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Feldtheorien und Eichtheorie
 
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Koklavic
Gast





Beitrag Koklavic Verfasst am: 06. Aug 2020 19:54    Titel: Feldtheorien und Eichtheorie Antworten mit Zitat

Meine Frage:
Hallo, ich beschäftige mich zurzeit im Optionalbereich mit einer Vorlesung zur Quantenfeldtheorie.
Hierzu habe ich zwei ganz allgemeine Fragen und hoffe auf eine vereinfachte Erklärung für Interessierte

1 Bedeutet Feldtheorie, dass nur noch Feldgrößen wie Gravitation eine Rolle spielen aber nicht mehr ein einzelnes Teilchen, oder wird hier ein Teilchen mit seinem Zustand als Feld beschrieben?

2 heißt Eichtheorie soviel wie: ich lege eine Größe fest und alle anderen Felder etc werden in Abhängigkeit dieser Größe strukturiert?

Meine Ideen:
Ich weis, dass es ein unmögliches Unterfangen ist einem Nicht- Mathematiker vereinfacht hier eine Erklärung zu liefern ohne zu simplifizieren, aber ich würde mich als Interessierter sehr über eine Einordnung freuen.
TomS
Moderator


Anmeldungsdatum: 20.03.2009
Beiträge: 17899

Beitrag TomS Verfasst am: 06. Aug 2020 21:06    Titel: Antworten mit Zitat

Wie gut kennst du dich mit der klassischen Feldtheorie des Elektromagnetismus aus? Hast du da das Thema der Eichsymmetrie verstanden? Welche Vorkenntnisse hast du in der Quantenmechanik? Ohne diese Grundlagen wird es nicht gehen ...


1) In einer klassischen Feldtheorie wie der Maxwellschen Theorie des elektromagnetischen Feldes liegt genau das vor: ein Feld - keine Teilchen (außer sozusagen als Testteilchen). In einer Quantenfeldtheorie wird das Feld zu einem Operator, Teilchen werden mittels Zuständen im einem Hilbertraum beschrieben, auf den die Feldoperatoren wirken.

Das Gravitationsfeld ist ein eher ungeeignetes Beispiel, da eine konsistente und physikalisch vernünftige Quantenfeldtheorie noch nicht bekannt ist.

2) Eine lokale Eichtheorie besagt, dass jedes Feld an jedem Raumzeitpunkt einer ganz bestimmten lokalen Symmetrietransformation unterworfen werden kann, ohne dass sich die Physik ändert.

Im einfachsten Fall des klassischen Elektromagnetismus sieht man dies wie folgt: Der elektromagnetische Feldstärkentensor F wird mittels des Viererpotential A definiert als



Nun betrachtet man eine Transformation des Viererpotentials mittels einer beliebigen Funktion chi der Koordinaten zu



Der Feldstärkentensor ändert sich nicht, d.h.



und damit sind physikalische Phänomene unter diesen Eichtransformationen invariant.


Welchen genauen Inhalt soll denn die Vorlesung haben?

_________________
Niels Bohr brainwashed a whole generation of theorists into thinking that the job (interpreting quantum theory) was done 50 years ago.
Koklavic
Gast





Beitrag Koklavic Verfasst am: 07. Aug 2020 15:40    Titel: Antworten mit Zitat

Ach das ist eine eher populärwissenschaftliche Vorlesungsreihe mit Thema Grundlagen der Quantenmechanik. Zuletzt wurde dann die Frage nach einer Quantenfeldtheorie aufgeworfen... Da wurde dann von Eichinvarianz etc kurz gesprochen, ohne aber tiefer in die Materie einzutauchen. Meine physikalischen Kenntnisse sind was klassische Mechanik angeht ok, aber eher auf gutem Abitur- Niveau.

Diese Eichinvarianz erinnert mich daran, dass man konjugierte Variablen benutzen kann, um zb in der Wärmelehre chemische Potenziale besser darzustellen. Also man beschreibt ein Feld durch eine andere Größe in Verbindung mit einem Potenzial und erhält unter Beibehaltung der Physik einen anderen Zugang zum gleichen Problem.

