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Gleichverteilung bei unendlichen Mengen
 
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Mister_X
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Beitrag Mister_X Verfasst am: 28. Apr 2024 22:06    Titel: Gleichverteilung bei unendlichen Mengen Antworten mit Zitat

Wo ich es gerade mit so gut in Mathematik ausgebildeten Menschen zu tun habe, kann ich hier bestimmt auch noch eine Frage zur Stochastik beantwortet bekommen:

Und zwar folgendes: ich habe mal gelesen, dass eine Gleichverteilung bei unendlichen Mengen nicht definiert ist.
Wenn ich nun aber das Intervall [0,1] der reellen Zahlen betrachte, so ist die Wahrscheinlichkeit, genau eine bestimmte Zahl zu ziehen 0; was ja mittels Abstand von der entsprechenden Zahl bis zur nächsten Zahl im intervall berechnet wird (bei genau einer Zahl somit 0; wenn ich eine Zahl größer 0,5 ziehen möchte beträgt die Wahrscheinlichkeit 0,5 usw.).
Nun stellt sich mir die Frage: Hat man es hier nicht auch mit einer Gleichverteilung auf einer unendlichen Menge zu tun? Denn jede Zahl ist gleich wahrscheinlich und im Intervall von [0,1] gibt es unendlich viele Reelle Zahlen. Oder täusche ich mich?
TomS
Moderator


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Beitrag TomS Verfasst am: 28. Apr 2024 22:25    Titel: Antworten mit Zitat

Bei einem Kontinuum wie dem reellen Intervall [0, 1] kommt noch ein zweites Problem hinzu; betrachten wir stattdessen zunächst die natürlichen Zahlen.

Für eine Wahrscheinlichkeitsverteilung über den natürlichen Zahlen mit



muss für die Gesamtwahrscheinlichkeit P gelten



Das ist zunächst kein Problem.

Für eine Gleichverteilung müsste für alle Einzelwahrscheinlichkeiten gelten



Damit folgt aber für die Gesamtwahrscheinlichkeit




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Niels Bohr brainwashed a whole generation of theorists into thinking that the job (interpreting quantum theory) was done 50 years ago.
Mister_X
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Beitrag Mister_X Verfasst am: 29. Apr 2024 06:06    Titel: Antworten mit Zitat

Danke für das Beispiel, dass kannte ich leider schon.

Diesen Artikel hatte ich gelesen: mathematik.de/Mathlog/3497-wahrscheinlichkeit-null#:~:text=Wahrscheinlichkeit%200,einer%20einzelnen%20Zahl%20gleich%200.

Deshalb die Frage, wie es bei einem Intervall aus reellen Zahlen aussieht.
TomS
Moderator


Anmeldungsdatum: 20.03.2009
Beiträge: 18198

Beitrag TomS Verfasst am: 29. Apr 2024 06:26    Titel: Antworten mit Zitat

Wir gehen analog vor.

Für die Wahrscheinlichkeitsdichte rho(r) über dem endlichen Intervall [a, b] muss für die Gesamtwahrscheinlichkeit gelten



Für die Gleichverteilung gilt





Für die Wahrscheinlichkeit des Ziehens einer Zahl r aus einem darin enthaltenen Intervall



gilt



wobei das letzte Gleichheitszeichen nur für die Gleichverteilung gilt.

Wir betrachten also nicht die Wahrscheinlichkeit einer Zahl r selbst, sondern die Wahrscheinlichkeit, dass die Zahl r im Intervall [x,y] liegt.

Damit folgt



wobei a,b festgehalten werden. Das ist unproblematisch, das ist das Wesen einer kontinuierlichen Wahrscheinlichkeitsverteilung; nicht-verschwindende Wahrscheinlichkeiten P folgen nur für Intervalle mit Länge größer Null (allgemein: Mengen mit Maß größer Null).

Das Problem von oben taucht wieder auf, wenn das Intervall unendlich lang wird:





wobei nun x,y festgehalten werden.

