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n-Teilchensysteme
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gnt
Gast





Beitrag gnt Verfasst am: 01. März 2017 14:39    Titel: n-Teilchensysteme Antworten mit Zitat

Hallo allerseits,

dieser Tage versuche ich, Systeme mit n Teilchen zu verstehen.
Laut QM hat man es ja in solchen mit Wellenfunktionen der Form

zu tun, also mit einem 3n-dimensionalen Raum komplexer Zahlen.
Das finde ich recht unanschaulich. Und diese Art der Darstellung, also n Orte als Parameter von Psi, erscheint mir in erster Linie auf die Formulierung des Potentials zurück zu gehen. In der QFT hat man hingegen nur lokale Potentiale. Von daher meine Frage: Ist das in der QFT genau so wie in der QM?
Liessen sich n-Teilchensysteme nicht auch als so etwas wie eine zwangsweise Superposition von Funktionen für nur jeweils ein Teilchen und nur einen Ort als Parameter, also der Form

interpretieren?
Schon einmal Vielen Dank für die Erklärung!

Gruss

gnt
TomS
Moderator


Anmeldungsdatum: 20.03.2009
Beiträge: 17898

Beitrag TomS Verfasst am: 01. März 2017 15:31    Titel: Antworten mit Zitat

Schauen wir uns doch zunächst die klassische Mechanik sowie die Quantenmechanik für ein Teilchen an.

Gegeben ist ein Phasenraum mit Koordinaten (q,p), Funktionen f(q,p) auf diesem Phasenraum sowie Trajektorien (q(t), p(t)). Eine spezielle Rolle übernimmt die Hamiltonfunktion H(q,p).

Im Schrödingerbild der Quantenmechanik resultiert daraus eine Ortsraum-Wellenfunktion u(q) in einem Hilbertraum [alternativ dazu ist z.B. die Impulsraum-Darstellung mit u(p) oder die abstrakte = darstellungsfreie Formulierung mit |u> nach Dirac möglich] sowie Operatoren bzw. speziell Observable A(q,p). Anstelle der Trajektorien betrachten wir zeitabhängige Wellenfunktionen psi(q,t) [oder psi(p,t) oder darstellungsfreie Zustände |psi,t>]. Wiederum spielt der Hamiltonoperator H(q,p) eine spezielle Rolle.

Formal näher an der klassischen Mechanik ist das Heisenberg-Bild der Quantenmechanik. Die Zustände |u> sind zeitunabhängig, stattdessen betrachtet man zeitabhängige Operatoren q(t), p(t); deren Zeitabhängigkeit ist jedoch zustandsunabhängig, während die der klassischen Trajektorien spezifisch für einen klassischen Zustand d.h. eine spezifische Trajektorie ist.

Sind wir uns bis hierher einig? Was stört dich an den Potentialen in der QM?

Als nächstes können wir uns dann ansehen, was bei N Teilchen oder später in der QFT passiert.
gnt
Gast





Beitrag gnt Verfasst am: 01. März 2017 15:55    Titel: Antworten mit Zitat

Vielen Dank für Deine Antwort!

TomS hat Folgendes geschrieben:
Sind wir uns bis hierher einig?

Ja, vollkommen.

TomS hat Folgendes geschrieben:
Was stört dich an den Potentialen in der QM?

Mich stört eigentlich, dass man mit psi das ganze System beschreibt, es also für alle Teilchen nur eine einzige Wellenfunktion gibt, in der - so verstehe ich das zumindest - nicht jedem Teilchen an jedem Ort ein Wert zugeschrieben wird (für jedes Teilchen ein Feld), sondern bei z.B. zwei Teilchen, beiden Teilchen gemeinsam für zwei Orte ein Wert. "Schuld" daran ist doch das Potential, welches Wellenfunktionen koppelt.
Ich habe den Eindruck, dass so aus dem Hilfsmittel Phasenraum etwas physikalisch bzw. natürlich reales wird. Viel natürlicher fände ich, wenn jedes Teilchen getrennt seine Eigenschaften tragen würde, und diese von Wellenfunktion zu Wellenfunktion voneinander abhängig wären.
TomS
Moderator


Anmeldungsdatum: 20.03.2009
Beiträge: 17898

Beitrag TomS Verfasst am: 01. März 2017 16:30    Titel: Antworten mit Zitat

Wir wissen aber, das die Quantenmechanik die von dir gewünschte Separabilität i.A. nicht zulässt, und zwar bereits ohne Wechselwirkung.

Zwei unabhängigen Teilchen kann zunächst einzeln eine Eigenschaft wie Impuls und Spin zugeschrieben werden. Z.B. für ein Proton und ein Elektron in einem Produkthilbertraum



mit Produktzuständen



Dies wäre eine Beschreibung, die jedem der beiden Teilchen einzeln einen jeweils festen Zustand zuschreibt. Das ist auch mit Wechselwirkung theoretisch zulässig, jedoch i.A. nicht (bzw. nur näherungsweise) praktisch realisiert.

Bereits ohne Wechselwirkung führt die Forderung der Symmetrisierung (Anti-Symmetrisierung) für Bosonen (Fermionen) jedoch auf nicht-separable Zustände. Betrachten wir zwei Elektronen mit Gesamtimpuls P = 0 sowie Gesamtspin S = 0, konstruiert aus Eigenzusänden zu p,s. Es gilt



Hier ist keinem der beiden Teilchen einzeln ein Impuls oder ein Spin zuschreibbar; ähnliches gälte für den Ort. In der Quantenfeldtheorie ist dies nicht anders; allerdings verwendet man da einen Formalismus, in dem diese Symmetrisierung bzw. Antisymmetrisierung implizit enthalten ist und nicht jedesmal explizit hingeschrieben werden muss.

Grundsätzlich ändert sich daran auch bei Berücksichtigung von Wechselwirkungen nichts.
gnt
Gast





Beitrag gnt Verfasst am: 01. März 2017 17:52    Titel: Antworten mit Zitat

TomS hat Folgendes geschrieben:


Hier ist keinem der beiden Teilchen einzeln ein Impuls oder ein Spin zuschreibbar; ähnliches gälte für den Ort.

OK, aber wie ist das zu interpretieren? Muss man dahin gehen zu sagen, man beschreibt nicht Teilchen, auch genau genommen nicht den Zustand, sondern der Teilchen Korrelation? Und das in einem abstrakten Raum? Damit sind ja all' die einführenden Beispiele wie Kastenpotential etc., aber auch die Berechnung das Wasserstoffatoms nur stark vereinfachende "Projektionen" in unsere drei Dimensionen.
Meine Überlegung, das loszuwerden, war anhand des H-Atoms: Das Atom so, wie man es nach Separation durch die Relativkoordinate beschreibt zu verwenden, und dazu Superpositionen (mit räumlicher Zwangsbedingung, oder so etwas) des Atoms für den anderen Freiheitsgrad anzusetzen. Damit könnte sogar das Atom beim Doppelspalt Interferenzmuster zeigen. Das war aber wohl zu kurz gedacht.
Gibt es irgendwelche Symmetrien, welche diesen enormen Umfang des Zustandes zusammenschrumpfen lässt?
Ich finde es eben ein Stück weit seltsam, dass offenbar in der Natur gilt, dass alles separat betrachtet werden muss, also jedes mit jedem für jeden Ort. So als würde man einfach 'mal alles berechenbare in den Topf werfen.
TomS
Moderator


Anmeldungsdatum: 20.03.2009
Beiträge: 17898

Beitrag TomS Verfasst am: 01. März 2017 21:55    Titel: Antworten mit Zitat

gnt hat Folgendes geschrieben:
TomS hat Folgendes geschrieben:


Hier ist keinem der beiden Teilchen einzeln ein Impuls oder ein Spin zuschreibbar; ähnliches gälte für den Ort.

OK, aber wie ist das zu interpretieren?

In dem man identische Teilchen als nicht-individualisierbar und als ununterscheidbar akzeptiert. Man kann nicht sagen "das eine Elektron ist hier und das andere ist dort", da es keine Etiketten "das eine" und "das andere" gibt. Man kann nur sagen "ein Elektron ist hier, eines ist dort".

gnt hat Folgendes geschrieben:
Muss man dahin gehen zu sagen, man beschreibt nicht Teilchen, auch genau genommen nicht den Zustand ...

Doch, schon den Zustand, aber eben den des Systems, nicht unbedingt den eines individuellen Teilchens.

gnt hat Folgendes geschrieben:
... sondern der Teilchen Korrelation?

Ja, einschließlich der Korrelationen.

gnt hat Folgendes geschrieben:
Und das in einem abstrakten Raum?

Ja, das ist oft der bessere Weg. Bei Vielteilchensystemen ist die Wellenfunktion wenig anschaulich und mathematisch extrem unübersichtlich zu verwenden. Abstrakte Zustände sind wesentlich handlicher.

gnt hat Folgendes geschrieben:
Damit sind ja all' die einführenden Beispiele wie Kastenpotential etc., aber auch die Berechnung das Wasserstoffatoms nur stark vereinfachende "Projektionen" in unsere drei Dimensionen.

Im Falle eines einzigen Teilchens ist das schon OK.

gnt hat Folgendes geschrieben:
Gibt es irgendwelche Symmetrien, welche diesen enormen Umfang des Zustandes zusammenschrumpfen lässt?

