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Gezeiten - was genau ist daran falsch? - Seite 3
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DrStupid



Anmeldungsdatum: 07.10.2009
Beiträge: 5044

Beitrag DrStupid Verfasst am: 09. Jan 2024 09:57    Titel: Antworten mit Zitat

Qubit hat Folgendes geschrieben:
Letztlich bekommt man für die Bewegung im Mondgravitationsfeld für jeden Punkt der Erde eine resultierende Beschleunigung der Art von



Hierbei ist die Gravitationsbeschleunigung des Mondes am Erdort x.


Es ist schon noch ein bisschen mehr. Die Gesamtbeschleunigung eines Körpers an der Erdoberfläche ergibt sich aus der Gravitation aller beteiligten Objekte (einschließlich der Erde selbst), eventuellen Trägheitskräften und der Normalkraft. Davon muss man alles abziehen, was nur zu einer Beschleunigung der Erde oder zu einem Drehmoment führt. Was dann übrig bleibt, muss im hydrostatischen Gleichgewicht senkrecht zur Oberfläche wirken. Im homogenen Fall genügt das schon, um einen Gleichgewichtskörper mit passendem Volumen zu berechnen. Die Berechnung ist allerdings nicht trivial und ohne zahlreiche Näherungen gibt es auch keine explizite Lösung.
DrStupid



Anmeldungsdatum: 07.10.2009
Beiträge: 5044

Beitrag DrStupid Verfasst am: 09. Jan 2024 10:13    Titel: Antworten mit Zitat

Aruna_Gast hat Folgendes geschrieben:
Ausgangspunkt war diese Aussage von Ich:

Zitat:
Die Kraft, die alles hin zum Mond zieht, kann keinen Wasserberg weg vom Mond ziehen.


DrStupid war der Ansicht, diese Aussage sei falsch.


Diese Aussage allein wäre nicht falsch, wenn damit nicht gemeint wäre, dass die Gravitation des Mondes keine zwei Wasserberge von der Erde wegziehen kann und...

Ich hat Folgendes geschrieben:
[...] dass die Gravitation einen Gegenspieler braucht, um einen Flutberg von der Erde weg zu ziehen. Das ist nun mal die Fliehkraft [...]


Das ist der Fehler. Weder braucht die Gravitation einen solchen Gegenspieler, noch sind die Trägheitskräfte in einem rotierenden oder beschleunigten System dazu in der Lage. Die Gravitation schafft das ganz allein.
TomS
Moderator


Anmeldungsdatum: 20.03.2009
Beiträge: 18088

Beitrag TomS Verfasst am: 09. Jan 2024 10:15    Titel: Antworten mit Zitat

DrStupid hat Folgendes geschrieben:
Aruna_Gast hat Folgendes geschrieben:
Ausgangspunkt war diese Aussage von Ich:

Zitat:
Die Kraft, die alles hin zum Mond zieht, kann keinen Wasserberg weg vom Mond ziehen.

DrStupid war der Ansicht, diese Aussage sei falsch.

Diese Aussage allein wäre nicht falsch, wenn damit nicht gemeint wäre, dass die Gravitation des Mondes keine zwei Wasserberge von der Erde wegziehen kann und...

Ich hat Folgendes geschrieben:
[...] dass die Gravitation einen Gegenspieler braucht, um einen Flutberg von der Erde weg zu ziehen. Das ist nun mal die Fliehkraft [...]

Das ist der Fehler. Weder braucht die Gravitation einen solchen Gegenspieler, noch sind die Trägheitskräfte in einem rotierenden oder beschleunigten System dazu in der Lage. Die Gravitation schafft das ganz allein.

Schön, dass wir uns in diesem zentralen Punkt einig sind.

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Niels Bohr brainwashed a whole generation of theorists into thinking that the job (interpreting quantum theory) was done 50 years ago.
TomS
Moderator


Anmeldungsdatum: 20.03.2009
Beiträge: 18088

Beitrag TomS Verfasst am: 09. Jan 2024 11:39    Titel: Antworten mit Zitat

Habe den letzten FAQ-Beitrag um die Herleitung der Gezeitenkraft erweitert. Nächster Schritt ist die Diskussion der üblichen Taylor-Entwicklung sowie die Einführung des Potentials.

Über Kommentare würde ich mich freuen.

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Myon



Anmeldungsdatum: 04.12.2013
Beiträge: 5875

Beitrag Myon Verfasst am: 09. Jan 2024 12:37    Titel: Antworten mit Zitat

Ich habe eine Frage zur Gleichung



Wenn die linke Seite die "wirkliche" Beschleunigung des Masseteilchens ist, müsste man dann hier (wie auch in den beiden darauf folgenden Gleichungen) nicht auch Berührungskräfte durch umgebende Teilchen berücksichtigen (v.a. Druckkräfte vom Erdmittelpunkt radial nach aussen)?
Irgendwie müsste man diese für die Herleitung umgehen können...
TomS
Moderator


Anmeldungsdatum: 20.03.2009
Beiträge: 18088

Beitrag TomS Verfasst am: 09. Jan 2024 13:20    Titel: Antworten mit Zitat

Guter Punkt, die Formulierung ist nicht gut, ich ergänze noch eine Bemerkung.

Ich betrachte hier und im folgenden erst mal keine Lösungen der Bewegunggleichung, sondern ausschließlich das Feld der Gezeitenkraft sowie dessen Potential. Daher fällt das Problem zunächst nicht weiter auf.

Aber ja, du hast recht, die Bewegungsgleichung einer realen Flüssigkeit enthält weitere Terme. In der Theorie der Tiden wird sehr häufig die Eulergleichung einer inkompressiblen und reibungsfreien Flüssigkeit verwendet; diese beinhaltet zumindest noch einen Druck-Term.

https://en.wikipedia.org/wiki/Euler_equations_(fluid_dynamics)#Incompressible_Euler_equations

Daraus folgt speziell die Laplace-Gleichung für das Strömungfeld einer dünnen Flüssigkeitsschicht (hier im rotierenden Bezugsystem)

https://en.m.wikipedia.org/wiki/Theory_of_tides#Laplace's_tidal_equations

Die von dir genannten Effekte des Meeresbodens könnte man ebenfalls dynamisch modellieren, dann wird es aber natürlich extrem kompliziert. Vereinfacht würde man einen ideal starren Meeresboden annehmen, dessen Effekte teilweise mittels Randbedingungen modelliert werden können.

Das geht aber über ein Grundverständnis weit hinaus.

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DrStupid



Anmeldungsdatum: 07.10.2009
Beiträge: 5044

Beitrag DrStupid Verfasst am: 09. Jan 2024 14:17    Titel: Antworten mit Zitat

TomS hat Folgendes geschrieben:
Habe den letzten FAQ-Beitrag um die Herleitung der Gezeitenkraft erweitert. Nächster Schritt ist die Diskussion der üblichen Taylor-Entwicklung sowie die Einführung des Potentials.

Über Kommentare würde ich mich freuen.


Ich verstehe immer noch nicht, was Du da eigentlich behandeln willst. Erst schreibst Du, dass Du nur die idealisierte Gezeiten berücksichtigen und die realen Gezeiten nicht diskutieren willst:

Zitat:
Ein qualitativ zutreffendes Bild der Gezeiten folgt nur dann unmittelbar aus den Gezeitenkräften, wenn der „feste Anteil“ des Himmelskörper (d.h. die Erde mit der Erdkruste sowie tieferer Schichten) einem Rotationsellipsoid ohne weitere Strukturen entspräche; dies wären idealisierte Gezeiten: Gezeitenkräfte bewirken eine Deformation dieses Rotationsellipsoids sowie eine (stärkere) Deformation des inkompressiblen Wassers im Vergleich zu dessen Rotationsellipsoid (reale Gezeiten können wir hier nicht diskutieren).


Später schreibst Du dann aber genau das Gegenteil:

Zitat:
Im idealisierten Fall kann sich für das Wasser ein stationärer Zustand mit einer konstanten Form der Wasserverteilung einstellen, die synchron mit der Achse Erde-Mond mitrotiert bzw. mitfließt (die im Vergleich zum Wasser geringere Deformation der Erdkruste und tieferer Schichten werde ich nicht diskutieren).


Mit den Erdgezeiten ignorierst Du den größten Teil der idealisierten Gezeiten und konzentriert Dich stattdessen hauptsächlich auf die realen Gezeiten. Ich sehe erstens nicht, wie Du das im Rahmen dieses Forums sinnvoll behandeln willst (weil hier neben der Gravitation auch Topologie, Strömungsmechanik und Corioliskräfte im Spiel sind) und zweitens führt es vom eigentlichen Thema weg - der Deformation aufgrund der Gezeitenkräfte.
TomS
Moderator


Anmeldungsdatum: 20.03.2009
Beiträge: 18088

Beitrag TomS Verfasst am: 09. Jan 2024 14:43    Titel: Antworten mit Zitat

Danke, aber ich verstehe nicht, wo ich genau das Gegenteil schreibe.

