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Gibt es einen wissenschaftlichen Konsens?
 
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Kelvin1995



Anmeldungsdatum: 09.01.2022
Beiträge: 64

Beitrag Kelvin1995 Verfasst am: 18. Jan 2022 11:11    Titel: Gibt es einen wissenschaftlichen Konsens? Antworten mit Zitat

Zumindest wird bei bestimmten Themen medial von einem wissenschaftlichen Konsens gesprochen (Klima, Corona ...).

Nach meinem Verständnis ist Wissenschaft ein Selektionsprozess. Man stellt falsifizierbare Hypothesen auf und verwirft alles was erfolgreich falsifiziert werden konnte. Alles was übrig bleibt und sich Falsifizierbarkeitsversuchen widersetzt hat eine erhöhte Wahrscheinlichkeit brauchbar zu sein.

Dabei kann es selbst bei grundlegenden Aspekten fundamentaler erfolgreicher Theorien einen Dissenz geben, wie z.B. die Interpretation der Quantenmechanik.

Meines Erachtens nach lebt die Wissenschaft mehr vom Dissenz als vom Konsens. Dabei ist Wissenschaft natürlich keine Willkür und man muss sich an bewährte Methodiken halten, um letztlich nicht in die Pseudowissenschaft abzudriften.

Man könnte auch sagen, dass die absolute Raumzeit im 19. Jahrhundert ein wissenschaftlicher Konsens war, was dann im 20. Jahrhundert widerlegt wurde. Wenn es also sowas wie einen wissenschaftlichen Konsens gibt, muss dieser Konsens nicht richtig sein.

Was denkt ihr?
willyengland



Anmeldungsdatum: 01.05.2016
Beiträge: 677

Beitrag willyengland Verfasst am: 18. Jan 2022 13:49    Titel: Re: Gibt es einen wissenschaftlichen Konsens? Antworten mit Zitat

Kelvin1995 hat Folgendes geschrieben:
Man könnte auch sagen, dass die absolute Raumzeit im 19. Jahrhundert ein wissenschaftlicher Konsens war, was dann im 20. Jahrhundert widerlegt wurde. Wenn es also sowas wie einen wissenschaftlichen Konsens gibt, muss dieser Konsens nicht richtig sein.

Das stimmt.
Konsens dauert.
Bis Einsteins RT anerkannt war, sind Jahre vergangen.
Etwas Zeit lassen kann aber auch sein Gutes haben.

_________________
Gruß Willy
DrStupid



Anmeldungsdatum: 07.10.2009
Beiträge: 5044

Beitrag DrStupid Verfasst am: 18. Jan 2022 14:19    Titel: Re: Gibt es einen wissenschaftlichen Konsens? Antworten mit Zitat

willyengland hat Folgendes geschrieben:
Bis Einsteins RT anerkannt war, sind Jahre vergangen.


Wenn der Leidensdruck nicht so hoch gewesen wäre, dann hätte es noch viel länger gedauert. Darwin hatte weniger Glück.
TomS
Moderator


Anmeldungsdatum: 20.03.2009
Beiträge: 18079

Beitrag TomS Verfasst am: 18. Jan 2022 14:54    Titel: Re: Gibt es einen wissenschaftlichen Konsens? Antworten mit Zitat

Kelvin1995 hat Folgendes geschrieben:
Nach meinem Verständnis ist Wissenschaft ein Selektionsprozess. Man stellt falsifizierbare Hypothesen auf und verwirft alles was erfolgreich falsifiziert werden konnte. Alles was übrig bleibt und sich Falsifizierbarkeitsversuchen widersetzt hat eine erhöhte Wahrscheinlichkeit brauchbar zu sein.

Das ist die Metaebene Poppers; im praktischen Wissenschaftsbetrieb bekommt man davon wenig mit. Es werden nicht alle paar Jahre neuen Theorien wie QM, RT usw. entworfen, getestet und wieder verworfen ;-)

Kelvin1995 hat Folgendes geschrieben:
Dabei kann es selbst bei grundlegenden Aspekten fundamentaler erfolgreicher Theorien einen Dissenz geben, wie z.B. die Interpretation der Quantenmechanik.

Wobei der Kern der Theorie bzgl. experimentell überprüfbarer Vorhersagen dennoch weitgehend Konsens ist.

Kelvin1995 hat Folgendes geschrieben:
Meines Erachtens nach lebt die Wissenschaft mehr vom Dissenz als vom Konsens.

Der Fortschritt bzgl. fundamentaler Fragestellungen lebt vom Dissens, die Ausformulierung und Erweiterung von Theorien dagegen auch vom Konsens. Die QM entstand aus einer Phase des Dissenses, die QFT von ca. 1930 bis in die 70ger Jahre und teilweise darüber hinaus dagegen in einer Phase des übergreifendes Konsenses mit Dissens eher in den Details.

Kelvin1995 hat Folgendes geschrieben:
Dabei ist Wissenschaft natürlich keine Willkür und man muss sich an bewährte Methodiken halten, um letztlich nicht in die Pseudowissenschaft abzudriften.

Und diese Selbstreinigung kann manchmal sehr zäh verlaufen. Ich bin gespannt, was in zehn oder zwanzig Jahren noch von Superstrings und AdS/CFT übrig ist.

Kelvin1995 hat Folgendes geschrieben:
Man könnte auch sagen, dass die absolute Raumzeit im 19. Jahrhundert ein wissenschaftlicher Konsens war, was dann im 20. Jahrhundert widerlegt wurde. Wenn es also sowas wie einen wissenschaftlichen Konsens gibt, muss dieser Konsens nicht richtig sein.

Zustimmung.

Es kann auch sein, dass man ein bestimmtes Paradigma überstrapaziert und immer neue Flicken auf die Löcher klebt; evtl. erleben wir gerade so etwas bei der SUSY oder dem kosmologischen Standardmodell.

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Niels Bohr brainwashed a whole generation of theorists into thinking that the job (interpreting quantum theory) was done 50 years ago.
Frankx



Anmeldungsdatum: 04.03.2015
Beiträge: 982

Beitrag Frankx Verfasst am: 18. Jan 2022 15:11    Titel: Antworten mit Zitat

Gab es nicht irgendwie mal den Gedanken, dass sich neue Theorien nicht dadurch durchsetzen, dass die Vertreter der alten Theorie überzeugt werden, sondern dass diese einfach irgendwann buchstäblich aussterben?

(Ich finde leider gerade die Quelle nicht.)


.
DrStupid



Anmeldungsdatum: 07.10.2009
Beiträge: 5044

Beitrag DrStupid Verfasst am: 18. Jan 2022 15:25    Titel: Antworten mit Zitat

Frankx hat Folgendes geschrieben:
Gab es nicht irgendwie mal den Gedanken, dass sich neue Theorien nicht dadurch durchsetzen, dass die Vertreter der alten Theorie überzeugt werden, sondern dass diese einfach irgendwann buchstäblich aussterben?

(Ich finde leider gerade die Quelle nicht.)


Ich glaube das ist von Planck. Es geht aber auch anders. Die Relativitätsteorie ist ein Beispiel dafür, dass es schneller gehen kann und die Evolutionstheorie ist ein Beispiel für das andere Extrem. Die da wachsen die Vertreter immer wieder nach. Es kommt auf die jeweiligen Umstände an.
TomS
Moderator


Anmeldungsdatum: 20.03.2009
Beiträge: 18079

Beitrag TomS Verfasst am: 18. Jan 2022 15:32    Titel: Antworten mit Zitat

Frankx hat Folgendes geschrieben:
Gab es nicht irgendwie mal den Gedanken, dass sich neue Theorien nicht dadurch durchsetzen, dass die Vertreter der alten Theorie überzeugt werden, sondern dass diese einfach irgendwann buchstäblich aussterben?

