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Entropie - Begriffsklärung
 
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TruEnemy



Anmeldungsdatum: 01.11.2010
Beiträge: 516

Beitrag TruEnemy Verfasst am: 09. Feb 2013 08:21    Titel: Entropie - Begriffsklärung Antworten mit Zitat

Hallo,

ich habe immer noch so meine Probleme damit, die Entropie zu verstehen.
Man sagt immer, dass die Entropie anschaulich gesprochen ein Maß für die
Unordnung ist. Nach dem 2. HS der Thermodynamik gilt, dass für ein ab-
geschlossenes System die Entropieänderung größer gleich 0 und im GGW
die Entropie maximal ist. Und genau das ist mir nicht ganz klar: das System
strebt also danach, einen Zustand maximaler Unordnung zu erreichen. Naiv
würde man ja denken, dass es genau das Gegenteil versucht.
Liegt der Grund dafür darin, dass das System versucht, so viele Zustands-
möglichkeiten wie möglich zu erreichen? Etwas metaphysisch gesprochen,
es drängt danach, mehr Freiheit zu haben und Nebenbedingungen zu mini-
mieren? Eine Gleichverteilung von N Atomen in einem Volumen V z. B. hätte
demnach eine größere Entropie S, als die selbe Anzahl von Atomen N in ei-
nem kleineren (!) Volumen V', weil sich damit die Anzahl der wählbaren
Zuständen verringert und damit größere Nebenbedingungen herrschen.

Grüße.

_________________
'Dass ich erkenne, was die Welt im Innersten zusammenhält' Faust, Goethe
MI



Anmeldungsdatum: 03.11.2004
Beiträge: 828
Wohnort: München

Beitrag MI Verfasst am: 09. Feb 2013 12:08    Titel: Antworten mit Zitat

Wenn du dir ein ideales Gas anschaust, dann siehst du, dass die Entropie mit ln(V) skaliert - also genau wie du vermutest.

Das folgende sind etwas ungeordnete Gedanken meinerseits zum Thema:

"Entropie" an sich finde ich auch kein besondern nettes Konzept. Diese ganze Unordnung/Ordnung ist ein Versuch das ganze zu verstehen, aber der beruht auch ganz entscheiden darauf was wir als Menschen als "Ordnung" verstehen. Sobald du das für dich sauber definierst, ist dann die Gleichverteilung die vollständige Unordnung.
Das Problem ist für dich vermutlich, dass du häufig "Ordnung" im Endzustand siehst, weil dieser stärkere Symmetrien aufzuweisen scheint. Nehmen wir das Standardbeispiel mit der Box und den Teilchen:
- Alle Teilchen in einer Ecke, keine wirkliche Symmetrie.
- Alle Teilchen irgendwo: über große Skalen homogenes und isotropes Gemisch - sieht doch ordentlicher aus, oder?
Ein mögliches Gegenargument ist aber, dass der erste Zustand eben deshalb geordnet ist, weil er nicht natürlich zufällig entsteht - man muss ihn mit Gewalt herbeiführen (=ordnen), während der zweite Zustand eben "wahrscheinlicher" ist.
Das Bild ist dann, dass bei uns Menschen Ordnung auch heißt, dass alles seinen Platz hat und nicht gleichverteilt im Zimmer liegt Augenzwinkern .