Erstens Zitat: Idealer Rotationsellipsoid, Gezeitenkräfte, Deformation des Rotationsellipsoids sowie des Wassers (keine realen Gezeiten).

Zweites Zitat: Möglichkeit des stationären Zustandes im idealisierten Fall (weitere Einschränkung: keine Diskussion der Deformation der Erdkruste).

Was ich behandeln will steht im Eingangsbeitrag: knappe und präzise Herleitung der Gezeiten als rein gravitativen Effekt; prinzipielle Fragestellungen; Aufräumen mit Missverständnissen. Anders formuliert: a no-nonsense formulation mit zumindest einigen zentralen und verständlichen Gleichungen anstelle von
a) endlosem Formelsalat koordinatenabhängiger Gleichungen für spezielle Anwendungen jedoch ohne direkte Erklärungskraft
b) mehr oder weniger gute Märchen, Sagen und Mythen, durchsetzt von Geistesblitzen aber auch Dummheiten. Ich habe deutlich mehr Zeit mit der erfolglosen Suche nach einer vernünftigen online-Quelle vergeudet als mit den beiden kurzen Beiträgen.

Was genau sollte ich denn anders formulieren? Vorschläge werden gerne entgegengenommen.

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DrStupid



Anmeldungsdatum: 07.10.2009
Beiträge: 5044

Beitrag DrStupid Verfasst am: 09. Jan 2024 15:53    Titel: Antworten mit Zitat

TomS hat Folgendes geschrieben:
Danke, aber ich verstehe nicht, wo ich genau das Gegenteil schreibe.

Erstens Zitat: Idealer Rotationsellipsoid, Gezeitenkräfte, Deformation des Rotationsellipsoids sowie des Wassers (keine realen Gezeiten).

Zweites Zitat: Möglichkeit des stationären Zustandes im idealisierten Fall (weitere Einschränkung: keine Diskussion der Deformation der Erdkruste).


Ich habe den Widerspruch in diesem beiden Zitaten hervorgehoben. Die Gezeitenkräfte des Mondes verursachen idealisierte Tiden von ca. ±50 cm. Durch die Sonne kommt noch einmal knapp die Hälfte dazu. Das entspricht ungefähr der Aplitude der Erdgezeiten. Wenn Du das einfach ignorierst, dann hat das Ergebnis nichts mehr mit den idealisierten Gezeiten zu tun, von denen Du ursprünglich gesprochen hast. Außer sekundären Effekten durch das Hin- und Herfließen des Wassers auf der festen Oberfläche zwischen den Kontinenten bleibt da nicht mehr viel übrig. Das wären aber die realen Gezeiten, über die Du nicht reden willst (und da sehe ich den zweiten Widerspruch).

TomS hat Folgendes geschrieben:
Was ich behandeln will steht im Eingangsbeitrag: knappe und präzise Herleitung der Gezeiten als rein gravitativen Effekt; prinzipielle Fragestellungen; Aufräumen mit Missverständnissen.


Dann vestehe ich nicht, was Du im FAQ-Artikel schreibst. Du ignioriserst ohne Begründung den überwiegenden Teil des Effektes und fügst das daraus resultierende Missverständnis hinzu, dass sie irgend etwas mit tangentialen Strömungen und Kräften zu tun hätten. Letztere kommen erst bei den realen Gezeiten ins Spiel.
TomS
Moderator


Anmeldungsdatum: 20.03.2009
Beiträge: 18088

Beitrag TomS Verfasst am: 09. Jan 2024 21:25    Titel: Antworten mit Zitat

DrStupid hat Folgendes geschrieben:
Die Gezeitenkräfte des Mondes verursachen idealisierte Tiden von ca. ±50 cm. Durch die Sonne kommt noch einmal knapp die Hälfte dazu. Das entspricht ungefähr der Aplitude der Erdgezeiten. Wenn Du das einfach ignorierst, dann hat das Ergebnis nichts mehr mit den idealisierten Gezeiten zu tun, von denen Du ursprünglich gesprochen hast.

Doch, weil es um das Prinzip geht. Um das herauszuarbeiten, muss man teilweise vereinfachen.

Gezeitenkraft, -potential, ggf. -strömung etc. kann man jedenfalls ganz klar darstellen.

DrStupid hat Folgendes geschrieben:
Außer sekundären Effekten durch das Hin- und Herfließen des Wassers auf der festen Oberfläche zwischen den Kontinenten bleibt da nicht mehr viel übrig.

Das stimmt doch nicht. Die Strömung ist nicht sekundär sondern essentiell; siehe z.B. die Gleichungen von Laplace. Sie ist auch vorhanden, wenn wir einen idealen Rotationsellipsoiden betrachten.

DrStupid hat Folgendes geschrieben:
Das wären aber die realen Gezeiten, über die Du nicht reden willst (und da sehe ich den zweiten Widerspruch).

Ich sehe noch nicht mal den ersten.

DrStupid hat Folgendes geschrieben:
TomS hat Folgendes geschrieben:
Was ich behandeln will steht im Eingangsbeitrag: knappe und präzise Herleitung der Gezeiten als rein gravitativen Effekt; prinzipielle Fragestellungen; Aufräumen mit Missverständnissen.

Dann vestehe ich nicht, was Du im FAQ-Artikel schreibst. Du ignorierst ohne Begründung den überwiegenden Teil des Effektes …

Welchen? Die Deformation der Erdkruste?

DrStupid hat Folgendes geschrieben:
… und fügst das daraus resultierende Missverständnis hinzu, dass sie irgend etwas mit tangentialen Strömungen und Kräften zu tun hätten. Letztere kommen erst bei den realen Gezeiten ins Spiel.

Ersteres ist kein Missverständnis, letzteres ist falsch; tangentiale Komponenten der Gezeitenkräfte und damit Strömungen sind von Anfang an vorhanden (s.o.)

Übrigens, was du kritisierst, ist in den bisherigen Gleichungen im FAQ-Beitrag gar nicht relevant; sie sind exakt.

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Zuletzt bearbeitet von TomS am 09. Jan 2024 21:54, insgesamt einmal bearbeitet
DrStupid



Anmeldungsdatum: 07.10.2009
Beiträge: 5044

Beitrag DrStupid Verfasst am: 09. Jan 2024 21:52    Titel: Antworten mit Zitat

TomS hat Folgendes geschrieben:
Doch, weil es um das Prinzip geht. Um das herauszuarbeiten, muss man vereinfachen.


Der einfachste Fall ist eine vollkommen flüssige Erde. Deine Konstruktion aus einem festen Rotationsellipsoid und darauf fließendem Wasser ist nicht nur physikalisch falsch sondern auch komplizierter.

TomS hat Folgendes geschrieben:
Wenn du dir die Mühe machst, die Gleichungen von Laplace zu verstehen, dann siehst du, dass das "Hin- und Herfließen" nicht sekundär sondern essentiell ist.


Für die realen Gezeiten schon, aber nicht für die idealisierten Gezeiten. Da sind Strömungen vollkommen irrelevant. Ich kann ja mal ausrechnen, welcher Pegelunterschied zu erwarten ist. Ich wage aber schon jetzt die Prognose, dass er im ppm-Bereich liegen wird. Was dafür an Strömung notwendig ist, kann man getrost vergessen.

TomS hat Folgendes geschrieben:
tangentiale Komponenten der Gezeitenkräfte sind von Anfang an vorhanden.


Was für ein Anfang? Natürlich kannst Du immer irgend einen hypothetischen Anfangszustand erfinden, in dem es tangentiale Kräfte gibt. Ich gehe bei meinen iterativen Rechnungen auch von Startwerten aus, die nicht im hydrostatischen Gleichgewicht liegen. Aber ich würde nie auf die Idee kommen, aus dieser vollkommen willkürlichen Wahl irgendwelche Schussfolgerungen zu ziehen. Entscheidend ist allein der stationäre Endzustand und der ist im Idealfall dadurch charakterisiert, dass es solche Kräfte nicht gibt.
TomS
Moderator


Anmeldungsdatum: 20.03.2009
Beiträge: 18088

Beitrag TomS Verfasst am: 09. Jan 2024 22:02    Titel: Antworten mit Zitat

DrStupid hat Folgendes geschrieben:
TomS hat Folgendes geschrieben:
Doch, weil es um das Prinzip geht. Um das herauszuarbeiten, muss man vereinfachen.

Der einfachste Fall ist eine vollkommen flüssige Erde. Deine Konstruktion aus einem festen Rotationsellipsoid und darauf fließendem Wasser ist nicht nur physikalisch falsch sondern auch komplizierter.

Inwiefern ist die denn bitteschön falsch? Sie ist idealisiert, aber nicht falsch.

Eine flüssige Erde ist dagegen völliger Käse! Die Erde ist elastisch, in guter Näherung ein starrer Körper; Gezeitendeformation < 1 m, bei einem Erdradius von > 6000 km. Die Erde fließt nicht, Wasser fließt.