Ich würde dir nicht widersprechen wollen, Und ich habe oben ein paar Themen genannt, wo dies auch der Fall sein könnte ;-)

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as_string
Moderator


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Beitrag as_string Verfasst am: 18. Jan 2022 16:44    Titel: Antworten mit Zitat

Generell möchte ich aber auch betonen: Es gibt schon Dinge, bei denen sich die allermeisten Wissenschaftler, die in diesem Spezialbereich tätig sind, durchaus einig sind. Das bedeutet nicht, dass es auch einige geben kann, die anderer Meinung sind, aber oft dann doch nur in Details und nicht über das Große Ganze, etc. Das bedeutet auch nicht, dass diese "Konsens-Meinung" dann zwingend richtig sein muss, aber es ist doch im Allgemeinen empfehlenswert, wenn man sich als Laie einfach darauf verlässt, oder eben das Thema selbst studiert.
Dabei kann man als Außenstehender halt oft nicht so richtig erkennen: Wie umstritten ist das Thema nun wirklich? Ist eine Theorie (oder hier "Meinung") eher spekulativ oder nicht.
Schlimm wirds halt, wenn es von Leuten absichtlich falsch dargestellt wird, die eine Agenda verfolgen. Beispielsweise war irgendwann mal "wissenschaftlicher Konsens", dass Rauchen zu erhöhter Gefahr für Lungenkrebs führen kann. Die Tabakindustrie hat in den USA vieles dran gesetzt, in der Öffentlichkeit den Eindruck zu verbreiten, dass das gar nicht so klar sei und dass es durchaus Experten gäbe, die das ganz anders sehen, etc. Raucher, die nicht aufhören wollen, glauben das natürlich gerne. So ähnlich scheint es auch mit dem Klimawandel zu sein, etc.

Also klar: In der Wissenschaft sind natürlich neue Ansätze gut und man sollte Dinge immer mal wieder vielleicht auch in Grundsätzen hinterfragen, auch wenn es eine feste Konsensmeinung gibt. Aber wenn das einige nur immer und immer wieder tun, um ihre Agenda durchzusetzen und dabei auch überhaupt keine experimentellen Ergebnisse haben, die das stützen (OK, es werden dann ja auch Studien gemacht, die mithilfe angepasstem Studiendesign dann auch das gewünschte Ergebnis bringen, das funktioniert aber in der Physik weniger einfach), dann sollte man doch für Entscheidungen eher mal den Konsens heran nehmen, denke ich.

Gruß
Marco
TomS
Moderator


Anmeldungsdatum: 20.03.2009
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Beitrag TomS Verfasst am: 18. Jan 2022 17:02    Titel: Antworten mit Zitat

Ich sehe ggw. weniger das unbegründete Hinterfragen von Konsens als Problem an sondern vielmehr das nicht-Hinterfragen des Mainstreams.

Konkrete denke ich, dass zu viele Wissenschaftler im Umfeld der Stringtheorie an angehobener rein mathematischer Physik arbeiten; besser wäre es, andere konkrete Alternative zu evaluieren.

(das ist aber nur meine Außensicht der Dinge)

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Kelvin1995



Anmeldungsdatum: 09.01.2022
Beiträge: 64

Beitrag Kelvin1995 Verfasst am: 26. Jan 2022 00:27    Titel: Antworten mit Zitat

as_string hat Folgendes geschrieben:

Schlimm wirds halt, wenn es von Leuten absichtlich falsch dargestellt wird, die eine Agenda verfolgen.


Das verfolgen einer Agenda oder Ideologie kann durchaus sehr extrem sein.
Als Beispiel nenne ich da mal Philipp Lenard https://de.wikipedia.org/wiki/Philipp_Lenard

Dieser Mann war ja jetzt nicht fachfremd und auch nicht dumm, aber trotzdem hat er aus völlig kruden Gründen die Relativitätstheorie abgelehnt. Sowas geht nicht in meinen Kopf. Ich verstehe es, wenn Leute, die überhaupt keine Ahnung von Wissenschaft haben und darin auch noch nie gearbeitet haben, wie diese Dame

https://www.psiram.com/de/index.php/Jocelyne_Lopez
aus unsinnigen Gründen eine Theorie ablehnen, weil sie gar nicht in der Lage sind zu verstehen worum es in der Theorie überhaupt geht, aber bei jemandem wie Philipp Lenard versteh ich es nicht. Dazu hätte ich vielleicht Psychologie studieren müssen.

Woher kommt es, dass es Fachleute gibt, die auf der einen Seite Erfolge in ihrem Fach haben konnten und damit einen scharfen analytischen Verstand unter Beweis gestellt haben und auf der anderen Seite im selben Fach total krude Gedanken haben? Ich sag nur Josephson.

@TomS

Zitat:
Es werden nicht alle paar Jahre neuen Theorien wie QM, RT usw. entworfen, getestet und wieder verworfen ;-)

Korrigier mich, wenn ich falsch liege, aber wenn man die fundamentalen Theorien auf bestimmte Probleme anwendet, sind die zu lösenden Gleichungen oftmals zu komplex, so dass man innerhalb der Theorie weitere Annahmen trifft, die mal mehr und mal weniger gut begründet sind, um dann zu besser lösbaren Modellen zu gelangen. Und es kann dann ja schon einen Dissens darüber geben ob dieser oder jener Ansatz besser funktioniert. Daraus können sich dann aus den fundamentalen Theorien Subtheorien entwickeln wie bspw. die Festkörperphysik.
War es bevor Computer entsprechend leistungsstark wurden und man es ausprobieren konnte unstrittig, dass man mit der Dichtefunktionaltheorie so gute Ergebnisse bei der Berechnung von elektronischen Strukturen in kondensierter Materie erzielen kann?
Gibt es nicht einen Dissens welche Klimamodelle bessere Prognosen erstellen? usw.
In so einer Diskussion würde man ja die fundamentalen Theorien als Konsens voraussetzen, aber sich über die Details und Umsetzung dann streiten. Der Fortschritt kommt dann aber eigentlich über den Dissens zustande, während der unterliegende Konsens erstmal die Voraussetzungen für einen Diskussionsrahmen liefert. So einen Diskussionsrahmen braucht man immer, wenn man konstruktive Diskussionen führen möchte.
Wenn man mit einem Diskutanten darüber diskutiert wie eine Sonnenfinsternis entsteht, dieser aber jeglichen physikalischen Standard anzweifelt wie dass es Gravitation gibt, wäre so eine Diskussion natürlich nicht sehr zielführend.
TomS
Moderator


Anmeldungsdatum: 20.03.2009
Beiträge: 18079

Beitrag TomS Verfasst am: 26. Jan 2022 08:52    Titel: Antworten mit Zitat

Kelvin1995 hat Folgendes geschrieben:
Zitat:
Es werden nicht alle paar Jahre neuen Theorien wie QM, RT usw. entworfen, getestet und wieder verworfen ;-)

Korrigier mich, wenn ich falsch liege, aber wenn man die fundamentalen Theorien auf bestimmte Probleme anwendet, sind die zu lösenden Gleichungen oftmals zu komplex, so dass man innerhalb der Theorie weitere Annahmen trifft, die mal mehr und mal weniger gut begründet sind, um dann zu besser lösbaren Modellen zu gelangen. Und es kann dann ja schon einen Dissens darüber geben ob dieser oder jener Ansatz besser funktioniert.

Deswegen schrieb ich oben
Zitat:
Der Fortschritt bzgl. fundamentaler Fragestellungen lebt vom Dissens, die Ausformulierung und Erweiterung von Theorien dagegen auch vom Konsens. Die QM entstand aus einer Phase des Dissenses, die QFT von ca. 1930 bis in die 70ger Jahre und teilweise darüber hinaus dagegen in einer Phase des übergreifendes Konsenses mit Dissens eher in den Details.


Kelvin1995 hat Folgendes geschrieben:
Daraus können sich dann aus den fundamentalen Theorien Subtheorien entwickeln wie bspw. die Festkörperphysik.

Sicher.

Man hat ein breites Spektrum von der ziemlich strikten Herleitung einer effektiven Theorie, wie z.B. den London-Gleichungen der Supraleitung aus der quantenmechanischen BCS-Theorie - und damit Konsens - bis hin zu effektiven und phänomenologischen Theorien zu Hadronen, die aktuell nur lose mit der QCD verknüpft sind, z.B. die Chirale Störungstheorie.

