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Hohlraumstrahlung
 
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schnudl
Moderator


Anmeldungsdatum: 15.11.2005
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Beitrag schnudl Verfasst am: 16. Aug 2014 19:07    Titel: Hohlraumstrahlung Antworten mit Zitat

Bei der Lektüre eines Artikels über den atmosphärischen Treibhauseffekt stellte ich fest, dass ich eigentlich das Wesen des "schwarzen Strahlers" nie so richtig erfasst habe.

Ich habe im Studium gelernt, dass man das Photonengas durch die Zustandsdichte elektromagnetischer Moden und die Besetzungswahrscheinlichkeit eines Bose-Gases beschreiben kann, wodurch man in ein paar Schritten beim Planck'schen Strahlungsgesetz landet. Als ich mir diese Herleitung im Lehrbuch nochmals genauer unter die Lupe nahm, fand ich interessanterweise keinen Hinweis darauf, dass man hierzu einen "schwarzen Strahler" benötigt. Es wird lediglich von einem Gleichgewicht zwischen den Wänden und dem Strahlungsfeld gesprochen.

Meine erste Frage ist nun: Was passiert, wenn ich keinen schwarzen Strahler für die Erzeugung eines Hohlraums nehme, sondern einen, bei dem der Absorptionskoeffizient kleiner eins ist. Wenn ich also einen "grauen" Strahler auf eine bestimmte Temperatur bringe, so wird sich ja ebenfalls oben besagtes Gleichgewicht einstellen, und da die Temperatur der Einzige Bestimmungsfaktor für thermisches Gleichgewicht ist, sollte - denke ich mir - die entstehende Hohlraumstrahlung doch mit dem schwarzen Strahler ident sein, da es ja nicht auf die Beschaffenheit der Wand ankommen kann. Kann mir jemand erklären, was in diesem Fall passiert und warum?

Ziemliche Probleme bereitet mir übrigens auch das Kirchhoff'sche Strahlungsgesetz, wonach Emmissions- und Absorbtionskoeffizient realer Strahler identisch sein sollen. Die originale Argumentation von Kirchhoff
http://onlinelibrary.wiley.com/doi/10.1002/andp.18601850205/pdf
ist recht umständlich; kennt jemand eine "moderne" Erklärung dafür?

Unter wikipedia findet man im Artikel

http://de.wikipedia.org/wiki/Kirchhoffsches_Strahlungsgesetz

"...Der betrachtete Körper sei mit Hohlraumstrahlung der Temperatur T im thermischen Gleichgewicht. Der Körper wird nach Maßgabe seines Absorptionsgrades einen Teil der auftreffenden Strahlung absorbieren. Damit das Gleichgewicht erhalten bleibt, muss er aber jeweils bei denselben Frequenzen in dieselben Richtungen die absorbierte Energiemenge wieder ausstrahlen, um die dem Hohlraum entnommene Energie zu ersetzen."

Es ist mir zwar klar, dass damit das besagte Gesetzt folgt, jedoch nicht, weshalb die Aussage gilt. Ich glaube sie zwar, wüsste aber nicht, wie ich sie mit Hilfe der Thermodynamik oder statistischen Physik beweisen könnte. Kann mir jemand auf die Sprünge helfen?

Liebe Grüße,
Michael

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Wenn du eine weise Antwort verlangst, musst du vernünftig fragen (Goethe)
Ich



Anmeldungsdatum: 11.05.2006
Beiträge: 913
Wohnort: Mintraching

Beitrag Ich Verfasst am: 16. Aug 2014 21:57    Titel: Antworten mit Zitat

Zitat:
Meine erste Frage ist nun: Was passiert, wenn ich keinen schwarzen Strahler für die Erzeugung eines Hohlraums nehme, sondern einen, bei dem der Absorptionskoeffizient kleiner eins ist.
Dann dauert es etwas länger, bis das Gleichgewicht erreicht wird. Das kannst du dir vorstellen, wie wenn du ein normales Gas mal mit Styropor umgibst und mal mit Aluminium. Im einen Fall dauert es ewig, bis es Umgebungstemperatur annimmt, im anderen geht es schnell. Aber es nimmt dieselbe Temperatur an.
Oder, mit Photonen: im Gleichgewicht ist es egal, ob eines reflektiert wird oder absorbiert und wieder ausgesendet. Eins von beiden muss aber passieren.
Zum Strahlungsgesetz findest du eine zwingendere Begründung auf der englischen Seite.
schnudl
Moderator