Die Symmetrisierung bzw. Antisymmetrisierung tun genau das. Betrachte zwei klassische Münzen mit den Zuständen Kopf und Zahl. Beim Werfen der beiden Münzen resultieren vier mögliche Zustände



Wenn nun statt klassischer Münzen Bosonen bzw. Fermionen mit jeweils zwei möglichen Spinzuständen vorliegen, dann liefert Symmetrisierung bzw. Antisymmetrisierung die erlaubten Zustände





Allgemein kann man sich folgendes überlegen: gegeben seien N Teilchen, die man auf Z Zustände verteilt; diese Verteilung kann erfolgen nach den Regeln der klassischen Physik, der Bose-Einstein-Statistik sowie der Fermi-Dirac-Statistik. Die klassische Physik lässt beliebige Verteilungen bzw. "klassische Zustände" zu, die Quantenmechanik ausschließlich entweder total-symmetrische oder total-antisymmetrische Zustände. Die jeweilige Anzahl muss ich nachschauen. Jedenfalls ist die Anzahl der nach den Quantenstatistiken zulässigen Zustände deutlich kleiner als die der "klassischen Zustände".
gnt
Gast





Beitrag gnt Verfasst am: 01. März 2017 22:31    Titel: Antworten mit Zitat

TomS hat Folgendes geschrieben:
gnt hat Folgendes geschrieben:
OK, aber wie ist das zu interpretieren?

In dem man identische Teilchen als nicht-individualisierbar und als ununterscheidbar akzeptiert. Man kann nicht sagen "das eine Elektron ist hier und das andere ist dort", da es keine Etiketten "das eine" und "das andere" gibt. Man kann nur sagen "ein Elektron ist hier, eines ist dort".

Reicht das aus? - Verschränkung ist doch auf den Zustand bezogen mathematisch das gleiche, und ist für verschiedene Teilchenarten möglich.
Wenn es nur um die Ununterscheidbarkeit geht, ist doch der vernünftigste Ansatz, mehrere Teilchen in einem Feld darzustellen. Dann ist eben die Norm nicht 1 sondern n. Teilchenerzeugung ist in dem Fall eindeutig, nur worauf wirkt dann die Vernichtung? Wird dadurch nur die Norm reduziert, also "beliebige" Eigenzustände reduziert, oder doch ein bestimmtes Teilchen, welches durch einen bestimmten Erzeugungsoperator erschaffen wurde?

TomS hat Folgendes geschrieben:
gnt hat Folgendes geschrieben:
Und das in einem abstrakten Raum?

Ja, das ist oft der bessere Weg. Bei Vielteilchensystemen ist die Wellenfunktion wenig anschaulich und mathematisch extrem unübersichtlich zu verwenden. Abstrakte Zustände sind wesentlich handlicher.

Aber sogar die Wellenfunktion liegt in einem abstrakten Raum, dem Phasenraum. Müsste man von daher im Rahmen der QM nicht konsequenterweise davon sprechen, dass sowohl die drei Raumdimensionen und parallel dazu der Phasenraum physikalisch sind? Denn so wie ich das jetzt sehe, lässt sich die Wellenfunktion nicht auf 3D reduzieren, und damit ist sie nicht nur ein mathematisches Hilfsmittel. Man hat also den Zustand in Form der Wellenfunktion in 3n Dimensionen einerseits und 3 Raumdimensionen andererseits.

TomS hat Folgendes geschrieben:
gnt hat Folgendes geschrieben:
Gibt es irgendwelche Symmetrien, welche diesen enormen Umfang des Zustandes zusammenschrumpfen lässt?

Die Symmetrisierung bzw. Antisymmetrisierung tun genau das. ...

Ja, nur ist man damit doch auch noch meilenweit von einer Darstellbarkeit in 3D entfernt.
gnt
Gast





Beitrag gnt Verfasst am: 02. März 2017 14:29    Titel: Antworten mit Zitat

Ich glaube, dass ich das unklar formuliert habe.
Vielleicht ist es so verständlich:
Wenn ein (unabhängiges) Teilchen ein Feld repräsentiert, dann besitzt es im Fall des komplexwertigen Feldes die Möglichkeit, an jedem Punkt des dreidimensionalen Raumes eine komplexe Zahl zu "speichern". Das gilt für jedes unabhängige Teilchen eben unabhängig von allen anderen Teilchen. Bis hier hin braucht man nur den einen dreidimensionalen Raum, in dem jedes Teilchen an jedem Ort eine komplexe Zahl "speichern" kann.
Jetzt besagt aber die QM, dass das Tensorprodukt dieser einzelnen dreidimensionalen Räume den Zustand des Systems beschreibt. Mit anderen Worten "memory overflow", oder so ähnlich ;-) .
Das bedeutet doch meiner Ansicht nach offensichtlich, dass nicht jedes Teilchen seinen "Speicherplatz" in den verfügbaren drei Dimensionen mit sich bringt, sondern dass die Natur einen weiteren Raum vorgesehen haben muss, in dem das Tensorprodukt aller "Einzelteilchenräume" vorliegt.
Jetzt kann man aber nicht hingehen, und allein diesen Phasenraum als natürlich betrachten, weil ja die drei Raumdimensionen für z.B. Abstände, aber auch die Wellennatur eine Rolle spielen. Demnach hätte man es mit zwei parallel existierenden Räumen zu tun. Das ist entweder unschön, oder ich verstehe das noch nicht.
TomS
Moderator


Anmeldungsdatum: 20.03.2009
Beiträge: 17898

Beitrag TomS Verfasst am: 02. März 2017 22:57    Titel: Antworten mit Zitat

gnt hat Folgendes geschrieben:
Jetzt besagt aber die QM, dass das Tensorprodukt dieser einzelnen dreidimensionalen Räume den Zustand des Systems beschreibt.

Es geht um das Tensorprodukt der Hilberträume, nicht der 3-dim. Räume.

gnt hat Folgendes geschrieben:
... sondern dass die Natur einen weiteren Raum vorgesehen haben muss, in dem das Tensorprodukt aller "Einzelteilchenräume" vorliegt.

Ja, der Produkthilbertraum.

gnt hat Folgendes geschrieben:
Jetzt kann man aber nicht hingehen, und allein diesen Phasenraum als natürlich betrachten, weil ja die drei Raumdimensionen für z.B. Abstände, aber auch die Wellennatur eine Rolle spielen. Demnach hätte man es mit zwei parallel existierenden Räumen zu tun. Das ist entweder unschön, oder ich verstehe das noch nicht.

Nicht Phasenraum; den betrachten wir nur in der klassischen Mechanik.

Und ja, es handelt sich um einen Produkthilbertraum über dem 3-dim. Ortsraum.
gnt
Gast





Beitrag gnt Verfasst am: 03. März 2017 11:14    Titel: Antworten mit Zitat

Danke für die Erklärungen!
Und doch fühlt sich diese Form der Räume intuitiv falsch an.
TomS
Moderator


Anmeldungsdatum: 20.03.2009
Beiträge: 17898

Beitrag TomS Verfasst am: 03. März 2017 15:13    Titel: Antworten mit Zitat

gnt hat Folgendes geschrieben:
Und doch fühlt sich diese Form der Räume intuitiv falsch an.

Wie würde denn deiner Meinung nach die mathematsiche Struktur intuitiv richtig aussehen? Warum versuchst du nicht zunächst, die abstrakte, darstellunsgfreie Notation noch ohne Ortsdarstellung zu verstehen?

Niemand hat je behauptet, die QM sei intutiv verständlich :-)
gnt
Gast





Beitrag gnt Verfasst am: 03. März 2017 16:01    Titel: Antworten mit Zitat

TomS hat Folgendes geschrieben:
gnt hat Folgendes geschrieben:
Und doch fühlt sich diese Form der Räume intuitiv falsch an.

Wie würde denn deiner Meinung nach die mathematsiche Struktur intuitiv richtig aussehen?

Wenn ich es richtig sehe, dann hat man auf der einen Seite den rein mathematischen und praktischen Hilbertraum, der jedoch nicht in der Natur realisiert ist, und auf der anderen Seite eine sehr unschöne Wellenfunktion, welche nie eine Aussage über ein einzelnes Teilchen, sondern immer nur über alle Teilchen auf einmal trifft, aber offenbar die Natur direkt beschreibt, jedoch nicht in 3D Platz findet.
Als intuitiv richtig würde ich empfinden, wenn jedes Teilchen, was ja das eigentliche Objekt in der Natur ist, im Gegensatz zum gerade geschriebenen seinen Zustand repräsentieren würde, und der Rest, also die Abhängigkeit zwischen den einzelnen Teilchen in der bzw. einer Wechselwirkung stecken würde.
Mathematisch formulieren... das ist schwer. Vielleicht so:
Statt: psi(q1,q2,... qn)
das: psi1() unabhängig von psi2() unabhängig von ...psin(); Wechselwirkung(psi1(q) <-> psi2(q) <-> ... psin(q))
Aber ich glaube, Du hast eine pragmatischere Sicht auf die Dinge, weil es ja funktioniert, wie es gemacht wird.

TomS hat Folgendes geschrieben:
Warum versuchst du nicht zunächst, die abstrakte, darstellunsgfreie Notation noch ohne Ortsdarstellung zu verstehen?

Versuche ich doch auch. Ich bin zwar wirklich nicht der schnellste, aber nach und nach verstehe ich Häppchen für Häppchen.