Kelvin1995 hat Folgendes geschrieben:
In so einer Diskussion würde man ja die fundamentalen Theorien als Konsens voraussetzen, aber sich über die Details und Umsetzung dann streiten.

Der Dissens besteht eher bei den Anknüpfungspunkten zwischen der fundamentalen Theorie und den abgeleiteten Modellen. Oft ist der nur indirekt oder noch ziemlich vage.

Bei den Klimamodellen ist das anders. Ich denke, da geht es "nur" um Rechenpower und geeignete numerische Methoden.

Kelvin1995 hat Folgendes geschrieben:
Der Fortschritt kommt dann aber eigentlich über den Dissens zustande, während der unterliegende Konsens erstmal die Voraussetzungen für einen Diskussionsrahmen liefert. So einen Diskussionsrahmen braucht man immer, wenn man konstruktive Diskussionen führen möchte.

Ja - siehe oben.

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Kelvin1995



Anmeldungsdatum: 09.01.2022
Beiträge: 64

Beitrag Kelvin1995 Verfasst am: 26. Jan 2022 11:42    Titel: Antworten mit Zitat

@TomS
Zitat:
Bei den Klimamodellen ist das anders. Ich denke, da geht es "nur" um Rechenpower und geeignete numerische Methoden.


Da habe ich jetzt nur laienartiges Wissen, aber so wie ich das verstehe, ist die zugrundeliegende Physik der Klimamodelle die Hydromechanik, insbesondere die Navier-Stokes-Gleichungen zusammen mit ein bisschen Thermodynamik. Die Gültigkeit dieser Physik wird natürlich als Konsens vorausgesetzt, um überhaupt sinnvoll über Klimamodelle diskutieren zu können.
In der Umsetzung verwendet man dann aufwendige numerische Methoden.

Gibt es aber nicht trotzdem einen Dissens darüber wie man bestimmte Aspekte wie z.B. Wolken in ein Modell konkret einbezieht? Soweit ich weiß war man sich bei dem Einfluss von Wolken auf das Klima lange uneins. Ein exaktes Modell kann man nicht rechnen und letztlich müssen da auch irgendwo Kompromisse und Abwägungen getroffen werden.
Frankx



Anmeldungsdatum: 04.03.2015
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Beitrag Frankx Verfasst am: 26. Jan 2022 13:04    Titel: Antworten mit Zitat

TomS hat Folgendes geschrieben:
Bei den Klimamodellen ist das anders. Ich denke, da geht es "nur" um Rechenpower und geeignete numerische Methoden.


Kelvin1995 hat Folgendes geschrieben:
Gibt es aber nicht trotzdem einen Dissens darüber wie man bestimmte Aspekte wie z.B. Wolken in ein Modell konkret einbezieht?



Bei allen Rechenmodellen und numerischen Methoden insbesondere auch bei Berechnung chaotischer Systeme spielt nicht nur die Rechenpower selbst eine Rolle, sondern auch die verfügbare Anzahl und Genauigkeit der Ausgangsparameter (Randbedingungen und interne Parameter).

Diese stehen nur mit begrenzter Genauigkeit und in begrenzter Anzahl als Messwerte zur Verfügung.

Deshalb müssen, in Verbindung mit der ebenfalls begrenzten Rechenpower, immer Kompromisse geschlossen werden.

Genau bei der Frage, welche Kompromisse noch zulässig sind, um dennoch ein aussagefähiges Ergebnis zu erzielen, kann es zum Dissens kommen.


.
TomS
Moderator


Anmeldungsdatum: 20.03.2009
Beiträge: 18079

Beitrag TomS Verfasst am: 26. Jan 2022 14:45    Titel: Antworten mit Zitat

Frankx hat Folgendes geschrieben:
Bei allen Rechenmodellen und numerischen Methoden insbesondere auch bei Berechnung chaotischer Systeme spielt nicht nur die Rechenpower selbst eine Rolle, sondern auch die verfügbare Anzahl und Genauigkeit der Ausgangsparameter.

"Rechenpower ist natürlich kein präziser und zu eng gefasster Begriff, aber das meinte ich schon: Rechenleistung (FLOPS), Arbeitsspeicher und damit Auflösung des räumlichen Gitters, Maschinengenauigkeit sowie Genauigkeit der Anfangswerte ...

Insoweit hast du recht, es sind Kompromisse erforderlich.

Kelvin1995 hat Folgendes geschrieben:
... aber so wie ich das verstehe, ist die zugrundeliegende Physik der Klimamodelle die Hydrodynamik ... zusammen mit ein bisschen Thermodynamik.

Die numerische Behandlung erfordert zunächst eine Diskretisierung und hat somit einen prinzipiell nicht vermeidbaren Fehler zur Folge. Aber möglicherweise - das weiß ich nicht - werden bereits die zugrundeliegenden Gleichungen durch einfachere Modelle angenähert; es handelt sich ja nicht um "ein bisschen Thermodynamik", sondern um Nichtgleichgewichtsthermodynamik.

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Ich



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Beitrag Ich Verfasst am: 26. Jan 2022 14:57    Titel: Antworten mit Zitat

Es ist m.E. eine Fehleinschätzung, die offenen Punkte in der Klimawissenschaft auf Ausgangsdaten und Rechenpower zu reduzieren. Das Hauptproblem bei allen Simulationen ist immer die Belastbarkeit des Modells, das man verwendet. Irgendein nicht oder falsch modellierter Aspekt kann die Ergebnisse signifikant verändern. Bei einem derart komplexen System wie dem Weltklima ist das äußerst schwierig auszuschließen. Ich bin kein Fachmann, aber von daher glaube ich, dass der Konsens für das ganze Bild nicht viel mehr ist, als dass es einen (zumindest zum Teil) menschengemachten Temperaturanstieg gibt, und dass dieser sich in naher Zukunft fortsetzen wird.

Aber zurück zur allgemeinen Frage: Ich denke, einen Konsens in der Physik wird man selten für die jeweiligen Theorien haben, sondern für die Beobachtungen. Diese besagen z.B., dass sowohl die Newtonsche Mechanik als auch die SRT als auch die ART innerhalb ihrer bereits bekannten Grenzen* gültig sind. Paradigmenwechsel wie z.B. der Übergang von Newtonscher Gravitation zur konzeptuell vollkommen verschiedenen ART ändern daran nichts. Man kann also gerne argumentieren, dass z.B. die ART Käse ist und Gravitation ein emergentes holographisches Phänomen ist. Das mag alles sein, aber es bedeutet nicht, dass die ART falsche Vorhersagen macht.

*Bei der ART ist die Datenlage auf kosmischen Skalen dünn und vielleicht widersprüchlich, das mag eine noch nicht bekannte Grenze sein.
TomS
Moderator


Anmeldungsdatum: 20.03.2009
Beiträge: 18079

Beitrag TomS Verfasst am: 26. Jan 2022 16:27    Titel: Antworten mit Zitat

Ich hat Folgendes geschrieben:
Es ist m.E. eine Fehleinschätzung, die offenen Punkte in der Klimawissenschaft auf Ausgangsdaten und Rechenpower zu reduzieren. Das Hauptproblem bei allen Simulationen ist immer die Belastbarkeit des Modells, das man verwendet. Irgendein nicht oder falsch modellierter Aspekt kann die Ergebnisse signifikant verändern. Bei einem derart komplexen System wie dem Weltklima ist das äußerst schwierig auszuschließen. Ich bin kein Fachmann, aber von daher glaube ich, dass der Konsens für das ganze Bild nicht viel mehr ist, als dass es einen (zumindest zum Teil) menschengemachten Temperaturanstieg gibt, und dass dieser sich in naher Zukunft fortsetzen wird.