Anmeldungsdatum: 15.11.2005
Beiträge: 6979
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Beitrag schnudl Verfasst am: 17. Aug 2014 07:37    Titel: Antworten mit Zitat

Vielen Dank erst mal für deine Antwort.
Ich muss zugeben, dass es mir momentan schwer fällt, einen klaren Gedanken zu fassen und mich daher wohl noch einige Zeit mit den Argumentationen von Kirchhoff beschäftigen muss, um zu erkennen, was er mit seinem Strahlungsgesetz wirklich besagen wollte.

Leider habe ich seine Gedankenexperimente noch nicht ganz durchschaut, da die Zeichnungen in der Originalarbeit sehr schlecht sind und alles in klassische Worte gepackt ist. Dies betrifft insbesondere §3, wo von einem Plättchen die Rede ist, von dessen Lage in der Anordnung ich keinen blassen Schimmer habe.

Jedenfalls verspüre bei den Argumentationen, die man in Wikipedia findet einen Zirkelschluss im Sinne eines "bad smell":

Hier wird argumentiert, dass sich Absorbtion und Emission für jede Spektralfrequenz die Waage halten, wenn sich ein Körper der Eigenschaft im Gleichgewicht mit der Hohlraumstrahlung befindet:

Absorbierte Strahldichte:



Dies muss gleich der Emission E im selben Spektralbereich sein, also gilt



woraus man natürlich schließt, dass der Quotient



ist, dieser damit von der Beschaffenheit unabhängig und damit "universal".

Es wird aber stillschweigend vorausgesetzt, dass die Strahlung im Hohlraum unabhängig von ist, und der universellen Planck'schen Strahlung entspricht. Genau hier orte ich ein "Problem", da die Hohlraumstrahlung sehr wohl von der Eigenschaft des sie einschließenden Materials abhängen könnte, und die Argumentation sich damit als fauler Trick entpuppt (für mich sieht es zumindest so aus).

Im Lichte der Quantenhypothese und der daraus folgenden Beschreibung des Strahlungsfeldes als "Photonengas" ergibt sich "natürlich" genau der universelle Planck'sche Ausdruck; aber davon hat Kirchhoff noch nichts gewusst. Umso mehr erstaunt es mich, dass er damals derart zu seinem universalen Gesetzt kommen konnte.

Ich habe das Gefühl, das sich die "wahren" physikalischen Zusammenhänge unter einer dicken Kruste historisch gewachsener Begriffe verstecken, die man Schicht für Schicht freilegen muss, um zu des Pudels Kern zu gelangen.

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Huggy



Anmeldungsdatum: 16.08.2012
Beiträge: 785

Beitrag Huggy Verfasst am: 17. Aug 2014 09:19    Titel: Antworten mit Zitat

Folgt das nicht simpel aus dem postulierten Gleichgewicht? Angenommen der Körper - wie immer er auch beschaffen sein mag - absorbiert bei einer Wellenlänge mehr oder weniger als er bei dieser Wellenlänge emittiert, dann ändert sich doch die Intensität der Strahlung im Hohlraum bei dieser Wellenlänge und man hat kein Gleichgewicht.
schnudl
Moderator


Anmeldungsdatum: 15.11.2005
Beiträge: 6979
Wohnort: Wien

Beitrag schnudl Verfasst am: 17. Aug 2014 11:00    Titel: Antworten mit Zitat

Huggy hat Folgendes geschrieben:
Folgt das nicht simpel aus dem postulierten Gleichgewicht? Angenommen der Körper - wie immer er auch beschaffen sein mag - absorbiert bei einer Wellenlänge mehr oder weniger als er bei dieser Wellenlänge emittiert, dann ändert sich doch die Intensität der Strahlung im Hohlraum bei dieser Wellenlänge und man hat kein Gleichgewicht.


