft ja dann energetisch eine Lücke, da ich in beiden Fällen sozusagen die gleiche Distanz durchlaufe.
Ich hab erst gedacht, die Differenz an Energie muss dann irgendwie aus der kinetischen Energie kommen, die ich brauch, wenn ich das ganz schnell mache. Aber ich kann ja theoretisch die Teilchen, die die Ladung tragen kurz bevor sie merken, dass die jeweils andere Ladung "angeflogen" kommt wieder abbremsen. Da bekomm ich die Beschleunigungsenergie ja wieder raus, natürlich abzüglich des Betrages gegen das statische Feld der jeweils anderen Ladung.
Daher dachte ich, das es eventuell schon Energie kostet, die retardierten Felder zu erzeugen, also das statische beim Beschleunigen "zusammenzuschieben".

Ich hoffe, ich hab mich halbwegs verständlich ausgedrückt.

VG, Manfred
Nescio



Anmeldungsdatum: 05.12.2015
Beiträge: 279

Beitrag Nescio Verfasst am: 15. Nov 2018 17:41    Titel: Re: Beschleunigte Ladung und retardiertes Feld Antworten mit Zitat

Manfred29 hat Folgendes geschrieben:

Ich überleg mir den Fall, dass beide Ladungen in einer beliebig kurzen Zeit aufeinander zu beschleunigt werden auf fast LG. Dann muss jede Ladung doch nur das statische Potential der anderen durchlaufen (bis zur Hälfte der Wegstrecke versteht sich) bis sie sich treffen.
D.h jede Ladung hat hier eine gewisse Arbeit "gegen" das jeweils andere Feld verrichtet. Und die ist bei retardierten Feldern meines Erachtens sehr viel geringer als wenn ich den gleichen Vorgang betrachte, der ganz langsam abläuft. Da muss dann jede der beiden Ladungen gegen das gesamte "mitgeschleppte" Potential der jeweils anderen arbeiten.

Richtig.

Manfred29 hat Folgendes geschrieben:

Da klafft ja dann energetisch eine Lücke, da ich in beiden Fällen sozusagen die gleiche Distanz durchlaufe.

Auch richtig. Da nur das Feld am eigenen Ort für das jewelige Teilchen relevant ist, sehen die Teilchen ja in beiden Fällen einen völlig anderen Kraftfeldverlauf. Wenn du zwei Teilchen über die gleiche Distanz durch zwei ganz verschieden geformte Felder bewegst, haben diese natürlich unterschiedliche Energien.

Manfred29 hat Folgendes geschrieben:

Aber ich kann ja theoretisch die Teilchen, die die Ladung tragen kurz bevor sie merken, dass die jeweils andere Ladung "angeflogen" kommt wieder abbremsen. Da bekomm ich die Beschleunigungsenergie ja wieder raus, natürlich abzüglich des Betrages gegen das statische Feld der jeweils anderen Ladung.

Mal angenommen du könntest die Teilchen irgendwie auf eine Geschwindigkeit von null "zurücksetzen" und du würdest das in beiden Experimenten genau dann machen, wenn die Teilchen die gleiche Distanz d voneinander entfernt sind. Dann hast du jetzt in beiden Experimenten die gleichen Teilchen im gleichen Abstand voneinander. Trotzdem sind beide Zustände nicht physikalisch identisch, denn die Felder sind auch physikalische Objekte. Die Felder bei den schnellen Teilchen sind in der Mitte gestaucht und außen gestreckt (ganz zu scheigen davon wie die Magnetfelder aussehen). Selbst wenn die Teilchen in beiden Fällen am Ende im gleichen Zustand sind, die Felder drumherum sind danach nicht im gleichen Zustand. Die Felder selbst sind auch physikalische Objekte und haben eine eigene Energie. Du müsstest also um ingesamt den selben Zustand zu erreichen auch die Felder "zurücksetzen". Und daraus bekommst du dann deine Energiedifferenz zurück.
Manfred29



Anmeldungsdatum: 31.10.2018
Beiträge: 8

Beitrag Manfred29 Verfasst am: 15. Nov 2018 20:11    Titel: Re: Beschleunigte Ladung und retardiertes Feld Antworten mit Zitat