Je mehr ich darüber nachdenke, desto mehr komme ich zur Überzeugung, dass du recht hast:

TomS hat Folgendes geschrieben:
[es] ... werden bereits die zugrundeliegenden Gleichungen durch einfachere Modelle angenähert; es handelt sich ja nicht um "ein bisschen Thermodynamik", sondern um Nichtgleichgewichtsthermodynamik.


Dazu kommt die Frage, welche Prozesse man betrachtet und welche nicht: Einfluss der lokalen Vegetation auf Sauerstoff- / Wasser / CO2 ... und Temperatur; lokale Albedo von Meer und Boden, z.B. Eis vs. Wüste vs. Regenwald ...; welche Bestandteile der Atmosphäre soll man berücksichtigen und modellieren; ...


Ich hat Folgendes geschrieben:
Aber zurück zur allgemeinen Frage: Ich denke, einen Konsens in der Physik wird man selten für die jeweiligen Theorien haben, sondern für die Beobachtungen. Diese besagen z.B., dass sowohl die Newtonsche Mechanik als auch die SRT als auch die ART innerhalb ihrer bereits bekannten Grenzen* gültig sind. Paradigmenwechsel wie z.B. der Übergang von Newtonscher Gravitation zur konzeptuell vollkommen verschiedenen ART ändern daran nichts. Man kann also gerne argumentieren, dass z.B. die ART Käse ist und Gravitation ein emergentes holographisches Phänomen ist. Das mag alles sein, aber es bedeutet nicht, dass die ART falsche Vorhersagen macht.

*Bei der ART ist die Datenlage auf kosmischen Skalen dünn und vielleicht widersprüchlich, das mag eine noch nicht bekannte Grenze sein.

Der Konsens ist aber auch bei Theorien gegeben, und zugleich wichtig (um auf dieser Basis detaillierter Modelle abzuleiten) und gefährlich (wenn der Konsens letztlich falsch wäre)

  • es ist nahezu Konsens, dass "Dunkle Materie" die Erklärung für "fehlende Materie" ist, nicht eine modifizierte Gravitationstheorie - obwohl bisher alle Experimente zum Nachweis der "Dunklen Materie" negative Ergebnisse geliefert haben
  • das Lambda-CDM Modell ist nahezu Konsens, obwohl daraus zusammen mit den unterschiedlichen Beobachtungsmethoden für die Hubblekonstante verschiedenen und untereinander evtl. unverträgliche Werte folgen
  • die Quantentheorie ist so gut wie Konsens; möglicherweise liegt das Rätsel zur Theorie der Quantengravitation aber eben doch teilweise bei der Quantentheorie

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Anmeldungsdatum: 11.05.2006
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Beitrag Ich Verfasst am: 26. Jan 2022 17:22    Titel: Antworten mit Zitat

TomS hat Folgendes geschrieben:
Dazu kommt die Frage, welche Prozesse man betrachtet und welche nicht: Einfluss der lokalen Vegetation auf Sauerstoff- / Wasser / CO2 ... und Temperatur; lokale Albedo von Meer und Boden, z.B. Eis vs. Wüste vs. Regenwald ...; welche Bestandteile der Atmosphäre soll man berücksichtigen und modellieren; ...
Es ist noch viel schlimmer. Es geht um Verwitterungsprozesse, die CO2 binden und von Niederschlägen, Temperatur und Pflantzendecke abhängig sing. Löslichkeit im Meerwasser, Transport darin und ggf. Aufnahme durch den Meeresboden. Albedo heißt nicht einfach Albedo, sondern genaue spekrale Zusammensetzung, weil die Absorptionsbanden eh schon gesättigt sind. Biologie und Evolution - was machen die Algen in den Ozeanen? Wie auch immer, es geht um so viel mehr als ein physikalisches Modell, dass das Gebiet kaum noch überschaubar ist.

Zitat:
Der Konsens ist aber auch bei Theorien gegeben, und zugleich wichtig (um auf dieser Basis detaillierter Modelle abzuleiten) und gefährlich (wenn der Konsens letztlich falsch wäre)
Dort ist der Konsens aber unter dem Vorbehalt, dass eine andere Therie, die dieselen Vorhersagen macht, auch möglich ist. Du wirst keinen finden, der darauf setzt, dass die ART die finale Theorie ist. Wir wissen, dass sie es nicht ist.

Zitat:
  • es ist nahezu Konsens, dass "Dunkle Materie" die Erklärung für "fehlende Materie" ist, nicht eine modifizierte Gravitationstheorie - obwohl bisher alle Experimente zum Nachweis der "Dunklen Materie" negative Ergebnisse geliefert haben
  • das Lambda-CDM Modell ist nahezu Konsens, obwohl daraus zusammen mit den unterschiedlichen Beobachtungsmethoden für die Hubblekonstante verschiedenen und untereinander evtl. unverträgliche Werte folgen
"Nahezu Konsens" ist wohl nicht, was der OP meint. Mainstream-Wissenschaftler werden sich immer differenziert äußern. Wenn du in die Berichterstattung schaust, wirst du vielmehr ein deutliches Überangebot an Kritik und "möglichen Widerlegungen" finden, weil das die Art ist, wie Medien (bei nicht politisch aufgeladenen Themen) funktionieren. Eine Überbewertung des Konsens findest du nur, wenn es politische Gründe dafür gibt.
TomS
Moderator


Anmeldungsdatum: 20.03.2009
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Beitrag TomS Verfasst am: 26. Jan 2022 17:26    Titel: Antworten mit Zitat

agreed

Ich hat Folgendes geschrieben:
Eine Überbewertung des Konsens findest du nur, wenn es politische Gründe dafür gibt ...

... und Smolin et al. diverse Bücher dagegen schreiben.

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Ich



Anmeldungsdatum: 11.05.2006
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Beitrag Ich Verfasst am: 26. Jan 2022 21:21    Titel: Antworten mit Zitat

Ich glaube, du bist da einfach zu eingeschossen auf deine Steckenpferde. Die Stringtheorie war nie etwas, was man als Konsens hätte beschreiben können. Wenn's nicht funktioniert, wird es schon aufgegeben. Halt nicht so schnell, wie du es dir gewünscht hättest. Aber sei doch froh, dass die Leute auch Durchhaltevermögen haben und nicht vorzeitig die Flinte ins Korn werfen.
TomS
Moderator


Anmeldungsdatum: 20.03.2009
Beiträge: 18079

Beitrag TomS Verfasst am: 26. Jan 2022 21:35    Titel: Antworten mit Zitat

nicht alles so ganz ernst gemeint … Prost

(die Stringtheorie war natürlich nicht Konsens, jedoch eben „politisch“)

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Brillant



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Beiträge: 1973
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Beitrag Brillant Verfasst am: 27. Jan 2022 07:27    Titel: Antworten mit Zitat

as_string hat Folgendes geschrieben:
es ist doch im Allgemeinen empfehlenswert, wenn man sich als Laie einfach darauf verlässt,
Ich habe nicht den Anspruch, dass alles geklärt sein muss.

Gläubige Menschen haben für das Ungeklärte den Begriff „Götter“ geschaffen.

Ungläubige wie ich haben eine To-Do-Liste und so manche ungeklärte Frage wandert nach einer gewissen Zeit auf die Was-Solls-Liste.

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Glaubt nicht dem Hörensagen ... oder eingewurzelten Anschauungen, auch nicht den Worten eines verehrten Meisters; sondern was ihr selbst gründlich geprüft und als euch selbst und anderen zum Wohle dienend erkannt habt, das nehmt an. Siddhartha Gautama
masterpie



Anmeldungsdatum: 13.11.2019
Beiträge: 408

Beitrag masterpie Verfasst am: 27. Jan 2022 09:00    Titel: Antworten mit Zitat

Brillant hat Folgendes geschrieben:
Ungläubige wie ich haben eine To-Do-Liste und so manche ungeklärte Frage wandert nach einer gewissen Zeit auf die Was-Solls-Liste.