Aber das ist wohl nur ein Hauch von Verständnis bezüglich der genannten Thematik und ich werde mir mal Einstiegsliteratur zulegen.

Auch Symmetriebedingungen sagen mir nur etwas in Verbindung mit Gruppentheorie bei Kristallen etc... aber nicht generell auf Feldtheorien bezogen.
TomS
Moderator


Anmeldungsdatum: 20.03.2009
Beiträge: 17899

Beitrag TomS Verfasst am: 07. Aug 2020 16:48    Titel: Antworten mit Zitat

Zu glauben, man könne die Quantisierung von Eichtheorien zum Ende einer populärwissenschaftliche Vorlesungsreihe zu den Grundlagen der Quantenmechanik kurz streifen, erscheint mir ein wenig vielversprechendes Unterfangen. Das ist eher ein Zweifel an der Idee der Vorlesung, nicht an deiner Person.

Die Analogie zu thermodynamischen Potentialen bringt dich sicher nicht weiter, das hat nichts miteinander zu tun. Mit der Symmetrie bei Kristallen kommst du ein zumindest ein Stück weiter in Richtung Gruppentheorie.

Ich wüsste jetzt spontan nicht, was ich dir jetzt als Literatur empfehlen sollte.

Welchen mathematischen Background hast du? Was konkret habt ihr zur Quantenmechanik besprochen?

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Koklavic
Gast





Beitrag Koklavic Verfasst am: 07. Aug 2020 20:47    Titel: Antworten mit Zitat

Es fing an mit der Quantisierung in der Physik ( Photoeffekt; Ultravioletkatastrophe etc) und wurde begleitend mit einem historischen Abriss hin zu Themen geführt wie Heisenbergsche Unschärferelation/ Schrödingergleichung/ Messproblem hinzu einem Ausblick auf die Verknüpfung von Relativitätstheorie und Quantenmechanik ( Stringtheorie/ Quantenfeldtheorie) geleitet.
TomS
Moderator


Anmeldungsdatum: 20.03.2009
Beiträge: 17899

Beitrag TomS Verfasst am: 08. Aug 2020 08:42    Titel: Antworten mit Zitat

Ok, ich versuche mal ein Spielzeugmodell einer Eichsymmetrie zu skizzieren.

Wir betrachten ein zweidimensionales System. Stell dir einen Spin S als Einheitsvektor vor, dessen Spitze einen Kreis in der Ebene überstreichen kann. Dieser Einheitsvektor soll nun an ein externes Magnetfeld koppeln, dessen Richtung in der selben Ebene liegt. Die Wechselwirkung zwischen Spin S und Magnetfeld B hängt vom Winkel phi zwischen S und B ab:



Das System weist eine SO(2) Rotationsinvarianz auf, die man unterschiedlich interpretieren kann:

1) Rotiert man B um einen gewissen Winkel, so muss man auch S um diesen Winkel rotieren, damit das System invariant ist.

2) Das externe Feld B zeichnet eine Richtung aus. Rotiert man das Koordinatensystem - jedoch weder S noch B - so haben S und B bzgl. der neuen Koordinatenachsen andere Komponenten; die o.g. Wechselwirkung bleibt jedoch unverändert, da sie nur vom Zwischenwinkel abhängt.

(2) ist eine Symmetrietransformation, die zeigt, dass die Rotation des Bezugsystems physikalisch völlig irrelevant ist, da alle Richtung im System ausschließlich bzgl. B „gemessen“ werden. Es gibt nichts anderes, das eine Richtung auszeichnet, außer B.

Die Rotation von B alleine ist keine Symmetrie, man muss im Sinne von (1) auch S mitrotieren.

Die Unterscheidung zwischen (1) und (2) erscheint etwas künstlich, daher noch ein Beispiel: wenn man das Bezugsystem auf der Erdoberfläche ändert, insbs. nicht mehr den geographischen Nordpol als Bezugspunkt nutzt, ändert sich - im Sinne von (2) - nichts reales, mit Ausnahme der Darstellung der Erdoberfläche im Atlas. Wenn man jedoch die Erdachse tatsächlich kippt - im Sinne von (1) - ändern sich z.B. die realen Jahreszeiten; um letzteres zu verhindern müsste ich buchstäblich alles rotieren: die Ekliptik = Orbits aller Planeten, die Orientierung der Milchstraße ...

