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Scheinkräfte, was sind das?
 
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Physinetz



Anmeldungsdatum: 20.09.2006
Beiträge: 317

Beitrag Physinetz Verfasst am: 08. Nov 2009 11:30    Titel: Scheinkräfte, was sind das? Antworten mit Zitat

Hallo zusammen,

habe jetzt schon jegliche google-Artikel durchgelesen und wirklich hinter das ganze bin ich nicht gekommen.

Bei einer gleichförmigen Kreisbewegung sieht der Betrachter von außen keine Kräfte wirken oder wie?
Aber der, der im System steckt, z.B. im Karussel sitzt, erfährt immer eine Beschleunigung zum Kreismittelpunkt?

Ist mit Scheinkräften also eine Beschleunigung im Sinne der Richtungsänderung gemeint, und nicht im Sinne des Betrags?

Viell. könnte mir einer das näher bringen, Danke !
GvC



Anmeldungsdatum: 07.05.2009
Beiträge: 14861

Beitrag GvC Verfasst am: 08. Nov 2009 12:13    Titel: Antworten mit Zitat

Physinetz hat Folgendes geschrieben:
Ist mit Scheinkräften also eine Beschleunigung im Sinne der Richtungsänderung gemeint ...


Eine Kraft kann ja wohl keine Beschleunigung sein. Aber ich weiß, was Du meinst.

Von außen muss der Beobachter auf eine Kraft schließen, die den Beobachteten auf eine Kreisbahn zwingt. Diese Kraft nennt man Zentripetalkraft. Sie ist zum Kreismittelpunkt gerichtet.

Der Beobachtete, also der Karussell-Insasse verspürt die Summe zweier Kräfte, nämlich die Massenanziehungskraft (auf der Erde seine Gewichtskraft m*g) und die Zentrifugalkraft. Die Zentrifugalkraft ist vom Kreismittelpunkt weg radial nach außen gerichtet.

Wie sich diese beiden Kräfte überlagern (summieren), hängt von der Lage des Bewegungskreises ab. Bei einer senkrechten Kreisbewegung auf der Erde (Looping) verspürt der Karussellfahrer z.B. am höchsten Punkt die Differenz von Gewichts- und Zentrifugalkraft, am tiefsten Punkt die Summe dieser beiden Kräfte.

Zentrifugal- und Zentripetalktaft sind betragsmäßig gleich groß.

Sind Massenanziehungskraft und Zentrifugalkraft gleich groß, so fühlt sich der Karussellfahrer schwerelos. Das kann natürlich nur im höchsten Punkt eines Loopings sein, oder aber bei einem Astronauten auf einer Kreisbahn mit konstantem Radius um die Erde (oder einen anderen Planeten).
Physinetz



Anmeldungsdatum: 20.09.2006
Beiträge: 317

Beitrag Physinetz Verfasst am: 08. Nov 2009 12:44    Titel: Antworten mit Zitat

ok dein Beispiel war nett und gut aber wie steht dass dann mit scheinkräften in verbindung?

Der Beobachter von Außen muss beim Karussell also auf eine Kraft schließen die den Beobachteten immer auf der Bahn hält. Aber wo ist dann da eine Scheinkraft, die Kraft gibt es ja auch wirklich.... Und der Beobachtete nimmt diese in Form von G-Kräften ja auch wahr?
GvC



Anmeldungsdatum: 07.05.2009
Beiträge: 14861

Beitrag GvC Verfasst am: 08. Nov 2009 13:49    Titel: Antworten mit Zitat

Ich würde das so interpretieren (bin allerdings kein Experte):

Die von außen "beobachtbare" Kraft ist doch die Scheinkraft, denn tatsächlich wirkt auch noch die Zenrifugalkraft (Fliehkraft), die aber vom Beobachter nicht wahrgenommen wird. Der sieht nur, dass die Bewegung sich ändert (Richtung) und schließt daraus auf das Vorhandensein einer Kraft. Diese Kraft wird übrigens auch vom Beobachteten nicht wahrgenommen , sondern nur die Gesamtkraft, die also für den Beobachteten eine Scheinkraft ist.
MI



Anmeldungsdatum: 03.11.2004
Beiträge: 828
Wohnort: München

Beitrag MI Verfasst am: 08. Nov 2009 14:08    Titel: Antworten mit Zitat

Das gefällt mir nicht wirklich.
Als Scheinkräfte oder Trägheitskräfte, bezeichnet man im Allgemeinen Kräfte, die nur in einem Nichtinertialsystem auftreten und keinen Ursprung zu haben scheinen (daher Scheinkräfte). Sie sind bedingt durch die Massenträgheit (daher Trägheitskräfte).