DrStupid hat Folgendes geschrieben:
TomS hat Folgendes geschrieben:
Wenn du dir die Mühe machst, die Gleichungen von Laplace zu verstehen, dann siehst du, dass das "Hin- und Herfließen" nicht sekundär sondern essentiell ist.

Für die realen Gezeiten schon, aber nicht für die idealisierten Gezeiten. Da sind Strömungen vollkommen irrelevant. Ich kann ja mal ausrechnen, welcher Pegelunterschied zu erwarten ist. Ich wage aber schon jetzt die Prognose, dass er im ppm-Bereich liegen wird. Was dafür an Strömung notwendig ist, kann man getrost vergessen.

Das ist doch nicht der Punkt. Erstens geht es nicht um derart
exakte Berechnungen und zweitens geht es nicht um reale Gezeiten. Es geht schlicht um tangentiale Gezeitenkräfte. Willst du behaupten, dass diese nicht existieren? Oder dass sie zwar existieren, jedoch das Wasser ihnen nicht folgt?

Könnte es sein, dass Begriffsverwirrung herrscht, was wir als ideale bzw. reale Gezeiten bezeichnen?

DrStupid hat Folgendes geschrieben:
TomS hat Folgendes geschrieben:
tangentiale Komponenten der Gezeitenkräfte sind von Anfang an vorhanden.

Was für ein Anfang? Natürlich kannst Du immer irgend einen hypothetischen Anfangszustand erfinden, in dem es tangentiale Kräfte gibt.

Es geht um die tangentialen Komponenten der Gezeitenkräfte; diese sind immer vorhanden.

DrStupid hat Folgendes geschrieben:
Ich gehe bei meinen iterativen Rechnungen auch von Startwerten aus, die nicht im hydrostatischen Gleichgewicht liegen. Aber ich würde nie auf die Idee kommen, aus dieser vollkommen willkürlichen Wahl irgendwelche Schussfolgerungen zu ziehen.

Ich auch nicht. Ich ziehe meine Schlussfolgen aus exakten und allgemein bekannten Gleichungen.

DrStupid hat Folgendes geschrieben:
Entscheidend ist allein der stationäre Endzustand und der ist im Idealfall dadurch charakterisiert, dass es solche Kräfte nicht gibt.

Wie gesagt, die tangentialen Komponenten der Gezeitenkräfte sind immer vorhanden. Und der stationäre Endzustand ist ja nicht statisch.

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DrStupid



Anmeldungsdatum: 07.10.2009
Beiträge: 5044

Beitrag DrStupid Verfasst am: 10. Jan 2024 14:59    Titel: Antworten mit Zitat

TomS hat Folgendes geschrieben:
Inwiefern ist die denn bitteschön falsch? Sie ist idealisiert, aber nicht falsch.


Das habe ich oben schon erklärt: Die Erdgezeiten sind fast so groß, wie der zu berechnende Effekt. Was lässt Dich glauben, dass Du sie einfach weglassen und trotzdem zu einem korrekten Ergebnis kommen kannst?

Ich sehe nur eine Möglichkeit, bei der dieser Fehler keine Rolle spielen würde - nämlich dann wenn die Wasseroberfläche im stationäre Endzustand eine Äquipotentialfläche ist. Ob das der Fall ist, werden wir sehen, wenn Deine Rechnung abgeschlossen ist. In dem Fall wäre die Unterteilung in eine feste Erde und darauf fließendes Wasser aber überflüssig, weil man dann ebensogut das hydrostatische Gleichgewicht für eine komplett fluide Erde berechnen könnte.

TomS hat Folgendes geschrieben:
Die Erde ist elastisch, in guter Näherung ein starrer Körper


Ich kann nur vermuten, wo dieser Irrglaube herkommt: Möglicherweise lässt Du Dich davon täuschen, dass Gestein in Deiner Altagserfahrung starr erscheint oder dass Deformationsschwingungen der Erde denen eines elastischen Körpers ähneln. Das führt beides in die Irre. Auf den räumlichen und zeitlichen Skalen, über die wir hier reden, ist die Erde im Wesentlichen ein Fluid. Nur die Erdkruste bildet eine Ausnahme, was aber nur für reale Gezeiten relevant ist, die wir hier nicht diskutieren wollen.

TomS hat Folgendes geschrieben:
Gezeitendeformation < 1 m, bei einem Erdradius von > 6000 km.


Ich weiß nicht, was Du mir damit zu sagen versuchst, aber genau das ist bei einer komplett fluiden Erde zu erwarten.

TomS hat Folgendes geschrieben:
Die Erde fließt nicht, Wasser fließt.


Du bist derjenige, der hier ständig etwas fließen lassen will und ich habe Dir schon mehrfach gesagt, dass Du damit auf dem Holzweg bist. Es genügt, die Oberfläche zu berechnen, ohne sich Gedanken darüber zu machen, wie das Material von A nach B kommt.

TomS hat Folgendes geschrieben:
Erstens geht es nicht um derart exakte Berechnungen und zweitens geht es nicht um reale Gezeiten. Es geht schlicht um tangentiale Gezeitenkräfte. Willst du behaupten, dass diese nicht existieren? Oder dass sie zwar existieren, jedoch das Wasser ihnen nicht folgt?


Wenn es im hydrostatischen Gleichgewicht tangentiale Gezeitenkräfte gibt, dann kann das Wasser ihnen nicht folgen, weil sie durch andere Kräfte kompensiert werden. Nur bei realen Gezeiten folgt das Wasser einer tangentialen Kraftkomponente. Du kannst nur beides oder keins von beidem haben.

TomS hat Folgendes geschrieben:
Und der stationäre Endzustand ist ja nicht statisch.


Das wäre nur relevant, wenn Du die Phasenverschiebung der Tidenwellen berücksichtigen willst, was Du aber nicht vor hast. Es spielt für die Berechnung keine Rolle, ob und wenn ja wie schnell sich der Mond um die Erde bewegt. Du kannst ihn ebensogut geosynchron rotieren lassen. Dann ist der stationäre Endzustand im mitrotierenden System statisch.
TomS
Moderator


Anmeldungsdatum: 20.03.2009
Beiträge: 18088

Beitrag TomS Verfasst am: 10. Jan 2024 17:07    Titel: Antworten mit Zitat

DrStupid hat Folgendes geschrieben:
TomS hat Folgendes geschrieben:
Inwiefern ist die denn bitteschön falsch? Sie ist idealisiert, aber nicht falsch.

Das habe ich oben schon erklärt: Die Erdgezeiten sind fast so groß, wie der zu berechnende Effekt. Was lässt Dich glauben, dass Du sie einfach weglassen und trotzdem zu einem korrekten Ergebnis kommen kannst?

Das ist eigentlich trivial.

Für eine reale Berechnung müssten wird das ohnehin tun.

Für die idealisierte Betrachtung ist es einfach so, dass Äquipotentialflächen immer Äquipotentialflächen sind. Setzen wir also die Flüssigkeit auf einen festen Kern, so ändern sich die Äquipotentialflächen der Flüssigkeit nicht, die Flüssigkeit tendiert also dazu, den fehlenden Effekt des starren Kerns auszugleichen.

DrStupid hat Folgendes geschrieben:
Ich sehe nur eine Möglichkeit, bei der dieser Fehler keine Rolle spielen würde - nämlich dann wenn die Wasseroberfläche im stationäre Endzustand eine Äquipotentialfläche ist. Ob das der Fall ist, werden wir sehen, wenn Deine Rechnung abgeschlossen ist.

Ich werde hier keine detaillierte Berechnung durchführen können. Aber der Blick in die Literatur zeigt, dass der Ansatz vernünftig ist.

DrStupid hat Folgendes geschrieben:
In dem Fall wäre die Unterteilung in eine feste Erde und darauf fließendes Wasser aber überflüssig, weil man dann ebensogut das hydrostatische Gleichgewicht für eine komplett fluide Erde berechnen könnte.

Ja, was die Äquipotentialflächen betrifft sicher.

Nur ist das Modell einer flüssigen Erde erstens kontra-intuitiv, und es wird falsch, wenn wir Strömungen betrachten. Das Modell einer festen Erde ist in der Literatur verbreitet.

DrStupid hat Folgendes geschrieben:
TomS hat Folgendes geschrieben:
Die Erde ist elastisch, in guter Näherung ein starrer Körper

Ich kann nur vermuten, wo dieser Irrglaube herkommt: Möglicherweise lässt Du Dich davon täuschen …

Ich lasse mich nicht täuschen, ich weiß, dass es eine Vereinfachung ist.

DrStupid hat Folgendes geschrieben:
TomS hat Folgendes geschrieben:
Die Erde fließt nicht, Wasser fließt.

Du bist derjenige, der hier ständig etwas fließen lassen will und ich habe Dir schon mehrfach gesagt, dass Du damit auf dem Holzweg bist. Es genügt, die Oberfläche zu berechnen, ohne sich Gedanken darüber zu machen, wie das Material von A nach B kommt.

Das ist schlicht Quatsch!

