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Gezeiten
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Colbitz
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Beitrag Colbitz Verfasst am: 24. Dez 2018 22:49    Titel: Gezeiten Antworten mit Zitat

Meine Frage:
Hallo zusammen,

ich habe eine Frage zu Gezeiten. Je mehr man darüber liest, desto komplizierter wird es. Wäre die Erdoberfläche eine mächtige Wasserhülle, dann gäbe es aufgrund der gravitativen Zentripetal- und der Zentrifugalkraft zwei Flutberge. Wie kommt das aber zustande?

Meine Ideen:
Sei mal G der Ort nächster Nähe zu Mond und F der Ort größter Fliehkraft auf der gegenüberliegenden Seite.

Strömt real Wasser zu G bzw. F, gibt es also eine Wassermassenverlagerung?

Oder zieht die Gravitation des Mondes das Wasser an und die Wasserteilchen auseinander, so dass auf diesem Weg ein Flutberg zustande kommt?

Ich dachte eigentlich, dass die Resultierende aus Zentrifugal- und Zentripetalkraft in einem ringförmigen Bereich um G bzw. F eben erdoberflächenparallel Richtung G bzw. F zeigt und damit ähnlich der Druckgradientkraft beim Wind Wassermassen zu G/F treibt.


Vielen Dank für jede verständliche Hilfe!
TomS
Moderator


Anmeldungsdatum: 20.03.2009
Beiträge: 18157

Beitrag TomS Verfasst am: 25. Dez 2018 10:52    Titel: Antworten mit Zitat

Ich halte diesen Artikel und insbs. das Bild für nicht schlecht:

https://en.m.wikipedia.org/wiki/Tidal_force
https://en.m.wikipedia.org/wiki/Tidal_force#/media/File%3AField_tidal.svg

Ein kleines Problem bleibt: die Erklärung erfolgt zumeist ausschließlich mittels des Gesamt-Gravitationspotentials; die Erde rotiert sozusagen gegenüber der Verbindungslinie Erdemittelpukt - Mondmittelpunkt; dadurch läuft sie unter den beiden Hochwasserbergen weg, bzw. diese laufen um die Erde um, Hoch- und Niedrigeasser verschieben sich.

Wenn das alles wäre, dann würde das Wasser ggü. der Verbindungslinie Erdemittelpukt - Mondmittelpunkt ortsfest bleiben. Tatsächlich bleibt das Wasser jedoch (näherungsweise) ggü. dem Meeresboden ortsfest, es rotiert mit der Erde mit. Um dies zu betrachten muss man den Effekt der Zentrifugalkräfte berücksichtigen; siehe dazu hier:

https://de.m.wikipedia.org/wiki/Gezeiten#Erkl%C3%A4rung_der_Gezeiten_und_Berechnung_von_Gezeitenbeschleunigungen_an_ausgew%C3%A4hlten_Punkten
https://de.m.wikipedia.org/wiki/Gezeiten#/media/Datei%3AGezeitenkr%C3%A4fteErdoberfl%C3%A4che.png

_________________
Niels Bohr brainwashed a whole generation of theorists into thinking that the job (interpreting quantum theory) was done 50 years ago.
A.T.



Anmeldungsdatum: 06.02.2010
Beiträge: 343

Beitrag A.T. Verfasst am: 26. Dez 2018 20:53    Titel: Antworten mit Zitat

TomS hat Folgendes geschrieben:
Um dies zu betrachten muss man den Effekt der Zentrifugalkräfte berücksichtigen; siehe dazu hier:

https://de.m.wikipedia.org/wiki/Gezeiten#Erkl%C3%A4rung_der_Gezeiten_und_Berechnung_von_Gezeitenbeschleunigungen_an_ausgew%C3%A4hlten_Punkten
https://de.m.wikipedia.org/wiki/Gezeiten#/media/Datei%3AGezeitenkr%C3%A4fteErdoberfl%C3%A4che.png


Das was dort bei Wikipedia als "Zentrifugalkraft" bezeichnet wird, ist nicht die radial wirkende Traegehtskraft (mw^2r), die sich aus der Rotation eines Bezugssystems ergbit, und ortsabhaengig ist. Es ist viel mehr eine uniforme lineare Traegehtskraft (-ma), die sich aus der Kreisbewegung des Bezugssystem-Urspungs ergibt, und ortsunabhaengig aber zeitabhaengig ist.

Das hier ist eine gute Erklaerung mit Formeln und Animationen:
https://www.vialattea.net/maree/eng/index.htm
A.T.



Anmeldungsdatum: 06.02.2010
Beiträge: 343

Beitrag A.T. Verfasst am: 27. Dez 2018 16:29    Titel: Re: Gezeiten Antworten mit Zitat

Colbitz hat Folgendes geschrieben:

ich habe eine Frage zu Gezeiten. Je mehr man darüber liest, desto komplizierter wird es. Wäre die Erdoberfläche eine mächtige Wasserhülle, dann gäbe es aufgrund der gravitativen Zentripetal- und der Zentrifugalkraft zwei Flutberge. Wie kommt das aber zustande?

Im inertiallen Beszugssystem gibt es keine Zentrifugalkraft oder sonstige Traegheitskraefte, nur die gravitative Zentripetalkarf, die ungleichmaessig auf den Koerper wirkt, und ihn daher streckt. Der Gradient der Gravitationskraft muss also ganz alleine die Gezeiten erklaeren, ohne Traegheitskraefte. Wenn du drei Autos mit Gummibaendern verbindest und sie geben dann unterschiedlich viel Gas (vorne am meisten, hinten am schwachsten), dann streckt sich das ganze auch. Das gleiche passiert mit einem Koerper im ungleichmaessigen Gravitationsfeld.

In irgendeinen nicht inertiallen Bezugssystem hast du immer noch den gleichen Gravitations-Gradienten der immer noch den ganzen Gezeiteneffekt ganz alleine erklaert. Die zusaetzlichen Traegheitskraefte, die in diesem System auftreten koennen (Zentrifugal, Coriliolis, lineare Traeghetiskaft), brauchts du fuer die die Erkaerung des Gezeiteneffekts also wieder nicht. Deren Wikungen musen sich in Hinsicht auf Defomation aufheben.

Kurzgefasst: Bezugssystem-unabhaengige Effekte (wie Gezeiten) muessen vollstaendig mit Bezugssystem-unabhaengigen Kraeften (wie Gravitations-Gradient) erklaerbar sein, nicht mit Hilfe von Bezugssystem-abhaengigen Kraeften (wie Zentrifugalkraft).

Mehr hier:
https://www.vialattea.net/maree/eng/index.htm


Zuletzt bearbeitet von A.T. am 27. Dez 2018 17:13, insgesamt einmal bearbeitet
index_razor



Anmeldungsdatum: 14.08.2014
Beiträge: 3259

Beitrag index_razor Verfasst am: 27. Dez 2018 16:46    Titel: Re: Gezeiten Antworten mit Zitat

A.T. hat Folgendes geschrieben:

Mehr hier:
https://www.vialattea.net/maree/eng/index.htm


Bitte auch den dort zitierten Artikel von Donald Simanek über "Tidal misconceptions" lesen. (Der angegebene link ist leider tot, der Artikel kann aber hier gefunden werden.)

Die verschiedene Variationen der Erklärung der Gezeiteneffekte mit Trägheitskräften bezeichnet Simanek als "didaktikogenic misconceptions about physics", also eine Art von Fehlvorstellung physikalischer Phänomene, die leider von Lehrbuch zu Lehrbuch perpetuiert werden und denen vermutlich viele Autoren selbst unterliegen. Auf der Seite finden sich noch einige andere von Quantenphysik bis Relativitätstheorie.
DrStupid



Anmeldungsdatum: 07.10.2009
Beiträge: 5054

Beitrag DrStupid Verfasst am: 27. Dez 2018 19:50    Titel: Re: Gezeiten Antworten mit Zitat

index_razor hat Folgendes geschrieben:
Die verschiedene Variationen der Erklärung der Gezeiteneffekte mit Trägheitskräften bezeichnet Simanek als "didaktikogenic misconceptions about physics", also eine Art von Fehlvorstellung physikalischer Phänomene, die leider von Lehrbuch zu Lehrbuch perpetuiert werden und denen vermutlich viele Autoren selbst unterliegen.


Das ist aber auch nicht über jeden Zweifel erhaben. Da wird beispielsweise behauptet, "in a coordinate system rotating about the barycenter of the earth-moon system [...] the centrifugal force on a mass anywhere on or within the earth is of constant size and direction", was offensichtlich falsch ist. Tatsächlich sind die Zentrifugalkräfte auf einen Probekörper in einem rotierenden Bezugssystem überall proportional zu seinem Abstand von der Rotationsachse und so ein inhomogenes Kraftfeld trägt zwangsläufig zur Deformation der Erde bei. Die korrekte Begründung, warum es keinen signifikanten Anteil an den Gezeiten hat, ist nicht so einfach, wie der Autor es gern hätte.
A.T.



Anmeldungsdatum: 06.02.2010
Beiträge: 343

Beitrag A.T. Verfasst am: 27. Dez 2018 20:35    Titel: Re: Gezeiten Antworten mit Zitat

DrStupid hat Folgendes geschrieben:
index_razor hat Folgendes geschrieben:
https://www.lockhaven.edu/~dsimanek/scenario/tides.htm


Das ist aber auch nicht über jeden Zweifel erhaben. Da wird beispielsweise behauptet, "in a coordinate system rotating about the barycenter of the earth-moon system [...] the centrifugal force on a mass anywhere on or within the earth is of constant size and direction", was offensichtlich falsch ist. Tatsächlich sind die Zentrifugalkräfte auf einen Probekörper in einem rotierenden Bezugssystem überall proportional zu seinem Abstand von der Rotationsachse

Ja, wie ich in post 3 schreibe ist oft nicht die uebliche Zentrifugalkraft gemeint. Simanek ubernimmt die irrefuerhende Bezeichung aus den falschen Erklaerungen, er meint aber das Richtige. Sirtoli ist da viel klarer.


DrStupid hat Folgendes geschrieben:
... und so ein inhomogenes Kraftfeld trägt zwangsläufig zur Deformation der Erde bei.

Eine radiale Kraft, die proportional zum Abstand von der Rotationsachse ist, wuerde, selbst wenn sie ganz alleine wirken wuede, keine Beule auf einer Seite erzeugen, auch wenn die Rotationsachse nicht im Zentrum der Kugel liegt, (Siehe Fig 12 bei Sirtoli). Aber natuerlich wirkt sie nicht mal alleine, sondern wird von der Coriolis-Kraft aufgehoben, wie er weiter unten zeigt.

https://www.vialattea.net/maree/eng/index.htm
index_razor



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Beiträge: 3259

Beitrag index_razor Verfasst am: 27. Dez 2018 21:04    Titel: Re: Gezeiten Antworten mit Zitat

DrStupid hat Folgendes geschrieben:

Das ist aber auch nicht über jeden Zweifel erhaben.