Nescio hat Folgendes geschrieben:
Mal angenommen du könntest die Teilchen irgendwie auf eine Geschwindigkeit von null "zurücksetzen" und du würdest das in beiden Experimenten genau dann machen, wenn die Teilchen die gleiche Distanz d voneinander entfernt sind. Dann hast du jetzt in beiden Experimenten die gleichen Teilchen im gleichen Abstand voneinander. Trotzdem sind beide Zustände nicht physikalisch identisch, denn die Felder sind auch physikalische Objekte. Die Felder bei den schnellen Teilchen sind in der Mitte gestaucht und außen gestreckt (ganz zu scheigen davon wie die Magnetfelder aussehen). Selbst wenn die Teilchen in beiden Fällen am Ende im gleichen Zustand sind, die Felder drumherum sind danach nicht im gleichen Zustand. Die Felder selbst sind auch physikalische Objekte und haben eine eigene Energie. Du müsstest also um ingesamt den selben Zustand zu erreichen auch die Felder "zurücksetzen". Und daraus bekommst du dann deine Energiedifferenz zurück.

Sorry, dass ich nochmal nachfragen muss, ...
Ich mache doch folgendes:
A) Ich bewege 2 Ladungen vom Abstand a langsam (!) aufeinander zu bis sie den Abstand b erreicht haben, wobei b<a ist. Dann fixier ich sie an Ort und Stelle. Dabei hat jede Ladung jeweils Arbeit gegen das Feld der anderen verrichtet und gleichzeitig um den selben Betrag der geleisteten Arbeit die potentielle Energie der anderen Ladung erhöht. Energiebilanz passt!

Jetzt Variante B)
Ich bewege beide Ladungen sehr sehr schnell vom Abstand a auf b, so dass es zu retardierten Feldern kommt, die aber eben noch nicht bei den Ladungen ankommen zum Zeitpunkt, an dem sie wiederum im Abstand b angehalten und wieder fixiert werden. Jetzt...und das ist der Punkt....kann ich doch in aller Ruhe warten, bis sich die Felder "equilibriert" haben und dabei die potentielle Energie der beiden Ladungen erhöhen. Diese zusätzliche potentielle Energie hat doch vorher keine der Ladungen durch Arbeit gegen das Feld der jeweils anderen Ladung aufgebracht?!
Vielleicht ist die Lösung einfach, aber ich seh es leider nicht, daher vielen Dank für jede Hilfestellung.

VG,
Manfred
Manfred29



Anmeldungsdatum: 31.10.2018
Beiträge: 8

Beitrag Manfred29 Verfasst am: 07. Mai 2019 21:13    Titel: Antworten mit Zitat

Sorry, dass ich nochmal nachfragen muss, ...
Ich mache doch folgendes:
A) Ich bewege 2 Ladungen vom Abstand a langsam (!) aufeinander zu bis sie den Abstand b erreicht haben, wobei b<a ist. Dann fixier ich sie an Ort und Stelle. Dabei hat jede Ladung jeweils Arbeit gegen das Feld der anderen verrichtet und gleichzeitig um den selben Betrag der geleisteten Arbeit die potentielle Energie der anderen Ladung erhöht. Energiebilanz passt!

Jetzt Variante B)
Ich bewege beide Ladungen sehr sehr schnell vom Abstand a auf b, so dass es zu retardierten Feldern kommt, die aber eben noch nicht bei den Ladungen ankommen zum Zeitpunkt, an dem sie wiederum im Abstand b angehalten und wieder fixiert werden. Jetzt...und das ist der Punkt....kann ich doch in aller Ruhe warten, bis sich die Felder "equilibriert" haben und dabei die potentielle Energie der beiden Ladungen erhöhen. Diese zusätzliche potentielle Energie hat doch vorher keine der Ladungen durch Arbeit gegen das Feld der jeweils anderen Ladung aufgebracht?!
Vielleicht ist die Lösung einfach, aber ich seh es leider nicht, daher vielen Dank für jede Hilfestellung.

