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Unity
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Beitrag Unity Verfasst am: 22. Feb 2012 20:48    Titel: Sternleichen 2 Antworten mit Zitat

Meine Frage:
Es geht um das Pauli-Prinzip, welches die Ursache des Entartungsdruckes ist. Ich lese des öfteren die Aussage 1. "Das Pauli-Prinzip verbietet zwei Fermionen, denselben Ort und denselben Impuls zu besitzen. Die Materie in einem Stern besteht zum Großteil aus Fermionen, da alle Protonen, Neutronen und Elektronen Fermionen sind. Da jedoch durch die große Gravitation der Ort dieser Materie sehr begrenzt ist, zwingt das Pauli-Prinzip vielen Teilchen einen sehr hohen Impuls auf. Der so entstehende Entartungsdruck verhindert den Gravitationskollaps bei einem Weißen Zwerg"
Zum Anderen sagt der Physiker Harald Lesch 2., dass der Kollaps dadurch verhindert wird, weil Fermionen nicht nahe zusammen können?
Was ist es nun?
Aussage 1 oder 2?

Meine Ideen:
Vielen Dank!
TomS
Moderator


Anmeldungsdatum: 20.03.2009
Beiträge: 18062

Beitrag TomS Verfasst am: 22. Feb 2012 21:59    Titel: Antworten mit Zitat

Exakt formuliert ist es so, dass zwei Fermionen nicht exakt im selben Quantenzustand sein können. Ein Quantenzustand ist nun definiert durch Impuls (oder Drehimpuls o.ä., je nach Symmetrie des Problems) sowie den Spin. Bringt man sehr viele identische Teilchen (gleiche Teilchensorte, jedoch unterschiedliche Quantenzahlen) nahe zusammen, so spalten Energieniveaus typischerweise auf und man erhält ein Kontinuum oder Quasikontinuum von erlaubten Energiezuständen innerhalb eines bestimmten Energiebereiches. Dies beobachtet man z.B. in Festkörpern - Stichwort Bandstruktur: http://de.wikipedia.org/wiki/Bandstruktur

Auch in Neutronensternen müsste ein Energieband mit einem Quasi-Kontinuum infinitesimal benachbarter Energieniveaus existieren. Jedes Energieniveau ist dabei noch entartet, z.B. haben Neutronen mit entgegengesetztem Spin sowie entgegengesetztem Impuls jeweils identische Energie.

Das Pauliprinzip erzwingt nun, dass diese Energiebänder von unten nach oben besetzt werden; bei T=0 wird jeder Zustand entsprechend des Entartungsgrades von der maximal erlaubten Anzahl an Neutronen aufgefüllt. Diese Neutronen sind jedoch nicht lokalisiert; es handelt sich eher um Neutronenwellen. Es wird keineswegs so sein, dass innerhalb eines Neutronensterns ein „ganz bestimmtes Neutron“ " hier" ist; zum einen verliert der Begriff eines „bestimmten Neutrons“ seinen Sinn, denn Neutronen sind ununterscheidbar, zum anderen kann ein Neutronenzustand durchaus über den gesamten Neutronenstern delokalisiert sein. Dies trifft bereits auf eine normalen Atomkern zu.

Damit sind Neutronen in einem Neutronenstern immer delokalisiert, d.h. sowohl im Ortsraum als Neutronenwelle oder Wellenpaket, als auch im Impulsraum. Letzteres bedeutet tatsächlich, dass viele Neutronen einen extrem hohen Impuls haben. Da der Entartungsgrad jedes Energieniveaus für wachsende Energie zunimmt, werden die meisten Neutronen sich bei hohen Energien befinden. Dieses Verhalten kennt man aus der Festkörperphysik in der Nähe der Fermikante (auch in einem gewöhnlichen Wasserstoffatom nimmt der Entartungsgrad eines Energieniveaus mit wachsender Energie zu).

Insofern sind beide Aussagen also etwas vereinfacht (auch meine ;-), aber grundsätzlich richtig; Neutronen sind sowohl im Orts- als auch im Impulsraum aufgrund des Pauliprinzips delokalisiert.