Das natürlich nicht. Aber deswegen habe ich auch nicht auf den Artikel verwiesen, sondern weil er m.E. im Vergleich zu vielen anderen Quellen weit mehr richtig stellt, als durcheinander bringt.

Zitat:

Da wird beispielsweise behauptet, "in a coordinate system rotating about the barycenter of the earth-moon system [...] the centrifugal force on a mass anywhere on or within the earth is of constant size and direction", was offensichtlich falsch ist.


Ich denke das Argument, welches hier eigentlich gemacht werden soll, steht weiter unten (meine Hervorhebung):

"The motion of the earth about the earth-moon center of mass, causes every point on or within the earth to move in an arc of the same radius. This is a geometric result that some books totally ignore, or fail to illustrate properly. Therefore every point on or within the earth experiences a centripetal force of the same size and direction at any given time. (If you are analyzing this in a non-inertial system rotating about the barycenter, we would say that every point on or within the earth experiences a centrifugal force of the same size and direction at any given time.)"

Er redet also eigentlich von einer Situation, in der jeder Punkt innerhalb der Erde dieselbe Zentripetalkraft erfährt. Im mitrotierenden System würde nur das Brayzentrum ruhen und alle anderen Punkte immer noch eine Bewegung ausführen. Das Resultat müßte sich also aus irgendeiner Überlagerung von Zentrifugal- und Corioliskraft ergeben. (Also liegt wahrscheinlich nur ein terminologisches Problem vor.)

Zitat:
Tatsächlich sind die Zentrifugalkräfte auf einen Probekörper in einem rotierenden Bezugssystem überall proportional zu seinem Abstand von der Rotationsachse und so ein inhomogenes Kraftfeld trägt zwangsläufig zur Deformation der Erde bei.


Die Kraft, die in dem zitierten Abschnitt oben beschrieben wird, kann die Erde aber m.E. nicht deformieren.
DrStupid



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Beitrag DrStupid Verfasst am: 27. Dez 2018 22:14    Titel: Re: Gezeiten Antworten mit Zitat

A.T. hat Folgendes geschrieben:
Ja, wie ich in post 3 schreibe ist oft nicht die uebliche Zentrifugalkraft gemeint. Simanek ubernimmt die irrefuerhende Bezeichung aus den falschen Erklaerungen, er meint aber das Richtige.


Er schreibt ausdrücklich von Zentrifugalkräften in einem um den Masseschwerpunkt rotierenden Bezugssystem. Das lässt keinen Spielraum für Interpretationen.

A.T. hat Folgendes geschrieben:
DrStupid hat Folgendes geschrieben:
... und so ein inhomogenes Kraftfeld trägt zwangsläufig zur Deformation der Erde bei.

Eine radiale Kraft, die proportional zum Abstand von der Rotationsachse ist, wuerde, selbst wenn sie ganz alleine wirken wuede, keine Beule auf einer Seite erzeugen, auch wenn die Rotationsachse nicht im Zentrum der Kugel liegt, (Siehe Fig 12 bei Sirtoli).


Eine Beule auf einer Seite ist nicht die einzig mögliche Deformation

A.T. hat Folgendes geschrieben:
Aber natuerlich wirkt sie nicht mal alleine, sondern wird von der Coriolis-Kraft aufgehoben, wie er weiter unten zeigt.


Die Corioliskraft könnte die Zentrifugalkraft nur dann aufheben, wenn die Erde im Inertialsystem nicht rotieren würde. Das tut sie aber offensichtlich.
index_razor



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Beitrag index_razor Verfasst am: 27. Dez 2018 22:26    Titel: Antworten mit Zitat

In dem Bezugssystem, dessen Ursprung im Baryzentrum liegt und dessen eine Achse immer Richtung Mond zeigt, kompensiert die Corioliskraft die isotrope Komponente der Zentrifugalkraft. Was übrigbleibt ist eine über die gesamte Erde homogene Komponente. Diese führt zu keiner Deformation. (Das wird von Sirtoli vorgerechnet, und ich denke von diesem System spricht Simanek. Aber du hast recht, die Bezeichnung "Zentrifugalkraft" ist für homogenen Anteil allein falsch.)

Die Eigenrotation der Erde wird in beiden Artikeln ignoriert, weil sie nichts mit den Gezeitenkräften zu tun hat und auch in den falschen Erklärungen nicht verwendet wird.


Zuletzt bearbeitet von index_razor am 27. Dez 2018 22:31, insgesamt einmal bearbeitet
DrStupid



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Beitrag DrStupid Verfasst am: 27. Dez 2018 22:31    Titel: Re: Gezeiten Antworten mit Zitat

index_razor hat Folgendes geschrieben:
Ich denke das Argument, welches hier eigentlich gemacht werden soll, steht weiter unten (meine Hervorhebung):

"The motion of the earth about the earth-moon center of mass, causes every point on or within the earth to move in an arc of the same radius. [...]"


Was der Autor hier beschreibt ist - anders als im ersten Zitat - keine Rotation um den Masseschwerpunkt, sondern eine reine Translation entlang irgendeiner Kreisbahn und die resultierende Trägheitskraft im mitbewegten Bezugssystem ist keine Zentrifugalkraft. Also entweder irrt er sich bezüglich der Zentrifugalkräfte im rotierenden Bezugssystem oder er bringt völlig verschiedene Bezugssysteme und Scheinkräfte durcheinander. Solche Fehler dürfen Laien passieren, aber nicht jemandem, der korrigieren will, was "some books totally ignore, or fail to illustrate properly".
index_razor



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Beiträge: 3259

Beitrag index_razor Verfasst am: 27. Dez 2018 22:37    Titel: Re: Gezeiten Antworten mit Zitat

DrStupid hat Folgendes geschrieben:
index_razor hat Folgendes geschrieben:
Ich denke das Argument, welches hier eigentlich gemacht werden soll, steht weiter unten (meine Hervorhebung):

"The motion of the earth about the earth-moon center of mass, causes every point on or within the earth to move in an arc of the same radius. [...]"


Was der Autor hier beschreibt ist - anders als im ersten Zitat - keine Rotation um den Masseschwerpunkt, sondern eine reine Translation entlang irgendeiner Kreisbahn und die resultierende Trägheitskraft im mitbewegten Bezugssystem ist keine Zentrifugalkraft. Also entweder irrt er sich bezüglich der Zentrifugalkräfte im rotierenden Bezugssystem oder er bringt völlig verschiedene Bezugssysteme und Scheinkräfte durcheinander.


Kann sein. Oder du irrst dich bzgl. des Systems, welches er betrachtet. Siehe meinen vorigen Beitrag: ich denke er spricht von dem rotierenden System, welches in Sirtolis Artikel unter "Tricky but educational" beschrieben wird. In diesem existiert eine Zentrifugalkraft und der terminologische Fehler erscheint mir minimal und entschuldbar. Man kann ihm vielleicht vorwerfen, daß er nicht klar definiert, von welchem BS er spricht. Dennoch, im Zweifel neige ich zur wohlwollenderen Interpretation.
DrStupid



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Beitrag DrStupid Verfasst am: 27. Dez 2018 22:54    Titel: Re: Gezeiten Antworten mit Zitat

index_razor hat Folgendes geschrieben:
ich denke er spricht von dem rotierenden System, welches in Sirtolis Artikel unter "Tricky but educational" beschrieben wird. In diesem existiert eine Zentrifugalkraft und der terminologische Fehler erscheint mir minimal und entschuldbar.


Sirtolis beschreibt ein nicht rotierendes System ("It is not rotating, it is translating.") und in nicht rotierenden Systemen gibt es keine Zentrifugakraft.
A.T.



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Beitrag A.T. Verfasst am: 28. Dez 2018 07:38    Titel: Re: Gezeiten Antworten mit Zitat

DrStupid hat Folgendes geschrieben:
index_razor hat Folgendes geschrieben:
ich denke er spricht von dem rotierenden System, welches in Sirtolis Artikel unter "Tricky but educational" beschrieben wird. In diesem existiert eine Zentrifugalkraft und der terminologische Fehler erscheint mir minimal und entschuldbar.


Sirtolis beschreibt ein nicht rotierendes System ("It is not rotating, it is translating.)"

Das sagt Sirtoli unter "Case 2: the inertial reference system" nicht unter "Case 3: tricky but educational" das index_razor meint. Ausserdem meint er die Erde nicht das Bezugssystem. Er ignoriert die Eigenrotation der Erde bei allen Betrachtungen, weil diese nur fur die Frequenz der Gezeiten relevant ist, nicht fur die Gezeiten-Deformation selbst.

Unter "Case 3: tricky but educational" rotiert das BS, daher gibt eine Zentrifugalkraft.


Zuletzt bearbeitet von A.T. am 28. Dez 2018 07:59, insgesamt einmal bearbeitet
A.T.



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Beiträge: 343

Beitrag A.T. Verfasst am: 28. Dez 2018 07:56    Titel: Re: Gezeiten Antworten mit Zitat

DrStupid hat Folgendes geschrieben:

A.T. hat Folgendes geschrieben:
Aber natuerlich wirkt sie nicht mal alleine, sondern wird von der Coriolis-Kraft aufgehoben, wie er weiter unten zeigt.


Die Corioliskraft könnte die Zentrifugalkraft nur dann aufheben, wenn die Erde im Inertialsystem nicht rotieren würde. Das tut sie aber offensichtlich.


Die Eigenrotation der Erde erzeugt die Aequator-Beule, die aber mit der Gezeiten-Defomation nichts zu tun hat. Daher wird die Eigenrotation der Erde von Sirtoli explizit ignoriert.
DrStupid



Anmeldungsdatum: 07.10.2009
Beiträge: 5054

Beitrag DrStupid Verfasst am: 28. Dez 2018 17:53    Titel: Re: Gezeiten Antworten mit Zitat

A.T. hat Folgendes geschrieben:
Das sagt Sirtoli unter "Case 2: the inertial reference system" nicht unter "Case 3: tricky but educational" das index_razor meint.


In diesem Bezugssystem gibt es zwar Zentrifugalkräfte, aber die sind nicht überall gleich (siehe Fig. 12). Egal wie Du es drehst und wendest - die von mir beanstandete Aussage bleibt falsch. Und wenn man das als minimalen und entschuldbaren terminologischen Fehler einstuft, dann muss man diesen Maßstab konsequenterweise auch an alle anderen falschen Erklärungen anlegen und wohlwollend annnehmen, dass der Autor schon das richtige gemeint haben wird. Wo will man dann aber die Grenze zwischen falsch und "nur" falsch fomuliert ziehen?