VG,
Manfred
franz



Anmeldungsdatum: 04.04.2009
Beiträge: 11583

Beitrag franz Verfasst am: 07. Mai 2019 21:47    Titel: Antworten mit Zitat

Nur allgemein: Bei einem System bewegter Ladungen kann man das Fernfeld mit Multipolen näherungsweise berechnen, einschließlich der mittleren Gesamtstrahlung. Einfachstes Beispiel: Dipol. Bei Interesse: Landau / Lifschitz II / IX.
Manfred29



Anmeldungsdatum: 31.10.2018
Beiträge: 8

Beitrag Manfred29 Verfasst am: 08. Mai 2019 12:36    Titel: Antworten mit Zitat

franz hat Folgendes geschrieben:
Nur allgemein: Bei einem System bewegter Ladungen kann man das Fernfeld mit Multipolen näherungsweise berechnen, einschließlich der mittleren Gesamtstrahlung. Einfachstes Beispiel: Dipol. Bei Interesse: Landau / Lifschitz II / IX.

Danke, aber ich möchte doch kein Fernfeld berechnen. Es geht mir lediglich um die Arbeit, die die beiden Ladungen jeweils gegen das Feld der anderen verrichten. Die ist imho unterschiedlich je nachdem welche Variante (A oder B) man wählt. Im Gegensatz dazu ist aber die potentielle Energie am Ende gleich, völlig unabhängig davon, wie die Ladungen (langsam oder schnell) dorthin bewegt wurden.

VG,
Manfred

P.S.: Man muss nicht unbedingt Ladungen als Beispiel heranziehen. Das geht auch mit anderen Potentialfeldern imho nicht auf, sofern beide "Objekte" gleichzeitig bewegt werden und es zu retardierten Feldern kommt.
franz



Anmeldungsdatum: 04.04.2009
Beiträge: 11583

Beitrag franz Verfasst am: 08. Mai 2019 21:25    Titel: Antworten mit Zitat

Bei langsamer Bewegung (wäre noch genauer zu formulieren) der Ladungen läßt sich die erforderliche Arbeit / der Energieunterschied mittels der Coulombkraft bestimmen, was sich bei q1 >> q2 noch vereinfacht. Bei beschleunigten Ladungen kommt eine Abstrahlung ins Spiel.
Nescio



Anmeldungsdatum: 05.12.2015
Beiträge: 279

Beitrag Nescio Verfasst am: 08. Mai 2019 22:49    Titel: Antworten mit Zitat

Hallo Manfred29,

Ich glaube du hast völlig recht. Die Erklärungen die sowohl ich als auch franz gegeben haben sind unvollständig.

Das wird folgendermaßen klar: Wenn wir beide Ladungen schnell aufeinander zubewegen, müssen wir weniger Arbeit leisten als im langsamen Fall. Wenn wir danach lange genug warten, haben die Ladungen in beiden Fällen die gleiche potentielle Energie. Gleichzeitig wird im schnellen Fall noch Energie durch die Felder ins Weltall abgestrahlt. Wir leisten im schnellen Fall also weniger Arbeit und geben auchnoch mehr Energie an die Umgebung ab. Der Beitrag der abgestrahlten Leistung geht daher genau in die falsche Richtung und vergrößert die Energiedifferenz sogar noch.

Ich denke der Grund ist, dass wir nicht berücksichtigt haben, dass bei solchen Beschleunigungen die Ladungen durch ihre eigenen Felder beeinflusst werden. Siehe Strahlungsrückwirkung. Laut dem Wikipedia Artikel soll dies in der klassischen Mechanik ein noch ungelöstes Problem darstellen und könne erst in der Quantenelektrodynamik erklärt werden. Ich glaube allerdings, dass die Informationen in dem Artikel veraltet sind, denn in diesem Paper wird behauptet, die Strahlungsrückwirkung aus der klassischen Elektrodynamik hergeleitet zu haben, und zwar ohne die im Artikel genannten Probleme.
jh8979
Moderator


Anmeldungsdatum: 10.07.2012
Beiträge: 8582

Beitrag jh8979 Verfasst am: 08. Mai 2019 23:21    Titel: Antworten mit Zitat

Nescio hat Folgendes geschrieben:

Das wird folgendermaßen klar: Wenn wir beide Ladungen schnell aufeinander zubewegen, müssen wir weniger Arbeit leisten als im langsamen Fall.