Zum Karussell:
Wenn ich mit geschlossenen Augen auf einem Karussell sitze, dann denke ich, dass ich nach außen gezogen werde (Zentrifugalkraft). Warum? Tja, das weiß ich nicht unbedingt, wenn ich davon ausgehe, dass ich mich einfach geradlinig bewege. Wenn ich annehme, ich befünde mich in einem Inertialsystem, woher kommt dann diese Kraft? Ich kann sie nicht erklären.
Der Beobachter von außen aber sieht, dass ich mich im Kreis bewege - also ständig eine Kraft (Zentripetalkraft) auf mich wirkt, die mich auf eine Kreisbahn zwingt. Für ihn ist alles normal.
Das Problem an diesem Beispiel ist aber, dass du sofort versuchst, in ein Inertialsystem überzugehen, wenn du dir das gedanklich vorstellst. Du weißt eben doch, dass du rotierst. Daher ein zweites Beispiel.

Coriolis:
Wenn ich ein Pendel wirklich reibungsfrei, etc. aufhänge und pendeln lasse, dann erkenne ich, dass die Schwingungsebene rotiert (Foucaultsches Pendel). Auf das Pendel muss also eine Kraft wirken, die die Schwingungsebene ändert. Welche? Unter der Annahme, ich wäre in einem Inertialsystem darf so etwas nicht sein, denn ich kann die Kraft nicht ausmachen.
Der Beobachter im Weltall aber sieht, dass sich die Erde um ihre eigene Achse dreht. Er sieht, dass sich die Schwingungsebene des Pendels eben nicht verändert - nur die Erde darunter dreht sich.

Das bedeutet: In beiden Fällen treten in den Nichtinertialsystemen Kräfte auf, die keinen Ursprung zu haben scheinen, wenn ich glaube, in einem I-System zu sein (Zentrifugal- und Corioliskraft). Diese nennt man Schein- oder Trägheitskräfte, weil sie nur aufgrund der Massenträgheit auftreten und daher nur in Nichtinertialsystemen auftreten.

Um also eine Bewegung in einem Nichtinertialsystem korrekt zu beschreiben, muss ich Trägheitskräfte einführen, wie die Corioliskraft. Aus einem Inertialsystem heraus brauche ich diese nicht.

Gruß
MI
Physinetz



Anmeldungsdatum: 20.09.2006
Beiträge: 317

Beitrag Physinetz Verfasst am: 08. Nov 2009 14:09    Titel: Antworten mit Zitat

hmm ich weiß nich ob das so stimmt....
dermarkus
Administrator


Anmeldungsdatum: 12.01.2006
Beiträge: 14788

Beitrag dermarkus Verfasst am: 08. Nov 2009 14:19    Titel: Antworten mit Zitat

Ich bin einverstanden mit MI und Physinetz, dass das

GvC hat Folgendes geschrieben:

Die von außen "beobachtbare" Kraft ist doch die Scheinkraft,


nicht zutrifft. smile

Kannst du mit den Erklärungen von MI schon etwas anfangen, Physinetz?
Physinetz



Anmeldungsdatum: 20.09.2006
Beiträge: 317

Beitrag Physinetz Verfasst am: 08. Nov 2009 14:51    Titel: Antworten mit Zitat

ich glaub das sind die zentralen Sätze:

Zitat:
wenn ich glaube, in einem I-System zu sein

Zitat:

Unter der Annahme, ich wäre in einem Inertialsystem darf so etwas nicht sein, denn ich kann die Kraft nicht ausmachen.



mit denen bekommt das ganze erst seinen Sinn oder?
DrStupid



Anmeldungsdatum: 07.10.2009
Beiträge: 5044

Beitrag DrStupid Verfasst am: 08. Nov 2009 15:04    Titel: Antworten mit Zitat

Ergänzend zur sehr guten Erklärung von MI sollte noch erwähnt werden, dass Scheinkräfte im Gegensatz zu Kräften nicht allen drei Newtonschen Axiomen gehorchen. Für sie gelten nur die ersten beiden Axiome, aber nicht das dritte. Jede zeitliche Impulsänderung, die nicht aus einer paarweisen Wechselwirkung resultiert, ist demnach eine Scheinkraft.
GvC



Anmeldungsdatum: 07.05.2009
Beiträge: 14861

Beitrag GvC Verfasst am: 08. Nov 2009 15:09    Titel: Antworten mit Zitat

Ich sag ja, ich bin kein Experte. Ich bin nur einfacher Elektriker.