Erstens bleibst du auf dem Wissensstand vor Bernoulli stehen. Das ist nicht mein Anspruch.

Zweitens – schlimmer – suggerierst oder zementierst du essentiell falsche Vorstellungen. Im Modell einer festen Erde, die von dünnem Wasser bedeckt ist, wird sofort klar, dass Heben und Senken von Wasser nicht ausrechend ist, Gezeiten zu erklären; man benötigt zwingend Strömungen. Wenn du hier dauernd erklärst, Strömungen wären irrelevant, dann liest und lernt man bei dir etwas, von dem wir seit Jahrhunderten wissen, dass es schlicht falsch ist. Warum sollte ich deinen Holzweg einschlagen?

Dass wir hier im Forum keine explizite Berechnung im Rahmen der dynamischen Theorie von Tiden durchführen können, bedeutet doch nicht, dass wir an der Stelle das Denken einstellen.

DrStupid hat Folgendes geschrieben:
TomS hat Folgendes geschrieben:
Es geht schlicht um tangentiale Gezeitenkräfte. Willst du behaupten, dass diese nicht existieren? Oder dass sie zwar existieren, jedoch das Wasser ihnen nicht folgt?

Wenn es im hydrostatischen Gleichgewicht tangentiale Gezeitenkräfte gibt, dann kann das Wasser ihnen nicht folgen, weil sie durch andere Kräfte kompensiert werden. Nur bei realen Gezeiten folgt das Wasser einer tangentialen Kraftkomponente. Du kannst nur beides oder keins von beidem haben.

Die Frage ist nicht, ob das Wasser den Kräften folgt, sondern wie. Auch im stationären Modell mit einem flachen Ozean auf einer festen Erde liegt eine kollektive azimutale Strömung vor. Es geht also nicht darum, diese Strömung wegzudiskutieren – was auf eine veraltete und falsche Vorstellung führt – sondern zu verstehen, wie der Spezialfall des stationären Modelles aus der dynamischen Theorie folgen kann.

DrStupid hat Folgendes geschrieben:
TomS hat Folgendes geschrieben:
Und der stationäre Endzustand ist ja nicht statisch.

Das wäre nur relevant, wenn Du die Phasenverschiebung der Tidenwellen berücksichtigen willst …

Nein, es ist deswegen relevant, weil es um den fundamentalen Mechanismus geht.

Ich möchte erklären, wie wir heute Tiden verstehen.

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DrStupid



Anmeldungsdatum: 07.10.2009
Beiträge: 5044

Beitrag DrStupid Verfasst am: 10. Jan 2024 18:54    Titel: Antworten mit Zitat

TomS hat Folgendes geschrieben:
Für die idealisierte Betrachtung ist es einfach so, dass Äquipotentialflächen immer Äquipotentialflächen sind.


Du berechnest also Äquipotentialflächen? Wozu dann der feste Kern? Bei Deiner Näherung für das Gravitationsfeld der Erde ist es für die Äquipotentialfläche vollkommen egal, was sich darunter abspielt.

TomS hat Folgendes geschrieben:
Nur ist das Modell einer flüssigen Erde erstens kontra-intuitiv, und es wird falsch, wenn wir Strömungen betrachten.


Ich finde es kontra-intuitv, dass die Erde sich nicht wie ein Fluid verhälten soll und welche Strömungen Du betrachten willst, erschließt sich mir auch nicht. An Äquipotentialflächen gibt es keine Kräfte, die Strömungen verursachen oder aufrecht erhalten können. Das versuche ich Dir schon die ganze Zeit zu erklären - leider ohne Erfolg.

TomS hat Folgendes geschrieben:
Im Modell einer festen Erde, die von dünnem Wasser bedeckt ist, wird sofort klar, dass Heben und Senken von Wasser nicht ausrechend ist, Gezeiten zu erklären


Im Modell einer fluiden Erde, die von einer dünnen Kruste und Wasser bedeckt ist, wird sofort klar, dass Heben und Senken der Oberfläche ausrechend ist, idealisierte Gezeiten zu erklären. Weil ich es mittlerweile ausgerechnet habe, kann ich das auch quantifizieren. Wenn Meeresboden und Wasseroberfläche Äquipotentialflächen sind (das ist zwar auch nur eine Idealisierung, aber sie ist viel realistischer als Deine), dann ändert sich die Höhe der Wassersäule am Äquator im Verlauf von 12 Stungen um weniger als 2 mm. Bei einer durchschnittlichen Wassertiefe von 3 km ist das genau die Änderung im ppm-Bereich, die ich weiter oben bereits vermutet hatte. Dafür braucht man keine Strömungen.

Du solltest Deine Argumentation dringend überdenken. Es sieht so aus, als würde sie auf einer falschen Vorstellung von der Erde basieren. Das wäre anders, wenn es um reale Gezeiten ginge. Aber davon abgesehen, dass das ausdrücklich nicht Thema dieser Diskussion ist, würde Dir der feste Rotationsellipsoid dabei auch nicht weiter helfen.

TomS hat Folgendes geschrieben:
Die Frage ist nicht, ob das Wasser den Kräften folgt, sondern wie.


Je mehr Du schreibst, um so weniger kann ich Dir folgen. Einmal schreibst Du etwas von Äquipotentialflächen und dann wieder von Wasser, das Kräften folgt, die es bei Äquipotentialflächen nicht gibt. Das passt alles nicht zusammen. Erkläre doch noch mal ganz genau, was Du eigentlich diskutieren willst.
TomS
Moderator


Anmeldungsdatum: 20.03.2009
Beiträge: 18088

Beitrag TomS Verfasst am: 10. Jan 2024 19:26    Titel: Antworten mit Zitat

Wozu der feste Kern? Weil das intuitiv und einigermaßen realistisch sowie in der Literatur weit verbreitet ist.

Ja, es ist für die Näherung egal, also darf ich das nutzen, so wie viele andere auch.

Dass sich die Erde wie ein Fluid verhält ist Quatsch. Die Erde fließt nicht, es handelt sich um einen elastischen Festkörper.

Dass du mir etwas falsches erklären möchtest, garantiert natürlich deinen Misserfolg. Es liegt eine kollektive, stationäre Strömung vor. Einfaches Argument: Die dynamische Theorie der Tiden für sehr flache Ozeane muss Strömungen enthalten; sie sind der dominierende Effekt. Im idealisierten Grenzfall einer glatten, starren Kugel plus einer dünnen Wasserschicht muss die dynamische Theorie die Gleichgewichtstheorie reproduzieren, also eine kollektive stationäre Strömung.

Das sieht man ohne jegliche Rechnung.

Dass dein Modell in Spezialfällen ein sinnvolles Ergebnis produziert bezweifle ich nicht. Aber warum sollte das bedeuten, dass ein besseres und realistischeres Modell dies nicht ebenfalls leistet?

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Zuletzt bearbeitet von TomS am 10. Jan 2024 19:53, insgesamt einmal bearbeitet
TomS
Moderator


Anmeldungsdatum: 20.03.2009
Beiträge: 18088

Beitrag TomS Verfasst am: 10. Jan 2024 19:50    Titel: Antworten mit Zitat

Ich habe den FAQ-Beitrag ergänzt und würde mich über Rückmeldungen freuen. Wahrscheinlich passen ein paar Vorzeichen u.ä. nicht. Die Berechnung der Koeffizienten zur Äquipotentialfläche ist noch unvollständig.

Evtl. gibt’s weitere Anmerkungen.

Nächster Schritt wäre die dynamische Theorie auf Basis der Euler-Gleichungen, sowie dazu handhabbare Spezialfälle.

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TomS
Moderator


Anmeldungsdatum: 20.03.2009
Beiträge: 18088

Beitrag TomS Verfasst am: 10. Jan 2024 20:56    Titel: Antworten mit Zitat

DrStupid -

https://beckassets.blob.core.windows.net/product/readingsample/11142504/9783642329609_excerpt_001.pdf

Zitat:
2.7.2.1 Analytical Expressions for the Tidal Force
Euler establishes the expressions of the radial and tangential components of the tidal force in Chap. II, par. 24–27 of a work entitled ‘On the lunisolar forces which put the oceans in motion’ …

From these calculations Euler proves what Newton and Bernoulli supposed without proof: at first order, the figure of equilibrium of the oceans under the action of the Sun or the Moon is an ellipsoid. Moreover the amplitude of β, which can be interpreted as the amplitude of the tides, is 2.5 times smaller than that found by Bernoulli, in the case of a homogeneous model of the Earth. The results by Euler are exact when neglecting the self-gravity of the oceans. The great advantage of Euler’s method is that the solution is available for an oceanic surface layer surrounding a solid Earth, whereas in Bernoulli’s method, relying on the equality of pressure at the bases of two perpendicular channels, the whole Earth (including the oceans) must be homogeneous and fluid.

Das erklärt hoffentlich, dass und warum ich mein Modell für besser halte als deines.