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Niels Bohr brainwashed a whole generation of theorists into thinking that the job (interpreting quantum theory) was done 50 years ago.
Unity
Gast





Beitrag Unity Verfasst am: 22. Feb 2012 22:05    Titel: Antworten mit Zitat

Danke für deine tolle ausführliche Antwort, auch wenn ich sie ihrlich gesagt nicht ganz verstanden habe.
Aber was mich noch beschäfitgt ist das: Das Schrumpfen eines Weißen Zwerges und eines Neutronensterns.
Ich habe in vielen Fachliteraturen gelesen, dass das Pauli-Prinzip verletzt wird und sich dadurch ein Entartungsdruck aufbaut.
Aber jetzt habe ich gelesen, dass das Pauli-Prinzip auf keinen Fall verletzt wird. Aber wie kann dann die Sternenleiche schrumpfen.
Beim Neutronenstern denke ich es folgendes: der inverse Betazerfall, welcher die Elektronen "dahinrafft".
Aber beim Weißen Zwer kann ich mir nicht helfen?
Edit: Warum entarten die heliumkerne im weißen zwerg nicht sondern die Elektronen?
Danke!
TomS
Moderator


Anmeldungsdatum: 20.03.2009
Beiträge: 18062

Beitrag TomS Verfasst am: 22. Feb 2012 23:56    Titel: Antworten mit Zitat

Das Pauliprinzip kann nie verletzt werden!

Der Entartungsdruck ist kein Druck im herkömmlichen Sinn, er hat jedoch gewisse Ähnlichkeiten mit einem solchen, wenn das Pauliprinzip über klassische Druckeffekte dominiert.

Beim weißen bzw. schwarzen Zwerg stabilisiert das Pauliprinzip sozusagen auf atomarere Ebene, beim Neutronenstern dagegen erst auf nuklearere Ebene; ein Neutronenstern ist (stark vereinfacht) vergleichbar mit einem riesigen Atomkern.

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Unity
Gast





Beitrag Unity Verfasst am: 23. Feb 2012 06:27    Titel: Antworten mit Zitat

1.Und warum schrumpft dann ein Weißer Zwerg, wenn das Pauli-Prinzip niemals verletzt wird?
2.Beim Neutronenstern stelle ich mir das so vor: Durch den inversen Beta-Zerfall werden die Elektronen und Proton zu Neutronen umgewandelt, daher kann der Kern schrumpfen. ISt das richtig?
Unity
Gast





Beitrag Unity Verfasst am: 23. Feb 2012 06:34    Titel: Antworten mit Zitat

Hab ich eben vergessen zu fragen. Auf der Seite "Abenteuer Universum" wird das so erklärt, dass die Teilchen einen höheren Impuls bekommen, da sie immer näher zusammenrücken müssen, sich einen Phasenraum teilen müssen. Die ELektronen werden sogar relativistisch beschleunigt.
Aber wenn ich dich richtig verstanden habe sagst du, dass das Pauli-Prinzip kein wirklicher Druck ist. Thermodynamisch gesehen entspricht dies einem Druck, den man eben deshalb Entartungsdruck bezeichnet. ISt das korrekt so?
Aber was ist es denn nun, um mich nochmal zu wiederholen, eine bloße vorschrift oder eine tatsächliche Geschwindikgeit der Elektronen (Weißer Zwerg) welche den Druck stoppt?
Danke dir nochmals!
Unity
Gast





Beitrag Unity Verfasst am: 23. Feb 2012 07:12    Titel: Antworten mit Zitat

Sorry, dass ich nochmal nachhacke aber ich habe eben gelesen, dass ein Teelöffel der Materie eines Weißen Zwerges bzw. Neutronenstern mehrere Milliarden Tonnen wiegt. Wie kann das denn sein, wenn das Pauli-Prinzip nicht verletzt wird?
TomS
Moderator


Anmeldungsdatum: 20.03.2009
Beiträge: 18062

Beitrag TomS Verfasst am: 23. Feb 2012 07:46    Titel: Antworten mit Zitat

Unity hat Folgendes geschrieben:
1.Und warum schrumpft dann ein Weißer Zwerg, wenn das Pauli-Prinzip niemals verletzt wird?

Er schrumpft aufgrund der anziehenden Gravitationskraft. Das Pauliprinzip stellt für das Schrumpfen eine prinzipielle untere Grenze dar.


Unity hat Folgendes geschrieben:
2.Beim Neutronenstern stelle ich mir das so vor: Durch den inversen Beta-Zerfall werden die Elektronen und Proton zu Neutronen umgewandelt, daher kann der Kern schrumpfen. Ist das richtig?

Ja, es findet eine Umwandlung von normaler (aber bereits extrem dichter) Materie bestehend aus Atomen in Kernmaterie vor.