TomS hat Folgendes geschrieben:
Niemand hat je behauptet, die QM sei intutiv verständlich :-)

Ja, schon, nur möchte ich mich ungern damit abfinden, dass die Natur so ist, wie die QM das vorschlägt.
TomS
Moderator


Anmeldungsdatum: 20.03.2009
Beiträge: 17898

Beitrag TomS Verfasst am: 04. März 2017 07:57    Titel: Antworten mit Zitat

gnt hat Folgendes geschrieben:
Wenn ich es richtig sehe, dann hat man auf der einen Seite den rein mathematischen und praktischen Hilbertraum, der jedoch nicht in der Natur realisiert ist, und auf der anderen Seite eine sehr unschöne Wellenfunktion, welche nie eine Aussage über ein einzelnes Teilchen, sondern immer nur über alle Teilchen auf einmal trifft, aber offenbar die Natur direkt beschreibt, jedoch nicht in 3D Platz findet.

Nichts davon ist "realisiert"; alles ist zunächst nur ein mathematisches Modell.

Der abstrakte Hilbertraum ist teilw. praktischer, aber auch die Wellenfunktion "lebt" in einer speziellen Art von Hilbertraum.

gnt hat Folgendes geschrieben:
Als intuitiv richtig würde ich empfinden, wenn jedes Teilchen, was ja das eigentliche Objekt in der Natur ist, im Gegensatz zum gerade geschriebenen seinen Zustand repräsentieren würde, und der Rest, also die Abhängigkeit zwischen den einzelnen Teilchen in der bzw. einer Wechselwirkung stecken würde.

Wir können uns nicht aussuchen, wie die Natur funktioniert.

Jedenfalls ist eine zentrale Aussage der QM, dass es nicht zutreffend ist, dass "jedes einzelne Teilchen das eigentliche Objekt ist"; das ist lediglich unsere klassische Abschauung von Objekten.

Der Widerspruch zu deiner Intuition besteht also nicht in einer Eigenschaft, die durch das Modell sozusagen künstlich eingeführt wird, sondern sie liegt im Verhalten der Natur selbst begründet. Das Modell trägt dem lediglich Rechnung (*)

gnt hat Folgendes geschrieben:
Mathematisch formulieren... das ist schwer. Vielleicht so:
Statt: psi(q1,q2,... qn)
das: psi1() unabhängig von psi2() unabhängig von ...psin();

So weit bist du da nicht von der QM weg.

Wenn man Teilchen 1, 2, 3 und mögliche Zustände a, b, c mittels Wellenfunktionen im Ortsraum beschreibt, dann führt das auf Terme wie



Hier hätte das Teilchen 1 den Zustand a, das Teilchen 2 den Zustand b usw.

Was uns die QM sagt ist, dass diese Zuordnung eines bestimmten Zustandes zu einem bestimmten Teilchen unzulässig ist. Das ist auch leicht einzusehen, denn was soll denn ein bestimmtes Teilchen kennzeichnen, wenn nicht sein Zustand? Es gibt kein zusätzliches Etikett "1", das nicht bereits im Zustand "a" stecken würde und das man dem Teilchen zusätzlich "aufkleben" könnte.

D.h. man muss stattdessen Summen über Permutationen derartiger Produktzustände betrachten



Die Koeffizienten u sind so zu wählen, dass die Zustände a, b, c in jedem Term korrekt repräsentiert sind und dass die Symmetrisierung bzw. Antisymmetrisierung erfüllt ist. Was die QM also - aus verschiedenen Gründen - ausschließt ist, dass ausschließlich reine Produktzustände vorliegen.

(*) Unser Modell würde reine Produktzustände in deinem Sinne natürlich zulassen, indem man schlichtweg die Summe weglässt, aber damit können wir das Verhalten der Natur in vielen Situationen eben nicht zutreffend beschreiben. Klassisches Verhalten liegt gerade dann vor, wenn es aus irgendwelchen Gründen zulässig ist, nur einen Term der Summe zu betrachten.

gnt hat Folgendes geschrieben:
TomS hat Folgendes geschrieben:
Niemand hat je behauptet, die QM sei intutiv verständlich :-)

Ja, schon, nur möchte ich mich ungern damit abfinden, dass die Natur so ist, wie die QM das vorschlägt.

Wie gesagt, die QM modelliert nur das, was und die Natur lehrt. Es gibt einige no-go Theoreme, die uns klar sagen, wie sich die Natur nicht verhält, z.B. das Kochen-Specker-Theorem und die Bellsche Ungleichung. Eine zentrale Aussage ist eben, dass keine individuierbaren, einzelnen Objekte vorliegen, denen man separat Eigenschaften zuordnen kann.

_________________
Niels Bohr brainwashed a whole generation of theorists into thinking that the job (interpreting quantum theory) was done 50 years ago.
gnt
Gast





Beitrag gnt Verfasst am: 04. März 2017 13:24    Titel: Antworten mit Zitat

TomS hat Folgendes geschrieben:
gnt hat Folgendes geschrieben:
Wenn ich es richtig sehe, dann hat man auf der einen Seite den rein mathematischen und praktischen Hilbertraum, der jedoch nicht in der Natur realisiert ist, und auf der anderen Seite eine sehr unschöne Wellenfunktion, welche nie eine Aussage über ein einzelnes Teilchen, sondern immer nur über alle Teilchen auf einmal trifft, aber offenbar die Natur direkt beschreibt, jedoch nicht in 3D Platz findet.

Nichts davon ist "realisiert"; alles ist zunächst nur ein mathematisches Modell.

Also, im Sinne von "lokal" und "nichtreal"? Wenn eine Messung nichts reales misst, dann lässt sich das mit meiner Wunschvorstellung vereinbaren. In dem Fall könnte ja doch noch eine echte, untergeordnete 3D-Realität existieren, nur ist diese für Messungen unzugänglich.

TomS hat Folgendes geschrieben:
gnt hat Folgendes geschrieben:
Als intuitiv richtig würde ich empfinden, wenn jedes Teilchen, was ja das eigentliche Objekt in der Natur ist, im Gegensatz zum gerade geschriebenen seinen Zustand repräsentieren würde, und der Rest, also die Abhängigkeit zwischen den einzelnen Teilchen in der bzw. einer Wechselwirkung stecken würde.

Wir können uns nicht aussuchen, wie die Natur funktioniert.

Ja, leider. Wenn es hart auf hart kommt, ziehe ich halt doch um.

TomS hat Folgendes geschrieben:
Es gibt einige no-go Theoreme, die uns klar sagen, wie sich die Natur nicht verhält, z.B. das Kochen-Specker-Theorem und die Bellsche Ungleichung. Eine zentrale Aussage ist eben, dass keine individuierbaren, einzelnen Objekte vorliegen, denen man separat Eigenschaften zuordnen kann.

Gut, dann stelle ich mich darauf ein.
TomS
Moderator


Anmeldungsdatum: 20.03.2009
Beiträge: 17898

Beitrag TomS Verfasst am: 04. März 2017 22:32    Titel: Antworten mit Zitat

An was genau bist du jetzt interessiert? An der Beschreibung gemäß der QM? Oder an einem Realitätsbegriff? An der Messung?
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Beitrag gnt Verfasst am: 04. März 2017 23:43    Titel: Antworten mit Zitat

Genau genommen daran, wie bzw. ob ich die QM bzw. eigentlich das Standardmodell mit meiner intuitiven Erwartung in Einklang bringen kann, und natürlich dazugehörig, wie das im Standardmodell beschrieben wird - sonst ist das ja unbefriedigend, weil nicht quantitativ. Dass ich mit der QM nicht so recht zufrieden bin, habe ich ja ganz oben schon geschrieben, aber nachdem die QFT nur eine besser funktionierende Formulierung, aber grundsätzlich, wie Du schreibst, die gleichen Eigenschaften bzgl. nicht-Separierbarkeit der Zustände aufweist, führen meine Überlegungen natürlich dahingehend weiter, ob meine Intuition auf anderer Ebene erfüllt sein könnte. Und das erscheint mir jetzt als vielleicht möglich, allerdings spielen für diese andere Ebene eventuell Realität, Messung und natürlich Wechselwirkungen eine Rolle.
Ich fantasiere gerade in die Richtung, dass diese Beschreibung möglicherweise nur eine Fata Morgana, ein Hologramm oder so etwas sein könnte. Und darunter/dahinter etwas unserer Erfahrungswelt näher stehendes stecken könnte.
TomS
Moderator


Anmeldungsdatum: 20.03.2009
Beiträge: 17898

Beitrag TomS Verfasst am: 05. März 2017 09:09    Titel: Antworten mit Zitat

gnt hat Folgendes geschrieben:
Genau genommen daran, wie bzw. ob ich die QM bzw. eigentlich das Standardmodell mit meiner intuitiven Erwartung in Einklang bringen kann, und natürlich dazugehörig, wie das im Standardmodell beschrieben wird - sonst ist das ja unbefriedigend, weil nicht quantitativ.

Wie was im Standardmodell beschrieben wird? Deine intuitive Erwartung?

gnt hat Folgendes geschrieben:
Dass ich mit der QM nicht so recht zufrieden bin, habe ich ja ganz oben schon geschrieben, aber nachdem die QFT nur eine besser funktionierende Formulierung, aber grundsätzlich, wie Du schreibst, die gleichen Eigenschaften bzgl. nicht-Separierbarkeit der Zustände aufweist ...

Ich denke, wir sollten uns tatsächlich mal den abstrakten Zugang zur QM bzw. zur QFT gönnen. Es is m.E. nicht sinnvoll, unsere Anschauung an den Anfang zu stellen. Warum sollte sich die Natur danach richten? Schauen wir uns doch umgekehrt einen Formalismus an, der quantitativ funktionierte, und versuchen wir uns von da der Anschauung zu nähern.

gnt hat Folgendes geschrieben:
... führen meine Überlegungen natürlich dahingehend weiter, ob meine Intuition auf anderer Ebene erfüllt sein könnte. Und das erscheint mir jetzt als vielleicht möglich, allerdings spielen für diese andere Ebene eventuell Realität, Messung und natürlich Wechselwirkungen eine Rolle.