A.T. hat Folgendes geschrieben:
Ausserdem meint er die Erde nicht das Bezugssystem.


Und das Bezugssystem ist an die Erde gebunden. Weiter oben schreibt er es auch explit auch für das Bezugssystem selbst: "This RS does not rotate, [...]"

A.T. hat Folgendes geschrieben:
Er ignoriert die Eigenrotation der Erde bei allen Betrachtungen, weil diese nur fur die Frequenz der Gezeiten relevant ist, nicht fur die Gezeiten-Deformation selbst.


Dass die Zentrifugalkräften keinen signifikanten Einfluss auf die Gezeiten-Deformation haben, hatte ich oben schon geschrieben. Wenn man das aber begründen will, dann sollte man es richtig machen.
index_razor



Anmeldungsdatum: 14.08.2014
Beiträge: 3259

Beitrag index_razor Verfasst am: 28. Dez 2018 19:00    Titel: Re: Gezeiten Antworten mit Zitat

DrStupid hat Folgendes geschrieben:
A.T. hat Folgendes geschrieben:
Das sagt Sirtoli unter "Case 2: the inertial reference system" nicht unter "Case 3: tricky but educational" das index_razor meint.


In diesem Bezugssystem gibt es zwar Zentrifugalkräfte, aber die sind nicht überall gleich (siehe Fig. 12). Egal wie Du es drehst und wendest - die von mir beanstandete Aussage bleibt falsch.


Das ist doch schon längst zugegeben und richtiggestellt. Konstant ist die Summe aus Zentrifugal- und Corioliskraft. Der Fehler besteht also darin, daß "Zentrifugalkraft" genannt wird, was eigentlich die Summe aus Zentrifugal- und Corioliskraft ist. Das ist an der Stelle aber irrelevant, denn lediglich die Konstanz der Summe der Trägheitskräfte ist das wesentliche an der Sache. Denn eine konstante Kraft kann keine Deformation bewirken. Also taugen Trägheitskräfte (egal welche) auch nicht zur Erklärung der Gezeitendeformation. Das ist doch der Punkt. Und daß die Trägheitskräfte in dem beschriebenem Bezugssystem konstant sind, stimmt ja. Es handelt sich nur nicht um die Zentrifugalkraft allein.

Zitat:

Und wenn man das als minimalen und entschuldbaren terminologischen Fehler einstuft, dann muss man diesen Maßstab konsequenterweise auch an alle anderen falschen Erklärungen anlegen und wohlwollend annnehmen, dass der Autor schon das richtige gemeint haben wird. Wo will man dann aber die Grenze zwischen falsch und "nur" falsch fomuliert ziehen?


Da ich glaube den Artikel recht aufmerksam gelesen zu haben, traue ich mir die Unterscheidung schon zu. Wenn es ein Artikel über die verschiedenen Arten von Trägheitskräften und deren Berechnung in verschiedenen beschleunigten Bezugssystemen wäre, würde ich dir absolut recht geben.

Eine seiner Grundaussagen ist aber gerade, daß die Trägheitskräfte der Rotation von Erde und Mond um den gemeinsamen Schwerpunkt nichts mit er Erklärung der Gezeitenberge zu tun haben. Und zwar deshalb, weil die Berechnung stets in einem Inertialsystemen durchgeführt werden kann, in dem diese Kräfte gar nicht auftreten. Stattdessen ist u.a. die Ortsabhängigkeit der Gravitationskraft für den Effekt verantwortlich. Und das ist eine korrekte Erklärung, keine falsche.

Das einzige, was man über die erwähnten Trägheitskräfte aus dem Artikel entnehmen muß, ist, daß sie konstant sind, folglich keine Deformation bewirken und ohnehin stets wegtransformiert werden können, was ebenfalls korrekt ist.

Zitat:

A.T. hat Folgendes geschrieben:
Er ignoriert die Eigenrotation der Erde bei allen Betrachtungen, weil diese nur fur die Frequenz der Gezeiten relevant ist, nicht fur die Gezeiten-Deformation selbst.


Dass die Zentrifugalkräften keinen signifikanten Einfluss auf die Gezeiten-Deformation haben, hatte ich oben schon geschrieben. Wenn man das aber begründen will, dann sollte man es richtig machen.


Niemand wollte begründen, daß die Zentrifugalkräfte der Erdrotation keinen signifikanten Einfluß auf die Gezeitendeformation haben. Also geht dein Einwand hier ins Leere.
DrStupid



Anmeldungsdatum: 07.10.2009
Beiträge: 5054

Beitrag DrStupid Verfasst am: 28. Dez 2018 20:59    Titel: Re: Gezeiten Antworten mit Zitat

index_razor hat Folgendes geschrieben:
Konstant ist die Summe aus Zentrifugal- und Corioliskraft.


Die ist entweder Null und hat keine Richtung (wenn man die Rotation der Erde vernachlässigt) oder nicht konstant (wenn man die Erdrotation berücksichtigt). Stattdessen ist aber von einer "Zentrifugalkraft" die Rede, die überall den gleichen Betrag und die gleiche Richtung hat. Das ist offensichtlich nicht dasselbe.

index_razor hat Folgendes geschrieben:
Eine seiner Grundaussagen ist aber gerade, daß die Trägheitskräfte der Rotation von Erde und Mond um den gemeinsamen Schwerpunkt nichts mit er Erklärung der Gezeitenberge zu tun haben.


Das ist mir schon klar und das habe ich auch gar nicht bemängelt. Ich habe nur darauf hingewiesen, dass seine Begründung für diese Grundaussage falsch ist. Entweder macht er eine falsche Aussage über Zentrifugalkräfte oder er bringt verschiedene Bezugssysteme und Scheinkräfte durcheinander. Beides ist falsch, egal wie sehr Du es Dir schönredest.

index_razor hat Folgendes geschrieben:
Und zwar deshalb, weil die Berechnung stets in einem Inertialsystemen durchgeführt werden kann, in dem diese Kräfte gar nicht auftreten.


Das ist kein zulässiges Argument. Die Abplattung der Erde kann man auch im Inertialsystem berechnen, in dem es keine Zentrifugal- und Corioliskräfte gibt. Trotzdem sind letztere im rotierenden Bezugssystem an der Abplattung beteiligt und im Ruhesystem der Erde sogar ganz allein dafür verantwortlich.

index_razor hat Folgendes geschrieben:
Stattdessen ist u.a. die Ortsabhängigkeit der Gravitationskraft für den Effekt verantwortlich.


Gerade deshalb muss man begründen warum die Ortsabhängigkeit der Zentrifugalkräfte in einem rotierenden Bezugssystem nicht dafür verantwortlich ist.

index_razor hat Folgendes geschrieben:
Das einzige, was man über die erwähnten Trägheitskräfte aus dem Artikel entnehmen muß, ist, daß sie konstant sind, folglich keine Deformation bewirken und ohnehin stets wegtransformiert werden können, was ebenfalls korrekt ist.


Eine Behauptung ist nicht richtig nur weil sie zum richtigen Ergebnis führt. Zur Erinnerung: Wir reden über einen Artikel, in dem es um "didaktikogenic misconceptions about physics" geht und der richtig stellen will, was "some books totally ignore, or fail to illustrate properly". Da sollte nicht nur das Ziel stimmen sondern auch jeder einzelne Schritt dorthin. Wie will er denn mit falschen Vorstellungen aufräumen, wenn er selbst falsche Vorstellungen verbreitet und wie soll man sicher sein, dass ihm die Fehler, die er beim Schreiben macht, nicht vorher schon beim Lesen unterlaufen sind?

index_razor hat Folgendes geschrieben:
Niemand wollte begründen, daß die Zentrifugalkräfte der Erdrotation keinen signifikanten Einfluß auf die Gezeitendeformation haben. Also geht dein Einwand hier ins Leere.


Wenn das niemand begründen wollte, was soll dann die ganze Diskussion? Wenn man inhomogene Kraftfelder ohne Begründung unter den Tisch fallen lassen darf, dann würde doch die bloße Behauptung genügen, dass nur die Gezeitenkräfte für die Gezeitendeformation verantwortlich sind.
index_razor



Anmeldungsdatum: 14.08.2014
Beiträge: 3259

Beitrag index_razor Verfasst am: 28. Dez 2018 23:32    Titel: Re: Gezeiten Antworten mit Zitat

DrStupid hat Folgendes geschrieben:
index_razor hat Folgendes geschrieben:
Konstant ist die Summe aus Zentrifugal- und Corioliskraft.


Die ist entweder Null und hat keine Richtung (wenn man die Rotation der Erde vernachlässigt) oder nicht konstant (wenn man die Erdrotation berücksichtigt).


Das stimmt nicht. (siehe "Case 3: tricky but educational" im Artikel von Sirtoli).

(EDIT: meine Aussage stimmt allerdings auch nicht. Ich habe die Zentripetalkraft der Rotation um den Erdmittelpunkt in diesem Bezugssystem vergessen. Richtig ist also: "Corioliskraft + Zentrifugalkraft - Zentripetalkraft = konstant." Ich glaube Sirtoli bezeichnet die letzten beiden Terme zusammenfassend als "Zentrifugalkraft". Jedenfalls behauptet er mehrmals, daß die Corioliskraft die radialen Anteile der Zentrifugalkraft aufhebt und nur den konstanten Teil übrigläßt.)

Zitat:

index_razor hat Folgendes geschrieben:
Eine seiner Grundaussagen ist aber gerade, daß die Trägheitskräfte der Rotation von Erde und Mond um den gemeinsamen Schwerpunkt nichts mit er Erklärung der Gezeitenberge zu tun haben.


Das ist mir schon klar und das habe ich auch gar nicht bemängelt. Ich habe nur darauf hingewiesen, dass seine Begründung für diese Grundaussage falsch ist. Entweder macht er eine falsche Aussage über Zentrifugalkräfte oder er bringt verschiedene Bezugssysteme und Scheinkräfte durcheinander. Beides ist falsch, egal wie sehr Du es Dir schönredest.


Wie oft muß ich denn noch wiederholen, daß seine Aussage über die Zentrifugalkraft falsch ist, bis du merkst, daß ich mir nichts schönrede? Ihre Falschheit ist nur weit weniger problematisch für das Argument, als es ihre Korrektheit wäre. Das erkennt man m.E. daran, daß man das Wort "Zentrifugalkraft" an jeder Stelle durch "Trägheitskraft" ersetzen kann und damit alle Probleme löst. (Übrigens, das ist praktisch die Definition von "terminologischem Fehler".) Wenn sie hingegen wörtlich wahr wäre, gäbe es eine resultierende inhomogene Trägheitskraft in dem rotierenden Bezugssystem, die das ganze Argument unterminiert.

Zitat:

index_razor hat Folgendes geschrieben:
Und zwar deshalb, weil die Berechnung stets in einem Inertialsystemen durchgeführt werden kann, in dem diese Kräfte gar nicht auftreten.


