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Pentaquarks am CERN
 
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Gustav_III
Gast





Beitrag Gustav_III Verfasst am: 14. Jul 2015 18:29    Titel: Pentaquarks am CERN Antworten mit Zitat

Hallo, kann mir als Laien bitte mal jemand die Bedeutung der heute veröffentlichten Entdeckung von Pentaquarks erklären ?

Danke !!!!
TomS
Moderator


Anmeldungsdatum: 20.03.2009
Beiträge: 18051

Beitrag TomS Verfasst am: 14. Jul 2015 20:52    Titel: Antworten mit Zitat

Pentaquarks wurden schon lange vermutet sowie im Rahmen von Computersimulationen auch ansatzweise theoretisch berechnet. Gemäß der QCD müssen Quarks (sowie Antiquarks und Gluonen) immer in sogenannten "farbneutralen" Zuständen existieren. Das bedeutet, dass 8 verallgemeinerte Ladungen allesamt verschwinden. Die Physiker schreiben dafür



wobei a = 1,2,...,8 (das hat nichts mit Confinement zu tun).

Nun trägt aber jedes Quark eine Farbladung, d.h. nur geeignete Kombinationen ergeben einen farbneutralen Zustand. Lassen wir die Gluonen mal weg, so lauten die einfachsten Zustände



was dem Vakuum, den Quark-Antiquark-Paaren in Mesonen (u.a. Pionen) sowie den Quark-Triplets in Baryonen (u.a. Proton, Neutron) entspricht. Dabei müssen die "Farben" der Quarks geeignet kombiniert werden.

Natürlich ist auch eine Kombination aus isoliertem Baryon plus Meson, also



denkbar.

Bei den Pentaquarks kann man nun davon ausgehen, dass diese den selben Quarkinhalt haben, dass jedoch gerade keine "isolierten" Baryonen und Mesonen vorliegen, sondern ein sehr kurz und sehr schwach gebundener Zustand



der dann jedoch so ähnlich zerfällt wie die Kombination Baryon plus Meson.

Bei dem am CERN entdeckten Pentaquark handelt es sich um die Kombination



Wenn dagegen eher ein lose gekoppelter Baryon-Meson-Zustand vorläge, dann entspräche das eher einer Art "Molekül" aus Proton und J/psi, also



Im Rahmen der QCD ist wohl keine strikte Unterscheidung dieser beiden Zustände möglich. Details werden die weiteren Experimente liefern.

Die große Bedeutung besteht darin, dass erstmals ein nicht-minimaler gebundener Zustand entdeckt wurde, also kein Baryon und kein Meson.

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Niels Bohr brainwashed a whole generation of theorists into thinking that the job (interpreting quantum theory) was done 50 years ago.
Gustav_III
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Beitrag Gustav_III Verfasst am: 15. Jul 2015 11:46    Titel: Antworten mit Zitat

Danke !
TomS
Moderator


Anmeldungsdatum: 20.03.2009
Beiträge: 18051

Beitrag TomS Verfasst am: 15. Jul 2015 12:26    Titel: Antworten mit Zitat

Eine Anmerkung habe ich noch: bei dem Zustand aus Baryon und Meson gilt, dass jeder der beiden Zustände für sich farbneutral ist; bei einem "echten" Pentaquark wäre dagegen nur der Gesamtzustand aus allen fünf Quarks gemeinsam farbneutral, jede beliebige Untermenge aus zwei bis vier Quarks dagegen nicht (wobei ich letzteres zur Sicherheit nochmal nachrechnen muss)
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Niels Bohr brainwashed a whole generation of theorists into thinking that the job (interpreting quantum theory) was done 50 years ago.
jh8979
Moderator


Anmeldungsdatum: 10.07.2012
Beiträge: 8581

Beitrag jh8979 Verfasst am: 15. Jul 2015 14:08    Titel: Antworten mit Zitat

TomS hat Folgendes geschrieben:

Bei dem am CERN entdeckten Pentaquark handelt es sich um die Kombination

Wenn dagegen eher ein lose gekoppelter Baryon-Meson-Zustand vorläge, dann entspräche das eher einer Art "Molekül" aus Proton und J/psi, also

Im Rahmen der QCD ist wohl keine strikte Unterscheidung dieser beiden Zustände möglich. Details werden die weiteren Experimente liefern.

Richtig. Unteranderem deswegen ist der Versuch der Beschreibung der entdeckten Resonanz als 5-Quark-Zustand (oder auch als Baryon-Meson-"Molekül") mehr als fragwürdig. Eigentlich ist diese Beschreibung hier einfach sinnlos/falsch, da man ein nichtrelativistisches Quarkmodell nehmen will, um so etwas wie Spektroskopie in einem Bereich zu betrieben, in dem dieses Modell in feinster Weise gerechtfertigt ist (ja sogar falsch ist).