Die Physik liefert dir nie die Realität selbst, sondern immer nur ein Modell. Welche der Aspekte eines Modells du dann als "tatsächlich real" ansiehst ist eher deine philosophisch geprägte Entscheidung. Die Physik liefert dir dafür Leitplanken und Ausschlusskriterien.

Zur tatsächlich stattfindenden Messung sagt die Quantenmechanik in ihrer orthodoxen Variante weitgehend nichts! Die Viele-Welten-Interpretation verweist im Zuge der Messung auf die Wechselwirkung.

Die Wechselwirkung wird formuliert mittels spezieller Terme, in die Quantenfeldoperatoren eingehen. Das Problem ist nun, dass diese Operatoren selbst wiederum keinen Objekten in der Realität entspreche; sie tragen nicht die Eigenschaften eines Quantensystems.

Ich denke, du kommst nicht darum herum, dich mit dem Formalismus zu befassen, wenn du verstehen möchtest, was er dir liefert und was nicht.

Was erwartetest du von der Physik? Denkst du, sie liefert ein mehr oder weniger strukturell treues Abbild der real existierenden Welt und deren Eigenschaften? Oder lediglich eine formale Beschreibung von Systemen, mittels derer wir berechnen können, was wir unter bestimmten Umständen von diesen Systemen "sehen" oder "wissen" können? Ersteres wäre eine ontologisch realistische Sichtweise, letztere eine eher instrumentalistisch oder positivistisch geprägte Sichtweise.

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gnt
Gast





Beitrag gnt Verfasst am: 05. März 2017 13:29    Titel: Antworten mit Zitat

TomS hat Folgendes geschrieben:
gnt hat Folgendes geschrieben:
Genau genommen daran, wie bzw. ob ich die QM bzw. eigentlich das Standardmodell mit meiner intuitiven Erwartung in Einklang bringen kann, und natürlich dazugehörig, wie das im Standardmodell beschrieben wird - sonst ist das ja unbefriedigend, weil nicht quantitativ.

Wie was im Standardmodell beschrieben wird? Deine intuitive Erwartung?

Anders formuliert:
1. Wie das Standardmodell als offensichtlich gut funktionierende Theorie aussieht.
2. Wie die Realität hinter dem nur beschreibenden Standardmodell aussehen könnte.
3. Ob diese Realität mit meinem Wunschdenken vereinbar ist, oder was ich an meiner Vorstellung verändern und erweitern muss.

TomS hat Folgendes geschrieben:
Ich denke, wir sollten uns tatsächlich mal den abstrakten Zugang zur QM bzw. zur QFT gönnen.

Sehr gerne!
TomS hat Folgendes geschrieben:
Es is m.E. nicht sinnvoll, unsere Anschauung an den Anfang zu stellen. Warum sollte sich die Natur danach richten?

Ich denke, dass Du damit nur eingeschränkt Recht hast. Es ist zugegebenermassen sinnvoller und effizienter, von den vorhandenen Theorien aus zu beginnen; unbedingt zielführender muss es aber nicht sein. Natürlich müssen diese funktionierenden Theorien immer als Grenzfall enthalten sein, aber man kann nicht wissen wo z.B. der richtige Ansatzpunkt ist um ART und QFT zu vereinigen. Vielleicht ist die eine oder die anderen Theorien einfach von Grund auf auf eine dafür unbrauchbare Weise dargestellt.
Die Natur richtet sich natürlich nicht nach uns, aber wir sind ein Produkt der Natur. Von daher halte ich es für möglich, dass selbst die tiefste Grundlage des Funktionierens der Natur in unserem Denken und unserer Logik Niederschlag gefunden hat.
TomS hat Folgendes geschrieben:
Schauen wir uns doch umgekehrt einen Formalismus an, der quantitativ funktionierte, und versuchen wir uns von da der Anschauung zu nähern.

Dir ist bewusst, dass das bei mir harte Arbeit sein kann? Augenzwinkern

TomS hat Folgendes geschrieben:
Die Physik liefert dir nie die Realität selbst, sondern immer nur ein Modell. ...

Ja.

TomS hat Folgendes geschrieben:
Die Wechselwirkung wird formuliert mittels spezieller Terme, in die Quantenfeldoperatoren eingehen. Das Problem ist nun, dass diese Operatoren selbst wiederum keinen Objekten in der Realität entspreche; sie tragen nicht die Eigenschaften eines Quantensystems.

Ja, sie operieren auf der Beschreibung des Gesamtsystems.

TomS hat Folgendes geschrieben:
Was erwartetest du von der Physik? Denkst du, sie liefert ein mehr oder weniger strukturell treues Abbild der real existierenden Welt und deren Eigenschaften?

Nein. Mir ist bewusst, dass die Physik nur eine Beschreibung und Annäherung an die Natur ist. Aber am Ende ist eben doch die Natur, die uns interessiert, weil die Physik idealerweise auf die Natur führt.


Erste Schwierigkeiten habe ich eigentlich schon bei der Verknüpfung von SRT und QT. Weinberg macht daraus ein umfangreiches Prozedere, mit dem ich recht wenig anfangen kann.
Zum einen ist natürlich die relativistische Energie-Impuls-Beziehung Grundlage der Klein-Gordon-Gleichung und damit wohl auch der Dirac-Gleichung. Aber ab da habe ich Probleme, mir die Logik klar zu machen:
Die Lorentztransformationen beruhen auf der Geschwindigkeit von Teilchen; in der QT hat man aber keine realen Geschwindigkeiten, sondern nur die Erscheinung von Geschwindigkeit. Natürlich kann man für Wellen v durch p darstellen und quantisieren, aber meiner Auffassung nach bleibt ein Bruch bestehen.
Bei Längenkontraktion und Zeitdilatation sehe ich ähnliche Probleme. Ersteres müsste zu eine Dichtezunahme im Feld führen (nach der QM zu erhöhter Aufenthaltswahrscheinlichkeitsdichte - keine Ahnung, ob das für die QFT auch gilt), und zweiteres zu Effekten bei Superpositionen, bei gekrümmten Räumen sogar zur Verletzung der Normierung der Wellenfunktion.

Das erscheint alles schon arg seltsam, aber vielleicht ergibt sich das aus meinem mangelnden Wissen.
TomS
Moderator


Anmeldungsdatum: 20.03.2009
Beiträge: 17898

Beitrag TomS Verfasst am: 07. März 2017 19:25    Titel: Antworten mit Zitat

gnt hat Folgendes geschrieben:
Anders formuliert:
1. Wie das Standardmodell als offensichtlich gut funktionierende Theorie aussieht.
2. Wie die Realität hinter dem nur beschreibenden Standardmodell aussehen könnte.
3. Ob diese Realität mit meinem Wunschdenken vereinbar ist, oder was ich an meiner Vorstellung verändern und erweitern muss.

zu 1. Das kann man nachlesen
zu 2. Das ist eine philosophische Frage; entweder geht man platonistisch davon aus, dass die Mathematik gewisse strukturelle Eigenschaften der Realität treu abbildet, oder man nimmt eine instrumentalistische / positivistische Position ein und negiert, dass die Frage überhaupt sinnvoll gestellt werden kann.
zu 3. Das Problem ist, dass ich weder dein Wunschdenken kenne, noch die Realität hinter unseren Beschreibungen. Alles was ich dir sagen kann ist, ob Schlussfolgerungen deines Wunschdenkens den Schlussfolgerungen aus unseren Theorien entsprechen oder ihnen widersprechen.


gnt hat Folgendes geschrieben:
TomS hat Folgendes geschrieben:
Es is m.E. nicht sinnvoll, unsere Anschauung an den Anfang zu stellen. Warum sollte sich die Natur danach richten?

Ich denke, dass Du damit nur eingeschränkt Recht hast. Es ist zugegebenermassen sinnvoller und effizienter, von den vorhandenen Theorien aus zu beginnen; unbedingt zielführender muss es aber nicht sein. Natürlich müssen diese funktionierenden Theorien immer als Grenzfall enthalten sein, aber man kann nicht wissen wo z.B. der richtige Ansatzpunkt ist um ART und QFT zu vereinigen. Vielleicht ist die eine oder die anderen Theorien einfach von Grund auf auf eine dafür unbrauchbare Weise dargestellt.

Letzteres ist gut möglich. Aber auch damit befassen sich viele Physiker, indem sie allgemeine Prinzipien an den Anfang stellen und daraus einen theoretische Rahmen oder Meta-Theorien ableiten. Die Anschauung spielt dabei eher keine Rolle.


gnt hat Folgendes geschrieben:
Die Natur richtet sich natürlich nicht nach uns, aber wir sind ein Produkt der Natur. Von daher halte ich es für möglich, dass selbst die tiefste Grundlage des Funktionierens der Natur in unserem Denken und unserer Logik Niederschlag gefunden hat.