Das ist kein zulässiges Argument. Die Abplattung der Erde kann man auch im Inertialsystem berechnen, in dem es keine Zentrifugal- und Corioliskräfte gibt. Trotzdem sind letztere im rotierenden Bezugssystem an der Abplattung beteiligt und im Ruhesystem der Erde sogar ganz allein dafür verantwortlich.


Ich halte das Argument für zulässig, aber das wäre m.E. eine völlig andere Diskussion.

Wichtig ist an dieser Stelle aber auch in erster Linie zu verstehen, daß man Zentrifugalkräfte überhaupt nur in Erwägung ziehen kann, wenn man sich in einem rotierenden Bezugssystem befindet (was die kritisierten Bücher nicht für erwähnenswert halten), und daß nicht Zentrifugalkräfte den mondabgewandten und Gravitationskräfte den mondzugewandten Flutberg erzeugen (wie es ebenfalls behauptet wird).

Zitat:

index_razor hat Folgendes geschrieben:
Stattdessen ist u.a. die Ortsabhängigkeit der Gravitationskraft für den Effekt verantwortlich.


Gerade deshalb muss man begründen warum die Ortsabhängigkeit der Zentrifugalkräfte in einem rotierenden Bezugssystem nicht dafür verantwortlich ist.


Es würde reichen, wenn er statt von "Zentrifugalkräften" allgemeiner von "Trägheitskräften" redet. Denn um die Zentrifugalkräfte (im echten Sinne des Wortes) geht es, wie gesagt, gar nicht, sondern darum, daß homogene Kräfte nichts deformieren.

Zitat:

index_razor hat Folgendes geschrieben:
Das einzige, was man über die erwähnten Trägheitskräfte aus dem Artikel entnehmen muß, ist, daß sie konstant sind, folglich keine Deformation bewirken und ohnehin stets wegtransformiert werden können, was ebenfalls korrekt ist.


Eine Behauptung ist nicht richtig nur weil sie zum richtigen Ergebnis führt. Zur Erinnerung: Wir reden über einen Artikel, in dem es um "didaktikogenic misconceptions about physics" geht und der richtig stellen will, was "some books totally ignore, or fail to illustrate properly". Da sollte nicht nur das Ziel stimmen sondern auch jeder einzelne Schritt dorthin. Wie will er denn mit falschen Vorstellungen aufräumen, wenn er selbst falsche Vorstellungen verbreitet [...]?


Vielleicht wird dir die Antwort darauf klar, wenn du über folgende Situation nachdenkst: Angenommen jemand fragt nach einer Erklärung für den Gezeiteneffekt auf elementarem Niveau, hat aber als mögliche Quellen nur folgende Optionen

a) den Artikel von Simanek, oder
b) eines der darin kritisierten Bücher.

Was würdest du empfehlen?

Die Behauptung der Artikel verbreite Vorstellungen, deren Falschheit auch nur entfernt an die der darin kritisierten heranreichen, hielte ich jedenfalls für völlig absurd.

Zitat:

index_razor hat Folgendes geschrieben:
Niemand wollte begründen, daß die Zentrifugalkräfte der Erdrotation keinen signifikanten Einfluß auf die Gezeitendeformation haben. Also geht dein Einwand hier ins Leere.


Wenn das niemand begründen wollte, was soll dann die ganze Diskussion? Wenn man inhomogene Kraftfelder ohne Begründung unter den Tisch fallen lassen darf, dann würde doch die bloße Behauptung genügen, dass nur die Gezeitenkräfte für die Gezeitendeformation verantwortlich sind.


Hast du den Artikel eigentlich wirklich gelesen?

Einer seiner Kritikpunkte ist, daß eine hinreichend präzise Definition von "Gezeiteneffekt" oft vernachlässigt wird, bevor dessen angebliche Ursachen diskutiert werden, was dem Verständnis nicht gerade zuträglich sein soll.

Deswegen schlägt der Artikel schlägt folgende Definition für "Gezeiteneffekt" vor:

"The deformation of land and water of the earth due to the gravitational forces of the moon and sun acting on every part of the earth. This deformation results in two "tidal bulges" one on the side of the earth nearest the moon, and one on the opposite side. These "drive" all of the tidal phenomena with a periodicity synchronized with the moon's position in the sky."

Dies sollte die Frage beantworten, warum die Erdrotation hier irrelevant ist. Sie hat nicht den beschriebenen Effekt: "two tidal bulges, [...] synchronized with the moon's position" etc., sondern bewirkt eine gleichmäßige, statische äquatoriale Ausbeulung. M.a.W. nicht jede Deformation der Erde wird als "Gezeiteneffekt" behandelt. Das kann man nicht weiter begründen, das muß man definieren.
DrStupid



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Beitrag DrStupid Verfasst am: 29. Dez 2018 11:04    Titel: Re: Gezeiten Antworten mit Zitat

index_razor hat Folgendes geschrieben:
Wenn sie hingegen wörtlich wahr wäre, gäbe es eine resultierende inhomogene Trägheitskraft in dem rotierenden Bezugssystem, die das ganze Argument unterminiert.


Und genau das ist das Problem. Ich würde nicht auf diesem Fehler herumreiten, wenn er für die Argumentation irrelevant wäre.

index_razor hat Folgendes geschrieben:
Wichtig ist an dieser Stelle aber auch in erster Linie zu verstehen, daß man Zentrifugalkräfte überhaupt nur in Erwägung ziehen kann, wenn man sich in einem rotierenden Bezugssystem befindet (was die kritisierten Bücher nicht für erwähnenswert halten), und daß nicht Zentrifugalkräfte den mondabgewandten und Gravitationskräfte den mondzugewandten Flutberg erzeugen (wie es ebenfalls behauptet wird).


Ob es erwähnenswert ist, dass die Zentrifugalkräfte nur in rotierenden Bezugssystemen auftreten, hängt von den Ansprüchen ab, die ein Lehrbuch an den Leser stellt. Und dass die Zentrifugalkraft keinen nennenswerten Anteil an den Gezeiten hat, liegt auch nicht allein daran, dass sie keinen Berg auf der gegenüberliegenden Seite (und nur auf der gegenüberliegenden Seite) erzeugen kann.

index_razor hat Folgendes geschrieben:
Vielleicht wird dir die Antwort darauf klar, wenn du über folgende Situation nachdenkst: Angenommen jemand fragt nach einer Erklärung für den Gezeiteneffekt auf elementarem Niveau, hat aber als mögliche Quellen nur folgende Optionen

a) den Artikel von Simanek, oder
b) eines der darin kritisierten Bücher.

Was würdest du empfehlen?


Da ich mich ungern auf das Urteil von jemandem verlasse, der Bezugssysteme und/oder Scheinkräfte durcheinander bringt, müsste ich die kritisierten Bücher erst einmal selbst lesen bevor ich diese Frage beantworte.

index_razor hat Folgendes geschrieben:

"The deformation of land and water of the earth due to the gravitational forces of the moon and sun acting on every part of the earth. This deformation results in two "tidal bulges" one on the side of the earth nearest the moon, and one on the opposite side. These "drive" all of the tidal phenomena with a periodicity synchronized with the moon's position in the sky."

Dies sollte die Frage beantworten, warum die Erdrotation hier irrelevant ist. Sie hat nicht den beschriebenen Effekt: "two tidal bulges, [...] synchronized with the moon's position" etc., sondern bewirkt eine gleichmäßige, statische äquatoriale Ausbeulung.


Nein, das beantwortet sie nicht. Wenn man einfach voraussetzen darf, dass die Rotation nur eine gleichmäßige, statische äquatoriale Ausbeulung bewirkt, ohne dies durch eine entsprechende Rechnung zu belegen, dann könnte man es sich bei den Gezeitenkräften genauso einfach machen und lediglich behaupten, dass sie zwei gegenüberliegende Berge verursachen, ohne dies im Detail vorzurechnen.

Davon abgesehen hat die Erdrotation einen Einfluss auf die Gezeiten. Ob dieser Einfluss signifikant ist oder nicht, kann man nicht allein auf Grundlage rein qualitativer Überlegungen beurteilen. Man muss zumindest grob die Größenordnung dieses Effektes abschätzen. Das lässt sich bei der Erde sehr einfach bewerkstelligen, indem man davon ausgeht, dass die Gezeitenkraft zwischen zwei Probekörpern annähernd proportional zu ihrem Abstand ist und dann den Äquatorradius mit dem einer Kugel mit dem Volumen der Erde vergleichen. Der Unterschied beträgt nur wenige Promille und ist somit vernachlässigbar. Angesichts des Aufwandes, der für die Behandlung der Gezeitenkräfte betrieben wurde, ist so eine Abschätzung sicher nicht zu viel verlangt.

Dass die Vernachlässigbarkeit der Rotation nicht selbstverständlich ist, sieht man spätestens bei der Herleitung der Roche-Grenze. Da muss sie berücksichtig werden, weil sie dafür sorgt, dass ein Mond entlang des Gravitations-Gradienten auseinander gerissen wird, lange bevor die Gezeitenkräfte groß genug dafür werden. Wer sich angewöhnt, die Rotation bei der Gezeitendeformation unter den Tisch fallen zu lassen, weil er von ihr nur eine gleichmäßige, statische äquatoriale Ausbeulung erwartet, wird hier auf Probleme stoßen.
index_razor



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Beitrag index_razor Verfasst am: 29. Dez 2018 11:37    Titel: Re: Gezeiten Antworten mit Zitat

DrStupid hat Folgendes geschrieben:

index_razor hat Folgendes geschrieben:
Vielleicht wird dir die Antwort darauf klar, wenn du über folgende Situation nachdenkst: Angenommen jemand fragt nach einer Erklärung für den Gezeiteneffekt auf elementarem Niveau, hat aber als mögliche Quellen nur folgende Optionen

a) den Artikel von Simanek, oder
b) eines der darin kritisierten Bücher.

Was würdest du empfehlen?


Da ich mich ungern auf das Urteil von jemandem verlasse, der Bezugssysteme und/oder Scheinkräfte durcheinander bringt, müsste ich die kritisierten Bücher erst einmal selbst lesen bevor ich diese Frage beantworte.


Reichen dir nicht die dort aus den monierten Büchern zitierten Abbildungen und Erklärungen? Die sprechen doch für sich selbst, ganz ohne daß du dich auf Simaneks Urteil verlassen müßtest.

Zitat:

index_razor hat Folgendes geschrieben:

"The deformation of land and water of the earth due to the gravitational forces of the moon and sun acting on every part of the earth. This deformation results in two "tidal bulges" one on the side of the earth nearest the moon, and one on the opposite side. These "drive" all of the tidal phenomena with a periodicity synchronized with the moon's position in the sky."

