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Starke Wechselwirkung und Pionen
 
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Kelvin1995



Anmeldungsdatum: 09.01.2022
Beiträge: 64

Beitrag Kelvin1995 Verfasst am: 27. Jan 2022 14:49    Titel: Starke Wechselwirkung und Pionen Antworten mit Zitat

Hallo,
In einer effektiven Theorie der starken Wechselwirkung wird die Kraft, welche die Nukleonen in einem Atomkern zusammenhält über den Austausch von Pionen vermittelt. Man erhält dabei ein Yukawa-Potential.

Mit den Details der Theorie kenne ich mich noch nicht aus. Ich wollte nur mal grobe Ideen, die ich dabei bekomme, teilen und ein bisschen Feedback bekommen welche Vorstellungen zutreffend oder falsch sind.

Kann man diese effektive Form der starken Wechselwirkungen beschreiben mit etwas, was mit den Proca-Gleichungen vergleichbar ist? Denn die Proca-Gleichungen sind ja letztlich die "Maxwell-Gleichungen", wenn Photonen eine Masse hätten und soweit ich weiß hätte man dann statt des Coulomb-Potentials auch ein yukawa-Potentials.
Ich hätte da auch ne anschauliche Vorstellung zu.
Man stelle sich eine punktförmige Quelle eines Feldes vor. In einem Abstand r verteilen sich die Austauschteilchen auf einer Kugeloberfläche. Deshalb nimmt die Dichte mit 1/r² ab. Daher das 1/r² im Coulomb-Gesetz. Wenn die Austauschteilchen eine Masse haben, haben sie nur eine endliche Lebensdauer und damit zerfallen sie nach einer bestimmten Strecke und je größer die Masse desto kürzer der Weg, den sie zurücklegen.
Das hat den Effekt einer Absorption und eine Absorption geht halt mit exp(-a*r), wobei a ein Absorptionskoeffizient ist.
Ist diese Vorstellung brauchbar oder doch zu naiv?

Ich kenne mich zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht mit der Quantenchromodynamik aus. Mich würde aber interessieren, ob man diese effektive Theorie formal sauber aus der QCD ableiten konnte oder ob man da doch noch zusätzliche Annahmen reinstecken musste.

Und reicht diese Effektive Theorie meistens aus, um die Kernkräfte adäquat zu beschreiben?

Vielen Dank.
TomS
Moderator


Anmeldungsdatum: 20.03.2009
Beiträge: 18064

Beitrag TomS Verfasst am: 27. Jan 2022 22:34    Titel: Antworten mit Zitat

Ein weites Feld …

Fangen wir von hinten an: Man kann eine Art heuristische Herleitung von effektiven Theorien aus der QCD angeben. Dazu führt man im Pfadintegral der QCD sukzessive Hilfsfelder ein, die geeignete Transformationseigenschaften aufweisen, d.h. pseuskalare und Vektormesonen, Spin-1/2- und 3/2-Spinoren für Nukleonen und Resonanzen … Anschließend integriert man die Quarks und Gluonen aus. Dies funktioniert nicht exakt; man muss wissen, welche Felder man einführen möchte … Die Details muss ich heraussuchen, ist schon über 20 Jahre her.

Dann zu deiner Idee: Mit klassischen Feldgleichungen kommt man nicht weit; man muss quantisieren. Dazu gibt es diverse Ansätze, ich bin weit davon entfernt, alle zu kennen. Ein verbreiteter Ansatz ist die chirale Störungstheorie. Eine Erweiterung ist die Beschreibung von Nukleonen als topologische Solitonen des Pionfeldes, das sogenannte Skyrmion. Diesen Modell kann man weitere Felder hinzufügen, z.B. Vektormesonen. Alle diese Modelle sind nicht-renormierbar, d.h. jede höhere Ordnung Störungstheorie führt neue Parameter ein. Dennoch erhält man in niedriger Ordnung sehr vernünftige Werte für Nukleon-Eigenschaften, z.B. elektromagnetische Formfaktoren, Streuquerschnitte für Elektronstreung, Photo-Pion-Produktion u.a.

Ich finde aktuell keinen wirklich guten Übersichtsartikel. Was genau interessiert dich denn?

_________________
Niels Bohr brainwashed a whole generation of theorists into thinking that the job (interpreting quantum theory) was done 50 years ago.
Kelvin1995



Anmeldungsdatum: 09.01.2022
Beiträge: 64

Beitrag Kelvin1995 Verfasst am: 28. Jan 2022 09:36    Titel: Antworten mit Zitat

TomS hat Folgendes geschrieben:
Ein weites Feld …
Fangen wir von hinten an: Man kann eine Art heuristische Herleitung von effektiven Theorien aus der QCD angeben.

Bedeutet "heuristisch" in diesem Fall, dass man keine streng formale mathematische Herleitung auf Grundlage der QCD hat?


Zitat:
Dazu führt man im Pfadintegral der QCD sukzessive Hilfsfelder ein, die geeignete Transformationseigenschaften aufweisen, d.h. pseuskalare und Vektormesonen, Spin-1/2- und 3/2-Spinoren für Nukleonen und Resonanzen … Anschließend integriert man die Quarks und Gluonen aus. Dies funktioniert nicht exakt; man muss wissen, welche Felder man einführen möchte … Die Details muss ich heraussuchen, ist schon über 20 Jahre her.

Das versteh ich leider noch nicht grübelnd
Hast du in sowas geforscht?