Das glaube ich nicht. Zum Einen ist unsere Anschauung an eine gewisse Skala gebunden; im Mikro- sowie im Makrokosmos versagt sie. Und zum Anderen ist dies auch in vielen anderen Fällen nicht gegeben: kaum ein Produkt enthält die Strukturen oder die Funktionsweise des Produzenten. Und nicht zuletzt bin ich der Meinung, dass die Funktionsweise unseres Denkens unserem Denken selbst letztlich nicht zugänglich ist.


gnt hat Folgendes geschrieben:
TomS hat Folgendes geschrieben:
Was erwartetest du von der Physik? Denkst du, sie liefert ein mehr oder weniger strukturell treues Abbild der real existierenden Welt und deren Eigenschaften?

Nein. Mir ist bewusst, dass die Physik nur eine Beschreibung und Annäherung an die Natur ist. Aber am Ende ist eben doch die Natur, die uns interessiert, weil die Physik idealerweise auf die Natur führt.

Wie gesagt, ich halte es da mit Platon: wir erkennen nicht die Natur direkt, aber wir erkennen doch ein Abbild der Natur.


gnt hat Folgendes geschrieben:
Die Lorentztransformationen beruhen auf der Geschwindigkeit von Teilchen ...

Nein, die Lorentztransformationen betrachtet Relativgeschwindigkeiten zwischen Bezugsystemen; sie bleibt in gewisser Weise abstrakt. Es ist keineswegs erforderlich, dass dem auch Geschwindigkeiten realer Objekte oder Beobachter entsprechen.

Um was es Weinberg geht ist, dass eine vorhandene Symmetrie der Raumzeit eine unitäre Darstellung auf dem Zustandsraum hat. Auch das ist zunächst eine rein formale Forderung, die man jedoch aus Gründen der mathematischen Konsistenz benötigt

gnt hat Folgendes geschrieben:
Bei Längenkontraktion und Zeitdilatation sehe ich ähnliche Probleme. Ersteres müsste zu eine Dichtezunahme im Feld führen ...

Ja, derartige Effekte treten tatsächlich auf.

gnt hat Folgendes geschrieben:
... und zweiteres zu Effekten bei Superpositionen, bei gekrümmten Räumen sogar zur Verletzung der Normierung der Wellenfunktion.

Im Falle gekrümmter Räume ist die Lorentztransformation irrelevant, da keine (globale) Lorentzinvarianz mehr vorliegt. Das ist in etwa so, wie wenn du eine Gerade auf eine Ebene zeichnest und anschließend die Ebene verbiegst, jedoch die Gerade beibehältst.

Generell ist die QFT auf gekrümmten Mannigfaltigkeiten jedoch extrem kompliziert und sicher nicht vollständig verstanden. Lass' sie am besten mal beiseite.

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Niels Bohr brainwashed a whole generation of theorists into thinking that the job (interpreting quantum theory) was done 50 years ago.
gnt
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Beitrag gnt Verfasst am: 09. März 2017 16:48    Titel: Antworten mit Zitat

TomS hat Folgendes geschrieben:
gnt hat Folgendes geschrieben:
Die Natur richtet sich natürlich nicht nach uns, aber wir sind ein Produkt der Natur. Von daher halte ich es für möglich, dass selbst die tiefste Grundlage des Funktionierens der Natur in unserem Denken und unserer Logik Niederschlag gefunden hat.

Das glaube ich nicht. Zum Einen ist unsere Anschauung an eine gewisse Skala gebunden; im Mikro- sowie im Makrokosmos versagt sie. Und zum Anderen ist dies auch in vielen anderen Fällen nicht gegeben: kaum ein Produkt enthält die Strukturen oder die Funktionsweise des Produzenten. Und nicht zuletzt bin ich der Meinung, dass die Funktionsweise unseres Denkens unserem Denken selbst letztlich nicht zugänglich ist.

Mit dieser Perspektive legst Du aber Teile der Grundlagen (ganz gleich ob Physik, Produkt oder das Denken) in den für uns prinzipiell unzugänglichen Bereich. Ich glaube, dass es einen solchen nicht geben kann, weil wenn dieser Bereich existiert, hätte er keinen Einfluss auf uns und den für uns relevanten Teil, und damit wäre der unzugängliche Bereich vollkommen irrelevant bzw. nicht existent für uns - man könnte ihn aus der umfassenden Beschreibung "herauskürzen", ohne das geringste an der Realität zu verändern. Ich denke daher, dass die Annahme der Existenz von für uns prinzipiell unzugänglichen Bereichen ein Widerspruch in sich selbst ist. - Höchstens in einer Art Multiversum könnte so etwas realisiert sein.

TomS hat Folgendes geschrieben:
Um was es Weinberg geht ist, dass eine vorhandene Symmetrie der Raumzeit eine unitäre Darstellung auf dem Zustandsraum hat. Auch das ist zunächst eine rein formale Forderung, die man jedoch aus Gründen der mathematischen Konsistenz benötigt

Das verstehe ich glaube ich nicht. Mit Symmetrie meinst Du wahrscheinlich die Sicht zweier Bezugssysteme aufeinander. Aber mit "unitäre Darstellung"? - Eine Transformation zwischen zwei Zuständen?

TomS hat Folgendes geschrieben:
gnt hat Folgendes geschrieben:
Bei Längenkontraktion und Zeitdilatation sehe ich ähnliche Probleme. Ersteres müsste zu eine Dichtezunahme im Feld führen ...

Ja, derartige Effekte treten tatsächlich auf.

Gut, aber dennoch bleibt meiner Ansicht nach ein Problem bestehen: Konstruiert man den Hilbertraum, so hat man darin Eigenzustände, die noch nichts davon "wissen", wie sie zu Teilchen überlagert werden. Das bedeutet auch, dass sie nichts über deren Relativgeschwindigkeiten aussagen. Demnach müsste man im Nachgang die Zeit- und Orts-Variablen durch deren lorentztransformierte ersetzen. Doch im Falle von Wechselwirkungen müsste das alles doch bereits in den Eigenzuständen kodiert sein.
Habe ich doch noch eine falsche Vorstellung vom Hilbertraum?
TomS
Moderator


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Beitrag TomS Verfasst am: 09. März 2017 22:57    Titel: Antworten mit Zitat

gnt hat Folgendes geschrieben:
TomS hat Folgendes geschrieben:
gnt hat Folgendes geschrieben:
Die Natur richtet sich natürlich nicht nach uns, aber wir sind ein Produkt der Natur. Von daher halte ich es für möglich, dass selbst die tiefste Grundlage des Funktionierens der Natur in unserem Denken und unserer Logik Niederschlag gefunden hat.

Das glaube ich nicht. Zum Einen ist unsere Anschauung an eine gewisse Skala gebunden; im Mikro- sowie im Makrokosmos versagt sie. Und zum Anderen ist dies auch in vielen anderen Fällen nicht gegeben: kaum ein Produkt enthält die Strukturen oder die Funktionsweise des Produzenten. Und nicht zuletzt bin ich der Meinung, dass die Funktionsweise unseres Denkens unserem Denken selbst letztlich nicht zugänglich ist.

Mit dieser Perspektive legst Du aber Teile der Grundlagen (ganz gleich ob Physik, Produkt oder das Denken) in den für uns prinzipiell unzugänglichen Bereich. Ich glaube, dass es einen solchen nicht geben kann, weil wenn dieser Bereich existiert, hätte er keinen Einfluss auf uns und den für uns relevanten Teil, und damit wäre der unzugängliche Bereich vollkommen irrelevant bzw. nicht existent für uns - man könnte ihn aus der umfassenden Beschreibung "herauskürzen", ohne das geringste an der Realität zu verändern.

Nein, ich lege nicht unbedingt etwas in den prinzipiell unzugänglichen Bereich, allerhöchstens mit dem letzten Punkt.

Zunächst halte ich weite Bereiche für unsere Anschauung als nicht zugänglich, jedoch insbs. für unsere Mathematik. Ich denke, man sollte akzeptieren, dass dies das geeignetere Mittel zum Verständnis der Natur ist.

Dann behaupte ich, dass die Tatsache, dass unser Denken auf physikalischen Prozessen basiert, nicht bedeutet, dass diese Prozesse damit automatisch unserem Denken zugänglich werden; die Funktionsweise eines Roboters ist dem von diesem produzierten Auto nicht zugänglich.

Bzgl. der Funktionsweise unseres Denkens ist das recht einfach: aufgrund der Selbstbezüglichkeit der Fragestellung liegt diese Vermutung nahe. Ein Algorithmus ist ein Algorithmus, und genau deswegen nicht vollständig algorithmischen zu erfassen (Gödel).

gnt hat Folgendes geschrieben:
TomS hat Folgendes geschrieben:
Um was es Weinberg geht ist, dass eine vorhandene Symmetrie der Raumzeit eine unitäre Darstellung auf dem Zustandsraum hat. Auch das ist zunächst eine rein formale Forderung, die man jedoch aus Gründen der mathematischen Konsistenz benötigt

Das verstehe ich glaube ich nicht. Mit Symmetrie meinst Du wahrscheinlich die Sicht zweier Bezugssysteme aufeinander. Aber mit "unitäre Darstellung"? - Eine Transformation zwischen zwei Zuständen?

Betrachten wir als einfachstes Beispiel die Translation T von x um a; diese Symmetrie des Raumes induziert einen unitären Operator U[T], der auf die Wellenfunktion wirkt:





Man sieht dies durch Taylorentwicklung der Exponentialfunktion; dies liefert mit Anwendung der Ableitungen auf psi die Taylorentwicklung von psi um x mit Parameter a.