Dies sollte die Frage beantworten, warum die Erdrotation hier irrelevant ist. Sie hat nicht den beschriebenen Effekt: "two tidal bulges, [...] synchronized with the moon's position" etc., sondern bewirkt eine gleichmäßige, statische äquatoriale Ausbeulung.


Nein, das beantwortet sie nicht. Wenn man einfach voraussetzen darf, dass die Rotation nur eine gleichmäßige, statische äquatoriale Ausbeulung bewirkt, ohne dies durch eine entsprechende Rechnung zu belegen, dann könnte man es sich bei den Gezeitenkräften genauso einfach machen und lediglich behaupten, dass sie zwei gegenüberliegende Berge verursachen, ohne dies im Detail vorzurechnen.


Ist dir nicht aufgefallen, daß der Artikel überhaupt nichts vorrechnet? Er versucht in erster Linie ein paar grob falsche Erklärungen richtig zustellen, indem er rein qualitativ und auf elementarem Niveau die korrekten Aussagen gegenüberstellt. Das gelingt zum überwiegenden Teil, bis auf -- ich wiederhole es vorsichtshalber nochmal -- den Schnitzer mit der "Zentrifugalkraft".

Einen ähnlichen Fehler begeht Sirtoli anscheinend auch mit der Behauptung "The radial centrifugal field is canceled by the Coriolis' acceleration." Oder wie siehst du das? (Vgl. diese Behauptung Sirtolis mit seinen Gln. (12) und (13)).

Zitat:

Davon abgesehen hat die Erdrotation einen Einfluss auf die Gezeiten.


Die Erdrotation hat natürlich Einfluß auf die Gezeiten. Einige der Einflüsse werden auch in dem Artikel beschrieben. Lediglich die Zentrifugalkraft, die aus dieser Rotation resultiert, hat keinen Effekt auf das Phänomen, welches der Artikel als "Gezeiteneffekt" definiert und zu erklären versucht.
DrStupid



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Beitrag DrStupid Verfasst am: 29. Dez 2018 20:28    Titel: Re: Gezeiten Antworten mit Zitat

index_razor hat Folgendes geschrieben:
Reichen dir nicht die dort aus den monierten Büchern zitierten Abbildungen und Erklärungen?


Die Grafiken lassen zwar nichts Gutes erwarten, aber man muss trotzdem den Kontext berücksichtigen um die Bücher fair zu beurteilen. Wenn Dir das nicht einleuchtet, dann überleg einfach mal zu welchem Schluss jemand kommen würde, der Simaneks Artikel nur nach den Grafiken beurteilt. Das Beispiel ist zwar extrem, aber es zeigt wo das Problem liegt.

Darüber hinaus ist offensichtlich, dass Simanek einige Quellen nicht richtig versteht. Hier ein paar Beispiele:

Zitat:
We will see later that even when a rotating coordinate system is assumed for the purpose of analysis, the centrifugal forces have the same size and direction anywhere on or within the earth. The figure shows the arrows as clearly of different sizes, larger at points farthest from the barycenter. So what can they possibly mean?


Die bemängelte Darstellung ist korrekt. Simanek hält sie für falsch weil er nicht weiß was Zentrifugalkräfte sind.

Zitat:
4. A web site has this gem of wisdom: "As the earth and moon whirl around this common center-of-mass [the earth/moon barycenter], the centrifugal force produced is always directed away from the center of revolution." Is there anything wrong with this statement?
[…]
4. "The center of revolution" is ambiguous. It is not one point. Each point on earth revolves around its own center of revolution. Only the center of the earth revolves around the barycenter. And if you made a map of the centripetal forces everywhere on earth, they would all be parallel to the earth-moon line.


Dasselbe in grün. Auch hier wird Simanek seine eigene falsche Vorstellung von rotierenden Bezugssystemen und Zentrifugalkräften zum Verhängnis.

Zitat:
12. A textbook says "Tides are caused by the moon pulling on the ocean waters more strongly on the side nearest to the moon." If this were so, one would assume the catastrophe illustrated in the cartoon below. Why doesn't this happen?
[…]
12. This is, of course, a joke. However, as with so many absurd notions, this isn't easy to explain.


An der Darstellung ist nichts absurd. Die Gravitationskraft des Mondes ist auf der mondzugewandten Seite der Erde tatsächlich am größten - wenn auch viel kleiner als die Gravitation der Erde. Tatsachlich basiert auch Simanek eigene Argumentation auf genau dieser Inhomogenität des Gravitationsfeldes.

index_razor hat Folgendes geschrieben:
Ist dir nicht aufgefallen, daß der Artikel überhaupt nichts vorrechnet?


Die Aussage bezog sich auf den Artikel von Sirtoli. Simanek rechnet in der Tat nichts vor. Merkwürdigerweise kritisiert er das bei anderen Quellen:

Zitat:
In fact, such books don't really do any mathematical analysis, they just engage in verbal hand-waving.


Immerhin kommt er der Begründung für die Vernachlässigbarkeit der Rotation auch ohne Rechnung sehr nahe, indem er erwähnt, dass der Äquatorwulst nur 0,4% des Äquatorradius ausmacht. Es fehlt nur der Hinweis, dass das auch für die daraus resultierende Verstärkung der Gezeitenkräfte gilt.

Sirtoli macht es sich trotz aller Formeln in diesem Punkt viel zu einfach und behauptet die Abplattung "does not affects the tidal bulges at all.". Das bleibt nicht nur unbegründet, sondern ist mit diesem Wortlaut sogar falsch. Anstelle von "at all" müsste da etwas wie "not significantly" und im Idealfall auch noch eine grobe Abschätzung des Effektes stehen. Es ist natürlich möglich, dass Sirtoli sich des Einflusses der Rotation bewusst ist und ihn vernachlässigt weil er weiß, wie klein er bei der Erde ist. Dann wäre die Aussage nur unglücklich formuliert. Aber möglicherweise zieht er aus der Tatsache, dass die Rotation keine Gezeitendeformation hervorrufen kann, tatsächlich den falschen Schluss, dass sie die Tidenberge überhaupt nicht beeinflusst. Sicher ist, dass er den Leser zu diesem Trugschluss verleitet.

[quote="index_razor]Er versucht in erster Linie ein paar grob falsche Erklärungen richtig zustellen, indem er rein qualitativ und auf elementarem Niveau die korrekten Aussagen gegenüberstellt.[/quote]

Dagegen wäre nichts einzuwenden, wenn er dabei nicht auch ein paar richtige Aussagen als falsch darstellen würde.

index_razor hat Folgendes geschrieben:
Das gelingt zum überwiegenden Teil, bis auf -- ich wiederhole es vorsichtshalber nochmal -- den Schnitzer mit der "Zentrifugalkraft".


Und ich wiederhole noch mal, dass das kein Schnitzer sondern ein grober inhaltlicher Fehler ist. Seine falschen Vorstellungen von rotierenden Bezugssystemen und Zentrifugalkräften ziehen sich durch den kompletten Artikel. Das geht sogar soweit, dass korrekte Aussagen in anderen Quellen als falsch dargestellt werden (siehe oben).
A.T.



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Beitrag A.T. Verfasst am: 29. Dez 2018 21:57    Titel: Re: Gezeiten Antworten mit Zitat

DrStupid hat Folgendes geschrieben:
Es ist natürlich möglich, dass Sirtoli sich des Einflusses der Rotation bewusst ist und ihn vernachlässigt weil er weiß, wie klein er bei der Erde ist.

Bei der Erde gibt etliche weitere Einfluesse auf die Gezeiten (Gravation der Sonne, Landmassen), die Sirtoli auch vernachlässigt. Es geht ja auch nicht um eine quantitiative Vorhersage der tatsächlichen Gezeiten der Erde.
DrStupid



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Beitrag DrStupid Verfasst am: 29. Dez 2018 22:53    Titel: Re: Gezeiten Antworten mit Zitat

A.T. hat Folgendes geschrieben:
Bei der Erde gibt etliche weitere Einfluesse auf die Gezeiten (Gravation der Sonne, Landmassen), die Sirtoli auch vernachlässigt. Es geht ja auch nicht um eine quantitiative Vorhersage der tatsächlichen Gezeiten der Erde.


Von diesen Faktoren sagt er aber nicht explizit, dass sie die Tidenberge überhaupt nicht beeinflussen. Wie bereits gesagt: Das kann eine unglückliche Formulierung sein. Sie ist aber geeignet falsch verstanden zu werden.
A.T.



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Beitrag A.T. Verfasst am: 30. Dez 2018 05:22    Titel: Re: Gezeiten Antworten mit Zitat

DrStupid hat Folgendes geschrieben:
Wie bereits gesagt: Das kann eine unglückliche Formulierung sein. Sie ist aber geeignet falsch verstanden zu werden.


Ja stimmt, könnte man sauberer formulieren. Am Anfang des Absatzes wird auch deutlicher, dass es ihm bloß um die Existenz der Gezeiten-Deformation geht:

Paolo Sirtoli hat Folgendes geschrieben:
Since the Earth's rotation don't have any influence on the existence of the two tidal bulges, we will suppose that the Earth is not rotating.


Wenn Gezeiten-Deformation und Rotations-Deformation gleichzeitig auftreten gibt es natürlich eine Interaktion, wie bei fast allem.
A.T.



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Beitrag A.T. Verfasst am: 30. Dez 2018 05:48    Titel: Re: Gezeiten Antworten mit Zitat

Colbitz hat Folgendes geschrieben:

Strömt real Wasser zu G bzw. F, gibt es also eine Wassermassenverlagerung?

Die echten Wasserverlagerungungen haben mit dem einfachem 2-Beulen-Model wenig gemeinsam, weil sie zwar primär vom Mond-Gezeiten-Effekt angetrieben werden, aber durch Kontinente, Ozeantiefe usw. beeinflusst werden:

http://volkov.oce.orst.edu/tides/
https://de.wikipedia.org/wiki/Amphidromie

http://www.freegrab.net/Tide%20waves.gif
ML



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Beitrag ML Verfasst am: 30. Dez 2018 11:15    Titel: Re: Gezeiten Antworten mit Zitat

Hallo,

wie sieht es denn mit diesem Video aus? Mir springen dort zumindest keine groben Fehler ins Auge, außer vielleicht, dass das Bezugssystem, das zur Erklärung eingenomen wird, im Video nicht ruht.

https://www.youtube.com/watch?v=tc1lPAObWBc
(Youtube-Video der Bundesanstalt für Wasserbau: Gezeiten Entstehung und Phänomene)

Viele Grüße
Michael
DrStupid



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Beitrag DrStupid Verfasst am: 30. Dez 2018 19:48    Titel: Re: Gezeiten Antworten mit Zitat

ML hat Folgendes geschrieben:
wie sieht es denn mit diesem Video aus? Mir springen dort zumindest keine groben Fehler ins Auge, außer vielleicht, dass das Bezugssystem, das zur Erklärung eingenomen wird, im Video nicht ruht.