D.h. wenn man zuerst ein unendliches Intervall festlegt – das ist der rechte Lines – dann kann darüber keine Wahrscheinlichkeitsdichte definiert werden. Setzen wir x=a und halten dies fest, so gilt für die " Gesamtwahrscheiichkeit"



obwohl man für x=a, y=b natürlich P=1 erwartet.

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Zuletzt bearbeitet von TomS am 29. Apr 2024 07:58, insgesamt 3-mal bearbeitet
Mister_X
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Beitrag Mister_X Verfasst am: 29. Apr 2024 07:51    Titel: Antworten mit Zitat

Danke erstmal für die Hilfe!

Kann es sein, daß ich vielleicht einfach nur einen Denkfehler hatte, da zwar im Intervall [0,1] unendlich viele reelle Zahlen liegen, das Intervall aber selbst endlich ist?

Zu deinem letzten Beispiel, wo man x=a setzt und lim y->b und lim b-> unendlich bildet:
Das finde ich ziemlich herausfordernd, denn letztlich wende ich dann ja doch die Gleichverteilung auf eine unendliches Intervall an. Warum wird dann nicht einfach gleich gelehrt, dass es so funktioniert? Wenn P=0 ist, wäre es dann überhaupt möglich, eine Zahl aus dem Intervall zu ziehen?
TomS
Moderator


Anmeldungsdatum: 20.03.2009
Beiträge: 18198

Beitrag TomS Verfasst am: 29. Apr 2024 08:01    Titel: Antworten mit Zitat

Mister_X hat Folgendes geschrieben:
Danke erstmal für die Hilfe!

Kann es sein, daß ich vielleicht einfach nur einen Denkfehler hatte, da zwar im Intervall [0,1] unendlich viele reelle Zahlen liegen, das Intervall aber selbst endlich ist?

Ich vermute, dein Denkfehler besteht darin, nach der Wahrscheinlichkeit für exakt eine Zahl zu suchen, und vom Ergebnis Null überrascht zu sein. Das ist nicht überraschend, wie die Berechnung mittels des Intervalls [x,y] und des Grenzwertes für die Länge Null zeigt.

Mister_X hat Folgendes geschrieben:
Zu deinem letzten Beispiel, wo man x=a setzt und lim y->b und lim b-> unendlich bildet:
Das finde ich ziemlich herausfordernd, denn letztlich wende ich dann ja doch die Gleichverteilung auf eine unendliches Intervall an.

Du wendest die konstante Funktion rho bzw. deren Grenzwert Null sowie ein endliches Intervall bzw. dessen Grenzübergang an. Daraus resultiert aber keine gültige Wahrscheinlichkeitsdichte d.h. keine gültige Gleichverteilung im Sinne der Wahrscheinlichkeitsrechnung, da die geforderten Eigenschaften nicht gelten. Dabei sind die Berechnungen und Grenzwerte wasserdicht, die Ergebnisse korrekt, nur sind diese im Rahmen der Wahrscheinlichkeitsrechnung unzulässig.

Du kannst ja mal mit



Auf dem Intervall [0, L] herumspielen und die Grenzübergänge betrachten.



Die Herausferderung besteht darin für Untermengen X einer Gesamtmenge M



Wahrscheinlichkeiten P(X) zu definieren, so dass





sowie eine Additionseigenschaft für disjunktes X, Y



gilt.

Die letzte Eigenschaft ist diejenige für "X oder Y", wobei man dies sogar auf abzählbar unendlich viele Mengen X, Y … erweitern kann.

Dazu kann man eben eine Funktion rho auf M betrachten, die gewisse Eigenschaften erfüllen muss. Und es zeigt sich eben, dass man nicht beliebige Mengen M mit beliebigen Funktionen rho ausstatten kann, weil dann i.A. nicht die geforderten Eigenschaften folgen. Es gibt also weitere Bedingungen für M, X und rho, sowie für die Definition des Maßes, d.h. des Integrals. Neben unzulässigen Funktionen gibt es auch unzulässige Mengen oder Kombinationen.

Im vorliegenden Fall ist die Normierungsbedingung P(M) = 1 mit der Forderung der Gleichverteilung nicht vereinbar.