Unity hat Folgendes geschrieben:
Hab ich eben vergessen zu fragen. Auf der Seite "Abenteuer Universum" wird das so erklärt, …

Ich werde der Erklärung dort sicher nicht widersprechen; entweder ist sie von Werner oder mir ;-)

Wenn dir die Seite gefällt, dann melde dich im Forum an doch an ;-)

Außerdem hier noch die m.E. beste Seite zur Astrophysik. Andreas ist als Ray Light ebenfalls im "Abenteuer Universum" aktiv; er ist promovierter Astrophysiker.

http://www.wissenschaft-online.de/astrowissen/lexdt.html


Unity hat Folgendes geschrieben:
dass die Teilchen einen höheren Impuls bekommen, da sie immer näher zusammenrücken müssen, sich einen Phasenraum teilen müssen. Die Elektronen werden sogar relativistisch beschleunigt.

Ja, das ist im Wesentlichen das von mir oben verwendete Bild. Phasenraum ist eher ein klassischer Begriff, die von mir oben genannten Energieniveaus bzw. deren Zustandsdichte das quantenmechanische Analogon.

Man könnte es so sagen: je enger man die Teilchen im Ortsraum zusammenbringt, desto stärker werden sie einander im Impulsraum ausweichen. Und damit sollten wir es belassen, denn letztlich sind alles nur unzureichende Bilder für einen sehr exakt fassbare mathematische Tatsache. Wir diskutieren also nur über die unzureichenden Bilder, nicht über die Sache selbst.


Unity hat Folgendes geschrieben:
Aber wenn ich dich richtig verstanden habe sagst du, dass das Pauli-Prinzip kein wirklicher Druck ist. Thermodynamisch gesehen entspricht dies einem Druck, den man eben deshalb Entartungsdruck bezeichnet. Ist das korrekt so?

Ja, das hast du richtig verstanden. Mikroskopisch äußert sich das als Druck, mikroskopisch liegt eine andere Ursache vor. Insbs. setzt der Entartungsdruck keine klassische abstoßende Wechselwirkung im eigentlichen Sinne voraus.


Unity hat Folgendes geschrieben:
Aber was ist es denn nun, um mich nochmal zu wiederholen, eine bloße vorschrift oder eine tatsächliche Geschwindikgeit der Elektronen (Weißer Zwerg) welche den Druck stoppt?

Zunächst mal eine quantenmechanische Vorschrift, wie Fermionen mathematisch zu behandeln sind. Dann ist es aber tatsächlich ein realer Impuls der Teilchen (was aber nicht sofort einem Druck entspricht).

Unity hat Folgendes geschrieben:
Sorry, dass ich nochmal nachhacke aber ich habe eben gelesen, dass ein Teelöffel der Materie eines Weißen Zwerges bzw. Neutronenstern mehrere Milliarden Tonnen wiegt. Wie kann das denn sein, wenn das Pauli-Prinzip nicht verletzt wird?

Beide Materieformen sind extrem dicht; beim weißen Zwerg bzw. beim Neutronenstern liegen sie bei 10^6 g/cm³ bzw. 10^15 g/cm³. Ersteres entspricht dann ca. einer Tonne pro cm³, letzteres eben der genannten einer Milliarde Tonnen.

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Unity
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Beitrag Unity Verfasst am: 23. Feb 2012 08:07    Titel: Antworten mit Zitat

Wow, ich glaube ich hab es jetzt einigermaßen verstanden, wenn man das von quantenmechanischen Vorgängen überhaupt sagen kann. Und das auch noch ohne Mathematik ;-) Dank dir natürlich ! Big Laugh
Aber eine letzte Frage dazu habe ich noch. Wenn ich das richtig verstanden habe, dann "greift" das Pauli-Prinzip bei der normalen Materie, wie sie auf der Erde vorkommt noch nicht. Erst wenn man die Materie noch weiter zusammenquetscht greift zu. Ich glaube das hat was damit zu tun, weil das Gas in ionisierter Form vorliegt.
TomS
Moderator


Anmeldungsdatum: 20.03.2009
Beiträge: 18062

Beitrag TomS Verfasst am: 23. Feb 2012 08:13    Titel: Antworten mit Zitat

Das Pauliprinzip ist immer präsent. Bei normaler Materie erzwingt es die verschiedenen Energieschalen und deren Besetzung in Atomen (bei Bosonen wären alle Elektronen im Grundzustand) und ist daher eine der wesentlichen Ursachen für die in Atomphysik, Festkörperphysik und Chemie untersuchten Strukturen.

Es gibt jedoch Fälle, in denen es durch klassische Effekte dominiert wird z.B. bei (näherunsgweise) idealen Gasen sowie (nicht zu dichten) Plasmen in Sternen)

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