Mit zunehmenden Alter wird die Was-Solls-Liste länger. Auch weil man vieles gelassener sieht und man muss auch mal loslassen können ... sagte der Bergsteiger. Rock
Gruß, Masterpie

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Wir denken zu viel und fühlen zu wenig. (Charlie Chaplin)
Kelvin1995



Anmeldungsdatum: 09.01.2022
Beiträge: 64

Beitrag Kelvin1995 Verfasst am: 27. Jan 2022 10:08    Titel: Antworten mit Zitat

Ich hat Folgendes geschrieben:
Mainstream-Wissenschaftler werden sich immer differenziert äußern. Wenn du in die Berichterstattung schaust, wirst du vielmehr ein deutliches Überangebot an Kritik und "möglichen Widerlegungen" finden, weil das die Art ist, wie Medien (bei nicht politisch aufgeladenen Themen) funktionieren. Eine Überbewertung des Konsens findest du nur, wenn es politische Gründe dafür gibt.


Ist nicht gerade das Klima ein solches politisch aufgeladenes Thema? Zumindest suggeriert die Mainstream-Berichterstattung etwas überspitzt formuliert, dass alles eindeutig und klar sei und man sogar genau sagen könne, dass wir die 2 Grad nicht überschreiten, wenn wir dieses oder jenes machen und wenn man was anderes behauptet ist man wahlweise "verrückt", oder "ein rechter Schwurbel".
Also differenziert finde ich die Berichterstattung darüber nicht.

Jetzt bin ich selber Laie und kann die Qualität der Modelle natürlich nicht beurteilen und so wird es den meisten Menschen gehen. Das einzige was letztlich den meisten Aktivisten bleibt, ist das Autoritätsargument. Ich für meinen Teil urteile dann danach ob die Ausgangslage aus naturwissenschaftlichen Gesichtspunkten überhaupt plausibel ist. Dass CO2 das Klima beeinflussen kann, erscheint für mich zumindest plausibel, weil CO2 ein Schwingungsspektrum im IR-Bereich hat, was man experimentell nachweisen und auch mit der Quantenmechanik berechnen kann. Wenn bspw. CO2 nachgewiesener Maßen nicht in dieser Weise mit EM-Strahlung wechselwirken würde, wäre ich wahrscheinlich einer der "Klima-Leugner", da dann für mich die Ausgangssituation auf der alles weitere fußt schon nicht stimmt.
Deshalb lehne ich auch Homöopathie ab, weil es für mich nicht nachvollziehbar ist, wieso etwas so hochverdünntes noch eine Wirkung jenseits von Placebo haben sollte.

Eine Überbewertung des Konsens meine ich auch teilweise im Wissenschaftsjournalismus ausmachen zu können. Hat nicht Mai Thi Nguyen-Kim eine ganze Show darüber gemacht, in der wissenschaftlicher Konsens als wesentlicher zentraler Punkt der Wissenschaft dargestellt wurde?
DrStupid



Anmeldungsdatum: 07.10.2009
Beiträge: 5044

Beitrag DrStupid Verfasst am: 27. Jan 2022 13:40    Titel: Antworten mit Zitat

Kelvin1995 hat Folgendes geschrieben:
Ist nicht gerade das Klima ein solches politisch aufgeladenes Thema?


Ja, das liegt daran, dass es dabei um geopolitische Machtinteressen und unvorstellbar viel Geld geht. Die meisten Akteure in diesem Spiel interessieren sich nicht dafür, welche Aussagen richtig oder falsch sind, sondern nur dafür, ob sie ihnen nützen oder schaden. Wehe den Wissenschaftlern die da zwischen die Fronten geraten.

Kelvin1995 hat Folgendes geschrieben:
Wenn bspw. CO2 nachgewiesener Maßen nicht in dieser Weise mit EM-Strahlung wechselwirken würde, wäre ich wahrscheinlich einer der "Klima-Leugner", da dann für mich die Ausgangssituation auf der alles weitere fußt schon nicht stimmt.


Ja, das wäre eindeutig. Vielen Gegenargumenten sind aber wesentlich subtiler. Hier mal zwei Beispiele:

1. Im Bereich der CO2-Bande ist die Atmosphäre für IR-Strahlung komplett undurchsichtig. Da kommt nichts vom Erdboden ins All. Wie kann dann zusätzliches CO2 zu einer weiteren Erwärmung führen?

2. Wärme fließt immer von wärmeren zum kälteren Körper. Wie kann dann die kältere Atmosphäre die wärmere Erdoberfläche erwärmen?

Versuch' da mal den Fehler zu finden.

Kelvin1995 hat Folgendes geschrieben:
Deshalb lehne ich auch Homöopathie ab, weil es für mich nicht nachvollziehbar ist, wieso etwas so hochverdünntes noch eine Wirkung jenseits von Placebo haben sollte.


Das ist kein sehr guter Ansatz. Dass wir keinen Wirkmechanismus kennen, heißt nicht, dass es keinen gibt. Besser ist es, die Homöopathie abzulehnen, weil ihre Wirkung nicht durch randomisierte placebokontrollierte Doppelblindstudien belegt ist. Das Wahrheitskriterium der Naturwissenschaft ist schließlich die experimentelle Beobachtung.

Kelvin1995 hat Folgendes geschrieben:
Eine Überbewertung des Konsens meine ich auch teilweise im Wissenschaftsjournalismus ausmachen zu können.


Das könnte daran liegen, dass Wissenschaftsjournalisten das Vertrauen in die Wissenschaft fördern wollen und Dissens von vielen Laien fälschlicherweise mit Unglaubwürdigkeit assoziiert wird. Dass gerade der Dissens die Qualität wissenschaftlicher Aussagen sichert und verbessert, ist leider nicht offensichtlich.
Ich



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Beitrag Ich Verfasst am: 27. Jan 2022 13:56    Titel: Antworten mit Zitat

Kelvin1995 hat Folgendes geschrieben:
Ist nicht gerade das Klima ein solches politisch aufgeladenes Thema?
Natürlich. Die mediale Darstellung korrliert in solchen Fällen nur sehr bedingt mit dem wissenschaftlichen Konsens. Ich neige in solchen Fällen dazu, mich bestenfalls auch große wissenschaftlcihe Kooperationen wie den IPCC zu verlassen. Allerdings ist auch die Wissenschaft nicht immun gegen Politik, interessante Namen in diesem Zusammenhang wären z.B. Roger Pielke, Hans von Storch, Richard Tol. Ich habe aber Hoffnung, dass hinter all den Mechanismen, die die Forschung nach politischen Gesichtspunkten verzerren, die persönliche Integrität der allermeisten Forscher letzten Endes zumindest ein Abgleiten in die Lüge verhindern wird.

Zitat:
Eine Überbewertung des Konsens meine ich auch teilweise im Wissenschaftsjournalismus ausmachen zu können. Hat nicht Mai Thi Nguyen-Kim eine ganze Show darüber gemacht, in der wissenschaftlicher Konsens als wesentlicher zentraler Punkt der Wissenschaft dargestellt wurde?
Ich muss zugeben, von der Dame noch nie etwas gesehen zu haben. Ich bin ziemlich enttäuscht von der deutschen Populärwissenschaft, da gibt es in Amerika schon deutlich gehaltvolleres.

Zuletzt bearbeitet von Ich am 27. Jan 2022 14:19, insgesamt einmal bearbeitet
index_razor



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Beitrag index_razor Verfasst am: 27. Jan 2022 14:16    Titel: Antworten mit Zitat

DrStupid hat Folgendes geschrieben:

Kelvin1995 hat Folgendes geschrieben:
Deshalb lehne ich auch Homöopathie ab, weil es für mich nicht nachvollziehbar ist, wieso etwas so hochverdünntes noch eine Wirkung jenseits von Placebo haben sollte.


Das ist kein sehr guter Ansatz. Dass wir keinen Wirkmechanismus kennen, heißt nicht, dass es keinen gibt. Besser ist es, die Homöopathie abzulehnen, weil ihre Wirkung nicht durch randomisierte placebokontrollierte Doppelblindstudien belegt ist.