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Mister_X
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Beitrag Mister_X Verfasst am: 29. Apr 2024 13:07    Titel: Antworten mit Zitat

Zitat:
Mister_X hat Folgendes geschrieben:
Danke erstmal für die Hilfe!

Kann es sein, daß ich vielleicht einfach nur einen Denkfehler hatte, da zwar im Intervall [0,1] unendlich viele reelle Zahlen liegen, das Intervall aber selbst endlich ist?

Ich vermute, dein Denkfehler besteht darin, nach der Wahrscheinlichkeit für exakt eine Zahl zu suchen, und vom Ergebnis Null überrascht zu sein. Das ist nicht überraschend, wie die Berechnung mittels des Intervalls [x,y] und des Grenzwertes für die Länge Null zeigt.


Damit hast du recht, da einem das Ergebnis Null ja suggeriert, dass dieses Ereigniss eigentlich nicht möglich ist. Noch verrückter wird es ja, wenn man nachschaut, wie die Wahrscheinlichkeit ist, in einem Intervall eine rationale oder irrationale Zahl zu ziehen. Dann ist die Wahrscheinlichkeit für die rationale Zahl 0 und für die irrationale Zahl 1, da die irrationalen Zahlen überabzählbar sind.
Rein mathematisch kann ich es zum Teil schon nachvollziehen, allerdings weiß ich nicht, was man sich unter solch einer Wahrscheinlichkeit noch vorstellen kann.
Wäre jetzt eigentlich die Gleichverteilung im Intervall von [0,1] im R möglich? Das Intervall ist zwar begrenzt, enthält aber unendlich viele Elemente...


Zitat:

Du wendest die konstante Funktion rho bzw. deren Grenzwert Null sowie ein endliches Intervall bzw. dessen Grenzübergang an. Daraus resultiert aber keine gültige Wahrscheinlichkeitsdichte d.h. keine gültige Gleichverteilung im Sinne der Wahrscheinlichkeitsrechnung, da die geforderten Eigenschaften nicht gelten. Dabei sind die Berechnungen und Grenzwerte wasserdicht, die Ergebnisse korrekt, nur sind diese im Rahmen der Wahrscheinlichkeitsrechnung unzulässig.

Du kannst ja mal mit



Auf dem Intervall [0, L] herumspielen und die Grenzübergänge betrachten.



Die Herausferderung besteht darin für Untermengen X einer Gesamtmenge M



Wahrscheinlichkeiten P(X) zu definieren, so dass





sowie eine Additionseigenschaft für disjunktes X, Y



gilt.

Die letzte Eigenschaft ist diejenige für "X oder Y", wobei man dies sogar auf abzählbar unendlich viele Mengen X, Y … erweitern kann.

Dazu kann man eben eine Funktion rho auf M betrachten, die gewisse Eigenschaften erfüllen muss. Und es zeigt sich eben, dass man nicht beliebige Mengen M mit beliebigen Funktionen rho ausstatten kann, weil dann i.A. nicht die geforderten Eigenschaften folgen. Es gibt also weitere Bedingungen für M, X und rho, sowie für die Definition des Maßes, d.h. des Integrals. Neben unzulässigen Funktionen gibt es auch unzulässige Mengen oder Kombinationen.

Im vorliegenden Fall ist die Normierungsbedingung P(M) = 1 mit der Forderung der Gleichverteilung nicht vereinbar.


Okay, sprich die Berechnung mit den beiden Grenzwerten hilft mir dann eigentlich gar nicht weiter, da die Wahrscheinlichkeitsdichte ungültig ist?
TomS
Moderator


Anmeldungsdatum: 20.03.2009
Beiträge: 18198

Beitrag TomS Verfasst am: 29. Apr 2024 15:58    Titel: Antworten mit Zitat

Mister_X hat Folgendes geschrieben:
Noch verrückter wird es ja, wenn man nachschaut, wie die Wahrscheinlichkeit ist, in einem Intervall eine rationale oder irrationale Zahl zu ziehen. Dann ist die Wahrscheinlichkeit für die rationale Zahl 0 und für die irrationale Zahl 1, da die irrationalen Zahlen überabzählbar sind.