Dies ist ein allgemeines Muster zur Darstellung einer Symmetrie des Raumes, der Raumzeit oder allgemeinerer Strukturen wie Faserbündeln als unitärem Operator (mit selbstadjungierten Erzeuger) auf dem Hilbertraum; man kennt dies für Translationen (mit dem Impuls), Rotationen (mit dem Drehimpuls), für Zeittranslationen (mit dem Hamiltonoperator), für Lorentztransformationen, ... für lokale Eichtransformationen (mit dem Gauß-Operator), ...

gnt hat Folgendes geschrieben:
TomS hat Folgendes geschrieben:
gnt hat Folgendes geschrieben:
Bei Längenkontraktion und Zeitdilatation sehe ich ähnliche Probleme. Ersteres müsste zu eine Dichtezunahme im Feld führen ...

Ja, derartige Effekte treten tatsächlich auf.

Gut, aber dennoch bleibt meiner Ansicht nach ein Problem bestehen: Konstruiert man den Hilbertraum, so hat man darin Eigenzustände, die noch nichts davon "wissen", wie sie zu Teilchen überlagert werden. Das bedeutet auch, dass sie nichts über deren Relativgeschwindigkeiten aussagen. Demnach müsste man im Nachgang die Zeit- und Orts-Variablen durch deren lorentztransformierte ersetzen. Doch im Falle von Wechselwirkungen müsste das alles doch bereits in den Eigenzuständen kodiert sein.
Habe ich doch noch eine falsche Vorstellung vom Hilbertraum?

Nein, du darfst jedoch nicht gleich zu den Teilchen springen.

Die Rechnung ist etwas verwickelt, aber sie folgt dem obigen Muster der unitärer Symmetrien: Die Lorentztransformation L wirkt zunächst auf die Raumzeit-4er-Vektoren x; dabei liegt keine Geschwindigkeit von Teilchen vor, lediglich die kinematische Transformation und die Relativgeschwindigkeit von Bezugsystemen. Gleichzeitig existiert eine unitäre Transformation U[L] die auf die Wellenfunktion wirkt. Die obige Entsprechung führt dann dazu, dass die Lorentztransformation L auf das Argument x der Wellenfunktion übertragen werden kann.





Dadurch wird die Wellenfunktion (in Bewegungsrichtung) kontrahiert.

Das funktioniert - wenn auch deutlich komplizierter - auch in der Quantenfeldtheorie.
gnt
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Beitrag gnt Verfasst am: 10. März 2017 12:11    Titel: Antworten mit Zitat

TomS hat Folgendes geschrieben:
Dann behaupte ich, dass die Tatsache, dass unser Denken auf physikalischen Prozessen basiert, nicht bedeutet, dass diese Prozesse damit automatisch unserem Denken zugänglich werden; die Funktionsweise eines Roboters ist dem von diesem produzierten Auto nicht zugänglich.

So meinte ich das nicht. Es geht mir nicht darum, dass das Gehirn auf Grundlage physikalischer Prozesse funktioniert, sondern dass seine Evolution in eben dieser zu durchschauenden physikalischen Umgebung stattgefunden hat.
Natürlich hast Du damit Recht, dass für uns nicht jeder Energiebereich etc. relevant ist bzw. zumindest nicht eine gleich grosse Relevanz besitzt, und das deshalb nicht unbedingt dazu geführt haben muss, dass unsere Gehirne dazu in der Lage sind, die Natur vollständig zu begreifen. Allerdings will ich das nicht vollkommen ausschliessen; schliesslich kennen wir heute weder die Natur noch die Prinzipien hinter unserem Denken in ausreichend gutem Mass, um so etwas abschliessend beurteilen zu können.

TomS hat Folgendes geschrieben:
Bzgl. der Funktionsweise unseres Denkens ist das recht einfach: aufgrund der Selbstbezüglichkeit der Fragestellung liegt diese Vermutung nahe. Ein Algorithmus ist ein Algorithmus, und genau deswegen nicht vollständig algorithmischen zu erfassen (Gödel).

Das sehe ich anders. Unser Denken ist nicht nur Verarbeitung, sondern auch Wissen. Um das Denken zu verstehen, kann man den Wissensteil ganz dramatisch reduzieren, und ich glaube, dass die Verarbeitung nur ein ganz kleiner Teil des ganzen ist.

TomS hat Folgendes geschrieben:
gnt hat Folgendes geschrieben:
TomS hat Folgendes geschrieben:
Um was es Weinberg geht ist, dass eine vorhandene Symmetrie der Raumzeit eine unitäre Darstellung auf dem Zustandsraum hat. Auch das ist zunächst eine rein formale Forderung, die man jedoch aus Gründen der mathematischen Konsistenz benötigt

Das verstehe ich glaube ich nicht. Mit Symmetrie meinst Du wahrscheinlich die Sicht zweier Bezugssysteme aufeinander. Aber mit "unitäre Darstellung"? - Eine Transformation zwischen zwei Zuständen?

Betrachten wir als einfachstes Beispiel die Translation T von x um a; diese Symmetrie des Raumes induziert einen unitären Operator U[T], der auf die Wellenfunktion wirkt:
...

Danke, dem kann ich folgen.

TomS hat Folgendes geschrieben:
Die Rechnung ist etwas verwickelt, aber sie folgt dem obigen Muster der unitärer Symmetrien: Die Lorentztransformation L wirkt zunächst auf die Raumzeit-4er-Vektoren x; dabei liegt keine Geschwindigkeit von Teilchen vor, lediglich die kinematische Transformation und die Relativgeschwindigkeit von Bezugsystemen. Gleichzeitig existiert eine unitäre Transformation U[L] die auf die Wellenfunktion wirkt. Die obige Entsprechung führt dann dazu, dass die Lorentztransformation L auf das Argument x der Wellenfunktion übertragen werden kann.





Dadurch wird die Wellenfunktion (in Bewegungsrichtung) kontrahiert.

Das funktioniert - wenn auch deutlich komplizierter - auch in der Quantenfeldtheorie.

Hmm, OK. Das erklärt, wie man z.B. eine ebene Welle ins Laborsystem transformiert. Aber erklärt das auch, wie zwei Wellen relativistisch aufeinander wirken, bevor man das Ergebnis daraus ins Laborsystem transformiert? - Der Hilbertraum müsste doch, wenn ich Deine Formeln richtig interpretiere, soz. nur Wellenfunktions"rohlinge", also nicht lorentztransformierte Zustände beinhalten.
TomS
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Beitrag TomS Verfasst am: 10. März 2017 14:18    Titel: Antworten mit Zitat

gnt hat Folgendes geschrieben:
Das erklärt, wie man z.B. eine ebene Welle ins Laborsystem transformiert. Aber erklärt das auch, wie zwei Wellen relativistisch aufeinander wirken, bevor man das Ergebnis daraus ins Laborsystem transformiert?

Was meinst du mit "aufeinander wirken"? Meinst du eine Wechselwirkung?

Dazu werden weitere mathematsiche Objekte benötigt, und für die funktioniert das auch. Aber soweit sind wir noch nicht.

gnt hat Folgendes geschrieben:
Der Hilbertraum müsste doch, wenn ich Deine Formeln richtig interpretiere, soz. nur Wellenfunktions"rohlinge", also nicht lorentztransformierte Zustände beinhalten.

Der Hilbertraum enthält beliebige, quadratintegrable Wellenfunktionen. Mit jeder Wellenfunktion u(x) sind alle Wellenfunktionen, die durch die o.g. Lorenzttransformationen aus u(x) hervorgehen, ebenfalls Elemente des Hilbertraumes. Mathematisch ist eine unitäre Tranformation U[L] ein Automorphismus, speziell eine bijektive Abbildung des Hilbertraumes auf sich selbst.

Ein physikalischer Zustand u steht zum einen für eine ganz bestimmte Wellenfunktion u(x), z.B. für ein Proton mitz einem ganz bestimmten Impuls. Zum anderen kann man aber bestimmte Wellenfunktionen bzw. Zustände als physikalisch äquivalent ~ betrachten, weil sie durch Symmetrietransformationen verbunden sind. Ein [Proton] entspräche dann der Äquivalenzklasse [u] aller Wellenfunktionen, die irgendwie geartete = bewegte Protonen mit irgendwelchen Impulsen beinhalten.

Zwei Systeme mit einem ruhenden bzw. einem bewegten Proton wären in diesem Sinne äquivalent. Ein Deuteron, das zusätzlich noch ein Neutron enthält, wäre dagegen nicht äquivalent, da keine Lorentztransformation existiert die aus einem Proton ein Deuteron macht.

Eine Symmetriegruppe wie die Lorenzgruppe "zerlegt" den Hilbertraum also in disjunkte Äquivalenzklassen. Die erste wäre das Vakuum, die zweite enthält alle Zustände mit einem Proton, die dritte alle mit zwei Protonen, ... (ich bin mir nicht mal sicher, wie man beweist, dass es abzählbar viele sind).

Der Hilbertraum einer bestimmten Theorie enthält tatsächlich in diesem Sinne Alles (was in einer bestimmten Theorie mathematisch zu beschreiben ist; der Hilbertraum der QCD enthält z.B. kein Neutrino).

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gnt
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Beitrag gnt Verfasst am: 10. März 2017 14:41    Titel: Antworten mit Zitat

TomS hat Folgendes geschrieben:
gnt hat Folgendes geschrieben:
Das erklärt, wie man z.B. eine ebene Welle ins Laborsystem transformiert. Aber erklärt das auch, wie zwei Wellen relativistisch aufeinander wirken, bevor man das Ergebnis daraus ins Laborsystem transformiert?

Was meinst du mit "aufeinander wirken"? Meinst du eine Wechselwirkung?

