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Entropie von Karten
 
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Systemdynamiker



Anmeldungsdatum: 22.10.2008
Beiträge: 594
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Beitrag Systemdynamiker Verfasst am: 24. März 2012 08:11    Titel: Entropie von Karten Antworten mit Zitat

Ein neuer Satz von Spielkarten (geordnet) wird gemischt (randomisiert).

Erhöht sich die Entropie der Spielkarten?

Wenn ja wieso?

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Herzliche Grüsse Werner Maurer
TomS
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Anmeldungsdatum: 20.03.2009
Beiträge: 18188

Beitrag TomS Verfasst am: 24. März 2012 08:40    Titel: Antworten mit Zitat

Die Entropie kann definiert werden über die Zahl der Mikrozustände, die den selben Makrozustand ergeben. Oder anders ausgedrückt durch die Wahrscheinlichkeit des Auftretens eines bestimmten Makrozustandes. Die Zahl aller möglichen Mikrozustände kannst du einfach kombinatorisch berechnen, für die Makrozustände muss du jedoch ein konkretes Modell annehmen.

Zum ersten berücksichtigst du bei den Mikrozuständen wohl die Reihenfolge, bei den Makrozuständen jedoch nicht (es ist bei den meisten Kartenspielen egal, in welcher Reihenfolge du die Karten auf der Hand hast).

Zum zweiten benötigst du ein konkretes Modell, also eine Spielregel. Du musst zumindest mal angeben, wer wieviele Karten und welche auf der Hand hat. Sagen wir du spielst Poker mit 52 Karten ohne Joker mit drei Spieler (und berücksichtigst der Einfachheit halber kein Nachkaufen von Karten, wobei es ja doch wieder auf die Reihenfolge ankäme). Dann wäre ein Makrozustand gegeben durch (5 Karten, 5 Karten, 5 Karten, 37 Karten), wobei du eigtl. die letzten 37 Karten bei der Betrachtung ganz weglassen kannst. Für die ersten drei Hände musst du jedoch die Reihenfolge wieder berücksichtuigen, denn es ist ja wichtig, welcher Spieler gerade ein Blatt in der Hand hat.

Für den ursprünglich geordneten Mikrozustand ist die Wahrscheinlichkeit eines bestimmten Makrozustandes beim Pokern in fast allen relevanten Fällen Null (bei geordneten Karten ist es unmöglich, dass die ersten fünf Karten an den ersten Spieler gerade ein Full House ergeben).

Für einen beliebigen, gemischten Mikrozustand müsstest du nun für ein konkretes Blatt die Wahrscheinlichkeit ausrechnen, also z.B. die Wahrscheinlichkeit, dass der erste Spieler gerade ein bestimmtes Full House bekommt, der zweite sowie der dritte eben ein anderes, jedoch festgelegtes Blatt.

Fünf ganz spezielle Karten müssen ohne Berücksichtung deren Reihenfolge gerade die ersten fünf Karten sein; exakt so verfährst du für den zweiten und dritten Spieler. Daraus erhältst du eine Anzahl möglicher Kartenverteilungen, für die dies realisiert sein kann. Die 37 restlichen Karten gehen in die Betrachtung lediglich mit einem Faktor 37! ein, wobei die interessante Abzählung der Zustände in den ersten 15 Karten steckt.

Die hohe Entropie beim Mischen äußert sich nun darin, dass die Abzählung der Mikrozustände für einen Makrozustand beim sortierten Kartendeck in fast allen Fällen exakt Null ergibt, während sie für gemischte Kartendecks in fast allen Fällen hoch ist (zumindest wegen des Faktors 37!). Sie ist nur für die Makrozustände exakt Null, in denen zwei Spieler die selbe Karte auf der Hand haben sollen (was ja nicht geht), in allen anderen Fällen ist sie extrem groß (und insbs. unabhängig vom jeweiligen Makrozustand), denn die Wahrscheinlichkeit eines bestimmten Blatts beim ersten Spieler ist unabhängig vom Blatt des zweiten Spielers (es sei denn, die beiden Blätter beinhalten die selbe Karte, was Null ergäbe).

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TomS
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Anmeldungsdatum: 20.03.2009
Beiträge: 18188

Beitrag TomS Verfasst am: 24. März 2012 09:18    Titel: Antworten mit Zitat

Ein einfaches Beispiel: betrachten wir N Karten und einen Spieler, der n Karten auf die Hand nimmt. Der Einfachheit halber sind die N Karten einfach durchnumeriert, also 1,2,3,...,N.