Der mathematische dazu notwendige Integral- bzw. Maßbegriff liefert das automatisch.

Mister_X hat Folgendes geschrieben:
Rein mathematisch kann ich es zum Teil schon nachvollziehen, allerdings weiß ich nicht, was man sich unter solch einer Wahrscheinlichkeit noch vorstellen kann.

Es geht immer um das selbe: um eine Wahrscheinlichkeit, dass eine zufällig aus [0,1] "gezogene" Zahl Element einer Untermenge X ist. Diese ist für Intervalle proportional zur Länge des Intervalls, bei komplizierteren X proportional zum Maß von X.

Mister_X hat Folgendes geschrieben:
Wäre jetzt eigentlich die Gleichverteilung im Intervall von [0,1] im R möglich?

Ja, habe ich oben geschrieben.

Mister_X hat Folgendes geschrieben:
Okay, sprich die Berechnung mit den beiden Grenzwerten hilft mir dann eigentlich gar nicht weiter, da die Wahrscheinlichkeitsdichte ungültig ist?

Du würdest feststellen, dass die Auswertung der Grenzwerte wieder auf zulässige Funktionen etc. führt, jedoch nicht auf als Wahrscheinlichkeitsdichte zulässige Funktionen.
_
Mister_X
Gast





Beitrag Mister_X Verfasst am: 29. Apr 2024 16:17    Titel: Antworten mit Zitat

Zitat:
Mister_X hat Folgendes geschrieben:
Rein mathematisch kann ich es zum Teil schon nachvollziehen, allerdings weiß ich nicht, was man sich unter solch einer Wahrscheinlichkeit noch vorstellen kann.

Es geht immer um das selbe: um eine Wahrscheinlichkeit, dass eine zufällig aus [0,1] "gezogene" Zahl Element einer Untermenge X ist. Diese ist für Intervalle proportional zur Länge des Intervalls, bei komplizierteren X proportional zum Maß von X.


Mir suggeriert halt immer die Wahrscheinlichkeit von 0, dass das Ergebnis nicht eintreten kann. Aber bei unendlichen Mengen kann ich ja, angenommen ich würde zufällig ziehen, trotzdem zb beliebig oft eine rationale Zahl ziehen, obwohl die Wahrscheinlichkeit bei Null liegt. Da fragt man sich dann schon, welche Aussage der Wahrscheinlichkeitsbegriff bei unendlichen Mengen hat.

Zitat:
Mister_X hat Folgendes geschrieben:
Okay, sprich die Berechnung mit den beiden Grenzwerten hilft mir dann eigentlich gar nicht weiter, da die Wahrscheinlichkeitsdichte ungültig ist?

Du würdest feststellen, dass die Auswertung der Grenzwerte wieder auf zulässige Funktionen etc. führt, jedoch nicht auf als Wahrscheinlichkeitsdichte zulässige Funktionen.


Nur sind diese Funktionen dann überhaupt noch für stochastische Operationen brauchbar?
TomS
Moderator


Anmeldungsdatum: 20.03.2009
Beiträge: 18198

Beitrag TomS Verfasst am: 29. Apr 2024 16:45    Titel: Antworten mit Zitat

Mister_X hat Folgendes geschrieben:
Mir suggeriert halt immer die Wahrscheinlichkeit von 0, dass das Ergebnis nicht eintreten kann. Aber bei unendlichen Mengen kann ich ja, angenommen ich würde zufällig ziehen, trotzdem zb beliebig oft eine rationale Zahl ziehen, obwohl die Wahrscheinlichkeit bei Null liegt. Da fragt man sich dann schon, welche Aussage der Wahrscheinlichkeitsbegriff bei unendlichen Mengen hat.

Es ist wie immer in der Mathematik, man muss halt die geeigneten Fragen stellen.

Mister_X hat Folgendes geschrieben:
Zitat:
Mister_X hat Folgendes geschrieben:
Okay, sprich die Berechnung mit den beiden Grenzwerten hilft mir dann eigentlich gar nicht weiter, da die Wahrscheinlichkeitsdichte ungültig ist?