Ja, eine Wechselwirkung.

TomS hat Folgendes geschrieben:
Dazu werden weitere mathematsiche Objekte benötigt, und für die funktioniert das auch. Aber soweit sind wir noch nicht.

OK.

TomS hat Folgendes geschrieben:
gnt hat Folgendes geschrieben:
Der Hilbertraum müsste doch, wenn ich Deine Formeln richtig interpretiere, soz. nur Wellenfunktions"rohlinge", also nicht lorentztransformierte Zustände beinhalten.

Der Hilbertraum enthält beliebige, quadratintegrable Wellenfunktionen. Mit jeder Wellenfunktion u(x) sind alle Wellenfunktionen, die durch die o.g. Lorenzttransformationen aus u(x) hervorgehen, ebenfalls Elemente des Hilbertraumes. Mathematisch ist eine unitäre Tranformation U[L] ein Automorphismus, speziell eine bijektive Abbildung des Hilbertraumes auf sich selbst.

Jetzt hat es bei mir Klick gemacht.
Dann offenbart die Lorentztransformation nur, welche Funktionen bei welcher Relativgeschwindigkeit relevant sind. Aus dieser Perspektive wäre es am sinnvollsten, gleich mit einem Satz Operatoren für alle Symmetrien, die Lorentztransformation und die Welleneigenschaft zu beginnen. - Das macht dann wohl Weinberg, nur woher weiss man, wann dieser Satz vollständig ist?
TomS
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Beitrag TomS Verfasst am: 11. März 2017 01:14    Titel: Antworten mit Zitat

gnt hat Folgendes geschrieben:
Aus dieser Perspektive wäre es am sinnvollsten, gleich mit einem Satz Operatoren für alle Symmetrien, die Lorentztransformation und die Welleneigenschaft zu beginnen. - Das macht dann wohl Weinberg, nur woher weiss man, wann dieser Satz vollständig ist?

Ich bin mir nicht sicher, ob du das präzise verstanden hast; dein Sprachgebrauch ist etwas irritierend.

Zu deiner Frage: das weiß man prinzipiell nie, zumindest nicht im Falle komplizierterer Systeme.

Einfaches Beispiel: Schau dir die Symmetrie des 2-dim. harmonischen Oszillators an; es liegt offensichtlich Rotationssymmetrie in einer Ebene vor. Wieviele unabhängige Rotationswinkel für diese Symmetrie siehst du? Einen um genau eine Achse? Es sind drei.

Zweites Beispiel: Schau dir die Symmetrie des 3-dim. harmonischen Oszillators an; es liegt offensichtlich Rotationssymmetrie im 3-dim. Raum vor. Wieviele unabhängige Rotationswinkel für diese Symmetrie siehst du? Drei, also die Eulerwinkel? Es sind 8.

Dritte Beispiel: Das 1/r-Potential: wieder liegt Rotationssymmetrie im 3-dim. Raum vor. Wieviele unabhängige "Rotationswinkel" für diese Symmetrie siehst du? Drei, also die Eulerwinkel? Jetzt sind es 3+3 = 6.

https://de.wikipedia.org/wiki/Laplace-Runge-Lenz-Vektor

Fakt ist, dass hier (zunächst verborgene) recht abstrakte Symmetrien in höherdimensionalen Räumen vorliegen. Es gibt kein abgeschlossenes oder algorithmisches Verfahren, um diese sicher vollständig zu identifizieren.

Noch schlimmer: praktisch alle relevanten Systeme der Quantenfeldtheorie haben unendlich viele unabhängige Symmetrietransformationen. Eine Eichtheorie zeichnet sich dadurch aus, dass jede (ordentlich definierte) Funktion f(x) eine solche Symmetrietransformation definiert. Es existieren jedoch unendlich viele zulässige Funktionen.

Während im Rahmen der Quantenfeldtheorie diese unendlich vielen unabhängigen Symmetrietransformationen auf einen endlichen Satz von sogenannten Generatoren zurückgeführt werden kann (letztlich denen des harmonischen Oszillators, für die QCD mit der SU(3) sind es 3²-1 = 8), findet man im Rahmen der der Supergravitations- oder der Stringtheorie Symmetrietransformationen, die auf unendlich vielen Generatoren basieren. Deren algebraische Struktur ist noch weitgehend unverstanden.

Noch ein anderer Aspekt:

In der Quantenmechanik (und der Quantenfeldtheorie) benötigt man einen sogenannten Satz kommutierender Observablen, um einen Zustand vollständig zu beschreiben. Wenn eine der o.g. Symmetrien vorliegt, kann man daraus sogenannte Casimir-Operatoren sowie gleichzeitig diagonalisierbare Generatoren bestimmen, die auf diesen Satz führen. Für das Wasserstoffatom, hat Pauli dies mittels der o.g. 3+3 = 6 erledigt (bereits vor der Lösung von Schrödinger); der Satz kommutierender Observablen führt auf die drei Quantenzahlen n,l,m. Diese Vorgehensweise ist bis auf den Fall für SUGRA und Strings vollständig verstanden. Allerdings gibt es (komplexe) Systeme mit kommutierenden Observablen, die nicht aus einer derartigen Symmetrie folgen, sondern quasi unsymmetrisch und irgendwie zufällig sind. Das wäre so, wie wenn du beim Wasserstoffatom nicht wüsstest, woher l und m stammen und welche Werte sie annehmen können.

https://en.wikipedia.org/wiki/Laplace%E2%80%93Runge%E2%80%93Lenz_vector#Quantum_mechanics_of_the_hydrogen_atom

EDIT: im Falle der ART muss man sog. Dirac-Observablen bzgl. der Diffeomorphismeninvarianz konstruieren; m.W.n. ist das ebenfalls nicht vollständig verstanden. Das bedeutet letztlich, dass keine Methode bekannt ist, Quantenzustände des Gravitationsfeldes bzgl. derartiger Observablen zu klassifizieren.

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Beitrag gnt Verfasst am: 11. März 2017 12:06    Titel: Antworten mit Zitat

TomS hat Folgendes geschrieben:
gnt hat Folgendes geschrieben:
Aus dieser Perspektive wäre es am sinnvollsten, gleich mit einem Satz Operatoren für alle Symmetrien, die Lorentztransformation und die Welleneigenschaft zu beginnen. - Das macht dann wohl Weinberg, nur woher weiss man, wann dieser Satz vollständig ist?

Ich bin mir nicht sicher, ob du das präzise verstanden hast; dein Sprachgebrauch ist etwas irritierend.

Möglicherweise hat mich mein spontaner Eindruck getäuscht.
Wenn das nicht bzw. nicht exakt der Ansatzpunkt ist, was dann? - Weinberg schreibt ja sinngemäss, dass QFT so sind wie sie sind, weil eine Vereinigung von SRT und QM auf keine andere Weise möglich sei. Er konstruiert eine Transformation T(Lambda, a), und damit U(Lambda, a). Das ist ja im Prinzip das gleiche, was Du oben mit der Translation gezeigt hast, nur dass er die Lorentztransformation verwendet. Daraus konstruiert er dann die "One-Particle States", wo ich eigentlich sofort den Faden verliere.

TomS hat Folgendes geschrieben:
Zu deiner Frage: das weiß man prinzipiell nie, zumindest nicht im Falle komplizierterer Systeme.

...

Fakt ist, dass hier (zunächst verborgene) recht abstrakte Symmetrien in höherdimensionalen Räumen vorliegen. Es gibt kein abgeschlossenes oder algorithmisches Verfahren, um diese sicher vollständig zu identifizieren.

Bei Deinen Beispielen hätte ich jetzt noch Symmetrien wegen der komplexwertigen Wellenfunktion und der Spiegelung vermutet. Das wären aber keine "recht abstrakte" Symmetrien.

TomS hat Folgendes geschrieben:
In der Quantenmechanik (und der Quantenfeldtheorie) benötigt man einen sogenannten Satz kommutierender Observablen, um einen Zustand vollständig zu beschreiben. Wenn eine der o.g. Symmetrien vorliegt, kann man daraus sogenannte Casimir-Operatoren sowie gleichzeitig diagonalisierbare Generatoren bestimmen, die auf diesen Satz führen.

Das war die Richtung, in die ich dachte.

TomS hat Folgendes geschrieben:
Allerdings gibt es (komplexe) Systeme mit kommutierenden Observablen, die nicht aus einer derartigen Symmetrie folgen, sondern quasi unsymmetrisch und irgendwie zufällig sind. Das wäre so, wie wenn du beim Wasserstoffatom nicht wüsstest, woher l und m stammen und welche Werte sie annehmen können.

Demnach habe ich doch irgendwie in die falsche Richtung gedacht.
TomS
Moderator


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Beiträge: 17898

Beitrag TomS Verfasst am: 11. März 2017 13:03    Titel: Antworten mit Zitat

gnt hat Folgendes geschrieben:
TomS hat Folgendes geschrieben:
Zu deiner Frage: das weiß man prinzipiell nie, zumindest nicht im Falle komplizierterer Systeme.

...

Fakt ist, dass hier (zunächst verborgene) recht abstrakte Symmetrien in höherdimensionalen Räumen vorliegen. Es gibt kein abgeschlossenes oder algorithmisches Verfahren, um diese sicher vollständig zu identifizieren.

Bei Deinen Beispielen hätte ich jetzt noch Symmetrien wegen der komplexwertigen Wellenfunktion und der Spiegelung vermutet. Das wären aber keine "recht abstrakte" Symmetrien.