Ist das so? Die Ladung muss ja auch wieder abgebremst werden.... ich finde das zumindest nicht offensichtlich.
Zitat:
Ich denke der Grund ist, dass wir nicht berücksichtigt haben, dass bei solchen Beschleunigungen die Ladungen durch ihre eigenen Felder beeinflusst werden. Siehe Strahlungsrückwirkung. Laut dem Wikipedia Artikel soll dies in der klassischen Mechanik ein noch ungelöstes Problem darstellen und könne erst in der Quantenelektrodynamik erklärt werden. Ich glaube allerdings, dass die Informationen in dem Artikel veraltet sind, denn in diesem Paper wird behauptet, die Strahlungsrückwirkung aus der klassischen Elektrodynamik hergeleitet zu haben, und zwar ohne die im Artikel genannten Probleme.

Die klassische E-Dynamik ist doch zeittranslationsinvarinat, oder nicht? Müßte also nach Emmi Noether energieerhaltend sein. QED sollte daher irrelevant sein ...
Nescio



Anmeldungsdatum: 05.12.2015
Beiträge: 279

Beitrag Nescio Verfasst am: 09. Mai 2019 00:30    Titel: Antworten mit Zitat

jh8979 hat Folgendes geschrieben:

Ist das so? Die Ladung muss ja auch wieder abgebremst werden.... ich finde das zumindest nicht offensichtlich.

Ja und ich habe angenommen, dass ich beim abbremsen die kinetische Energie die ich hineingesteckt habe wieder zurückbekomme. Ich kann mir das relativ einfach vorstellen. Wenn ich die Teilchen langsam aufeinander zubewege ist das elektrische Feld der gegenüberliegenden Ladung an jedem Punkt der Strecke größer als im schnellen Fall, da ich im schnellen Fall die Ladungen bereits wieder stoppe bevor ein Signal über die Bewegung der anderen Ladung meine Ladung erreicht haben kann. Ich sehe im schnellen Fall also nur ein statisches Feld (d.h. Magnetfelder gibt es auch nicht, da die andere Ladung für mich noch ruhend aussieht).
Diese Überlegung passt auch zumindest qualitativ zu der Abraham-Lorentz-Kraft aus Wikipedia, denn die Kraft ist ja proportional zum Ruck (der Ableitung der Beschleunigung). Wenn ich das Teilchen erst in die eine Richtung beschleunige und danach in die entgegengesetzte Richtung, dann habe ich dazwischen offenbar einen Ruck der entgegen der Bewegungsrichtung zeigt und eine Kraft erzeugt gegen die ich zusätzliche Arbeit leisten muss. Natürlich habe ich dann am Anfang der Beschleunigungsphase und am Ende der Bremsphase auch eine Kraft in Bewegungsrichtung. Diese tritt allerdings genau dann auf, wenn sich das Teilchen noch langsamer bewegt. Ingesamt muss ich durch diesen Effekt also mehr Arbeit aufwenden.
Ich kann mich natürlich auch irren. An welchem Punkt findest du diese Argumentation denn unschlüssig?

jh8979 hat Folgendes geschrieben:

Die klassische E-Dynamik ist doch zeittranslationsinvarinat, oder nicht? Müßte also nach Emmi Noether energieerhaltend sein. QED sollte daher irrelevant sein ...

Das mit der QED ist ja auch nicht auf meinem Mist gewachsen. Natürlich muss die E-Dynamik zeittranslationsinvariant sein und natürlich muss daher die Energieerhaltung gelten. Wenn man aus diesen Annahmen allerdings die resultierenden Felder und Kräfte berechnet, stößt man offenbar auf ein paar überraschende Probleme, die eben nicht so trivial sind. Lies bitte das Paper was ich verlinkt habe. Hier das Abstract:
Zitat:

Working within the framework of the classical theory of electrodynamics, we derive an exact mathematical solution to the problem of self-field (or radiation reaction) of an accelerated point-charge traveling in free space. We obtain relativistic expressions for the self-field as well as the rates of radiated energy and linear momentum without the need to renormalize the particle’s mass – or to discard undesirable infinities.

Das heißt man stößt hier in der klassischen Elektrodynamik offenbar auf das Problem, dass man irgendwelche divergenten Terme renormalisieren musste, um ein physikalisch sinnvolles Ergebnis zu erhalten. Dieses Problem tritt ja sonst erst in der QED auf, soweit ich weiß. Ich hab das Paper aber noch nicht vollständig durch. Vielleicht kann ich dir morgen mehr sagen, falls ich da überhaupt durchsteige, denn mit der Renormalisierung hatte ich schon in QED meine Probleme...