Vielleicht noch mal an einem Beispiel:
Mikroskopisch. Wenn wir den Gleichverteilungssatz annehmen (also die Tatsache, dass mikroskopisch jeder Zustand gleichwahrscheinlich ist), dann folgt ganz natürlich, dass sich der Zustand etwas annähert, was irgendwie "typisch" ist, dessen Definition möglichst viele Möglichkeiten enthält - das nennen wir dann "Unordnung".
Konkret: Nehmen wir eine Spinkette nicht wechselwirkender Spins (bezeichnet 1 = Spin up, 0 = Spin down). Der komplett geordnete Zustand ist dann nur 1er oder nur 0er. Wenn wir annehmen, dass - durch zufällige äußere Störungen - die Wahrscheinlichkeit für Teilchen in Zustand 1 und Teilchen in Zustand 0 gleich ist, d.h. die Spinkette kann jede der möglichen Konfigurationen von 0...0 bis 1...1 mit gleicher Wahrscheinlichkeit annehmen und jetzt mit der Spinkette 0...0 starten (komplett ungeordnet) und kleine Störungen betrachten, sodass die Spins über die Zeit flippen können, was passiert dann? Nach einer Weile wird die Spinkette mit größter Wahrscheinlichkeit gleich viele 0er und 1er haben - das ist dann der Gleichgewichtszustand und die totale Unordnung. Unordnung vielleicht deshalb, weil es "zufällig" aussieht.

Die Wahl mit 0er und 1er ist natürlich nicht ganz zufällig. Das kommt daher, dass ich Entropie fast immer (Quanten)Informationstechnisch sehe - der Zusammenhang mit der statistischen Physik ist da aber etwas schummrig.

Langer Rede kurzer Sinn: Wenn ich ein System allein lasse und zufällige Störung drauf packe, dann strebt es mit größter Wahrscheinlichkeit in eine Klasse von Zuständen größter Wahrscheinlichkeit. Diese Wahrscheinlichkeiten quantifiziere ich (mehr oder weniger) mit der Entropie.

Gruß
MI
TomS
Moderator


Anmeldungsdatum: 20.03.2009
Beiträge: 18172

Beitrag TomS Verfasst am: 09. Feb 2013 17:56    Titel: Antworten mit Zitat

Zunächst mal müssen wir zwischen dem mikroskopischen Entropiebegriff (Makro- vs. Mikrozustände, Unordnung) und dem thermodynamischen Entropiebegriff unterscheiden.

Ist dir der mikroskopische Entropiebegriff und die formale Defintion bekannt?

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Niels Bohr brainwashed a whole generation of theorists into thinking that the job (interpreting quantum theory) was done 50 years ago.
Systemdynamiker



Anmeldungsdatum: 22.10.2008
Beiträge: 594
Wohnort: Flurlingen

Beitrag Systemdynamiker Verfasst am: 10. Feb 2013 08:17    Titel: makroskopisch Antworten mit Zitat

Die mikroskopische Interpretation der gespeicherten Entropie führt sehr rasch zu komplexen Modellen. Schon nur beim idealen Gas umfasst der Zustandsraum den geometrischen Raum und den Impulsraum (Entropie nimmt zu, wenn man das Volumen vergrössert und wenn man die Temperatur erhöht). Zudem sollte man nicht Unordnung sagen, weil das falsche Assoziationen auslöst. Die Entropie eines Systems manifestiert sich in der Zahl der nicht unterscheidbaren Zustände (Entropie kann man z.B. nicht mit Kügelchen erklären, die nummerierbar sind).

Makroskopisch oder thermodynamisch ist die Entropie viel einfacher zu erklären. Entropie ist das, was eigentlich jedes Kind als Wärmemenge bezeichnen würde (Entropie kann gespeichert und transportiert werden, durch Reibung entsteht Entropie). Leider ist diese Anschauung historisch und dogmatisch verbaut. Wenn man sich aber einmal zu diesem Bild durchgerungen hat, versteht man sehr viele Phänomene aus dem Alltag praktisch intuitiv

Kühlschrank: https://www.youtube.com/watch?v=FW4SVHDAZjU

Wärmepumpe: https://www.youtube.com/watch?v=4zUg4a_yCJQ

Carnot-Kreisprozess: https://www.youtube.com/watch?v=Xjs272hi9fM

Stirling-Kreisprozess: https://www.youtube.com/watch?v=MzHZnbl8ZVo

_________________
Herzliche Grüsse Werner Maurer
TomS
Moderator


Anmeldungsdatum: 20.03.2009
Beiträge: 18172

Beitrag TomS Verfasst am: 10. Feb 2013 08:34    Titel: Antworten mit Zitat

Die mikroskopische bzw. rein thermodynamische Erklärung bringt uns aber im Zusammenhang mit dem Begriff "Unordnung" nicht weiter, dazu wird die mikroskopische Erklärung bzw. Definition benötigt.