Du würdest feststellen, dass die Auswertung der Grenzwerte wieder auf zulässige Funktionen etc. führt, jedoch nicht auf als Wahrscheinlichkeitsdichte zulässige Funktionen.

Nur sind diese Funktionen dann überhaupt noch für stochastische Operationen brauchbar?

Nein, das ist der Punkt: eine Gleichverteilung auf endlichen Intervallen ist OK, eine nicht-Gleichverteilung auf unendlichen Intervallen auch. Die Gleichverteilung (z.B.) auf den reellen Zahlen führt aber zwingend auf eine von zwei Optionen:



Mister_X
Gast





Beitrag Mister_X Verfasst am: 29. Apr 2024 18:03    Titel: Antworten mit Zitat

Zitat:
Mister_X hat Folgendes geschrieben:
Mir suggeriert halt immer die Wahrscheinlichkeit von 0, dass das Ergebnis nicht eintreten kann. Aber bei unendlichen Mengen kann ich ja, angenommen ich würde zufällig ziehen, trotzdem zb beliebig oft eine rationale Zahl ziehen, obwohl die Wahrscheinlichkeit bei Null liegt. Da fragt man sich dann schon, welche Aussage der Wahrscheinlichkeitsbegriff bei unendlichen Mengen hat.

Es ist wie immer in der Mathematik, man muss halt die geeigneten Fragen stellen.


Ist diese Frage denn nicht geeignet? Augenzwinkern

Zitat:
Nein, das ist der Punkt: eine Gleichverteilung auf endlichen Intervallen ist OK, eine nicht-Gleichverteilung auf unendlichen Intervallen auch. Die Gleichverteilung (z.B.) auf den reellen Zahlen führt aber zwingend auf eine von zwei Optionen:





Nochmal ganz doof gefragt: eine Gleichverteilung auf einem endlichen Intervall in R führt aber immer zu P=1, oder?




Eine physikalisch spekulative Frage, die ich noch habe und wahrscheinlich mit dem Thema zusammen hängt: ich lese immer wieder die Behauptung, dass es unsere Erde (mich mit eingeschlossen, der gerade am Computer sitzt) unendlich oft gäbe, wenn dass Universum unendlich groß wäre.
Erstmal, beinhaltet ein unendlich ausgedehntes Universum automatisch unendlich viele Planeten?
Und kann man aktuell überhaupt sagen, ob es unendlich ist oder endlich (und sehr groß)?
Und zu guter letzt, wie logisch zwingend ist die oft gehörte Schlussfolgerung, dass es uns unendlich oft auf unendlich vielen gleichen Erden im Universum gibt?
TomS
Moderator


Anmeldungsdatum: 20.03.2009
Beiträge: 18198

Beitrag TomS Verfasst am: 29. Apr 2024 18:26    Titel: Antworten mit Zitat

Mister_X hat Folgendes geschrieben:
Nochmal ganz doof gefragt: eine Gleichverteilung auf einem endlichen Intervall in R führt aber immer zu P=1, oder?

Ja. Für das Intervall [a, b] beträgt die Dichte einfach 1/(b-a).

Rest später.

Können wir den Thread aufteilen?

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Mister_X
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Beitrag Mister_X Verfasst am: 30. Apr 2024 01:02    Titel: Antworten mit Zitat

Alles klar.
TomS
Moderator


Anmeldungsdatum: 20.03.2009
Beiträge: 18198

Beitrag TomS Verfasst am: 30. Apr 2024 06:39    Titel: Antworten mit Zitat

Mister_X hat Folgendes geschrieben:
Und kann man aktuell überhaupt sagen, ob es [das Universum] unendlich ist oder endlich (und sehr groß)?

Wir können nur einen Teil des gesamten Universums beobachten und aus den Daten (mit Unsicherheiten behaftete) Schlüsse zur lokale Geometrie (d.h. zur beobachtbaren Umgebung) ableiten. Eine sichere Extrapolation auf die globale Topologie und Geometrie (Form) wäre selbst bei exakter Kenntnis der lokalen Geometrie unmöglich. Aufgrund der aktuellen Daten gehen die Kosmologen davon aus, dass das Universum räumlich flach ist. Nehmen wir an, diese gelte tatsächlich für das gesamte Universum. Dann existieren neben dem euklidischen Raum weitere flache jedoch räumlich endliche und zugleich flache Geometrien.