Aber das kann so nicht stimmen:

MI hat Folgendes geschrieben:
Wenn ich mit geschlossenen Augen auf einem Karussell sitze, dann denke ich, dass ich nach außen gezogen werde (Zentrifugalkraft).


Wenn ich mit geschlossenen Augen auf einem sich drehenden Karussell sitze, dann spüre ich außer der Kraft nach außen auch eine nach unten, nämlich meine Gewichtskraft. Wenn ich gar in einem sich drehenden Kettenkarussell sitze, spüre ich nur eine Kraft nach unten auf meinen Hintern.
MI



Anmeldungsdatum: 03.11.2004
Beiträge: 828
Wohnort: München

Beitrag MI Verfasst am: 08. Nov 2009 15:13    Titel: Antworten mit Zitat

GvC hat Folgendes geschrieben:
Ich sag ja, ich bin kein Experte. Ich bin nur einfacher Elektriker.

Wo du aber sehr viel besser bist als ich Augenzwinkern .

Zitat:

MI hat Folgendes geschrieben:
Wenn ich mit geschlossenen Augen auf einem Karussell sitze, dann denke ich, dass ich nach außen gezogen werde (Zentrifugalkraft).


Wenn ich mit geschlossenen Augen auf einem sich drehenden Karussell sitze, dann spüre ich außer der Kraft nach außen auch eine nach unten, nämlich meine Gewichtskraft. Wenn ich gar in einem sich drehenden Kettenkarussell sitze, spüre ich nur eine Kraft nach unten auf meinen Hintern.


Richtig - aber über die Gewichtskraft gibt's keine Uneinigkeit. Da sehen beide Beobachter dasselbe, deshalb habe ich sie oben vernachlässigt smile .
Auf dem Kettenkarussel spürst du tatsächlich nur eine Kraft auf deinen Hintern - allerdings, unter der Annahme du weißt, in welche Richtung die Gewichtskraft wirkt, in die falsche Richtung. Die auf dich wirkende Kraft setzt sich zusammen aus der Gewichtskraft und der Zentrifugalkraft (Trägheitskraft/Scheinkraft).

Gruß
MI

EDIT:
Physinetz hat Folgendes geschrieben:
ich glaub das sind die zentralen Sätze:

Zitat:
wenn ich glaube, in einem I-System zu sein

Zitat:

Unter der Annahme, ich wäre in einem Inertialsystem darf so etwas nicht sein, denn ich kann die Kraft nicht ausmachen.



mit denen bekommt das ganze erst seinen Sinn oder?


So kann man es ausdrücken. Wichtig ist eben die Unterscheidung Inertial- und Nichtinertialsystem. Scheinkräfte gibt's nur in den zweiten Systemen. Siehe dazu auch die Ergänzung von DrStupid.
Röhrenfan



Anmeldungsdatum: 29.09.2009
Beiträge: 129

Beitrag Röhrenfan Verfasst am: 08. Nov 2009 15:30    Titel: Antworten mit Zitat

Zitat:

Die von außen "beobachtbare" Kraft ist doch die Scheinkraft, denn tatsächlich wirkt auch noch die Zenrifugalkraft (Fliehkraft), die aber vom Beobachter nicht wahrgenommen wird....


Die Zentrifugalkraft übt offenbar auch auf Physiker eine geradezu magische Wirkung auf! MI und der Markus haben schon berechtigte Einwände gemacht.

Ich versuche, die wichtigen Aspekte noch einmal zusammenzustellen:
In einem Inertialsystem gilt der Trägheitssatz (ohne Kräfte keine oer geradlinige Bewegung mit v=const).

Damit ein Körper eine Kreisbahn beschreiben kann, muss er eine ("echte") Kraft zum Kreismittelpunkt erfahren, diese heißt Zentripetalkraft und muss für einen Kreis mit r die GRöße mv^2/r haben.