Dass das Bezugssystem nicht ruht ist kein grundsätzliches Problem. Da Sonne, Erde und Mond im Inertialsystem ständig in Bewegung sind, wäre ein ruhendes System auch nicht sonderlich gut geeignet. Das einzige was mir auffällt ist (wieder einmal) die irreführende Bezeichnung der im beschleunigten System auftretenden Scheinkraft als Fliehkraft. Da aber explizit erklärt wird, dass es sich um ein nicht-rotierendes System handelt und wie diese Trägheitskraft zustande kommt, ist trotzdem klar was gemeint ist. Ansonsten finde ich das Video sehr gelungen.
ML



Anmeldungsdatum: 17.04.2013
Beiträge: 3405

Beitrag ML Verfasst am: 31. Dez 2018 01:16    Titel: Re: Gezeiten Antworten mit Zitat

Hallo,

DrStupid hat Folgendes geschrieben:

Dass das Bezugssystem nicht ruht ist kein grundsätzliches Problem. Da Sonne, Erde und Mond im Inertialsystem ständig in Bewegung sind, wäre ein ruhendes System auch nicht sonderlich gut geeignet.

Ich glaube, wir reden ein wenig aneinander vorbei:

Die Rechnungen beschreiben die Situation aus Sicht eines beschleunigten Bezugssystem heraus (Beobachter sitzt auf einer Erde ohne Eigenrotation, aber mit Drehung um das Barizentrum -- sonst würde der Begriff Fliehkraft keinen Sinn ergeben). Das ist soweit ok.

Der Film zeigt die Situation jedoch aus einem anderen Bezugssystem, nämlich aus Sicht eines Bezugssystems, in dem das Barizentrum ruht (z. B. ab Minute 3:10).

Das ist nicht schlimm und in diesem Fall sicher auch nicht sehr missverständlich*. Ich werde meine Schüler, wenn ich den Film zeige, aber darauf aufmerksam machen.

Der Begriff "Fliehkraft" stört mich hier weniger. Unüblich ist, dass es nicht um eine Eigenrotation geht, sondern um eine Drehung mit anderer Drehachse.


Viele Grüße
Michael


* Wenn man bei einem sich drehenden Karussell von der Fliehkraft spricht, ist es auch nicht konsequent, ein sich drehendes Karussell zu zeigen, sondern man müsste konsquenterweise ein Video zeigen, das ein ruhendes Schaukelpferd vor einer sich drehenden und immer wiederkehrenden Landschaft zeigt.
VeryApe



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Beiträge: 3254

Beitrag VeryApe Verfasst am: 31. Dez 2018 05:15    Titel: Antworten mit Zitat

Zitat:
Der Film zeigt die Situation jedoch aus einem anderen Bezugssystem, nämlich aus Sicht eines Bezugssystems, in dem das Barizentrum ruht (z. B. ab Minute 3:10).


ja, was die da als Fliehkraft rot bezeichnen sind die Dalembert Trägheitskräfte, wenn man die Erde einfach auf einer Kreisbahn translaieren lässt. (Da werden wahrscheinlich ein Haufen Dipl Ing drinnen sitzen)

Ihr in der Physik müsstest m.E. die roten Pfeile umdrehen, strichliert zeichnen(oder irgendwie anders als tatsächlich wirkende Kraftpfeile) und davon reden, das es sich um erforderliches homogenes Zentripetalkraftfeld handelt.
Die Gravitationskraft erzeugt aber nicht so ein homogenes Feld, und die Differenz zwischen erforderlichen Feld für die Formerhaltung und tatsächlichen Feld führt zur Deformation

Das eine würde ich brauchen, das andere habe ich

_________________
WAS IST LOS IN EUROPA? https://www.youtube.com/watch?v=a9mduhSSC5w
index_razor



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Beiträge: 3259

Beitrag index_razor Verfasst am: 31. Dez 2018 08:13    Titel: Antworten mit Zitat

DrStupid hat Folgendes geschrieben:
index_razor hat Folgendes geschrieben:
Reichen dir nicht die dort aus den monierten Büchern zitierten Abbildungen und Erklärungen?


Die Grafiken lassen zwar nichts Gutes erwarten, aber man muss trotzdem den Kontext berücksichtigen um die Bücher fair zu beurteilen. Wenn Dir das nicht einleuchtet, dann überleg einfach mal zu welchem Schluss jemand kommen würde, der Simaneks Artikel nur nach den Grafiken beurteilt. Das Beispiel ist zwar extrem, aber es zeigt wo das Problem liegt.


Ich kann mir zwei Gründe vorstellen absichtlich solche Illustrationen zu verwenden: Ahnungslosigkeit oder die Absicht zu erklären, warum sie grob falsch sind. Nur wenn es einen anderen Grund gäbe, wäre dein Einwand hier sinnvoll. Ansonsten gehe ich davon aus, daß die Autoren dies aus Ahnungslosigkeit getan haben.

Zitat:

Darüber hinaus ist offensichtlich, dass Simanek einige Quellen nicht richtig versteht. Hier ein paar Beispiele:

Zitat:
We will see later that even when a rotating coordinate system is assumed for the purpose of analysis, the centrifugal forces have the same size and direction anywhere on or within the earth. The figure shows the arrows as clearly of different sizes, larger at points farthest from the barycenter. So what can they possibly mean?


Die bemängelte Darstellung ist korrekt. Simanek hält sie für falsch weil er nicht weiß was Zentrifugalkräfte sind.


In welchem System hätte denn die Zentrifugalkraft den eingezeichneten Verlauf? In dem um das Baryzentrum rotierenden System ja offensichtlich nicht. (Siehe unten. Und in jedem anderen m.E. auch nicht.)

Außerdem scheinst du hier zu behaupten, es sei korrekt beiden Flutbergen unterschiedliche Ursachen zuzuschreiben -- die Gravitation dem mondzugewandten, die Zentrifugalkraft dem mondabgewandten. Was sollen sonst die Unterschriften "(a) gravitational force" und "(b) centrifugal force" etc. unter dieser "korrekten" Darstellung bedeuten?

Zitat:

Zitat:
4. A web site has this gem of wisdom: "As the earth and moon whirl around this common center-of-mass [the earth/moon barycenter], the centrifugal force produced is always directed away from the center of revolution." Is there anything wrong with this statement?
[…]
4. "The center of revolution" is ambiguous. It is not one point. Each point on earth revolves around its own center of revolution. Only the center of the earth revolves around the barycenter. And if you made a map of the centripetal forces everywhere on earth, they would all be parallel to the earth-moon line.


Dasselbe in grün. Auch hier wird Simanek seine eigene falsche Vorstellung von rotierenden Bezugssystemen und Zentrifugalkräften zum Verhängnis.


Jeder Punkt der Erde mit Ortsvektor relativ zum Erdmittelpunkt bewegt sich relativ zum Schwerpunkt entlang der Kurve



wobei der Abstand vom Erdmittelpunkt zum Schwerpunkt ist.
Dies ist eine Drehung um den Punkt , d.h. lediglich der Erdmittelpunkt bewegt sich um den Schwerpunkt, genau wie von Simanek behauptet.

Zentrifugalkräfte werden hier nicht mal erwähnt und die Behauptung über die Zentripetalkraft ist auch korrekt.

Im mitrotierenden System führen alle Punkte der Erde eine scheinbare Drehung um ein gemeinsames Zentrum aus, allerdings ist dies der Erdmittelpunkt und nicht der Schwerpunkt, und der Mond bewegt sich darin gar nicht. Die Aussage auf der Website ist also komplett falsch, wie man es auch dreht und wendet. (Wortspiel nicht beabsichtigt.)

In Sirtolis Artikel ist dies in Abbildung 7 für "Case 2", sowie in Abbildung 11 für "Case 3" illustriert.

Zitat:

Zitat:
12. A textbook says "Tides are caused by the moon pulling on the ocean waters more strongly on the side nearest to the moon." If this were so, one would assume the catastrophe illustrated in the cartoon below. Why doesn't this happen?
[…]
12. This is, of course, a joke. However, as with so many absurd notions, this isn't easy to explain.


An der Darstellung ist nichts absurd. Die Gravitationskraft des Mondes ist auf der mondzugewandten Seite der Erde tatsächlich am größten - wenn auch viel kleiner als die Gravitation der Erde. Tatsachlich basiert auch Simanek eigene Argumentation auf genau dieser Inhomogenität des Gravitationsfeldes.


Das ist überhaupt keine inhaltliche Kritik an der Aussage im Lehrbuch. Es wird weiter oben die "Push-Pull language" aus rein didaktischen Gründen kritisiert. Die "Übungsaufgabe" hier besteht nur darin, auf Basis der "Zugvorstellung" zu erklären, warum die absurde Situation im Cartoon nicht auftritt.

Zitat:

Simanek rechnet in der Tat nichts vor. Merkwürdigerweise kritisiert er das bei anderen Quellen:

Zitat:

In fact, such books don't really do any mathematical analysis, they just engage in verbal hand-waving.



Das kritikable an "hand-waving" ist, daß es sich um eine verbale Beschreibung handelt, die keiner mathematischen Analyse standhalten würde. Simaneks Beschreibung hingegen hält ihr stand. Das ist alles was man inhaltlich gewährleisten muß. Ob man die Analyse dann in den Text einbezieht, oder nur das Resultat umschreibt, ist lediglich eine Frage der Form.

Zitat:

Immerhin kommt er der Begründung für die Vernachlässigbarkeit der Rotation auch ohne Rechnung sehr nahe, indem er erwähnt, dass der Äquatorwulst nur 0,4% des Äquatorradius ausmacht. Es fehlt nur der Hinweis, dass das auch für die daraus resultierende Verstärkung der Gezeitenkräfte gilt.


Ok, ich glaube jetzt verstehe ich dich. Auf die Oberfläche eines Ellipsoiden wirken andere Gezeitenkräfte, als auf die einer Kugel im selben Orbit wirken würden. Ist es das, was du meinst?

Wenn nicht, kannst du genauer erklären von welchem nicht-signifikanten Einfluß auf die Gezeitendeformation du hier sprichst?

Zitat:

index_razor hat Folgendes geschrieben:
Das gelingt zum überwiegenden Teil, bis auf -- ich wiederhole es vorsichtshalber nochmal -- den Schnitzer mit der "Zentrifugalkraft".


Und ich wiederhole noch mal, dass das kein Schnitzer sondern ein grober inhaltlicher Fehler ist. Seine falschen Vorstellungen von rotierenden Bezugssystemen und Zentrifugalkräften ziehen sich durch den kompletten Artikel. Das geht sogar soweit, dass korrekte Aussagen in anderen Quellen als falsch dargestellt werden (siehe oben).