Die QCD erscheint mir ziemlich komplex. Mal angenommen man möchte die Kernenergie beschreiben, reicht es dann aus die effektive Wechselwirkung mit den Pionen zu betrachten und kann man dann die QCD unter den Tisch kehren oder geht das nicht?

Zitat:

Ich finde aktuell keinen wirklich guten Übersichtsartikel. Was genau interessiert dich denn?

Gibt es denn gute Bücher zur QCD?
Leider ist mein Wissen über QFTs nicht sehr gut. Ich kenne ein bisschen klassische Feldtheorie, QED, kanonische Quantisierung und Störungsrechnung.

Eine Frage, die sich mir stellt ist wie mathematisch sauber die QFTs eigentlich sind, weil Vieles dort erscheint mir aus mathematischer Sicht nicht auf solidem Fundament gebaut zu sein.

Welchen Weg beschreitet man, um in der QCD zu forschen und wie viele Wissenschaftler gibt es, die in sowas forschen?
Ich frag nur weil mich das interessiert. Beruflich bin ich bloß Informatiker und Softwareentwickler, aber ich finds spannend, was in anderen Berufszweigen so abgeht.
TomS
Moderator


Anmeldungsdatum: 20.03.2009
Beiträge: 18064

Beitrag TomS Verfasst am: 28. Jan 2022 11:54    Titel: Antworten mit Zitat

Kelvin1995 hat Folgendes geschrieben:
TomS hat Folgendes geschrieben:
Ein weites Feld …
Fangen wir von hinten an: Man kann eine Art heuristische Herleitung von effektiven Theorien aus der QCD angeben.

Bedeutet "heuristisch" in diesem Fall, dass man keine streng formale mathematische Herleitung auf Grundlage der QCD hat?

Genau.

Man nimmt die fundamentale Formulierung der QCD (Quarks, Gluonen) und überführt sie in eine effektive Formulierung für die bekannten Teilchen (Mesonen, Baryonen). Das ist an vielen Stellen mathematisch sehr "hand waving".

Kelvin1995 hat Folgendes geschrieben:
Zitat:
Dazu führt man im Pfadintegral der QCD sukzessive Hilfsfelder ein, die geeignete Transformationseigenschaften aufweisen, d.h. pseuskalare und Vektormesonen, Spin-1/2- und 3/2-Spinoren für Nukleonen und Resonanzen … Anschließend integriert man die Quarks und Gluonen aus. Dies funktioniert nicht exakt; man muss wissen, welche Felder man einführen möchte … Die Details muss ich heraussuchen, ist schon über 20 Jahre her.

Das versteh ich leider noch nicht ?(
Hast du in sowas geforscht?

Si ;-)

Sowohl fundamentale QCD als auch effektive Mesonen-/Nukleon-Theorien.

Ist aber schon lange her und hat wenig gebracht; also kein großer Durchbruch o.ä., nur einige neue Erkenntnisse innerhalb einer überschaubaren Community.

Kelvin1995 hat Folgendes geschrieben:
Die QCD erscheint mir ziemlich komplex. Mal angenommen man möchte die Kernenergie beschreiben, reicht es dann aus die effektive Wechselwirkung mit den Pionen zu betrachten und kann man dann die QCD unter den Tisch kehren oder geht das nicht?

Die QCD auf ebene der fundamentalen Freiheitsgrade (Quarks und Gluonen) ist nicht komplex sondern das genaue Gegenteil ;-) Mathematisch extrem aufwändig ist die Berechnung von Lösung.

Komplex sind dagegen die effektiven Feldtheorien mit einem Zoo von Mesonen und Baryonen. Ist in etwa vergleichbar mit dem Ansinnen, auf Basis der Physik einfacher Moleküle die Funktion einer menschliche Zelle zu verstehen. Umgekehrt sind die effektiven Feldtheorien mathematisch teilweise deutlich einfacher, insbs. weil Quanteneffekte in der effektiven Freiheitsgraden bereits implizit enthalten sind und man passgenaue Näherungen jeweils für spezielle Klassen von Problemen hat (Pion-Nukleon-Streuung bei niedrigen Energie; Nukleon-Vielteilchensysteme = Kernphysik)

Kelvin1995 hat Folgendes geschrieben:
Zitat:
Ich finde aktuell keinen wirklich guten Übersichtsartikel. Was genau interessiert dich denn?

Gibt es denn gute Bücher zur QCD?
Leider ist mein Wissen über QFTs nicht sehr gut. Ich kenne ein bisschen klassische Feldtheorie, QED, kanonische Quantisierung und Störungsrechnung.

Für das, was dich interessiert, ist die Störungsrechnung ungeeignet. Physik von Mesonen und Baryonen auf Basis der QCD erfordert nicht-störungstheoretische Methoden.

Ich würde nichts speziell zur QCD lesen sondern eher generell zur Quantenfeldtheorie. Aber das ist mathematisch eben starker Tobak.

Wenn du willst, suche ich ein paar Skripte und Artikel raus.

Kelvin1995 hat Folgendes geschrieben:
Eine Frage, die sich mir stellt ist wie mathematisch sauber die QFTs eigentlich sind, weil Vieles dort erscheint mir aus mathematischer Sicht nicht auf solidem Fundament gebaut zu sein.

Das Fundament ist wenig solide, weder der kanonische Zugang noch gar das Pfadintegral sind in QFTs mathematisch wohldefiniert.

https://en.wikipedia.org/wiki/Haag%27s_theorem
https://en.wikipedia.org/wiki/Yang%E2%80%93Mills_existence_and_mass_gap

... soweit für jetzt erst mal ...

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