Die Lösung für Manfreds Problem liegt jedenfalls meiner Meinung nach in der Strahlungsrückwirkung.
Manfred29



Anmeldungsdatum: 31.10.2018
Beiträge: 8

Beitrag Manfred29 Verfasst am: 09. Mai 2019 08:38    Titel: Antworten mit Zitat

Vorab schon mal vielen Dank für eure Erklärungen und eure Mühe
Zitat:

Die Lösung für Manfreds Problem liegt jedenfalls meiner Meinung nach in der Strahlungsrückwirkung.

Das hab ich auch erst vermutet, aber mittlerweile auch (für mich) ausgeschlossen. Das will ich kurz erklären, aber dazu ist es sicher hilfreich, den Versuchsaufbau etwas zu spezifizieren:

Sagen wir die Ladung L1 ist zu Beginn bei x1 fixiert. Dann kommt im Abstand von einer Lichtsekunde x2, nach einer weiteren Lichtsekunde x3 und schließlich nach drei Lichtsekunden x4, wo sich die Ladung L2 befindet. Die Aufteilung hat den Vorteil, dass die Abstände schön gedrittelt sind, das macht die Beschreibung einfacher.
BTW: Die Abstände können natürlich beliebig geändert werden, damit die Überlegung qualitativ noch stimmt.

Betrachten wir nun die langsame Variante: Beide Ladungen werden langsam aufeinander zubewegt, L1 von x1 nach x2 und L2 von x4 nach x3.
Die Arbeit die dabei geleistet wird ist gleich der, die verrichtet werden muss, um nur eine Ladung auf die andere zuzubewegen bis hin zum gleichen Abstand von einer Lichtsekunde, also etwas bildlicher ausgedrückt: eine Ladung muss durch 2/3 des Feldes der anderen durch und Arbeit leisten.
Das ist sicher der gleiche Betrag, als wenn ich beide Ladungen gleichzeitig zum finalen Abstand aufeinander zubewege, wobei hier jede Ladung nur den halben Weg macht und somit auch nur die halbe Arbeit verrichtet.

Jetzt die schnelle Variante: Jede der beiden Ladungen muss durch die retardierten Felder bedingt nur durch 1/3 des Feldes der anderen hindurch. Also unterm Strich beide Ladungen zusammen 2 mal 1/3 durch das Feld der anderen. Ist das die gleiche Arbeit wie in Variante "langsam"? Ich denke nicht, weil das zweite drittel durch das Feld wesentlich mehr Energie kostet. Die Differenz der Arbeit zum Durchqueren des ersten und zweiten Drittels ist daher die Differenz, die ich bei Variante "schnell" einspare.

Kann das nun mit abgestrahlter Energie zu tun haben? Ich meine nicht. Denn exakt das gleiche Ergebnis bekomme ich, wenn ich dieses Experiment mit Massen und G-Feldern gedanklich mache, nur das ich hier dann die Massen von einem großen zu einem kleinen Abstand bewege. Ich kanns natürlich auch umgekehrt machen, dann ist die Energiebilanz allerdings negativ. Aber auch widersprüchlich.

Die Ursache liegt imho darin (wenn ich mal voraussetze keinen Denkfehler zu machen, was allerdings oft der Fall ist Hammer ) , dass durch die retardierten Felder ja prinzipiell nur die Information weitergegeben wird, um welchen Betrag sich die Energie der jeweils anderen Ladung erhöhen muss, damit dies genau der geleisteten Arbeit entspricht. Das passiert natürlich indirekt über den Abstand. Und der ändert sich halt, wenn ich die Ladung/Masse oder was auch immer vorher dort wegbewege.

Ich habe keine Lösung aber ich bin sehr gespannt auf eure Rückmeldung dazu.

VG,
Manfred
Nescio



Anmeldungsdatum: 05.12.2015
Beiträge: 279

Beitrag Nescio Verfasst am: 09. Mai 2019 16:38    Titel: Antworten mit Zitat

Die potentielle Energie eines Systems mit zwei Punktladungen ist
.
Wenn wir den Abstand von 3L auf L verringern ist die geleistete Arbeit
.

Da wir es im langsamen Fall mit konservativen Kraftfeldern zu tun haben, ist die insgesamt geleistete Arbeit beim gleichen Endzustand natürlich unabhängig vom Weg.