Wenn das bis jetzt deine überzeugendsten Belege für Simankes Inkompetenz waren, wäre ich an deiner Stelle etwas zurückhaltender.

Ich meinerseits nehme inzwischen sogar den "Schnitzer" noch zurück. Simaneks Behauptung ist vertretbar. Hier ist die Begründung.

Man betrachte ein rotierendes System , in dem Mond und Erdzentrum an festen Stellen auf der -Achse liegen. Mit denselben Bezeichnungen wie oben berechnet man leicht die Trägheitskraft auf einen beliebigen Punkt innerhalb der Erde an der Stelle



Da jeder Punkt konstanten Abstand vom Erdmittelpunkt hat, ist und man erhält sofort



Man erhält also eine Trägheitskraft in diesem System.

Dies ist die einzige Trägheitskraft auf den betrachteten Massenpunkt, und es handelt sich der Form nach um eine Zentrifugalkraft. Da der Punkt beliebig war, ist sie außerdem über die gesamte Erde hinweg konstant.

Folgt daraus, daß es die Zentrifugalkraft ist? Noch nicht ganz. Ein Einwand bleibt noch übrig, zu dem ich gleich komme. Es wäre jedenfalls die Zentrifugalkraft im Ruhesystem eines Massenpunktes auf einer Kreisbahn mit Radius und Rotationsfrequenz . Dies ist aber genau die Bewegung, die alle Punkte innerhalb der Erde ausführen, wie Simanek an mehreren Stellen betont. Das einzige Problem ist, daß nicht alle Punkte der Erde mit den oben gewählten Achsen rotieren. Trotzdem zeigt diese Überlegung, daß die zu dieser Rotation gehörige Zentrifugalkraft die einzige Trägheitskraft ist, die auftreten kann und durch Gl. (1) gegeben ist. Tatsächlich ist die triviale Rechnung oben der Beweis dafür, daß Simaneks Überlegung korrekt ist.

Was fehlt jetzt noch? Man könnte meinen, daß die Rechnung nicht die scheinbare Bewegung des betrachteten Punktes relativ zu den rotierenden Achsen berücksichtigt hat. Das stimmt, sie ist aber für das Ergebnis irrelevant. Man kann sie durch die Rechnung schleifen, nur um am Ende festzustellen, daß nach Aufhebung aller möglichen Terme nur (1) übrigbleibt. Trotzdem ergibt diese Relativbewegung einen weiteren Term zur Zentrifugalbeschleunigung. Das erkennt man am einfachsten mit



und (wenn man zum obigen Ergebnis diese "0" addiert)



Der letzte Term gibt Anlaß zur gesamten Zentrifugalkraft



Aber wie gesagt wird der -abhäbgige Teil durch die ganzen anderen Scheinkräfte aufgehoben und nur der konstante Teil der Zentrifugalkraft bleibt übrig.

Man könnte Simanek also höchstens vorwerfen, daß er nur einen Teil der gesamten Zentrifugalkraft als "die Zentrifugalkraft" bezeichnet. Es ist allerdings der einzige Teil, der überhaupt eine Rolle spielen könnte, weil er zumindest nicht kompensiert wird. Das ist m.E. kaum eine Erwähnung wert, geschweige ein Grund, von einem groben inhaltlichen Fehler zu sprechen, der symptomatisch für eine grundlegende Konfusion sein soll. Gl (1) ist das Resultat, das Simanek erläutern wollte, und seine Darstellung ist vollkommen akzeptabel.
index_razor



Anmeldungsdatum: 14.08.2014
Beiträge: 3259

Beitrag index_razor Verfasst am: 31. Dez 2018 09:33    Titel: Re: Gezeiten Antworten mit Zitat

ML hat Folgendes geschrieben:
Hallo,

wie sieht es denn mit diesem Video aus? Mir springen dort zumindest keine groben Fehler ins Auge, außer vielleicht, dass das Bezugssystem, das zur Erklärung eingenomen wird, im Video nicht ruht.


Die Kernaussage ist (4:13) "Die Gezeitenkräfte [...] ergeben sich durch vektorielle Addition von Gravitations- und Fliehkraft."

Das ist falsch. Die Gezeitenkräfte ergeben sich allein aus dem Gradienten der Gravitationskraft des Mondes (und der Sonne).

Der Gezeiten-Effekt wäre exakt derselbe, selbst wenn Erde und Mond sich nicht umkreisen würden und folglich die im Video eingezeichneten "Fliehkräfte" gar nicht vorhanden wären. (Auch beim senkrechten Sturz auf auf ein Gravitationszentrum wären dieselben Gezeitenkräfte an beiden "Enden" des Körpers wirksam.)

Edit: Später (5:18) wird (korrekterweise) behauptet, daß die Gezeitenkraft mit der dritten Potenz des Abstandes skaliert und daher schneller abfällt, als die Gravitationskraft. Das widerspricht aber der früheren Aussage, daß die Gezeitenkraft die Vektorsumme aus Gravitationskraft und konstanter "Fliehkraft" ist.

Edit 2: Die resultierenden (grünen) Pfeile bei (4:13) sind übrigens lediglich ein Artefakt der extremen nicht maßstäblichen Darstellung des Erde-Mond-Abstandes. Beachte, daß die Gravitationspfeile (weiß) immer auf den Mittelpunkt des Mondes weisen. In Wahrheit wären sie wegen der viel größeren Entfernung zum Mond aber fast parallel. Es gäbe also, nach der Argumentation im Video, nirgendwo auf der Erdoberfläche eine nennenswerte tangentiale Komponente der resultierenden Kraft. Diese ist aber hauptsächlich für das Entstehen der Wasserberge verantwortlich.
VeryApe



Anmeldungsdatum: 10.02.2008
Beiträge: 3254

Beitrag VeryApe Verfasst am: 31. Dez 2018 11:06    Titel: Antworten mit Zitat

indexrazor hat Folgendes geschrieben:


Das ist falsch. Die Gezeitenkräfte ergeben sich allein aus dem Gradienten der Gravitationskraft des Mondes (und der Sonne).

Der Gezeiten-Effekt wäre exakt derselbe, selbst wenn Erde und Mond sich nicht umkreisen würden und folglich die im Video eingezeichneten "Fliehkräfte" gar nicht vorhanden wären. (Auch beim senkrechten Sturz auf auf ein Gravitationszentrum wären dieselben Gezeitenkräfte an beiden "Enden" des Körpers wirksam.)


Ja, völlig egal ob die Erde und der Mond das Baryzentrum umkreisen oder nicht.
In beiden Fällen beschleunigt sie gegen das Baryzentrum, und dieser momentanen Beschleunigung auf ein IS kann man immer eine Trägheitskraft im beschleunigten Bezugssystem der Erde zuordnen. (nach Newton).
Mit Dalembert machen die das sogar im Inertialsystem und an den roten Pfeilen würde sich an der Richtung gar nichts ändern, bis auf das sie vom Betrag größer werden weil auch die Schwerpunktsbeschleunigung größer wird sowie die Gravitationskraft größer wird .
Und trotzdem entspricht die Gezeitenkraft immer der vektoriellen Summe aus Gravitationskraft und der Trägheitskraft aufgrund der Beschleunigung des ErdSchwerpunktes, wie soll es auch anders sein.

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WAS IST LOS IN EUROPA? https://www.youtube.com/watch?v=a9mduhSSC5w


Zuletzt bearbeitet von VeryApe am 31. Dez 2018 11:31, insgesamt einmal bearbeitet
index_razor



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Beitrag index_razor Verfasst am: 31. Dez 2018 11:18    Titel: Antworten mit Zitat

VeryApe hat Folgendes geschrieben:

Und trotzdem entspricht der Gravitationsgradient immer der vektoriellen Summe aus Gravitationskraft und der Trägheitskraft aufgrund der Beschleunigung des ErdSchwerpunktes, wie soll es auch anders sein.


Die Gezeitenkraft ergibt sich aus der Ableitung der Gravitationskraft nach dem Ort, nicht als Summe der Gravitationskraft und irgendeiner anderen konstanten Kraft. (Das sagt doch das Wort "Gradient" bereits aus.)


Zuletzt bearbeitet von index_razor am 31. Dez 2018 11:41, insgesamt einmal bearbeitet
VeryApe



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Beitrag VeryApe Verfasst am: 31. Dez 2018 11:33    Titel: Antworten mit Zitat

stimmt habe das umgebessert auf gezeitenkraft.
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Beitrag index_razor Verfasst am: 31. Dez 2018 11:37    Titel: Antworten mit Zitat

VeryApe hat Folgendes geschrieben:
stimmt habe das umgebessert auf gezeitenkraft.


Dadurch wir die Aussage doch nicht richtig. Gezeitenkraft und Gravitationsgradient ist dasselbe. Beides ist nicht gleich der Summe aus Gravitationskraft und Fliehkraft. Die konstante Fliehkraft spielt bei der Ortableitung überhaupt keine Rolle.
ML



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Beitrag ML Verfasst am: 31. Dez 2018 11:53    Titel: Re: Gezeiten Antworten mit Zitat

Hallo,

index_razor hat Folgendes geschrieben:

Die Kernaussage ist (4:13) "Die Gezeitenkräfte [...] ergeben sich durch vektorielle Addition von Gravitations- und Fliehkraft."

Das ist falsch. Die Gezeitenkräfte ergeben sich allein aus dem Gradienten der Gravitationskraft des Mondes (und der Sonne).

Der Gezeiten-Effekt wäre exakt derselbe, selbst wenn Erde und Mond sich nicht umkreisen würden und folglich die im Video eingezeichneten "Fliehkräfte" gar nicht vorhanden wären. (Auch beim senkrechten Sturz auf auf ein Gravitationszentrum wären dieselben Gezeitenkräfte an beiden "Enden" des Körpers wirksam.)

Wenn ich Dich richtig verstehe, sagst Du, dass die unten im Bild (Bild: Fliehkraft.jpg) dargestellte Drehbewegung um das Baryzentrums gar keinen Einfluss auf die Pegelstände der Meere hat.

Irgendwie kann ich mir das nicht so richtig vorstellen. Ich habe da immer dieses Experiment mit einem exzentrisch rotierenenden Suppenteller im Hinterkopf (ab Minute 3:10 bis 3:27):
https://www.youtube.com/watch?v=n4bpGTrcPoQ
(Über den restlichen Teil dieses Videos müssen wir uns nicht unterhalten.)

Ist das Suppenteller-Experiment kein gutes Anschauungsmodell für die Drehung von Erde und Mond um das Baryzentrum?

Vielleicht verstehe ich nach Deiner Antwort auch, weshalb Du "Fliehkräfte" in Anführungezeichen setzt.