Woher kommt sie? Die Zentripetalkraft ist
* die Gravitationskraft für den Umlauf eines Satelliten um die Erde
* die Lorentzkraft für ein geladenes bewegtes Teilchen in einem (richtig orientierten) Magnetfeld
* die Reibungskraft zwischen Reifen und Fahrbahn bei einer Autofahrt auf horizontaler Straße
* die Seilkraft beim Hammerwerfer, der eine MAsse rotiert.

Also: Es muss eine richtige echte Kraft vorhanden sein, die die Rolle der Zetripetalkraft übernimmt, dies ist keine Scheinkraft!

Jetzt betrachten wir einen Menschen

1. in der ISS: Aus dem Inertialsystem betrachtet beschreibt er eine Kreisbahn und muss demzufolge einer Zentripetalkraft unterliegen. Dies ist -wie für die ISS- die Gravitationskraft, die ihm die gleiche Zentripetal beschleunigung gibt wie der ISS (aus , also ist die massenunabhängige Beschleunigung

Aus der Sicht des Beobachters im Inertialsystem fallen beide (ISS,Mensch) um die Erde herum.

2. in einem kurvenfahrenden Auto: Anders als die Autoreifen erfährt der Fahrer (oder eine lose Masse im Auto) im Massenschwerpunkt keine Reibungskraft zum Kurvenmittelpunkt! Er bewegt sich daher für den Beobachter am Straßenrand nach dem Trägheitssatz kräftefrei geradeaus. Weil aber das Auto unter ihm (sagen wir:) nach rechts gezogen wird, würde sich der Fahrer ohne Gurt oder Tür geradeaus (und damit aus dem Auto heraus) bewegen.
Ein im Auto mitrotierender (angeschnallter) Beifahrer sieht dagegen, dass der Fahrer und der lose Gegensatnd bezogen auf das Bezugssystem Auto nach links abkippen und erklärt dies mit einer Kraft, die er Zentrifugalkraft nennt. Dies ist eine Scheinkraft, weil sie für den Beobachter am Straßenrand nicht auftritt.

3. Beim Hammerwerfer: Wenn das Seil reißt (oder er losläßt), fliegt der Hammer nach dem Trägheitssatz für die (ruhenden) Zuschauer geradeaus

Mein Rat:
Betrachtet -wenn eben möglich- Vorgänge mit Rotation aus einem Inertialsystem, das vermeidet viele Fehler, die in diesem Zusammenhang gemacht werden.

Noch ein Beispiel:
Ein Wassertropfen in einem Kleidungsstück verläßt in der Wäscheschleuder das Kleidungsstück, weil für uns -neben der Maschine ruhend- dieses auf der Kreisbahn nach rechts wegdreht, der Tropfen aber nach dem Trägheitssatz geradlinig weiterfliegt, es sei denn, er ist (noch) zu fest an den Stoff gebunden, weil die Trommel nicht schnell genug dreht.
Die Vorstellung, mit dem Kleidungsstück mitzurotieren und das Wegschleudern des Tropfens durch eine Zentrifugalkraft zu erklären, ist zwar möglich, aber m.E. viel künstlicher als die Erklärung mit dem Trägheitssatz.

Gruß, Röhrenfan
DrStupid



Anmeldungsdatum: 07.10.2009
Beiträge: 5044

Beitrag DrStupid Verfasst am: 08. Nov 2009 16:28    Titel: Antworten mit Zitat

Röhrenfan hat Folgendes geschrieben:

Damit ein Körper eine Kreisbahn beschreiben kann, muss er eine ("echte") Kraft zum Kreismittelpunkt erfahren, diese heißt Zentripetalkraft und muss für einen Kreis mit r die GRöße mv^2/r haben.

Woher kommt sie? Die Zentripetalkraft ist
* die Gravitationskraft für den Umlauf eines Satelliten um die Erde
[...]

Also: Es muss eine richtige echte Kraft vorhanden sein, die die Rolle der Zetripetalkraft übernimmt, dies ist keine Scheinkraft!


<korinthenmodus>
In der ART ist die Gravitationskraft auch eine Scheinkraft. Durch die Proportionalität zur Masse des Körpers, auf den sie wirkt, hat sich die Schwerkraft von Anfang an als Scheinkraft verdächtig gemacht. Allerdings war es im Euklidischen Raum nicht möglich, sie global wegzutransformieren.
</korinthenmodus>
dermarkus
Administrator


Anmeldungsdatum: 12.01.2006
Beiträge: 14788

Beitrag dermarkus Verfasst am: 09. Nov 2009 01:26    Titel: Antworten mit Zitat

Ich fasse mal ein bisschen zusammen:

* In einem Inertialsystem
(= in einem nicht beschleunigten Bezugssystem)
gibt es keine Trägheitskräfte (= Scheinkräfte).