Daran zweifle ich mittlerweile auch nicht mehr. Jedoch zwingt dich diese Überlegung nicht zur Annahme, dass das entstehende Strahlungsfeld jenem des schwarzen Körpers entspricht, unabhängig davon, welche Eigenschaften der Körper hat.

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TomS
Moderator


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Beiträge: 18109

Beitrag TomS Verfasst am: 17. Aug 2014 11:20    Titel: Antworten mit Zitat

Ich denke, das Kirchhoffsche Gesetz der Gleichheit von Absorption und Emission folgt aus der Quantenmechanik; genauer: es folgt daraus, dass das Matrixelement für den Wirkungsquerschnitt der Absorption und den der Emission identisch sind. Betrachtet man zwei Quantenzustände A und B sowie ein (klassisches) el.-mag. Feld E als Operator, der auf die Quantenzustände wirkt, so gilt



Das linke bzw. Matrixelement entspricht dabei der Emission bzw. Absorption eines Photons





In die Berechnung des Wirkungsquerschnitts gehen jedoch nur die Betragsquadrate der Matrixelemente ein, somit sind die Wirkungsquerschnitte identisch.

Das zugrundeliegende Prinzip ist das der Zeitumkehrinvarianz.

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Niels Bohr brainwashed a whole generation of theorists into thinking that the job (interpreting quantum theory) was done 50 years ago.
TomS
Moderator


Anmeldungsdatum: 20.03.2009
Beiträge: 18109

Beitrag TomS Verfasst am: 17. Aug 2014 11:41    Titel: Antworten mit Zitat

schnudl hat Folgendes geschrieben:
Ich habe das Gefühl, das sich die "wahren" physikalischen Zusammenhänge unter einer dicken Kruste historisch gewachsener Begriffe verstecken, die man Schicht für Schicht freilegen muss, um zu des Pudels Kern zu gelangen.

Da hast du recht.

Ich habe mal kurz nach diesen Fragestellungen gegoogelt, dabei jedoch praktisch ausschließlich thermodynamische Abhandlungen gefunden. Diese können jedoch m.E. die fundamentalen Fragen nicht beantworten. Und logische Zirkelschlüsse sind nur sehr schwer auszumachen.

M.E. muss man mit Quantenmechanik und Quantenstatistik argumentieren. Ein guter Startpunkt könnte die Einsteinsche Herleitung des Planckschen Strahlungsgesetzes sein, die viele ad hoc Annahmen vermeidet.

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-Christian-



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Beiträge: 199

Beitrag -Christian- Verfasst am: 17. Aug 2014 11:54    Titel: Antworten mit Zitat

schnudl hat Folgendes geschrieben:
Huggy hat Folgendes geschrieben:
Folgt das nicht simpel aus dem postulierten Gleichgewicht? Angenommen der Körper - wie immer er auch beschaffen sein mag - absorbiert bei einer Wellenlänge mehr oder weniger als er bei dieser Wellenlänge emittiert, dann ändert sich doch die Intensität der Strahlung im Hohlraum bei dieser Wellenlänge und man hat kein Gleichgewicht.


Daran zweifle ich mittlerweile auch nicht mehr. Jedoch zwingt dich diese Überlegung nicht zur Annahme, dass das entstehende Strahlungsfeld jenem des schwarzen Körpers entspricht, unabhängig davon, welche Eigenschaften der Körper hat.


Das ist m.E. ja gerade Ausgangspunkt der Argumentation. Man startet bei:

1.) Wir stellen uns einen Körper vor, der alle einfallende Strahlung absorbiert. Dagegen spricht ja nichts. Befindet sich der Körper im thermodynamischen Gleichgewicht, so muss er aber wegen der Energieerhaltung alle einfallende Strahlung wieder emittieren. Die emittierte spektrale Strahlungsintensität dieses Körpers hängt im thermischen Gleichgewicht nur von seiner Temperatur ab und nicht von anderen Eigenschaften. Diese spektrale Strahlungsintensität nennen wir - ohne genau zu wissen, wie der genaue Verlauf dieser Funktion aussieht; das können andere rausfinden. Der Planck vielleicht. Aber so einen Körper nennen wir schwarzen Körper. Dieser schwarze Körper ist also derjenige thermische Strahler mit den überhaupt bestmöglich vorstellbaren Absorptions- und Emissionseigenschaften. Da die emittierte Strahlung dieses (zunächst hypothetischen) schwarzen Körpers unabhängig ist von allen anderen Eigenschaften des Körpers, eignet er sich hervorragend als Maßstab/Referenz für unsere Messung realer Körper deren thermische Strahlung noch von den Eigenschaften des Körpers abhängt.