Zitat:
2.9.2 The Equations of 1775 and 1776
In 1775, Laplace uses the general equations of the hydrodynamics set up by Euler, to apply them to the Earth, in spherical coordinates. As his predecessors he models the ocean as a uniform fluid layer with variable depth, covering entirely a spherical, solid and undeformable Earth. The fluid is supposed incompressible. Laplace makes an essential hypothesis which simplifies noticeably his calculations: he remarks that the depth of the oceanic layer is small compared with the Earth radius …

This implies that the real large scale motions of the fluid are quasi-horizontal. In other words, the vertical velocity can be neglected, all the particles belonging to the same vertical line having a priori the same velocity. Then the general problem of tides can be treated by retaining only the tangential components, as a 2-dimensional problem. This fundamental simplification, known as the long wave approximation, will be fully used in later geophysical studies. .

Das ist exakt das, was ich sage. Meine Idee ist, von vornherein mit Strömungen zu argumentieren, weil wir seit Laplace wissen, dass sie essentiell sind.

Zitat:
2.9.10 Hydrostatic Equilibrium
In his Mécanique Céleste (vol. IV, art. 12), Laplace remarks that his equations [fluid dynamics for a thin layer of water] re­cover in a simpler manner his predecessors’ results on another fundamental topic: the equilibrium tide. A simple hypothesis is adopted that the surface of the sea takes the form induced by the instantaneous forces acting on it, in other words the veloc­ities and their derivatives are ignored. With this hypothesis, the value of the defor­mation ζ of the fluid layer can be determined immediately for arbitrary depth and density of the sea.

Wiederum genau das, was ich sage. Die Strömungsmechanik enthält auch den stationären Spezialfall.

Daher ist es sinnlos, irgendwelche Argumente zu verwenden, die ausschließlich für diesen Spezialfall gelten, wenn man genauso gut und einfach Argumente nutzen kann, die allgemeingültig sind.

Zitat:
2.11 Conclusion on Laplace’s Work
Laplace’s work is a landmark in the study of tides. We can condense our discursive text above on his contributions into three bullet points.
• …
• Even more fundamental, the establishment of a dynamical theory of tides. By neglecting the vertical velocity in the fluid layer, Laplace establishes the gen­eral equation of the dynamics of water in the oceans, which to this day remains the basis of tidal theory …
points.
• …

Warum sollte man in irgend einer Darstellung davon abweichen?

Leider habe ich das Paper jetzt erst gefunden. Es ist m.E. sehr klar, den FAQ-Beitrag braucht’s eigtl. nur noch als Zusammenfassung. Ich werde ihn diesbzgl. nochmal überarbeiten.

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Beitrag DrStupid Verfasst am: 11. Jan 2024 10:40    Titel: Antworten mit Zitat

TomS hat Folgendes geschrieben:
Wozu der feste Kern? Weil das intuitiv und einigermaßen realistisch sowie in der Literatur weit verbreitet ist.


Es ist nicht realistisch. Die Erdgezeiten haben eine ähnliche Amplitude wie die idealisierten Gezeiten. Das ist eine experimentell gesicherte Tatsache. Wenn Du Dich weigerst, die Realität anzuerkennen, dann brauchen wir nicht weiter diskutieren. Das ist hier immer noch ein Physikforum.

TomS hat Folgendes geschrieben:
Dass sich die Erde wie ein Fluid verhält ist Quatsch. Die Erde fließt nicht, es handelt sich um einen elastischen Festkörper.


Mit der Begründung kannst Du auch das Wasser in Deinem Modell als elastischen Festkörper betrachten (siehe unten). Noch einmal: Die Erde ist kein elastsicher Körper, nur weil sie bei Schwingungen gern als solcher behandelt wird. Du verwechselst Modell und Wirklichkeit.

Der elastische Anteil der Deformation dominiert nur bei hohen Frequenzen. Schon bei den Eigenschwingungen der Erde ist der gravitative Anteil nicht mehr zu vernachlässigen und wir reden hier über Oszillationen, die noch mal um eine Größenordnung langsamer sind. Da dominiert die Gravitation. Die naheliegende Vereinfachung besteht also darin, den elastischen Anteil zu vernachlässigen. Genau das habe ich in meiner Rechnung gemacht.

TomS hat Folgendes geschrieben:
Es liegt eine kollektive, stationäre Strömung vor.


Auch dafür sehe ich von Dir nur Behauptungen und keinerlei Beleg. Ich kann ja gern mal abschätzen, womit man hier maximal zu rechnen hat. Dazu nehme ich wider besseres Wissen an, die Erde wäre wirklich ein solider Körper und die kompletten idealisierten Gezeiten von - lassen wir es ruhig einen Meter sein - entfallen allein auf eine Pegeländerung des durchschnittlich 3 km tiefen globalen Ozeans. Dann nehmen ich an, dass die Wasserhöhe sich allein dadurch ändert, dass die Wassersäule sich neigt. Durch unterschiedliche Neigungswinkel benachbarter Säulen wäre die Höhenänderung noch stärker, aber mir geht es nur um die Abschätzung einer Obergrenze.

In diesem Szenario würde sich die Oberfläche (am Grund tut sich gar nichts) innerhalb von 12 Stunden um weniger als 78 Meter hin und wieder zurück bewegen. Wenn das Deine "Strömungen" sind, dann können wir das hier komplett vernachlässigen. Wenn nicht, dann erkläre bitte wovon Du sprichst.
TomS
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Beitrag TomS Verfasst am: 11. Jan 2024 11:06    Titel: Antworten mit Zitat

Das wird mit jetzt zu blöd!

Lies einfach mal, was in den letzten Jahrhunderten dazu geschrieben wurde. Dann darfst du gerne Arbeiten und Bücher von Euler, Bernoulli, Laplace, Kelvin, Poincate et al. kritisieren.

1. ein starrer Kern ist weit verbreitet
2. ein nicht-starrer Kern liefert quantitative Korrekturen, ändert jedoch nichts an den prinzipiellen Mechanismen
3. die kollektive Strömung folgt aus der Theorie von Laplace und reproduziert (bis auf Korrekturen) den stationären Fall

Für letzteres siehe den verlinkten Text, Kap. 2.9.10, Gl. (2.86) sowie Laplace Mecanique Celeste.

Nimm's zur Kenntnis, oder lass es.

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Beitrag Qubit Verfasst am: 11. Jan 2024 12:51    Titel: Antworten mit Zitat

TomS hat Folgendes geschrieben:

Für letzteres siehe den verlinkten Text, Kap. 2.9.10, Gl. (2.86) sowie Laplace Mecanique Celeste.


Ein schönes Büchlein, was den Unterschied zwischen "idealen" und "realen" Gezeiten verdeutlicht..


https://www.physikerboard.de/files/book-tides_917.png
TomS
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Beitrag TomS Verfasst am: 11. Jan 2024 12:57    Titel: Antworten mit Zitat

Witzigerweise ist auch das zweite Bild für reale Gezeiten falsch. Es gibt leider kein globales Muster, wie die Gezeiten dem Mond folgen; das hängt stark von der Geometrie und der Ausprägung einzelner Resonanzen ab 😑
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Beitrag Qubit Verfasst am: 11. Jan 2024 13:15    Titel: Antworten mit Zitat

TomS hat Folgendes geschrieben:
Witzigerweise ist auch das zweite Bild für reale Gezeiten falsch. Es gibt leider kein globales Muster, wie die Gezeiten dem Mond folgen; das hängt stark von der Geometrie und der Ausprägung einzelner Resonanzen ab 😑


Ja, freilich, geht nur um das "gröbere feinere Bild" smile



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Beitrag DrStupid Verfasst am: 11. Jan 2024 13:19    Titel: Antworten mit Zitat

TomS hat Folgendes geschrieben:
Das wird mit jetzt zu blöd!


Mir auch.
Aruna_Gast
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Beitrag Aruna_Gast Verfasst am: 12. Jan 2024 05:23    Titel: Antworten mit Zitat

TomS hat Folgendes geschrieben:
Ich habe den FAQ-Beitrag ergänzt und würde mich über Rückmeldungen freuen.


das Akronym steht normalerweise für "häufig gestellte Fragen".
Du könntest ja mal diese Fragen beantworten:

Würde auf der mondabgewandten Seite auch ein Flutberg entstehen, wenn die Erde (oder ein geeignetes Modell) nicht frei fiele, sondern im Schwerpunkt fixiert wäre?
(Also durch eine geeignete Aufhängung/Methode, die unmittelbar möglichst nur auf den Schwerpunkt wirkt, oder auf einen festen Kern.)

Da Du ja keine Probleme mit einem festen Kern hast und IMO als Theoretiker von für Fragestellungen irrelevanten Details der Realität abstrahieren kannst, könnte Deine Antwort anders ausfallen, als die von Dr. Stupid.
Aruna_Gast
Gast





Beitrag Aruna_Gast Verfasst am: 12. Jan 2024 07:09    Titel: Antworten mit Zitat

Qubit hat Folgendes geschrieben:
TomS hat Folgendes geschrieben:

Für letzteres siehe den verlinkten Text, Kap. 2.9.10, Gl. (2.86) sowie Laplace Mecanique Celeste.