Solche Studien können niemals belegen, daß kein Wirkmechanismus existiert, den man noch nicht kennt. Ohne kausales Modell weiß man nicht mal nach welchen Parametern man überhaupt kontrollieren muß. Kontrolliert man nicht genug, bleiben Scheinkorrelationen, kontrolliert man zu viel (bzw. die falschen Parameter), entstehen neue Scheinkorrelationen. Wenn man keine konkreten Modelle untersucht, kann man Studien durchführen bis man schwarz wird ohne definitives Ergebnis über irgendwelche Kausalzusammenhänge. Man muß also vorher entscheiden, welche kausalen Modelle überhaupt ein Mindestmaß an Plausibilität besitzen. Sonst lohnt es sich wohl nicht mal eine Studie anzufangen.
Kelvin1995



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Beitrag Kelvin1995 Verfasst am: 27. Jan 2022 14:30    Titel: Antworten mit Zitat

Ich hat Folgendes geschrieben:
Ich muss zugeben, von der Dame noch nie etwas gesehen zu haben. Ich bin ziemlich enttäuscht von der deutschen Populärwissenschaft, da gibt es in Amerika schon deutlich gehaltvolleres.

Da hast du nicht viel verpasst, wobei das auch natürlich Geschmackssache ist.
Sie wird aber zur Zeit in den ÖR als Nachwuchs-Starwissenschaftlerin gehandelt, weil sie die typischen Eigenschaften erfüllt, um in unseren Medien als beliebt zu gelten. Frau, jung, Migrationshintergrund und bedient in allen Punkten die politmedialen Mainstream-Narrative. Ich muss dazu aber auch sagen, dass ich mich in den letzten Jahren von unseren Medien immer weiter entfernt habe und sie gar nicht mehr konsumiere, um Informationen zu beziehen. Da schau ich lieber ins Ausland oder wenn mich etwas wirklich interessiert schau ich ob ich Primärquellen finde wie z.B. scholar.google. Von dem Gedanken, dass es verlässliche unideologische Medien gibt, habe ich mich verabschiedet, da ich einfach zu oft enttäuscht wurde, wenn ich bei der einen oder anderen Berichterstattung mal ein bisschen recherchiert habe.

@index_razor
Zitat:
Man muß also vorher entscheiden, welche kausalen Modelle überhaupt ein Mindestmaß an Plausibilität besitzen. Sonst lohnt es sich wohl nicht mal eine Studie anzufangen.


Da stimme ich dir zu. Man sollte bevor man überhaupt irgendwelche Studien durchführt eine Plausibilitätsbetrachtung machen. Ich muss z.B. nicht untersuchen, ob in den Kondensstreifen von Flugzeugen sich Giftstoffe befinden mit denen die Menschheit kontrolliert werden soll (chemtrails), weil einfach die Alternative, dass es sich um harmlose normale Kondensstreifen handelt, viel plausibler ist.
index_razor



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Beitrag index_razor Verfasst am: 27. Jan 2022 14:39    Titel: Antworten mit Zitat

Kelvin1995 hat Folgendes geschrieben:

@index_razor
Zitat:
Man muß also vorher entscheiden, welche kausalen Modelle überhaupt ein Mindestmaß an Plausibilität besitzen. Sonst lohnt es sich wohl nicht mal eine Studie anzufangen.


Da stimme ich dir zu. Man sollte bevor man überhaupt irgendwelche Studien durchführt eine Plausibilitätsbetrachtung machen. Ich muss z.B. nicht untersuchen, ob in den Kondensstreifen von Flugzeugen sich Giftstoffe befinden mit denen die Menschheit kontrolliert werden soll (chemtrails), weil einfach die Alternative, dass es sich um harmlose normale Kondensstreifen handelt, viel plausibler ist.


Ob es sich lohnt sowas zu untersuchen, hängt natürlich nicht ausschließlich von Statistik ab.

Aber was auch immer man untersucht: man sollte bei der Planung von Studien auf keinen Fall so tun, als befände man sich im Zustand totaler Ignoranz und als gäbe es keine gesicherten Erkenntnisse im Bereich der Physiologie, Chemie und Physik, die bestimmte Wirkmechanismen ausschließen. Diese Wirkmechanismen sind die letzten, die man empirisch untersuchen sollte, sonst verschwendet man nur Ressourcen, die man besser zur Untersuchung wichtigerer Fragen verwendet hätte. Und in der Hinsicht finde ich es auch absolut legitim zu sagen, daß Homöopathie nicht funktioniert, weil kein auch nur entfernt plausibler chemischer oder physiologischer Wirkmechanismus existiert. (Das definiert für mich den Unterschied zwischen lediglich "evidenzbasierter Medizin" (also mit randomisierten kontrollierten Studien) und "wissenschaftsbasierter Medizin" (mit solchen Studien plus Berücksichtigung von a-priori-Wahsrcheinlichkeiten auf Basis kausaler Modelle), von denen letztere klar zu bevorzugen ist.)
DrStupid



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Beitrag DrStupid Verfasst am: 27. Jan 2022 15:02    Titel: Antworten mit Zitat

index_razor hat Folgendes geschrieben:
Solche Studien können niemals belegen, daß kein Wirkmechanismus existiert, den man noch nicht kennt.


Das sollen sie auch nicht


Zuletzt bearbeitet von DrStupid am 27. Jan 2022 15:09, insgesamt 2-mal bearbeitet
index_razor



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Beitrag index_razor Verfasst am: 27. Jan 2022 15:06    Titel: Antworten mit Zitat

DrStupid hat Folgendes geschrieben:
index_razor hat Folgendes geschrieben:
Solche Studien können niemals belegen, daß kein Wirkmechanismus existiert, den man noch nicht kennt.


Das sollen sie auch nicht.


Die Möglichkeit eines solchen Mechanismus war aber der Grund, weshalb du Studien als die "bessere" Grundlage für die Ablehnung von Homöopathie bezeichnet hast als a-priori-Argumente.
DrStupid



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Beitrag DrStupid Verfasst am: 27. Jan 2022 15:16    Titel: Antworten mit Zitat

index_razor hat Folgendes geschrieben:
Die Möglichkeit eines solchen Mechanismus war aber der Grund, weshalb du Studien als die "bessere" Grundlage für die Ablehnung von Homöopathie bezeichnet hast als a-priori-Argumente.


Nein, der Grund ist nicht die Möglichkeit eines solchen Mechanismus, sondern die Unmöglichkeit, ihn auszuschließen. Nicht beweisbare Annahmen sind keine gute Grundlage für eine Argumentation. Unabhängig reproduzierbare Beobachtungen dagegen schon.

index_razor hat Folgendes geschrieben:
Und in der Hinsicht finde ich es auch absolut legitim zu sagen, daß Homöopathie nicht funktioniert, weil kein auch nur entfernt plausibler chemischer oder physiologischer Wirkmechanismus existiert.


Das gilt auch für die Akkupunktur. Da gibt es bestenfalls Spekulationen über mögliche Mechanismen. Trotzdem ist sie erwiesenermaßen wirksam.
index_razor



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Beitrag index_razor Verfasst am: 27. Jan 2022 15:38    Titel: Antworten mit Zitat

DrStupid hat Folgendes geschrieben:
index_razor hat Folgendes geschrieben:
Die Möglichkeit eines solchen Mechanismus war aber der Grund, weshalb du Studien als die "bessere" Grundlage für die Ablehnung von Homöopathie bezeichnet hast als a-priori-Argumente.


Nein, der Grund ist nicht die Möglichkeit eines solchen Mechanismus, sondern die Unmöglichkeit, ihn auszuschließen.


Da die Studien das auch nicht können, bieten sie also keine bessere Grundlage.

Zitat:

Nicht beweisbare Annahmen sind keine gute Grundlage für eine Argumentation. Unabhängig reproduzierbare Beobachtungen dagegen schon.


Niemand hat davon gesprochen "nicht beweisbare" Annahmen zu verwenden.

Zitat:

index_razor hat Folgendes geschrieben:
Und in der Hinsicht finde ich es auch absolut legitim zu sagen, daß Homöopathie nicht funktioniert, weil kein auch nur entfernt plausibler chemischer oder physiologischer Wirkmechanismus existiert.