Ein Beobachter in einem Inertialsystem beobachtet also schlicht und einfach, dass ein Körper nur dann seine Geschwindigkeit oder seine Bewegungsrichtung ändert, wenn eine resultierende Kraft auf ihn wirkt.

Das ist das ganz normale Trägheitsgesetz nach Newton.



* Ein Nichtinertialsystem ist ein beschleunigtes Bezugssystem.
Ein Beobachter in einem Bezugssystem, das mit der Beschleunigung a in die eine Richtung beschleunigt wird, beobachtet aus seiner Sicht, dass Körper, die (in seinem Bezugssystem) nicht niet- und nagelfest sind, mit eben dieser Beschleunigung a in die entgegengesetzte Richtung beschleunigt werden, obwohl aus seiner Sicht keine resultierende Kraft auf sie wirkt.

Der Beobachter im beschleunigten Bezugssystem kann das Trägheitsgesetz also erst verwenden, wenn er zuvor Scheinkräfte (Trägheitskräfte) mitberücksichtigt. (Die Trägheitskraft auf einen Körper der Masse m in einem mit der Beschleunigung a in eine Richtung beschleunigten Bezugssystem wirkt in die entgegengesetzte Richtung und hat den Betrag m*a.)

Beispiel:

Code:
Der Beobachter in einem mit der Beschleunigung a_LKW nach vorne anfahrenden Laster beobachtet aus seiner Sicht, dass der Stein, den er gerade in die Luft geworfen hat, mit der Kraft (m_Stein * a_LKW) nach hinten beschleunigt wird.
Genauso beobachtet er, dass das Haus am Straßenrand aus seiner Sicht mit der Kraft (m_Haus * a_LKW) nach hinten beschleunigt wird.


Wenn der Beobachter im anfahrenden LKW die Bewegungen des Steins und des Hauses mit Hilfe des Newtonschen Trägheitsgesetzes beschreiben möchte, dann braucht er dazu also als Hilfe die Einführung dieser Trägheitskräfte (= Scheinkräfte).




---------------------------


Was DrStupid oben in ganz knapper Form angesprochen hat, ist eine weiterführende Bemerkung zur allgemeinen Relativitätstheorie.

Ein bisschen ausführlicher würde ich das so erzählen:

Code:
Ein Geheimagent wurde KO geschlagen und wacht in einem großen geschlossenen Kasten auf. Kann er herausfinden, ob er

a) sich in einem Inertialsystem befindet, in dem die Schwerkraft wirkt
(so wie es in guter Näherung auf der Erde der Fall ist)
 
b) oder sich in einem beschleunigten Bezugssystem befindet, in dem keine Schwerkraft wirkt, sondern statt dessen die zur Beschleunigung gehörende Trägheitskraft derselben Stärke.
(das wäre beunruhigend, denn eine Rettung aus dem Weltall wäre deutlich schwieriger ...)


Interessanterweise kann der Geheimagent diese Frage durch physikalische Experimente innerhalb des Kastens nicht entscheiden. (Das ist unter dem Stichwort "Äquivalenzprinzip" bekannt.)

So ist es also gemeint, wenn man sagt, die Gravitationskraft in einem Inertialsystem lässt sich in der allgemeinen Relativitätstheorie beschreiben als die Trägheitskraft in einem beschleunigten Bezugssystem, das so beschleunigt wird, dass sich Trägheitskraft und Gravitationskraft weder nach Betrag noch nach Richtung unterscheiden.
DrStupid



Anmeldungsdatum: 07.10.2009
Beiträge: 5044

Beitrag DrStupid Verfasst am: 09. Nov 2009 19:43    Titel: Antworten mit Zitat

dermarkus hat Folgendes geschrieben:
Der Beobachter im beschleunigten Bezugssystem kann das Trägheitsgesetz also erst verwenden, wenn er zuvor Scheinkräfte (Trägheitskräfte) mitberücksichtigt.


Es geht auch umgekehrt. Mann kann ebensogut zuerst die beiden ersten Newtonschen Axiome anwenden und dann die Wechselwirkungskräfte von den Scheinkräften trennen.
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