Mister_X hat Folgendes geschrieben:
Und zu guter letzt, wie logisch zwingend ist die oft gehörte Schlussfolgerung, dass es uns unendlich oft auf unendlich vielen gleichen Erden im Universum gibt?

Na ja, logisch zwingend heißt ja immer, ausgehend von gewissen Annahmen logisch zwingend. Die Problematik steckt in beidem, den Annahmen und den Schlüssen. Dass die Schlussfolgerung "beobachtbares Universum ist flach => gesamtes Universum ist flach = gesamtes Universum ist unendlich" nicht zwingend ist, habe ich ja gerade erklärt.

Zurück zu den Wahrscheinlichkeiten: hier sieht die Schlussfolgerung im wesentlichen wie folgt aus:
1. das gesamte Universum ist räumlich unendlich; dazu siehe oben
2. das beobachtbare Universum ist in gewisser Weise "typisch"; das entspricht im Wesentlichen dem kosmologische Prinzip *)

Diese Annahme, zusammen mit der Unkenntnis über den Rest des Universums, können wir nun sozusagen in eine Gleichverteilung übersetzen; daraus folgt dann der Schluss, dass es das, was es in einem typischen Bereich des Universums ein- oder mehrfach existiert, in einem unendlichen Universum unendlich oft vorliegen muss. Neben den oben diskutierten Problemen mit der Gleichverteilung, die man in den Griff bekommt, wenn man immer nur einen endlichen Bereich betrachtet, haben wir dann jedoch noch ein weiteres Problem: die Gleichverteilung kodiert nicht unser Wissen, sie kodiert unser Unwissen.

*) Dass das beobachtbare Universum typisch ist, ist natürlich eine unüberprüfbare Annahme. Wir könnten uns genauso in einem sehr großen, jedoch untypischen Bereich befinden. Dies wäre zwar nicht mit unseren kosmologische Modellen verträglich, aber diese könnten ja falsch sein.

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Zuletzt bearbeitet von TomS am 30. Apr 2024 07:05, insgesamt 3-mal bearbeitet
Mister_X
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Beitrag Mister_X Verfasst am: 30. Apr 2024 06:54    Titel: Antworten mit Zitat

Ok! Mal angenommen, dass Universum wäre wirklich unendlich groß. Würde es dann wirklich unendlich viele Planeten enthalten?
Bzw was hältst du von der Argumentation, dass es in einem unendlichen Universum uns unendlich oft gibt (also auf anderen Planeten, die aussehen der unsere, wo ein TomS und Mister_X im Internet gerade Forenbeiträge schreiben)?
Wäre es nicht trotzdem möglich, dass es de Erde mit uns nur exakt einmal gibt,auch wenn das Universum unendlich ist?
TomS
Moderator


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Beitrag TomS Verfasst am: 30. Apr 2024 07:31    Titel: Antworten mit Zitat

Unter gewissen Annahmen erscheint die Schlussfolgerung naheliegend. Unsere Einzigartigkeit sicher ausschließen kann sie nicht (dies würde jedoch auch für die Einzigartigkeit jedes anderen Planeten oder jeder anderen Spezies gelten).

Für mich persönlich empfinde ich diese Konsequenz als bizarr.

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Beitrag Mister_X Verfasst am: 30. Apr 2024 07:45    Titel: Antworten mit Zitat

Ich muss zugeben, dass ich es total befremdlich finden würde, wenn es unsere Welt mit uns beiden noch unendlich oft im Universum geben würde. Das gefällt mir gar nicht. Das ist zwar kein wissenschaftliches Kriterium, aber wenigstens eine ehrliche Antwort:)

Inwiefern kodiert die Gleichverteilung unser Unwissen?