(1) ist eine Interpretation, die darauf abzielt, dass ich am System selbst etwas verändere - das System und damit B und S selbst rotiere - während (2) darauf abzielt, dass ich physikalisch irrelevante Hilfsgrößen wie Koordinatensysteme ändere, jedoch B und S fest lasse.


Eine Eichsymmetrie ist nun in gewisser Weise eine Kombination aus beiden: ich rotiere tatsächlich die physikalisch relevanten Größen, also B und S, jedoch steckt in einem Feld tatsächlich so etwas wie eine unphysikalische, irrelevante Hilfsgröße.

Im o.g. Beispiel ist das anhand von B erkennbar. Ich schreibe



B hat offenbar zwei Koponenten. Jedoch ist in



ausschließlich ein Zwischenwinkel interessant; bei zwei Komponenten ist eine irgendwie zu viel.


Bisher ist das noch keine Feldtheorie. Dazu wird das ganze, wenn ich dieses System aus B und S an jedem Punkt der Ebene betrachtend über alles integriere. Ich führe dazu die Felder B(x,y) und S(x,y) mit konstanten Beträgen ein und definiere



Der Zwischenwinkel ist nun an jedem Punkt mit Koordinaten x,y definiert.

Nun kann man B und S an jedem Punkt beliebig rotieren, solange nur der Zwischenwinkel identisch bleibt. Dann wird sich der Integrand und damit auch das Integral E, das für die Wechselwirkungsenergie steht, nicht ändern.

Eine globale Symmetrie wäre gegeben, wenn B eine feste, xy-unabhängige Richtung hätte, man diese Richtung global rotieren, und natürlich zugleich die Richtung von S in jeden Punkt identisch rotieren würde.

Eine lokale Symmetrie ist gegeben, weil ich B und S von Punkt zu Punkt beliebig rotieren kann, solange nur der Zwischenwinkel je Punkt identisch bleibt.

In Matrix-Vektor-Schreibweise habe ich eine Rotation der Vektoren B,S mittels einer Rotationsmatrix R um einen Winkel alpha









wobei B, S, phi und alpha Funktionen des Ortes und damit Felder sind.

Die letzten beiden Gleichungen zeigen, das phi und E invariant unter dieser lokalen Eichtransformation R sind.

Eine derartige lokale Symmetrie ist im Beispiel der Erde etc. sicher nicht gegeben. Ich kann nicht die Rotationsachsen aller Himmelskörper und die Ebenen aller Planetensysteme unabhängig voneinander lokal beliebig ändern! Ich kann dies nur für alle Himmelskörper und die Ebenen aller Planetensysteme global einheitlich tun.

Insofern ist eine lokale Symmetrie etwas fundamental Neues.

In der Praxis zeigt sich, dass lokale Eichsymmetrien immer mit unphysikalischen Hilfsgrößen einhergehen, die jedoch nicht in den Koordinatensystemen sondern tatsächlich in den Feldern selbst stecken. Bsp. elektromagnetisches Feld und Photonen: das elektromagnetische Feld basiert auf den Vektorpotentialen A, und diese enthalten in der 4-dim. Raumzeit vier unabhängige Komponenten, das Photon weist jedoch nur zwei transversale Polarisationen auf. Das Verschwinden von zwei unphysikalischen Polarisationen folgt gerade aus der lokalen Eichsymmetrie (allerdings ist das mathematisch etwas komplizierter als das obige Beispiel, in dem nur der Zwischenwinkel phi eine Rolle spiel).


Wir sind noch recht weit von einer quantisieren Eichtheorie entfernt: B ist bisher ein extern vorgegebenes Feld, es enthält noch keine eigene Dynamik und damit noch keine kinetische Energie. Um das zu erreichen, muss man einerseits die 4er-Potentiale A des Elektromagnetismus einführen sowie die Maxwellgleichungen betrachten, andererseits die klassischen Felder S und B (bzw. A) quantisieren, also Feldoperatoren einführen ...

Ich hoffe jedoch, dass die Idee der lokalen Eichtheorie dadurch etwas klarer geworden ist.

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