Das gilt auch für die Akkupunktur. Da gibt es bestenfalls Spekulationen über mögliche Mechanismen. Trotzdem ist sie erwiesenermaßen wirksam.


Wirksam wofür oder wogegen? Oft findet man die Behauptung, daß sie in der Schmerztherapie irgendwas bringt. Soweit ich weiß ist die Datenlage dort aber auch nicht besser, als bei anderen alternativen Methoden: je größer der Effekt, desto schlechter die Studie und je besser, desto ununterscheidbar vom Placebo. Eine amüsante Komplikation ergibt sich noch daraus, daß schwer zu definieren ist, worin die Placebokontrolle eigentlich besteht, da es anscheinend sehr viele unterschiedliche Akupunkturschulen gibt, aus deren Sicht alle anderen jeweils die Placebos sind.

Übrigens sage ich ja nicht, daß man keine randomisierten Studien benötigt. Aber da sie ohne kausale Modelle nicht auskommen, sind sie nicht besser oder schlechter, als a-priori-Argumente. Man benötigt von beidem etwas, aber für vieles reicht nach aktueller Datenlage und aktueller Theorie ein a-priori-Argument völlig aus. Dazu gehören m.E. auch Homöopathie und Akupunktur.
DrStupid



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Beitrag DrStupid Verfasst am: 27. Jan 2022 16:05    Titel: Antworten mit Zitat

index_razor hat Folgendes geschrieben:
Da die Studien das auch nicht können, bieten sie also keine bessere Grundlage.


Natürlich sind Studien eine bessere Grundlage für die Bewertung der Wirksamkeit als Hypothesen über die Existenz oder Nicht-Existenz von Wirkmechanismen.

index_razor hat Folgendes geschrieben:
Niemand hat davon gesprochen "nicht beweisbare" Annahmen zu verwenden.


Na dann beweis mal, dass es bei der Homöopathie keinen Wirkmechanismus gibt.

index_razor hat Folgendes geschrieben:
Übrigens sage ich ja nicht, daß man keine randomisierten Studien benötigt. Aber da sie ohne kausale Modelle nicht auskommen, sind sie nicht besser oder schlechter, als a-priori-Argumente.


Warum sollen die nicht ohne kausales Modell auskommen?
index_razor



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Beitrag index_razor Verfasst am: 27. Jan 2022 16:19    Titel: Antworten mit Zitat

DrStupid hat Folgendes geschrieben:
index_razor hat Folgendes geschrieben:
Da die Studien das auch nicht können, bieten sie also keine bessere Grundlage.


Natürlich sind Studien eine bessere Grundlage für die Bewertung der Wirksamkeit als Hypothesen über die Existenz oder Nicht-Existenz von Wirkmechanismen.


Deine Behauptung war, daß man keine unbekannten Wirkmechanismen ausschließen kann. Das kann man mit Studien auch nicht. Denn es gibt zu jeder Studienlage unendlich viele, immer unplausiblere Wirkmechanismen, die man noch nicht untersucht hat.

Zitat:

index_razor hat Folgendes geschrieben:
Niemand hat davon gesprochen "nicht beweisbare" Annahmen zu verwenden.


Na dann beweis mal, dass es bei der Homöopathie keinen Wirkmechanismus gibt.


Wirkmechanismus wofür? Es gibt nicht mal einen Effekt. Das weiß ich aber nur deshalb weil nach meiner Kenntnis, alle plausiblen Wirkmechanismen ausgeschlossen wurden. Dazu wurden bereits jetzt viel mehr Studien und Metastudien durchgeführt, als m.E. nötig gewesen wäre. Und das Thema ist auch immer noch nicht abgehakt, was nach gegenwärtigem Kenntnisstand relativ albern erscheint.

Zitat:

index_razor hat Folgendes geschrieben:
Übrigens sage ich ja nicht, daß man keine randomisierten Studien benötigt. Aber da sie ohne kausale Modelle nicht auskommen, sind sie nicht besser oder schlechter, als a-priori-Argumente.


Warum sollen die nicht ohne kausales Modell auskommen?


Weil man dann z.B. nicht weiß, bezüglich welcher Parameter man kontrollieren muß, um Scheinkorrelationen zu vermeiden. ("kontrollierte Studien" waren ja dein Kriterium) Man muß bezüglich aller relevanten Confounder kontrollieren, aber man darf bzgl. relevanter Collider nicht kontrollieren. "Confounder" und "Collider" sind kausale Begriffe.
DrStupid



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Beiträge: 5044

Beitrag DrStupid Verfasst am: 27. Jan 2022 17:38    Titel: Antworten mit Zitat

index_razor hat Folgendes geschrieben:
Deine Behauptung war, daß man keine unbekannten Wirkmechanismen ausschließen kann. Das kann man mit Studien auch nicht.


Auch auf die Gefahr hin, mich zu wiederholen: Es ist nicht Ziel der Studie Wirkmechanismen auszuschließen.

index_razor hat Folgendes geschrieben:
Es gibt nicht mal einen Effekt. Das weiß ich aber nur deshalb weil nach meiner Kenntnis, alle plausiblen Wirkmechanismen ausgeschlossen wurden.


Nein, das weiß man, weil man in der Praxis bei geeigneten Studien keinen signifikanten Effekt gefunden hat.

index_razor hat Folgendes geschrieben:
Weil man dann z.B. nicht weiß, bezüglich welcher Parameter man kontrollieren muß, um Scheinkorrelationen zu vermeiden.


Um Scheinkorrelationen zu vermeiden, muss man dafür sorgen, dass die untersuchten Gruppen sich möglichst nur dadurch unterscheiden, dass die Probanden das Verum oder das Placebo erhalten. Dafür braucht man kein kausales Modell sondern nur eine möglichst große Zahl von Probanden und eine gute Randomisierung. Und natürlich muss die Studie prospektiv sein.
index_razor



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Beitrag index_razor Verfasst am: 27. Jan 2022 18:00    Titel: Antworten mit Zitat

DrStupid hat Folgendes geschrieben:
index_razor hat Folgendes geschrieben:
Deine Behauptung war, daß man keine unbekannten Wirkmechanismen ausschließen kann. Das kann man mit Studien auch nicht.


Auch auf die Gefahr hin, mich zu wiederholen: Es ist nicht Ziel der Studie Wirkmechanismen auszuschließen.


Du mußt dich nicht wiederholen, sondern nur erkennen, daß genau dies deinen ursprünglichen Einwand hinfällig macht.

Zitat:

index_razor hat Folgendes geschrieben:
Es gibt nicht mal einen Effekt. Das weiß ich aber nur deshalb weil nach meiner Kenntnis, alle plausiblen Wirkmechanismen ausgeschlossen wurden.


Nein, das weiß man, weil man in der Praxis bei geeigneten Studien keinen signifikanten Effekt gefunden hat.


Das kann auch daran liegen, daß der Effekt zu klein ist oder daß man die falschen Korrelationen untersucht hat. Tatsächlich ist es ein bekanntes Problem in der Durchführung von Studien, die Hypothese in den Daten zu suchen. Man untersucht einfach eine hinreichend große Anzahl (u.a. vollkommen unplausibler) Korrelationen. Ein paar davon sind rein aus statistischen Gründen signifikant. Das kann man weder durch hinreichend viele Studien, noch hinreichen große Stichproben ausschließen.

Zitat:

index_razor hat Folgendes geschrieben:
Weil man dann z.B. nicht weiß, bezüglich welcher Parameter man kontrollieren muß, um Scheinkorrelationen zu vermeiden.


Um Scheinkorrelationen zu vermeiden, muss man dafür sorgen, dass die untersuchten Gruppen sich möglichst nur dadurch unterscheiden, dass die Probanden das Verum oder das Placebo erhalten. Dafür braucht man kein kausales Modell sondern nur eine möglichst große Zahl von Probanden und eine gute Randomisierung. Und natürlich muss die Studie prospektiv sein.