Und was ich noch nicht ganz verstanden habe: heißt unendlich ausgedehntes Universum auch automatisch unendlich viele Planeten?
TomS
Moderator


Anmeldungsdatum: 20.03.2009
Beiträge: 18198

Beitrag TomS Verfasst am: 30. Apr 2024 07:52    Titel: Antworten mit Zitat

Schau dir irgendein Intervall der natürlichen Zahlen an, sowie Zahlen in diesem Intervall, die einem gewissen Muster folgen. Inwiefern kannst du dieses Muster auf die Gesamtheit aller natürlichen Zahlen übertragen? Nur, in dem du annimmst, dass das Intervall und das Muster in irgendeiner Form typisch ist.

Wenn das Universum unendlich ist, und wenn wir einen typischen Ausschnitt davon sehen, dann wäre die Schlussfolgerung, dass in einem unendlichen Universum auch unendlich viele Galaxien, Sterne und Planeten existieren.

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Beitrag Mister_X Verfasst am: 30. Apr 2024 08:20    Titel: Antworten mit Zitat

Bevor ich weiter schreibe, erstmal vielen Dank für deine Geduld mit mir und meinen blöden Fragen Augenzwinkern


Die Punkte, die gegen die unendlichefache Existenz von uns sprechen, wären nun abschließend folgende:

1. Das Universum ist möglicherweise nicht unendlich, sondern endlich.
2. Unser beobachteter Raumbereich ist untypisch (wenn auch unwahrscheinlich)
3. Auf das gesamte, angenommen unendliche Universum, kann ich die Gleichverteilung nicht anwenden.
4. Es spricht rein logisch nichts dagegen, dass die Erde mit uns auch in einem unendlichen Universum nur einmal existiert.

Kann man das abschließend so sagen? Zudem: streng wissenschaftlich ist die Hypothese eigentlich nicht, da nicht falsifizierbar, zumindest praktisch, oder?
TomS
Moderator


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Beiträge: 18198

Beitrag TomS Verfasst am: 30. Apr 2024 09:03    Titel: Antworten mit Zitat

Passt.

3. kann aber entfallen, bzw. du kannst es umgehen, indem du nicht von einem unendlichen Universum ausgehst, sondern von einem endlichen jedoch beliebig großen; dann kannst du folgern, dass es dich beliebig oft gibt. Das löst vermutlich schon genügend Unbehagen aus.

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Beitrag Mister_X Verfasst am: 30. Apr 2024 11:18    Titel: Antworten mit Zitat

Zitat:
3. kann aber entfallen, bzw. du kannst es umgehen, indem du nicht von einem unendlichen Universum ausgehst, sondern von einem endlichen jedoch beliebig großen; dann kannst du folgern, dass es dich beliebig oft gibt. Das löst vermutlich schon genügend Unbehagen aus.


Dann gäbe es mich allerdings nicht unendlich oft Augenzwinkern
Aber ja, auch dieses Szenario finde ich irgendwie beängstigend.
Dem könnte man entgegen, dass ja auch womöglich gar keine Gleichverteilung vorliegt.
Generell: ich erinnere mich mal an einen flüchtigen Kommentar von einem Mathe-Prof zu dem Thema. Der meinte, die ganze Argumentation würde auch ein statistisches Universum voraussetzen. Das würden auch viele Physiker nicht akzeptieren.
TomS
Moderator


Anmeldungsdatum: 20.03.2009
Beiträge: 18198

Beitrag TomS Verfasst am: 30. Apr 2024 11:30    Titel: Antworten mit Zitat

Warum setzt das ein statisches Universum voraus?
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Beitrag Mister_X Verfasst am: 30. Apr 2024 11:32    Titel: Antworten mit Zitat

Statistisches, nicht statisch. Alles passiert zufällig.
TomS
Moderator


Anmeldungsdatum: 20.03.2009
Beiträge: 18198

Beitrag TomS Verfasst am: 30. Apr 2024 12:54    Titel: Antworten mit Zitat

Sorry, falsch gelesen, vergiss es.
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Mister_X
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Beitrag Mister_X Verfasst am: 30. Apr 2024 13:15    Titel: Antworten mit Zitat

Kein Problem, passiert;)

Ist das Argument denn zulässig?
TomS
Moderator


Anmeldungsdatum: 20.03.2009
Beiträge: 18198

Beitrag TomS Verfasst am: 30. Apr 2024 19:24    Titel: Antworten mit Zitat

Welches Argument? Dass sich für ein stochastisches Argument das Universum stochastisch verhalten muss?