Ein schönes Büchlein, was den Unterschied zwischen "idealen" und "realen" Gezeiten verdeutlicht..


[img]physikerboard.de/files/book-tides_917.png[/img]


Was sind die Gründe dafür?
Frankx



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Beitrag Frankx Verfasst am: 12. Jan 2024 09:02    Titel: Antworten mit Zitat

Corbi hat Folgendes geschrieben:
Was genau ist daran falsch?


Ich hatte gehofft, hier eine wissenschaftlich begründete, einleuchtende Erklärung zu erhalten.


TomS hat Folgendes geschrieben:
Das wird mit jetzt zu blöd!


Qubit hat Folgendes geschrieben:
Mir auch.


Offensichtlich sind sich hier aber die Experten noch nicht einmal über grundlegende Randbedingungen einig.

Wäre es vielleicht möglich, beide Konzepte unabhängig voneinander bis zum Ende durchzuexerzieren und dann die Ergebnisse gegenüber zu stellen?

.
Frankx



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Beitrag Frankx Verfasst am: 12. Jan 2024 09:17    Titel: Antworten mit Zitat

Aruna_Gast hat Folgendes geschrieben:
Würde auf der mondabgewandten Seite auch ein Flutberg entstehen, wenn die Erde (oder ein geeignetes Modell) nicht frei fiele, sondern im Schwerpunkt fixiert wäre?


Ich bin mir recht sicher, es würde dann kein Flutberg auf der abgewandten Seite entstehen.

Das kann man leicht mit einem Experiment überprüfen.
Spieße z.B. eine Weinbeere auf einen Zahnstocher und tauche das ganze kurz in flüssigen Honig.

Beobachte, wohin der Honig danach fließt. Er wird sich unten sammeln (und eventuell abtropfen). Oben bildet sich dagegen kein Berg, sofern man Effekte aus der Oberflächenspannung ausklammert.


.
TomS
Moderator


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Beitrag TomS Verfasst am: 12. Jan 2024 10:42    Titel: Antworten mit Zitat

Aruna_Gast hat Folgendes geschrieben:
TomS hat Folgendes geschrieben:
Ich habe den FAQ-Beitrag ergänzt und würde mich über Rückmeldungen freuen.


das Akronym steht normalerweise für "häufig gestellte Fragen".
Du könntest ja mal diese Fragen beantworten:

Würde auf der mondabgewandten Seite auch ein Flutberg entstehen, wenn die Erde (oder ein geeignetes Modell) nicht frei fiele, sondern im Schwerpunkt fixiert wäre?
(Also durch eine geeignete Aufhängung/Methode, die unmittelbar möglichst nur auf den Schwerpunkt wirkt, oder auf einen festen Kern.)

1) Bei rotierendem Erde-Mond-System resultieren (im stationären Fall) zwei Flutberge aufgrund der instantanen Antwort des Wassers auf das Gezeitenpotential.
2) Die Antwort ist unabhängig von der Rotationsfrequenz des Erde-Mond-Systems, also existieren diese Flutberge auch für den linearen freien Fall; siehe jedoch unten.
3) Eine fixierte Erde entspräche einer unendlichen schweren Erde; auf dieser gäbe es keine Gezeiten, da das relevante Verhältnis der Massen gegen Null geht.
4) Vermutlich bist du mit (3) nicht glücklich, also fixieren wir die Erde anders, nämlich in einem Inertialsystem, Ursprung im gemeinsamen Schwerpunkt von Erde und Mond, d.h. relativ zum Mond exakt so wie im FAQ. Dort kann man sich sämtliche Formeln zeitunabhängig denken, dann würden immer noch exakt die selben Lösungen für die Meeresoberfläche resultieren; d.h. zwei Flutberge. Der Fehler, den man dabei begeht ist, dass man vergisst, dass diese Gleichungen unter der Annahme abgeleitet wurden, dass die Mittelpunkte von Erde und Mond einer Lösung des Newtonschen Zwei-Körper-Problems folgen, d.h. einem Kepler-Orbit, und dass der Orbit (!) des Wassers in gewisser Weise einer Korrektur dieses Orbits entspricht. Da wir immer mit konstantem Abstand d argumentiert haben, kommt nur ein (in sehr guter Näherung) kreisförmiger Orbit in Frage. Die Gleichungen sind also alle implizit zeitabhängig. Die Fixierung relativ zum Mond findet also entweder zeitunabhängig statt und verletzt die Voraussetzungen, oder zeitabhängig bzgl. des nicht-inertialen, mitrotierenden Systems wie im FAQ. Auch das wird dir nicht gefallen.

Zwischenbemerkung: Für den linearen freien Fall von Erde und Mond hin zum gemeinsamen Schwerpunkt (entarteter Kepler-Orbit) ist die Argumentation bzgl. der beiden Flutberge korrekt. Es wäre jedoch falsch, diese als stationär anzunehmen, da der Abstand d(t) nun eine Funktion der Zeit ist. Für genügend großen Abstand und ein nur sehr schwach veränderliches d(t) darf man dieses in die Formeln einsetzen; das entspricht der adiabatischen Näherung. Für große Fallgeschwindigkeiten kann das Wasser jedoch nicht mehr schnell genug folgen, man muss die vollen dynamischen Gleichungen betrachten.

Du möchtest aber wohl die Erde irgendwo im Weltall festnageln. Wie soll das funktionieren? Was passiert mit dem Mond? Soll er auch festgenagelt sein? Soll er die Erde umkreisen oder auf diese stürzen? Das Problem ist, dass du entweder wieder zu (3), (4) o.ä. gelangst, schlimmstenfalls Artefakte einbaust, das Problem veränderst z.B. die Voraussetzung des Kepler-Orbits verletzt u.ä.

Betrachte

A) das dritte Keplersche Gesetz



B) die idealisierten, stationären Gezeiten entlang des Kepler-Orbits aus dem FAQ



Um die Erde zu fixieren, müssten wir ihre Masse erhöhen. Um das Problem nicht zu verändern, muss der Wert der großen Halbachse a in (A) festgehalten werden. Da die Gezeiten unabhängig von der Rotation des Erde-Mond-Systems sind – mit Ausnahme der Tatsache, dass es rotieren muss – können wir Omega geeignet anpassen, d.h. die Frequenz nimmt mit der Erdmasse zu.

Um jedoch die Höhe der Gezeiten mit zunehmender Erdmasse nicht zu unterdrücken, dürfen wir diese in (B) nicht erhöhen; das Verhältnis der beiden Massen muss identisch bleiben. Oder anders, wir erhöhen zwar die Erdmasse, reduzieren jedoch die Gravitationskonstante zwischen Mond und Wasser. Oder noch anders, betrachten zwei getrennte Keplerprobleme Erde-Mond mit dem ursprünglichen Orbit und Erde*-mit-Wasser-und-Mond für die Gezeiten; dann können wir Masse von Erde in (A) und Erde* in (B) getrennt variieren. Wenn wir dies jedoch tun, und dabei d festhalten, dann erhalten wir zwei verschiedene Omega und Omega*, d.h. je schwerer wir die Erde machen, desto schneller läuft sie der Erde* davon.

Deswegen hilft die Idee der festgehaltenen Erde m.E. gar nichts.

Man muss sich auch überlegen, woher die Idee der festgehaltenen Erde stammt. Eigentlich nur
a) aus der Aussage, dass die Erde im Mittel ein stärkeres Gravitationsfeld erfährt als das Wasser auf der dem Mond abgewandten Seite – korrekt – und
b) aus der Idee, dass man diesen Effekt irgendwie abschalten möchte – warum eigentlich? was ist der Zweck der Idee?

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Beitrag TomS Verfasst am: 12. Jan 2024 11:38    Titel: Antworten mit Zitat

Frankx hat Folgendes geschrieben:
Offensichtlich sind sich hier aber die Experten noch nicht einmal über grundlegende Randbedingungen einig.

Wäre es vielleicht möglich, beide Konzepte unabhängig voneinander bis zum Ende durchzuexerzieren und dann die Ergebnisse gegenüber zu stellen?

Ich hatte oben ein Paper verlinkt:

https://beckassets.blob.core.windows.net/product/readingsample/11142504/9783642329609_excerpt_001.pdf

Die Experten (Euler, Bernoulli, Laplace, Kelvin, Poincaré et al.) sind sich seit Jahrhunderten einig; ich habe meine FAQ-Beiträge daraufhin nochmal geprüft. Meine Rechnungen kann man auch anhand anderer Quellen nachvollziehen. Insofern habe ich das durchexerziert.

In den wesentlichen Punkten, insbs. der Irrelevanz der Rotation des Erde-Mond-Systems sind wir uns jedoch einig!