2.) Nun vergleichen wir einen schwarzen Körper A mit einem anderen Körper B, der nicht perfekt absorbiert. Wir fragen uns: Wie muss das emittierte Strahlungsfeld von Körper B beschaffen sein, damit A und B im thermischen Gleichgewicht sind? Da im thermischen Gleichgewicht der schwarze Körper A gerade das besagte Strahlungsfeld emittiert, muss dieses Strahlungsfeld zwischen Körper A und B vorherrschen. Denn tut es das nicht, dann könnte A definitionsgemäß gerade nicht im thermischen Gleichgewicht sein und würde sich weiter aufheizen bzw. abkühlen bis das Gleichgewicht eintritt.

3.) Mit diesen Feststellungen kann man dann deine oben gezeigte Rechnung durchführen. (nur der Quotient im letzten Ausdruck muss gedreht werden)

Im Grunde hat Kirchhoff also zunächst den schwarzen Körper als Strahlungsnormal definiert, weil dieser Körper definitionsgemäß eben den Absorptionsgrad 1 und den Emmissionsgrad 1 hat. Dann hat er sich gefragt: Wie sieht in Bezug auf dieses (hypothetische) Strahlungsnormal die spektrale Strahlungsdichte eines Körpers mit einem gegebenen Absorptionsgrad aus? Fertig. Es spielt bei dieser Argumentation m.E. erstmal gar keine Rolle, ob zum Beispiel ein schwarzer Körper experimentell überhaupt realisierbar ist. Aber man kann ihn sich physikalisch vorstellen und dann eben gedanklich einfach den Vergleich mit einem anderen Körper führen.

Er hätte auch irgendeinen anderen thermischen Strahler nehmen können, dessen spektrale Strahlungsdichte er gemessen hat, während sich der Körper im thermischen Gleichgewicht mit seiner Umgebung befand und hätte sagen können: Ich nehme die spektrale Strahlungsintensität dieses Körpers und vergleiche sie mit der spektralen Strahlungsintensität anderer Körper bei derselben Temperatur. Um das tun zu können, definiere ich seinen Absorptions- und Emissionsgrad für alle Frequenzen als 1.

Dann wäre man irgendwann auf Körper gestoßen, die im Vergleich zu diesem willkürlich hergenommenen Körper (zumindest für einige Frequenzbereiche) Absorptionsgrade/Emissionsgrade > 1 gehabt hätten. Und dann hätte man sich gedacht: Die Wahl des Körpers ist aber nicht optimal als Referenz ... lasst uns lieber den Körper nehmen, dessen spektrale Intensitäten bei gegebener Temperatur höher als die aller anderen Körper ist. Dieser Gedankengang hätte dann irgendwann unweigerlich auf den hypothetischen Idealfall des schwarzen Körpers geführt.

Nun ist es so, dass ein Hohlraum mit einem kleinen Loch in seiner Wand, der im thermischen Gleichgewicht ist, eben einem schwarzen Körper einfach am besten entspricht. Und das unabhängig von der Beschaffenheit seiner Wände! Warum? Weil bei genügend großem Volumen alle Strahlung, die von außen in dieses Loch einfällt unendlich oft im Inneren reflektiert werden wird. Und selbst wenn die Wände nicht perfekt absorbieren, wird durch die vielfache Reflektion die gesamte Energie im Inneren absorbiert. Die Wahrscheinlichkeit, dass ein Teil der eingefallen Strahlung den Hohlraum durch das Loch wieder direkt verlässt ist so gut wie Null - darum sein Absorptionsgrad aber praktisch 1. Darum setzen wir den Hohlraumstrahler oft mit dem Modell des schwarzen Körpers gleich und nutzen sein spektrale Strahlungsintensität als ebendas von Kirchhoff gefundene, ideale Referenzspektrum.
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