Es gibt insgs. N! verschiedene Mikrozustände

Im ungemischten Zustand existiert genau einen Mikrozustand, den der Spieler mit seinen ersten n Karten realisieren kann, nämlich (1,2,..,n) + (n+1,n+2,…,N). Die Wahrscheinlichkeit für alle anderen Mikrozustände ist exakt Null.

Diesem Mikrozustand entspricht der einzig mögliche Makrozustand {1,2,…,n} + {n+1,n+2,…,N}, wobei es jetzt nicht mehr auf die Reihenfolge innerhalb der {…} ankommt. Vertauscht man auch nur ein einziges Kartenpaar (k,k’) zwischen der ersten und der zweiten geschweiften Klammer, so ist die Wahrscheinlichkeit wieder exakt Null, d.h. für alle anderen Makrozustände ist die Anzahl der Mikrozustände, die diesen Makrozustand realisieren, exakt 0.

Umgekehrt gibt es also für ein sortiertes Spiel genau einen möglichen Mikrozustand (1,2,..,n) + (n+1,n+2,…,N) für den einen erlaubten Makrozustand {1,2,…,n} + {n+1,n+2,…,N}, sowie genau 0 Mikrozustände für alle anderen Makrozustände.

Die prinzipielle Anzahl der Mikrozustände für einen beliebigen Makrozustand ist jedoch astronomisch hoch, nämlich

Z(N,n) = n! (N-n)!

n! zählt die möglichen Permutationen der ersten n Karten untereinander, (N-n)! die möglichen Permutationen der zweiten (N-n) Karten.

Und für ein gemischtes Spiel (sozusagen im thermodynamischen Gleichgewicht) sind diese alle erlaubt, d.h. für fast alle Makrozustände - außer die mit gleichen Karten k=k’ in den ersten n sowie den zweiten (N-n) Karten - ist die Anzahl der jeweiligen Mikrozustände für einen Makrozustand gleich Z(N,n).

D.h. beim Mischen erhöht sich die Zahl der erlaubten Mikrozustände je Makrozustand von 1 auf Z bzw. von 0 auf Z.

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TomS
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Beitrag TomS Verfasst am: 24. März 2012 11:25    Titel: Antworten mit Zitat

Zuletzt kann man noch die Entropie in einem sortierten (Grundzustand) und einem ideal gemischten Spiel (thermodynamisches Gleichgewicht) berechnen.

Die Definition der Entropie im Rahmen der statistischen Mechanik lautet:



wobei i die Zustände nummeriert und p für die jeweilige Wahrscheinlichkeit des Zustandes steht.

Die Entropie ist dabei proportional zum Logarithmus des „zugänglichen Phasenraumvolumens“ bzw. der Zahl der „zugänglicher Zustände“

Im Grundzustand gilt



Hierbei bezeichnet der Index 0 den Grundzustand. Nur dieser eine Zustand ist im Grundzustand erlaubt, er hat also die Wahrscheinlichkeit 1 und es folgt sofort



Im ideal durchmischten Spiel hat jeder mögliche Zustand dieselbe Wahrscheinlichkeit. Es gibt insgs. Z=N! Zustände, jeder hat die Wahrscheinlichkeit



Damit gilt



Für große N kann man die Fakultät gemäß der Stirlingschen Formel wie folgt annähern



Damit gilt



wobei Terme höherer Ordnung vernachlässigt wurden.

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Beitrag TomS Verfasst am: 24. März 2012 14:30    Titel: Antworten mit Zitat

Dann fehlt da noch die Betrachtung des Beispiels mit den ersten n aus insgesamt N Karten, d.h. des Zustandes {1,2,..,n} sowie {n+1,n+2,…,n} jeweils ohne Berücksichtigung der Reihenfolge.

Die Gesamtzahl der Zustände Z berechnet sich zu



und damit



Für n << N kann man die n! vernachlässigen und erhält in guter Näherung



Betrachtet man p Spieler, die jeweils n Karten aus N bekommen, so gilt



und



Dabei berücksichtige ich jetzt die Reihenfolge der Spieler, d.h. der erste Spieler erhält ganz bestimmte n Karten in einer beliebigen Reichenfolge, der zweite wiederum ganz bestimmte n Karten in einer beliebigen Reichenfolge usf.

Für zunehmend mehr Spieler p verbleiben immer weniger Karten N-pn, so dass die obige Näherung sicher immer schlechter wird. Aus Gründen der Vergleichbarkeit nehme ich jedoch immer noch pn << N an; damit gilt dann.


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