In meiner letzten Antwort ist mir jedoch aufgefallen, dass ich das vorsichtiger formulieren muss: die Details der Rotation und insbs. Zentrifugalkräfte sind irrelevant: nicht irrelevant ist die Voraussetzung, dass ein Keplerorbit vorliegt, und dass der Abstand in sehr guter Näherung zeitlich konstant ist. Das habe ich im FAQ verwendet, jedoch nicht genügend betont.

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Beitrag TomS Verfasst am: 12. Jan 2024 11:53    Titel: Antworten mit Zitat

Frankx hat Folgendes geschrieben:
Ich bin mir recht sicher, es würde dann kein Flutberg auf der abgewandten Seite entstehen.

Das kann man leicht mit einem Experiment überprüfen.
Spieße z.B. eine Weinbeere auf einen Zahnstocher und tauche das ganze kurz in flüssigen Honig.

Beobachte, wohin der Honig danach fließt. Er wird sich unten sammeln (und eventuell abtropfen). Oben bildet sich dagegen kein Berg, sofern man Effekte aus der Oberflächenspannung ausklammert.

Du hast recht.

Aber das ist eine andere Situation, weil die Weinbeere nicht kräftefrei fällt, sich also nicht auf einem Keplerorbit bewegt.

Das Experiment erklärt also im Kern nichts zu den Gezeiten im Erde-Mond-System, es besagt lediglich, dass sich andere Systeme anders verhalten. Ich weiß nicht, ob das hilft oder verwirrt – s.o.

(verändere dein Experiment, so dass die Weinbeere frei fällt; dann bildet sich kein Flutberg)

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Beitrag DrStupid Verfasst am: 12. Jan 2024 12:32    Titel: Antworten mit Zitat

TomS hat Folgendes geschrieben:
In den wesentlichen Punkten, insbs. der Irrelevanz der Rotation des Erde-Mond-Systems sind wir uns jedoch einig!


Wir sind uns nicht nur da einig. Ich kann lediglich Deine Auswahl der zu berücksichtigenden bzw. zu vernachlässigenden Effekte nicht nachvollziehen.
TomS
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Beitrag TomS Verfasst am: 12. Jan 2024 13:16    Titel: Antworten mit Zitat

DrStupid hat Folgendes geschrieben:
TomS hat Folgendes geschrieben:
In den wesentlichen Punkten, insbs. der Irrelevanz der Rotation des Erde-Mond-Systems sind wir uns jedoch einig!

Wir sind uns nicht nur da einig. Ich kann lediglich Deine Auswahl der zu berücksichtigenden bzw. zu vernachlässigenden Effekte nicht nachvollziehen.

Das freut mich.

Für die Auswahl habe ich Gründe, teilweise ist es aber auch Geschmacksache.

Die Situation ist m.E. wie folgt:

A) Die "vollständig flüssige Erde" ist für den Uneingeweihten contra-intuitiv; sie führt zwar zu stationären Gezeiten, jedoch mit dem tatsächlich falschen Bild großräumiger vertikaler Strömungen

B) Die "vollständig feste Erde mit flachem Ozean" ist ein weiterverbreitetes und anschauliches Modell; es wird bis heute in Berechnungen verwendet; es führt ebenfalls zu den stationären Gezeiten, außerdem zu dem korrekten Bild nahezu irrelevanter vertikaler Strömungen; das Modell kann – im wesentlichen ohne Modifikation des Formalismus – auf Ozeanbecken und damit Resonanzen angewandt werden; insbs. letzteres ist ein maßgeblicher Fortschritt.

C) Das Modell der "elastischen Erde mit flachem Ozean" für Erdgezeiten ist komplizierter und wurde m.W.n. erst von Kelvin im 19. Jh. eingeführt; aufgrund der Komplexität ist es wenig verbreitet; um es zu diskutieren müsste man es zunächst isoliert ohne Ozean betrachten und erst anschließend mit dem Ozean kombinieren.

Der "vollständig flüssige Planet" wird vermutlich – ich weiß es nicht – heute nur für Gezeiten auf Gasplaneten verwendet.

Wenn wir uns auf so eine Zusammenfassung einigen können, dann stelle ich die gerne an den Beginn des FAQ-Beitrages.

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Frankx



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Beitrag Frankx Verfasst am: 12. Jan 2024 13:17    Titel: Antworten mit Zitat

Zitat:
Aber das ist eine andere Situation, weil die Weinbeere nicht kräftefrei fällt, sich also nicht auf einem Keplerorbit bewegt.

Das Experiment erklärt also im Kern nichts zu den Gezeiten im Erde-Mond-System, es besagt lediglich, dass sich andere Systeme anders verhalten. Ich weiß nicht, ob das hilft oder verwirrt – s.o.


Ich habe lediglich auf die Frage von Aruna_Gast geantwortet. Dort gabe es die Forderung, die Erde im Kern zu fixieren, d.h. sie bewegt sich nicht auf einem Orbit und fällt auch nicht frei. Der Abstand Erdkern-Mond sei also konstant. So hatte ich die Frage zumindest verstanden

Zitat:
(verändere dein Experiment, so dass die Weinbeere frei fällt; dann bildet sich kein Flutberg)


Nur wenn das Gravitationsfeld, in dem sie frei fällt, als homogen betrachtet werden kann.
Anonsten bilden sich auf der zugewandten und auf der abgewandten Seite Flutberge. Das hatten wir imho schon weiter oben geklärt.


.
TomS
Moderator


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Beitrag TomS Verfasst am: 12. Jan 2024 13:56    Titel: Antworten mit Zitat

Frankx hat Folgendes geschrieben:
Ich habe lediglich auf die Frage von Aruna_Gast geantwortet.

Ja, natürlich.

Frankx hat Folgendes geschrieben:
Zitat:
(verändere dein Experiment, so dass die Weinbeere frei fällt; dann bildet sich kein Flutberg)

Nur wenn das Gravitationsfeld, in dem sie frei fällt, als homogen betrachtet werden kann.

Was in der Praxis zutrifft.

Aber ja, auch da hast du recht.

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Beitrag DrStupid Verfasst am: 12. Jan 2024 15:12    Titel: Antworten mit Zitat

TomS hat Folgendes geschrieben:
A) Die "vollständig flüssige Erde" ist für den Uneingeweihten contra-intuitiv; sie führt zwar zu stationären Gezeiten, jedoch mit dem tatsächlich falschen Bild großräumiger vertikaler Strömungen


Ob es intuitiv oder contra-intuitiv ist, sollte hier kein Kriterium sein. Wir wollen doch gerade mit intuitiven aber falschen Vorstellungen aufräumen. Darüber hinaus ist das Bild großräumiger vertikaler Bewegungen (nicht Strömungen) der Erdkruste experimentell belegt.

Es gibt einen Grund, warum ich darauf herumreite. Die Triebkraft für die horizontale Wasserbewegung, auf die Du Dich in Deiner Rechnung konzentrierst, sind Abweichungen der Oberfläche von der Äquipotentialfläche. Wenn Du die Erde als festen rotationssymmetrischen Körper mit einer dünnen Wasserschicht darüber annimmst, dann gibst Du diese Abweichung willkürlich vor. Das Ergebnis ist dann aber genauso willkürlich.

Wenn es das Ziel ist, sich schrittweise der Realität anzunähern, dann halte ich es für sinnvoller, mit einer Idealisierung anzufangen, die näher an der Realität liegt – und das ist eine Erde im hydrostatischen Gleichgewicht. Da fallen Dir die beiden Tidenberge ganz ohne Strömungen vor die Füße.

TomS hat Folgendes geschrieben:
Die "vollständig feste Erde mit flachem Ozean" ist ein weiterverbreitetes und anschauliches Modell; es wird bis heute in Berechnungen verwendet


Das Modell mag weit verbreitet und anschaulich sein, aber es ist nichts weiter als eine Rechenübung, die wenig mit der Realität zu tun. Sinnvoll wird das Ganze erst unter Berücksichtigung der Topographie der festen Erdkruste mit ihren kilometerhohen Abweichungen von der Äquipotentialfläche. Aber die daraus resultierenden realen Gezeiten können und wollen wir hier nicht behandeln. Und selbst wenn wir das könnten, käme dabei nichts heraus, was den beiden Tidenbergen ähneln würde, nach denen ursprünglich gefragt wurde.

TomS hat Folgendes geschrieben:
es führt ebenfalls zu den stationären Gezeiten, außerdem zu dem korrekten Bild nahezu irrelevanter vertikaler Strömungen;


Erstens solltest Du aufhören, bei den Bewegungen der Oberfläche zwanghaft an Strömungen zu denken und zweitens ist es bei den Erdgezeiten genau umgekehrt. Da liegt die Amplitude der vertikalen Bewegungen eine Größenordnunge über denen der horizontalen. Die gesamte Änderung der Wasseroberfläche setzt sich aus der Änderung der Wassertiefe (hauptsächlich aufgrund horizontaler Bewegungen) und der überwiegend vertikalen Bewegung der Kruste zusammen. Die gemessene Amplitude der Erdgezeiten legt nahe, dass letztere im Idealfall einer vollkommen glatten Kruste dominieren würde.