Daher ist "grosse Bedeutung" hier auch nicht wirklich angebracht (ich weiss, kam nicht von Dir, sondern ursprüngliche aus der CERN Presseabteilung):
Zitat:

Die große Bedeutung besteht darin, dass erstmals ein nicht-minimaler gebundener Zustand entdeckt wurde, also kein Baryon und kein Meson.


PS: Aber das nur für die Physikstudenten, die irgendwann mal richtig QCD lernen wollen Augenzwinkern
TomS
Moderator


Anmeldungsdatum: 20.03.2009
Beiträge: 18051

Beitrag TomS Verfasst am: 15. Jul 2015 17:24    Titel: Antworten mit Zitat

jh8979 hat Folgendes geschrieben:
deswegen ist der Versuch der Beschreibung der entdeckten Resonanz als 5-Quark-Zustand mehr als fragwürdig. Eigentlich ist diese Beschreibung hier einfach sinnlos/falsch, da man ein nichtrelativistisches Quarkmodell nehmen will, um so etwas wie Spektroskopie in einem Bereich zu betrieben, in dem dieses Modell in feinster Weise gerechtfertigt ist (ja sogar falsch ist).

Das sehe ich nicht so.

Nehmen wir mal den Fall eines anderen möglichen Pentaquarks wie



Dieses könnte jetzt auch als



vorliegen.

Was bedeutet das jetzt?

Es bedeutet nicht, dass man mittels des naiven Quarkmodells Spektroskopie betreibt bzw. Massen u.ä. berechnet. Da stimme ich dir zu, das ist ziemlich sinnlos.

Aber es ist sehr wohl interessant zu fragen, wie SU(3) Color, SU(6) Flavor und Spin koppeln. Es ist auch im Rahmen der QCD möglich, den physikalischen = farbneutralen Zuständen die jeweiligen Spin- und Flavor-Quantenzahlen zuzuordnen. Insbs. letztere sind bis auf Mischungen "rein", d.h. der Gesamtzustand trägt eine Flavor-Quantenzahl eines Multiplets; die Flavor-Symmetrie ist bis einschließlich SU(3) keine gute, asymptotische Symmetrie - mit Ausnahme der Anomalie im Singulett. Und der Spin ist wg. Poincare-Invarianz und Wigner-Klassifizierung sowieso eine gute Quantenzahlen.

Und es ist natürlich auch sehr interessant, wie diese drei Quantenzahlen gemeinsam koppeln, ob also z.B. drei Quarks zu einem farbneutralen Zustand koppeln oder erst alle fünf. Wenn ersteres vorliegt, dann müsste es in der Baryon-Meson-Streuung eine entsprechende Resonanz geben. Wenn letzteres vorliegt, dann wäre da gerade keine (oder eine nur sehr schwache) Resonanz, und das Pentaquark könnte bei einer völlig anderen Masse sitzen.

Man kann jetzt alle verschiedenen Flavor-Multiplets hinschreiben (Gruppierungen 5+0,4+1,3+2) und analysieren. Dabei fällt 4+1 wegen Color weg, aber für 3+2 gibt es diverse andere Möglichkeiten, die sich alle bzgl. der Lage der Resonanz(en) unterscheiden sollten, und die demnach nicht mit dem "eigtl." Pentaquark, das evtl. wieder eine andere Masse hat, mischen. Insbs. mischen die Baryon-Meson-Resonanzen auch bei passenden Schwerpunktenergien nicht bzw. nur sehr schwach mit dem "eigtl." Pentaquark, da ja die Kopplung der Farbe einzeln zu Null nicht passt.

D.h. ich stimme zu, dass die Massenberechnung sinnlos ist. Aber ich stimme nicht zu, dass die Analyse der Multiplets nach Flavor sinnlos ist.

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Zuletzt bearbeitet von TomS am 15. Jul 2015 17:39, insgesamt einmal bearbeitet
jh8979
Moderator


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Beitrag jh8979 Verfasst am: 15. Jul 2015 17:37    Titel: Antworten mit Zitat

TomS hat Folgendes geschrieben:

D.h. ich stimme zu, dass die Massenberechnung sinnlos ist. Aber ich stimme nicht zu, dass die Analyse der Multiplets nach Flavor sinnlos ist.

Das hab ich auch nicht gesagt (oder wollte ich zumindest nicht sagen smile ). Im Gegenteil, die Analyse nach Flavors ist eines der wenigen Dinge, die man sinnvoll tun kann (abgesehen von Bestimmung der Masse und Spin/Parität,..).

Der entdeckte Zustand hat die Quantenzahlen eines Protons. Mehr lässt sich nicht sagen. Zu behaupten dies wäre jetzt ein 5-Quark-Zustand mit uud und ccbar ist schlicht nicht möglich. Das einzige was man sagen kann, ist dass man eine Resonanz gemessen hat, die eine bestimmte Masse, Ladung und Flavor hat. Zu sagen es wäre uudccbar ist falsch, und führt zu einem komplett falschen Verständnis von QCD.