Nein. Lottokugeln folgen den deterministischen Gesetzen der Newtonschen Mechanik, allerdings folgt unter bestimmten Bedingungen eben zufälliges Verhalten – besser gesagt, deterministisches Verhalten, das sich nicht von zufälligem unterscheiden lässt.

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Mister_X
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Beitrag Mister_X Verfasst am: 30. Apr 2024 20:05    Titel: Antworten mit Zitat

Das stimmt wohl auch. Naja, dann bleibt mir noch Punkt 4 von der Liste:)
Mister_X
Gast





Beitrag Mister_X Verfasst am: 30. Apr 2024 22:39    Titel: Antworten mit Zitat

Achso, nochmal ganz kurz gefragt: stimmt denn eigentlich meine Annahme, dass diese ganze Hypothese nicht streng wissenschaftlich ist, da sie sich von der Beobachtung entzieht und somit nicht falsifizierbar ist?
TomS
Moderator


Anmeldungsdatum: 20.03.2009
Beiträge: 18198

Beitrag TomS Verfasst am: 01. Mai 2024 07:45    Titel: Antworten mit Zitat

Mister_X hat Folgendes geschrieben:
Achso, nochmal ganz kurz gefragt: stimmt denn eigentlich meine Annahme, dass diese ganze Hypothese nicht streng wissenschaftlich ist, da sie sich von der Beobachtung entzieht und somit nicht falsifizierbar ist?

Im engeren Sinne natürlich.

Im weiteren Sinne nicht unbedingt. Wenn man in der Kosmologie nur noch Hypothesen zulässt, die man vor Ort nachprüfen kann, bleibt von dem Fachgebiet wenig übrig.

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Mister_X
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Beitrag Mister_X Verfasst am: 01. Mai 2024 20:55    Titel: Antworten mit Zitat

Ds stimmt natürlich wiederum. Allerdings muss man bei vielen Thesen auch klar benennen, dass sie mit vielen Unsicherheiten oder Spekulationen behaftet sind. Das vermisse ich manchmal.
TomS
Moderator


Anmeldungsdatum: 20.03.2009
Beiträge: 18198

Beitrag TomS Verfasst am: 02. Mai 2024 06:52    Titel: Antworten mit Zitat

Mister_X hat Folgendes geschrieben:
Ds stimmt natürlich wiederum. Allerdings muss man bei vielen Thesen auch klar benennen, dass sie mit vielen Unsicherheiten oder Spekulationen behaftet sind. Das vermisse ich manchmal.

Ich auch.

Ich halte offen gesagt den Sprachgebrauch in diesem Fachbereich teilweise für fahrlässig. Die Kosmologie löst ihre Probleme im Wesentlichen durch zwei unbestätigte Annahmen – die Inflation mit dem Inflatonfeld sowie die dunkle Materie. Beide Modelle kann man tweaken und tunen, bis es irgendwie passt, und für beides – Inflaton und dunkle Materie – gibt es keine einzige unabhängige Bestätigung, im Gegenteil, sie werden durch diverse Experimente sukzessive ausgeschlossen. Dieses Luftschloss nennt man "Standardmodell der Kosmologie"

(aals der Begriff "Standardmodell der Elementarteilchenphysik" geprägt wurde, waren zwei Quark-Generationen und neutrale Ströme experimentell nachgewiesen, GIM, DIS u.a. gut verstanden, die Theorie abschließend formuliert, ihre Renormierbarkeit bewiesen …)

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gdfghfggjh
Gast





Beitrag gdfghfggjh Verfasst am: 04. Mai 2024 01:30    Titel: Antworten mit Zitat

Unsicherheit und Zufall lassen sich nicht messen und bestimmen, das ist jetzt wirklich so eine Überraschung ja?
Eine gute Theorie zeichnet sich immer dadurch aus das man sie auf die Probe stellen kann, Falsifikation so funktioniert Naturwissenschaft nunmal, face it.
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