Und für die mikroskopische Definition benötigt man keineswegs ein konkretes Modell; eine Definition (ohne konkrete Angabe eines Systems bzw. einer Dynamik) ist ausreichend (natürlich benötigt man ein Modell, wenn man die Entropie eines konkreten Systems ausrechnen möchte, aber die Definition ist universell).

Man betrachtet zunächst einen allgemeinen Dichteoperator



Dabei bezeichnen die p's die jeweiligen klassischen Wahrscheinlichkeiten, das System in einem quantenmechanischen Zustand n zu finden.

Die Entropie dieses (verallgemeinerten) Zustandes ist denn definiert als



Das ist die allgemeine und fundamentale mikroskopische Definition im Rahmen der Quantenmechanik. Sie ist unabhängig von einem konkreten System und auch noch nicht festgelegt als thermodynamische Zustandsgröße. Ausgehend von dieser Definition kann man nun die Entropie S in Abhängigkeit der p's berechnen.

Der Zusammenhang mit dem thermodynamischen Entropiebegriff erhält man über erst über die Einführung einer Temperatur T sowie des Hamiltonoperators H eines konkreten Systems. Dann setzt man nämlich für den Dichteoperator speziell



Mittels Spurbildung erhält man die Entropie S wiederum in Abhängigkeit der p's. Letztere hängen nun von der Temperatur T und speziell von den Eigenwerten des Hamilton- bzw. Energieoperators H ab.

Die Interpretation der Entropie über die Wahrscheinlichkeiten zur Realisierung einzelner Mikrozustände funktioniert aber bereits auf Basis der allgemeinen Definition ohne Einführung von H und T.

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Niels Bohr brainwashed a whole generation of theorists into thinking that the job (interpreting quantum theory) was done 50 years ago.
ka



Anmeldungsdatum: 05.04.2013
Beiträge: 52

Beitrag ka Verfasst am: 09. Apr 2013 19:23    Titel: Re: Entropie - Begriffsklärung Antworten mit Zitat

TruEnemy hat Folgendes geschrieben:


ich habe immer noch so meine Probleme damit, die Entropie zu verstehen.
Man sagt immer, dass die Entropie anschaulich gesprochen ein Maß für die
Unordnung ist.

Maß für die Unordnung ist die Zahl der unterscheidbaren Möglichkeiten, Obekte ( z.B. Teilchen) zu verteilen . Beschänkt man sich dabei erst einmal auf eine räumliche Betrachtung ,so kann man sagen, dass die Zahl dieser Realisierungsmöglichkeiten zunimmt

- mit der Zahl der "Plätze"
- der Zahl der Teilchen, solange deren Zahl klein ist gegen die Zahl der Plätze

wobei die Zahl der Realisierungsmöglichkeiten auch zunimmt mit der Vielgestaltigkeit der Teilchen.

Was man übrigens alles an einem Schacbrett sehr schön ausprobieren kann.

Dennoch ist die rein räumliche Betrachtung allein höchst unzureichend. Immerhin kann man Teilchen auch auf verschiedene Energiezustände verteilen.

Womit sich das Entstehen hochgeordeter Stukturen so erklärt, dass bei deren Bildung Energie frei wird, die in der Umgebung die Zahl der Möglichkeiten erhöht, Teilchen auf Energiezustände zu verteilen.

So wird z,B. bei der Bildung von Eis aus Wasserdampf soviel Energie frei und in der Umgebung verteilt, dass dabei die Entropie der Umgebung stärker zunimmt als sie bei der Kristallisation des Wasserdampfes abgenommen hat.

Soviel in größtmöglicher Einfachheit und Kürze zur statistischen Deutung der Entropie.

Gruß Friedrich Karl Schmidt
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