(Das gilt im Übrigen auch für viele andere "normale" Resonanzen im QCD-Spektrum.)
TomS
Moderator


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Beiträge: 18051

Beitrag TomS Verfasst am: 15. Jul 2015 17:42    Titel: Antworten mit Zitat

Hab' meinen Beitrag nochmal ergänzt. Für mein hypothetisches Pentaquark ist diese Aussage sinnvoll möglich, denn es liegt kein Flavor-Singulett vor.
jh8979
Moderator


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Beitrag jh8979 Verfasst am: 15. Jul 2015 18:55    Titel: Antworten mit Zitat

TomS hat Folgendes geschrieben:
Hab' meinen Beitrag nochmal ergänzt. Für mein hypothetisches Pentaquark ist diese Aussage sinnvoll möglich, denn es liegt kein Flavor-Singulett vor.

Nein, auch da kannst Du nicht unterschieden, ob es




etc
ist.

In der QCD macht es Sinn zu sagen: Der Zustand hat die Quantenzahlen von , aber nicht zu sagen, dass es sich um den Fockzustand handelt. Denn das ist weder messbar, noch naeherungsweise in einem vernünftigen Quarkmodell begründbar.

Das gilt genauso für das Proton, Neutron, Lambdas, Sigmas, etc...
TomS
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Beitrag TomS Verfasst am: 15. Jul 2015 23:36    Titel: Antworten mit Zitat

jh8979 hat Folgendes geschrieben:
TomS hat Folgendes geschrieben:
Hab' meinen Beitrag nochmal ergänzt. Für mein hypothetisches Pentaquark ist diese Aussage sinnvoll möglich, denn es liegt kein Flavor-Singulett vor.

Nein, auch da kannst Du nicht unterschieden, ob es




etc
ist.

In der QCD macht es Sinn zu sagen: Der Zustand hat die Quantenzahlen von , aber nicht zu sagen, dass es sich um den Fockzustand handelt. Denn das ist weder messbar, noch naeherungsweise in einem vernünftigen Quarkmodell begründbar.

Das gilt genauso für das Proton, Neutron, Lambdas, Sigmas, etc...

Ja, wenn du es so siehst, dann hast du recht.

Dann braucht es aber letztlich eine zentrale Aussage:

Gemäß der QCD sind Baryonen Zustände, die die Quantenzahlen von drei Quarks tragen, z.B. "uud" für das Proton; aber es ist falsch zu sagen, das Proton bestünde aus diesen drei Quarks.
jh8979
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Beitrag jh8979 Verfasst am: 15. Jul 2015 23:49    Titel: Antworten mit Zitat

TomS hat Folgendes geschrieben:

Gemäß der QCD sind Baryonen Zustände, die die Quantenzahlen von drei Quarks tragen, z.B. "uud" für das Proton; aber es ist falsch zu sagen, das Proton bestünde aus diesen drei Quarks.

Ja. Dieser Aussage stimme ich zu!.. auch wenn ich es gern einfacher hätte... mal abgesehen davon dass es nicht drei Quarks sein müssen (siehe Dein Beispiel)...
TomS
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Beitrag TomS Verfasst am: 16. Jul 2015 23:17    Titel: Antworten mit Zitat

Ich habe mir mal die höheren SU(3) Multiplets angeschaut. Ziel ist es, fünf Triplets 3 zu einem Singulet 1 zu koppeln. Man findet



Das letzte Triplet 3-quer steht für das Antiquark. Es existieren dtei Singulets; nur die sind wg. Color-Neutrality zulässig.


Nun kann man zunächst die zwei bzw. drei Triplets separat koppeln, d.h.





Man erhält jeweils ein Singulet, sodass man Meson und Baryon separat farbneutral koppel kann.


Man erhält jedoch u.a. auch jeweils ein bzw. zwei Oktets 8. Diese kann man jeweils koppeln zu



D.h. man erhält jeweils ein Singulet.


Aus den zwei möglichen Oktets erhält man zwei Singulets, ergibt zusammen mit dem ersten Singulett die drei insgs. möglichen Singulets.


Wenn das so stimmt, ist keine weitere Zerlegung möglich, d.h. insbs. führt die Kopplung von vier Triplets 3 zu keinem Multiplet, das mit dem verbleibenden Triplet 3-quer zu einem Singulett gekoppelt werden kann.

Insgs. liegt bei diesem Pentaquark eine Mischung aus drei verschiedenen Kopplungen vor. Da man jedoch zudem noch Spin (und Drehimpuls) sowie Flavor berücksichtigen muss, ist zunächst unklar, ob alle drei Singulets bei ähnlichen Massen sitzen. Nur in diesem Fall würden sie mischen.
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