Im schnellen Fall nehmen wir an, dass die gesamte Bewegung abgeschlossen ist, bevor eine Veränderung des Feldes bei der jeweils gegenüberliegenden Ladung angekommen ist. Wenn wir die Ladungen fast instantan auf fast c beschleunigen, ist das auf jeden Fall möglich. Wir bewegen beide Ladungen symmetrisch aufeinander zu. Die erste Ladung sieht dann ein elektrisches Feld, das einer im Abstand 3L ruhenden Ladung entspricht. Die Arbeit um die erste Ladung um die Strecke L auf die andere Ladung zuzubewegen wäre dann:

Da die Situation symmetrisch ist, ist die Arbeit für die zweite Ladung gleich groß. Die insgesamt geleistete Arbeit wäre dann
.
Im schnellen Fall wäre die geleistete Arbeit also geringer.

Aber in dieser Rechnung ist die Strahlungsrückwirkung noch nicht berücksichtigt worden!
Durch die Strahlungsrückwirkung musst du deutlich mehr Kraft aufwenden bzw. zusätzliche Arbeit leisten um die Ladungen zu bewegen.

Manfred29 hat Folgendes geschrieben:

Denn exakt das gleiche Ergebnis bekomme ich, wenn ich dieses Experiment mit Massen und G-Feldern gedanklich mache, nur das ich hier dann die Massen von einem großen zu einem kleinen Abstand bewege. Ich kanns natürlich auch umgekehrt machen, dann ist die Energiebilanz allerdings negativ. Aber auch widersprüchlich.

Dabei entstehen dann Gravitationswellen, da reicht klassische Physik nicht mehr aus und wir müssten hier die ART anwenden.

Edit: Ich hab das erste Paper jetzt gelesen. Die Ergebnisse dort sind auch inkonsistent. Ich glaube stattdessen, dass dieses Paper die richtige Lösung für das Problem liefert. Anscheinend darf man die Ladungen nicht als Punktförmig ansehen. Dann muss man die ganze Impuls und Energieerhaltung relativistisch betrachten, d.h. man muss auch die Trägheit durch den Druck aus dem Energie-Impuls-Tensor berücksichtigen. Wenn man das ganze jetzt auf den Fall mit zwei Teilchen anwendet kommt man sicherlich auch auf das richtige Ergebnis.
Manfred29



Anmeldungsdatum: 31.10.2018
Beiträge: 8

Beitrag Manfred29 Verfasst am: 10. Mai 2019 09:31    Titel: Antworten mit Zitat

Nescio hat Folgendes geschrieben:
Dabei entstehen dann Gravitationswellen, da reicht klassische Physik nicht mehr aus und wir müssten hier die ART anwenden.

Das stimmt. Da hast du Recht. Habe ich nicht dran gedacht.

Ich bin allerdings dennoch etwas unzufrieden, die Energiedifferenz mit Strahlungsrückwirkung zu erklären. Denn wenn ich die zweite Ladung nicht bewege, sondern nur eine schnell auf die andere zu, hätte ich doch auch eine Strahlenrückwirkung zu berücksichtigen, oder? Da passt die Energiebilanz aber.
Das Problem ist m.E. immer noch, dass die zweite Ladung bewegt wird ohne dass die erste davon "weiß", also dass sich das Potentialfeld noch nicht wieder "normalisiert" hat.

Noch ein Einwand: Ich muss das Experiment nicht zwangsläufig mit relativistisch relevanter Geschwindigkeit betreiben. Man könnte auch einfach die Abstände größer machen und die eine Ladung verhältnismäßig langsam auf die andere zubewegen. Das "Energielack" wäre dabei zudem immer je nach Abstand unterschiedlich groß, obwohl ich es immer mit der gleichen Geschwindigkeit mache.
Z.B. bewege ich zwei Ladungen vom Abstand 10L auf 8L aufeinander zu. Dann einmal von 8L auf 6L usw. Die "Energiedifferenz" wird dabei immer größer je näher die Startpunkte liegen (, solange man noch voraussetzt, dass der Abstand hinreichend groß ist, sodass die Information erst bei der jeweils anderen Ladung ankommt, wenn die Verschiebung der Ladungen schon abgeschlossen ist).
Ich bin mir nicht sicher, ob das alles durch die Strahlenrückwirkung "aufgehoben" wird.

Ich bin ratlos.
Ich werde nochmal in Ruhe darüber nachdenken.


VG,
Manfred
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