TomS hat Folgendes geschrieben:
Das Modell der "elastischen Erde mit flachem Ozean" für Erdgezeiten ist komplizierter und wurde m.W.n. erst von Kelvin im 19. Jh. eingeführt; aufgrund der Komplexität ist es wenig verbreitet; um es zu diskutieren müsste man es zunächst isoliert ohne Ozean betrachten und erst anschließend mit dem Ozean kombinieren.


Deshalb ist es sinnvoll, den elastischen Anteil der Deformation zu vernachlässigen. Das liegt immer noch näher an der Realität als eine feste Erde und führt zum Modell eines komplett flüssigen Planeten.
TomS
Moderator


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Beitrag TomS Verfasst am: 12. Jan 2024 18:19    Titel: Antworten mit Zitat

Ich denke, es ist in gewisser Weise Geschmacksache, welche Zugang man hier wählt. Aber ich habe mir das ja nicht selbst ausgedacht, sondern ein bisschen nachgelesen. Evtl. tust du das ja auch und nennst mir eine Quelle für deinen Zugang?

Schau, solange du sowas schreibst, kann ich das nicht wirklich ernst nehmen:

DrStupid hat Folgendes geschrieben:
Es gibt einen Grund, warum ich darauf herumreite. Die Triebkraft für die horizontale Wasserbewegung, auf die Du Dich in Deiner Rechnung konzentrierst, sind Abweichungen der Oberfläche von der Äquipotentialfläche. Wenn Du die Erde als festen rotationssymmetrischen Körper mit einer dünnen Wasserschicht darüber annimmst, dann gibst Du diese Abweichung willkürlich vor. Das Ergebnis ist dann aber genauso willkürlich.

Dazu habe ich im FAQ geschrieben
Zitat:
Laplace hat das Problem der Gezeiten auf Basis der Hydrodynamik völlig neu formuliert. Die Grundannahmen sind zunächst …
d) ein flacher Ozean, in dem … die vertikale Komponente der Teilchenbeschleunigung vernachlässigt werden

Dies impliziert, dass die großräumigen Bewegungen des Wassers quasi-horizontal sind …

Der wesentliche Schritt dabei ist, dass von einer infinitesimal schmalen, vertikalen Flüssigkeitssäule nur noch die Variation ihrer Höhe betrachtet wird … Damit bleibt für die mittlere Höhe h sowie die vertikale Deformation zeta einer Säule

Das heißt, die Abweichungen werden gerade nicht willkürlich vorgegeben. Kann es sein, dass du die Laplaceschen Gleichungen nicht verstanden hast? Oder ist meine Formulierung unklar? Die Gleichungen enthalten zwar nur 2-dim. Strömungen, aber die Höhe der Flüssigkeitssäule über dem Meeresgrund ist eine zeitabhängige Variable und somit essentieller Bestandteil der Dynamik.

(das ist natürlich nicht ausreichend für die Erd-Gezeiten, aber das war auch nicht der Anspruch)

DrStupid hat Folgendes geschrieben:
Erstens solltest Du aufhören, bei den Bewegungen der Oberfläche zwanghaft an Strömungen zu denken …

Du solltest aufhören, Strömungen zwanghaft zu ignorieren. Hydrodynamik ist Strömungsmechanik, und die Theorie der Gezeiten ist Hydrodynamik. Was sonst?

https://en.wikipedia.org/wiki/Theory_of_tides#Laplace's_tidal_equations
Zitat:
In 1776, Laplace formulated a single set of linear partial differential equations for tidal flow described as a barotropic two-dimensional sheet flow.


https://en.wikipedia.org/wiki/Sverdrup_wave (also known as Poincaré wave; 2-dim.)
https://en.wikipedia.org/wiki/Kelvin_wave (2-dim.)
https://en.wikipedia.org/wiki/Rossby_wave (2-dim.)

https://tidesandcurrents.noaa.gov/publications/Tidal_Analysis_and_Predictions.pdf
568 Treffer für „shallow“
231 Treffer für „flow“

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DrStupid



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Beitrag DrStupid Verfasst am: 12. Jan 2024 20:36    Titel: Antworten mit Zitat

TomS hat Folgendes geschrieben:
Das heißt, die Abweichungen werden gerade nicht willkürlich vorgegeben. Kann es sein, dass du die Laplaceschen Gleichungen nicht verstanden hast? Oder ist meine Formulierung unklar?


Nein, Du hast nicht verstanden, was ich Dir zu sagen versuche. Also nochmal von vorn:

Die horizontale Bewegung, die Du berechnen willst, resultiert aus einer horizontalen Kraftkomponente. An einer Äquipotentialfläche gibt es die nicht. Durch die Zeitabhängigkeit des Potentials gäbe es hier nur die vertikale Bewegung, an der Du nicht interessiert bist. Die zu berechnende Strömung setzt also eine Abweichung der Oberfläche von einer Äquipotentialfläche voraus und ist somit von der Form dieser Oberfläche abhängig. Wenn Du mit einer falschen Annahme bezüglich der Oberfläche in die Rechnung rein gehst, dann kommt am Ende auch eine falsches Ergebnis für die Strömung raus. Genau da liegt das Problem. Deine Annahme einer rotationssymmetrischen Oberfläche ist willkürlich (und bekanntermaßen unrealistisch). Damit ist auch die resultierende Strömung willkürlich.

Sicher kann man nur so zum Spaß ausrechnen, wie das Wasser auf der Erde fließen würde, wenn sie starr und rotationssymmetrisch wäre. (Das meinte ich oben mit Rechenübung.) Aber was hat man davon? Ebensogut könnte man ausrechnen, wie das Wasser auf einer würfelförmigen Erde fließt. Das wäre sicher spannend, aber auch nicht realistisch. Natürlich liegt eine Kugel oder ein Rotationsellipsoid näher an der Wirklichkeit als ein Würfel, aber Du weißt nicht wie nah. Ohne Kenntnis der tatsächlichen Form weißt Du nicht, was Deine Rechnung wert ist. In einem Forum-Beitrag ist das OK, aber für einen FAQ-Artikel reicht das nicht.
Aruna_Gast
Gast





Beitrag Aruna_Gast Verfasst am: 12. Jan 2024 21:44    Titel: Antworten mit Zitat

TomS hat Folgendes geschrieben:

Du möchtest aber wohl die Erde irgendwo im Weltall festnageln. Wie soll das funktionieren?


Gott hält die in der Hand, so wie Frankx die Weinbeere.

TomS hat Folgendes geschrieben:

Was passiert mit dem Mond? Soll er auch festgenagelt sein? Soll er die Erde umkreisen oder auf diese stürzen?


da könnte man alle Fälle betrachten.
1.) Gott hält auch den Mond fest.
2.) Gott kreist den Mond mit der Hand um die Erde.
3.) Der Mond stürzt auf die von Gott festgehaltene Erde zu.

Ich würde sagen, so lange sich die Erde nicht bewegt, wird auf der abgewandten Seite kein Flutberg entstehen.

TomS hat Folgendes geschrieben:

Man muss sich auch überlegen, woher die Idee der festgehaltenen Erde stammt. Eigentlich nur
a) aus der Aussage, dass die Erde im Mittel ein stärkeres Gravitationsfeld erfährt als das Wasser auf der dem Mond abgewandten Seite – korrekt – und
b) aus der Idee, dass man diesen Effekt irgendwie abschalten möchte


Falls mit "diesen Effekt" das unterschiedliche Gravitationsfeld gemeint ist:
Nein, ich will den Effekt gerade nicht abschalten, sondern ein inhomogenes Gravitationsfeld auf die Erde wirken lassen, ohne dass auf der abgewandten Seite ein Flutberg entsteht.

TomS hat Folgendes geschrieben:

warum eigentlich? was ist der Zweck der Idee?


Zu zeigen, dass ein inhomogenes Gravitationsfeld keine hinreichende Bedingung für einen Flutberg auf der abgewandten Seite der Erde ist.
TomS
Moderator


Anmeldungsdatum: 20.03.2009
Beiträge: 18088

Beitrag TomS Verfasst am: 13. Jan 2024 00:01    Titel: Antworten mit Zitat

D.h. das Problem geeignet zu verändern.

1. Ein mit Wasser gefüllter Einer fällt frei mit der Öffnung nach unten in einem Gravitationsfeld; das Wasser fällt gleich schnell mit dem Eimer.
2. Ein mit Wasser gefüllter Einer hängt an einem Nagel fixiert mit der Öffnung nach unten in einem Gravitationsfeld; das Wasser fällt aus dem Eimer heraus.

Anderes Problem, andere Lösung. Nur, was lernen wir daraus für das ursprüngliche Problem? Ich hab's oben geschrieben: Voraussetzung ist, dass Mond und Erde einem Keplerorbit folgen. Das wird anhand dieser Überlegung deutlich.

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Niels Bohr brainwashed a whole generation of theorists into thinking that the job (interpreting quantum theory) was done 50 years ago.
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