"Gute Randomisierung" ist nur eine weniger hilfreiche Umformulierung des genannten Problems. Wie prüfst du, daß die Randomisierung "gut" war? Dazu mußt du wissen, welche Variablen welche Effekte haben können.
DrStupid



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Beiträge: 5044

Beitrag DrStupid Verfasst am: 27. Jan 2022 18:35    Titel: Antworten mit Zitat

index_razor hat Folgendes geschrieben:
Du mußt dich nicht wiederholen, sondern nur erkennen, daß genau dies deinen ursprünglichen Einwand hinfällig macht.


Nein, macht es nicht. Es geht nicht darum, Wirkmechanismen auszuschließen, sondern Wirkungen nachzuweisen.

index_razor hat Folgendes geschrieben:
Man untersucht einfach eine hinreichend große Anzahl (u.a. vollkommen unplausibler) Korrelationen. Ein paar davon sind rein aus statistischen Gründen signifikant.


Nein, das macht man nicht. Man muss vor Beginn der Studie ausschließen, dass zufällige Korrelationen zu erwarten sind. Geht die Zahl der Korrelationen hoch, dann muss das Signifikanzkriterium runter. Darüber brauchen wir uns hier keine Gedanken machen. Das haben die Statistiker gut im Griff. Die können genau ausrechnen, wie man die Studie entwerfen und auswerten muss um eine vorgegebene stastistische Sicherheit zu erreichen.

index_razor hat Folgendes geschrieben:
"Gute Randomisierung" ist nur eine weniger hilfreiche Umformulierung des genannten Problems. Wie prüfst du, daß die Randomisierung "gut" war? Dazu mußt du wissen, welche Variablen welche Effekte haben können.


Nein, das muss ich nicht wissen. Ich muss nur dafür sorgen, dass sie in beiden Gruppen gleichmäßig verteilt sind. Genau das erreicht man durch Randomisierung und hohe Probandenzahlen. Damit ist vor Beginn der Behandlung jede Gruppe eine repräsentative Auswahl der Gesamtheit aller Probanden.

Wenn man der Randomisierung aus irgendwelchen Gründen nicht traut, dann kann man auch mehrere Placebo- und Verum-Gruppen definieren. Wenn der statistische Vergleich von Placebo mit Placebo bzw. Verum mit Verum zu dem Ergebnis führt, dass es sich jeweils um Stichproben aus derselben Grundgesamtheit handelt, während der Vergleich von Verum mit Placebo zu einem signifikanten Unterschied führt, dann sagt das mehr aus als jede Spekulation über Mechanismen.
index_razor



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Beiträge: 3259

Beitrag index_razor Verfasst am: 28. Jan 2022 11:59    Titel: Antworten mit Zitat

DrStupid hat Folgendes geschrieben:
index_razor hat Folgendes geschrieben:
Du mußt dich nicht wiederholen, sondern nur erkennen, daß genau dies deinen ursprünglichen Einwand hinfällig macht.


Nein, macht es nicht. Es geht nicht darum, Wirkmechanismen auszuschließen, sondern Wirkungen nachzuweisen.


Es geht um die Situation, daß bis jetzt keine Wirkung nachgewiesen ist. Entweder weil es noch keine Studien gibt oder weil alle negativ waren oder weil die letzte Metastudie eine negative Korrelation zwischen Effekt und Qualität der Studien ergeben hat oder...

Was machst du dann? Eine (weitere) Studie oder nicht? Wonach entscheidest du das? Hängt das nicht von der zu prüfenden Theorie ab?

Zitat:

index_razor hat Folgendes geschrieben:
Man untersucht einfach eine hinreichend große Anzahl (u.a. vollkommen unplausibler) Korrelationen. Ein paar davon sind rein aus statistischen Gründen signifikant.


Nein, das macht man nicht.


Sollte man nicht. Aber es wird gemacht. Und mit einer Methode, die von a-priori-Plausibilität und kausalen Modellen nichts wissen will, ist dieses Vorgehen unmöglich auszuschließen und schwer zu kritisieren.

Zitat:

Man muss vor Beginn der Studie ausschließen, dass zufällige Korrelationen zu erwarten sind.


Es geht mir gar nicht um das Design einzelner Studien. Eine Studie kann perfekt konzipiert und trotzdem vollkommen wertlos sein, einfach aus dem Grund, daß die untersuchte Fragestellung kompletter Humbug ist. Das betrifft alle modernen Studien zur Homöopathie, die nichts anderes als den Glauben an Analogiezauber darstellt. Es geht nicht nur um die schlechten Studien mit positivem Ergebnis. Gerade die gut konzipierten Studien für Nonsenstheorien sind die größte Verschwendung. Das ist hier eigentlich mein Haupteinwand.

Zitat:

Geht die Zahl der Korrelationen hoch, dann muss das Signifikanzkriterium runter.


Nein, nur wenn es keine kausale Erklärung für die anderen Zusammenhänge gibt. Andernfalls gibt es überhaupt keinen Grund das Ergebnis als weniger signifikant einzustufen.

Aber selbst unter der Voraussetzung, daß kein Kausalzusammenhang bekannt ist, ändert die Methode nichts daran, daß ein paar Studien trotzdem signifikante Ergebnisse zeigen, auch wenn keinerlei Wirkung existiert. Das wird auch immer so bleiben. Lediglich die möglichen kausalen Erklärungen für diese Effekte (mit dem Verum als Ursache) werden immer unplausibler, je mehr Studien es gibt.

Zitat:

Darüber brauchen wir uns hier keine Gedanken machen. Das haben die Statistiker gut im Griff. Die können genau ausrechnen, wie man die Studie entwerfen und auswerten muss um eine vorgegebene stastistische Sicherheit zu erreichen.


Wenn sie dabei bekannte Kausalzusammenhänge zwischen den beteiligten Variablen ignorieren, wird dabei aber nichts interessantes herauskommen. Und wenn sie sie berücksichtigen, kann das Ergebnis genauso lauten, daß sich eine Studie nicht lohnt.

Zitat:

index_razor hat Folgendes geschrieben:
"Gute Randomisierung" ist nur eine weniger hilfreiche Umformulierung des genannten Problems. Wie prüfst du, daß die Randomisierung "gut" war? Dazu mußt du wissen, welche Variablen welche Effekte haben können.


Nein, das muss ich nicht wissen. Ich muss nur dafür sorgen, dass sie in beiden Gruppen gleichmäßig verteilt sind.


Wenn du dafür sorgen könntest, müßten deine Statistiker ja nicht Signifikanzkriterien anpassen, sobald du unerwartete Korrelationen findest. Es ergibt überhaupt keinen Sinn mehr Korrelationen als weniger signifikant einzustufen und gleichzeitig zu behaupten, daß man perfekt randomisiert hat. Falsche Korrelationen können bei der Durchführung ja nur entstehen, wenn unbekannte Parameter mit irgendeinem kausalen Einfluß nicht gleichmäßig auf Test- und Kontrollgruppe verteilt sind. Ansonsten ist es ein Effekt der Behandlung, m.a.W eine "echte" Korrelation. Genau um solche zu finden, machst du die Studie ja.

Zitat:
Wenn man der Randomisierung aus irgendwelchen Gründen nicht traut, dann kann man auch mehrere Placebo- und Verum-Gruppen definieren. Wenn der statistische Vergleich von Placebo mit Placebo bzw. Verum mit Verum zu dem Ergebnis führt, dass es sich jeweils um Stichproben aus derselben Grundgesamtheit handelt, während der Vergleich von Verum mit Placebo zu einem signifikanten Unterschied führt, dann sagt das mehr aus als jede Spekulation über Mechanismen.


Daß es keine Analogiezauber oder andere Magie gibt, ist keine Spekulation. Im Gegentei. Man benötigt nicht für jedes neue magische Ritual, jede Variante von Homöopathie oder Akupunktur, eine eigene Studie zur Widerlegung. Dies wäre mit Sicherheit kein besserer Ansatz, als der, den du kritisiert hast.
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