Zitat:

Edit: Später (5:1Rock wird (korrekterweise) behauptet, daß die Gezeitenkraft mit der dritten Potenz des Abstandes skaliert und daher schneller abfällt, als die Gravitationskraft. Das widerspricht aber der früheren Aussage, daß die Gezeitenkraft die Vektorsumme aus Gravitationskraft und konstanter "Fliehkraft" ist.

Die Aussage "konstant" soll m. E. heißen "örtlich konstant" (d. h. auf der ganzen Erde mit gleichem Betrag in die gleiche Richtung zeigend).
Es heißt aber nicht "zeitlich konstant" (da sich der Pfeil dreht) und auch nicht "unabhängig vom Abstand der beiden Himmelskörper", denn die Trägheitskräfte beim Erde-Mond-System unterscheiden sich, denke ich, schon von denen beim Erde-Sonne-System. Und mit "Abstand" ist m. E. der Abstand zwischen den Mittelpunkten der jeweiligen Himmelskörper gemeint.


Zitat:

Die resultierenden (grünen) Pfeile bei (4:13) sind übrigens lediglich ein Artefakt der extremen nicht maßstäblichen Darstellung des Erde-Mond-Abstandes. Beachte, daß die Gravitationspfeile (weiß) immer auf den Mittelpunkt des Mondes weisen. In Wahrheit wären sie wegen der viel größeren Entfernung zum Mond aber fast parallel. Es gäbe also, nach der Argumentation im Video, nirgendwo auf der Erdoberfläche eine nennenswerte tangentiale Komponente der resultierenden Kraft. Diese ist aber hauptsächlich für das Entstehen der Wasserberge verantwortlich.

Schauen wir an den Ort, den ich mit dem großen gelben Pfeil markiert habe.
Dort hätte ich nach der Argumentation des Videos (und unter Korrektur der von Dir bemängelten Verzerrung) einen großen weißen Pfeil, der nahezu senkrecht nach oben zeigt und einen kleineren roten Pfeil, der senkrecht nach unten zeigt.
Im Ergebnis wäre der grüne Pfeil also senkrecht nach oben gerichtet und hätte damit eine Komponente, die tangential zur Erdoberfläche zeigt.

Viele Grüße
Michael



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Beitrag VeryApe Verfasst am: 31. Dez 2018 12:12    Titel: Antworten mit Zitat

Die auf der Erde wirkende Resultierende Gravitationskraft erzeugt eine Massenmittelpunktsbeschleunigung



setzt man sich ins Ruhsystem der translatorisch beschleunigten Erde, erhält man eine Trägheitskraft auf den Massepunkt von



die gesamte resultierende Gewichtskraft ist aber auch positiv in Beschleunigungrichtung



r_Erde Mond ..... ist abstand zwischen den Massenmittelpunkt





Die Gravitationskraft eines Massepunktes zum Mond ist



und die vektorielle Addition z.B. für Massepunkte auf der Verbindungslinie Erde Mond ist





und das ist nicht die Gezeitenkraft oder wie?

für alle anderen müssten wir noch in Komponenten aufspalten

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index_razor



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Beitrag index_razor Verfasst am: 31. Dez 2018 12:28    Titel: Re: Gezeiten Antworten mit Zitat

ML hat Folgendes geschrieben:
Hallo,

index_razor hat Folgendes geschrieben:

Die Kernaussage ist (4:13) "Die Gezeitenkräfte [...] ergeben sich durch vektorielle Addition von Gravitations- und Fliehkraft."

Das ist falsch. Die Gezeitenkräfte ergeben sich allein aus dem Gradienten der Gravitationskraft des Mondes (und der Sonne).

Der Gezeiten-Effekt wäre exakt derselbe, selbst wenn Erde und Mond sich nicht umkreisen würden und folglich die im Video eingezeichneten "Fliehkräfte" gar nicht vorhanden wären. (Auch beim senkrechten Sturz auf auf ein Gravitationszentrum wären dieselben Gezeitenkräfte an beiden "Enden" des Körpers wirksam.)

Wenn ich Dich richtig verstehe, sagst Du, dass die unten im Bild (Bild: Fliehkraft.jpg) dargestellte Drehbewegung um das Baryzentrums gar keinen Einfluss auf die Pegelstände der Meere hat.

Irgendwie kann ich mir das nicht so richtig vorstellen. Ich habe da immer dieses Experiment mit einem exzentrisch rotierenenden Suppenteller im Hinterkopf (ab Minute 3:10 bis 3:27):
https://www.youtube.com/watch?v=n4bpGTrcPoQ
(Über den restlichen Teil dieses Videos müssen wir uns nicht unterhalten.)

Ist das Suppenteller-Experiment kein gutes Anschauungsmodell für die Drehung von Erde und Mond um das Baryzentrum?


Ja, ich glaube es ist keine gute Analogie. Im Augenblick fehlt mir etwas die Zeit, aber ich werde später versuchen darauf zurückkommen, wenn ich in Ruhe darüber nachgedacht habe.

Zitat:

Vielleicht verstehe ich nach Deiner Antwort auch, weshalb Du "Fliehkräfte" in Anführungezeichen setzt.


Ich bin dabei deinen Bedenken über die Wahl des Bezugssystems gefolgt.

Zitat:

Zitat:

Edit: Später (5:18) wird (korrekterweise) behauptet, daß die Gezeitenkraft mit der dritten Potenz des Abstandes skaliert und daher schneller abfällt, als die Gravitationskraft. Das widerspricht aber der früheren Aussage, daß die Gezeitenkraft die Vektorsumme aus Gravitationskraft und konstanter "Fliehkraft" ist.

Die Aussage "konstant" soll m. E. heißen "örtlich konstant" (d. h. auf der ganzen Erde mit gleichem Betrag in die gleiche Richtung zeigend).
Es heißt aber nicht "zeitlich konstant" (da sich der Pfeil dreht) und auch nicht "unabhängig vom Abstand der beiden Himmelskörper", denn die Trägheitskräfte beim Erde-Mond-System unterscheiden sich, denke ich, schon von denen beim Erde-Sonne-System.


Absolut korrekt. Manchmal, wenn ich an diese Mehrdeutigkeit gedacht habe, habe ich deshalb auch von "homogenen" Fliehkräften gesprochen.

Zitat:

Zitat:

Die resultierenden (grünen) Pfeile bei (4:13) sind übrigens lediglich ein Artefakt der extremen nicht maßstäblichen Darstellung des Erde-Mond-Abstandes. Beachte, daß die Gravitationspfeile (weiß) immer auf den Mittelpunkt des Mondes weisen. In Wahrheit wären sie wegen der viel größeren Entfernung zum Mond aber fast parallel. Es gäbe also, nach der Argumentation im Video, nirgendwo auf der Erdoberfläche eine nennenswerte tangentiale Komponente der resultierenden Kraft. Diese ist aber hauptsächlich für das Entstehen der Wasserberge verantwortlich.

Schauen wir an den Ort, den ich mit dem großen gelben Pfeil markiert habe.
Dort hätte ich nach der Argumentation des Videos (und unter Korrektur der von Dir bemängelten Verzerrung) einen großen weißen Pfeil, der nahezu senkrecht nach oben zeigt und einen kleineren roten Pfeil, der senkrecht nach unten zeigt.
Im Ergebnis wäre der grüne Pfeil also senkrecht nach oben gerichtet und hätte damit eine Komponente, die tangential zur Erdoberfläche zeigt.


Da hast du recht. Ich hatte gehofft man könne leichter sehen, daß der qualitative Verlauf der Gezeitenkräfte nicht korrekt sein kann. Der Verlauf stimmt trotzdem nicht, was eben daran liegt, daß die Gezeitenkraft vollkommen falsch berechnet wird. (An den Oberflächenpunkten senkrecht zur Verbindungslinie Erde-Mond müßten die Gezeitenkräfte senkrecht nach unten zeigen. Was sie nach der Rechnung im Video vermutlich nicht täten, da die Gravitationskraft nahezu parallel zur Oberfläche verläuft.)
DrStupid



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Beitrag DrStupid Verfasst am: 31. Dez 2018 14:35    Titel: Antworten mit Zitat

index_razor hat Folgendes geschrieben:
Ich kann mir zwei Gründe vorstellen absichtlich solche Illustrationen zu verwenden: Ahnungslosigkeit oder die Absicht zu erklären, warum sie grob falsch sind. Nur wenn es einen anderen Grund gäbe, wäre dein Einwand hier sinnvoll. Ansonsten gehe ich davon aus, daß die Autoren dies aus Ahnungslosigkeit getan haben.


Muss ich Dir die Bedeutung eines Beispiels erklären?

index_razor hat Folgendes geschrieben:
In welchem System hätte denn die Zentrifugalkraft den eingezeichneten Verlauf? In dem um das Baryzentrum rotierenden System ja offensichtlich nicht.


Doch, genau dort.

index_razor hat Folgendes geschrieben:
Außerdem scheinst du hier zu behaupten, es sei korrekt beiden Flutbergen unterschiedliche Ursachen zuzuschreiben


In dem Zitat ging es nur um die Zentrifugalkraft.

index_razor hat Folgendes geschrieben:
Jeder Punkt der Erde mit Ortsvektor relativ zum Erdmittelpunkt bewegt sich relativ zum Schwerpunkt entlang der Kurve



wobei der Abstand vom Erdmittelpunkt zum Schwerpunkt ist. Dies ist eine Drehung um den Punkt


In einem um S rotierenden Bezugssystem bewegt sich der Punkt auf der Kurve



Die in solch einem Bezugssystem auftretenden Zentrifugalkräfte werden in dem Zitat korrekt beschrieben. Simaneks Kritik basiert allein auf der Unterstellung, der Autor der Webseite würde den Begriff „Zentrifugalkraft“ genauso falsch verwenden wie er selbst.

index_razor hat Folgendes geschrieben:
Auf die Oberfläche eines Ellipsoiden wirken andere Gezeitenkräfte, als auf die einer Kugel im selben Orbit wirken würden. Ist es das, was du meinst?


Ja, so ist es. Bei der Erde ist der Unterschied vernachlässigbar, aber es gibt Fälle, bei denen das nicht der Fall ist.

index_razor hat Folgendes geschrieben:
Wenn das bis jetzt deine überzeugendsten Belege für Simankes Inkompetenz waren, wäre ich an deiner Stelle etwas zurückhaltender.


Warum sollte ich zurückhaltender sein als er? Wenn er sich anmaßt, in arrogantem Tonfall über andere Autoren zu urteilen, nur weil sie seine falschen Vorstellungen von rotierenden Bezugssysteme und Zentrifugalkräften nicht teilen, dann muss er sich auch meine Kritik gefallen lassen. Das gilt insbesondere, wenn er diese falschen Vorstellungen auch seinen Lesern in die Köpfe pflanzt, was ihm bei Dir offenbar gelungen ist. Der Rest Deines Beitrages ist eine direkte Folge dieses didaktischen Fehlers.
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