Es geht erst mal nur um den Ortsraum, d.h. ich betrachte noch keine Wellenfunktion. Und ich betrachte nur kontinuierliche Symmetrien, d.h. keine Spiegelung.

Schau dir die Probleme an, zähle die unabhängig möglichen Rotationen, und stelle fest, dass die von mir angegebene Zahlen 3, 8, 6 die zunächst offensichtlichen Zahlen 1, 3, 3 übersteigen. Das deutet an, dass das Finden von Symmetrien schwieriger ist als gedacht.

gnt hat Folgendes geschrieben:
TomS hat Folgendes geschrieben:
In der Quantenmechanik (und der Quantenfeldtheorie) benötigt man einen sogenannten Satz kommutierender Observablen, um einen Zustand vollständig zu beschreiben. Wenn eine der o.g. Symmetrien vorliegt, kann man daraus sogenannte Casimir-Operatoren sowie gleichzeitig diagonalisierbare Generatoren bestimmen, die auf diesen Satz führen.

Das war die Richtung, in die ich dachte.

Der Knackpunkt ist wieder, die vollständige Liegruppe zu kennen um daraus die Casimir-Operatoren sowie die gleichzeitig diagonalisierbaren Generatoren abzuleiten.

Im Falle des 3-dim. harmonischen Oszillators erwartet man SO(3), d.h. Rang eins, also ein Casimir-Operator, drei Generatoren, davon einer diagonalisierbar. Es liegt jedoch eine SU(3) vor, also Rang zwei, zwei Casimir-Operator, acht Generatoren, davon zwei gleichzeitig diagonalisierbar.

gnt hat Folgendes geschrieben:
TomS hat Folgendes geschrieben:
Allerdings gibt es (komplexe) Systeme mit kommutierenden Observablen, die nicht aus einer derartigen Symmetrie folgen, sondern quasi unsymmetrisch und irgendwie zufällig sind. Das wäre so, wie wenn du beim Wasserstoffatom nicht wüsstest, woher l und m stammen und welche Werte sie annehmen können.

Demnach habe ich doch irgendwie in die falsche Richtung gedacht.

In welche?

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gnt
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Beitrag gnt Verfasst am: 11. März 2017 14:06    Titel: Antworten mit Zitat

TomS hat Folgendes geschrieben:
Schau dir die Probleme an, zähle die unabhängig möglichen Rotationen, und stelle fest, dass die von mir angegebene Zahlen 3, 8, 6 die zunächst offensichtlichen Zahlen 1, 3, 3 übersteigen. Das deutet an, dass das Finden von Symmetrien schwieriger ist als gedacht.

Ja, die Zahlen, die Du als offensichtlich bezeichnest, hätte ich, wenn es nur um Rotationssymmetrie und nur den Raum geht, auch gezählt. Die von Dir als tatsächlich angegebenen erscheinen dagegen völlig willkürlich. Gerade der Unterschied zwischen dreidimensionalem harmonischen Oszillator und 1/r-Potential ist verblüffend.
Ich kann mir jetzt auch gar nichts darunter vorstellen, weil eine Rotationssymmetrie immer eine Achse benötigt, und beispielsweise im ersten Fall stellt sich mir natürlich gleich die Frage: Wie sollte seine solche Achse orientiert sein, wenn nicht senkrecht zur Ebene? Und dann wären alle drei Achsen gleich... - Bei den anderen beiden Beispielen natürlich analog.

TomS hat Folgendes geschrieben:
gnt hat Folgendes geschrieben:
TomS hat Folgendes geschrieben:
In der Quantenmechanik (und der Quantenfeldtheorie) benötigt man einen sogenannten Satz kommutierender Observablen, um einen Zustand vollständig zu beschreiben. Wenn eine der o.g. Symmetrien vorliegt, kann man daraus sogenannte Casimir-Operatoren sowie gleichzeitig diagonalisierbare Generatoren bestimmen, die auf diesen Satz führen.

Das war die Richtung, in die ich dachte.

Der Knackpunkt ist wieder, die vollständige Liegruppe zu kennen um daraus die Casimir-Operatoren sowie die gleichzeitig diagonalisierbaren Generatoren abzuleiten.

Im Falle des 3-dim. harmonischen Oszillators erwartet man SO(3), d.h. Rang eins, also ein Casimir-Operator, drei Generatoren, davon einer diagonalisierbar. Es liegt jedoch eine SU(3) vor, also Rang zwei, zwei Casimir-Operator, acht Generatoren, davon zwei gleichzeitig diagonalisierbar.

gnt hat Folgendes geschrieben:
TomS hat Folgendes geschrieben:
Allerdings gibt es (komplexe) Systeme mit kommutierenden Observablen, die nicht aus einer derartigen Symmetrie folgen, sondern quasi unsymmetrisch und irgendwie zufällig sind. Das wäre so, wie wenn du beim Wasserstoffatom nicht wüsstest, woher l und m stammen und welche Werte sie annehmen können.

Demnach habe ich doch irgendwie in die falsche Richtung gedacht.

In welche?

Vom Prinzip her in die, wie Du das oben geschrieben hast, also, ohne dass ich die Mathematik verstehen würde.
Ich dachte, man hat erst einmal den Hamiltonoperator, und normalerweise nimmt man dazu noch in der nicht-relativistischen QM weitere Operatoren, mit denen man einen vollständigen Satz kommutierender Observabler bildet. Dann dachte ich, man könnte P, L oder für was man sich entscheidet weg lassen, und nur H verwenden. D.h. man hätte dadurch die möglichen Lösungen für die Wellenfunktion noch nicht ausreichend eingeschränkt; vor allem enthält dieser Zustandsraum noch alle ineinander lorentztransformierbaren Wellenfunktionen, die jedoch H erfüllen, also nimmt man die Lortenzttransformation mit zu H, und dann auch noch z.B. die Rotationssymmetrien, und macht aus diesen und der Lorentztransformation Operatoren.
Das Ergebnis sollte ein Zustandsraum sein, der nicht auf bestimmte Relativgeschwindigkeiten beschränkt ist, sondern alle Relativgeschwindigkeiten aller denkbaren Wellenfunktionen im Rahmen von H und was man sonst noch durch Symmetrien festgelegt hat, enthält.
Weiter ging meine Vermutung einfach dahin, dass man einen Zustand als Parameter definiert, und der Zustandsvektor sollte dann unter Zeitentwicklung in diesem Zustandsraum je nach Beschleunigung zwischen den verschieden "schnellen"/lorentztransformierten Zuständen wechseln.
TomS
Moderator


Anmeldungsdatum: 20.03.2009
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Beitrag TomS Verfasst am: 11. März 2017 14:30    Titel: Antworten mit Zitat

Was du zur Idee des Auffindens der Symmetrien schreibst ist alles richtig!

Ich hatte dich aber auch bewusst in die Falle gelockt. Die beiden Fälle für r^2 und 1/r sind Spezialfälle. 1/r funktioniert nur für den 3-dim. Raum, r^2 für N-dim. Räume.

Zu letzterem: man betrachtet nicht den 3-dim. reellen Ortsraum, sondern den 3-dim. komplexen Phasenraum mit Vektoren z = x+ip; x steht für die Ortskoordinaten mit n = 1,2,...,N; p steht analog für die Impulskoordinaten. Damit liegt keine reelle Rotation der SO(N), sondern eine komplexe Rotation der SU(N) vor. Der Hamiltonoperator des N-dim. harmonischen Oszillators ist gerade das Betragsquadrat in diesem N-dim. Raum. Damit sind Drehungen dieses Raumes Symmetrien des Hamiltonoperators. Drehungen des Vektors z mischen i.A. x und p. Spezielle Drehungen der SU(N) tun dies nicht; dies entspricht dann Drehungen der SO(N) von x und p separat.

Statt eines Drehimulsoperators L^2 erhält man N-1 derartige Operatoren. Dies sind die Casimir-Operatoren. Der erste entspricht genau dem L^2; der zweite ist kubisch. Deren Eigenwerte klassifizieren dann die Darstellungen, so wie l = 0,1,2,... für den Drehimpuls L^2.

Für jede Darstellung findet man weitere Quantenzahlen entsprechend der N-1 diagonale Generatoren mit Eigenwerten, so wie m = -l, ..., +l beim Drehimpuls. Ein Zustand der SU(N) ist dann soetwas wie



wobei die Indizes bei l und m nicht andeuten, dass genau ein m zu genau einem l gehört.

Sowas klappt für alle endlich-dimensionalen Lie-Algebren. Für unendlich-dimensionale Kac-Moody-Algebren wird's komplizierter ...
gnt
Gast





Beitrag gnt Verfasst am: 11. März 2017 16:05    Titel: Antworten mit Zitat

TomS hat Folgendes geschrieben:
Zu letzterem: man betrachtet nicht den 3-dim. reellen Ortsraum, sondern den 3-dim. komplexen Phasenraum mit Vektoren z = x+ip; x steht für die Ortskoordinaten mit n = 1,2,...,N; p steht analog für die Impulskoordinaten. Damit liegt keine reelle Rotation der SO(N), sondern eine komplexe Rotation der SU(N) vor. Der Hamiltonoperator des N-dim. harmonischen Oszillators ist gerade das Betragsquadrat in diesem N-dim. Raum. Damit sind Drehungen dieses Raumes Symmetrien des Hamiltonoperators. Drehungen des Vektors z mischen i.A. x und p. Spezielle Drehungen der SU(N) tun dies nicht; dies entspricht dann Drehungen der SO(N) von x und p separat.

Muss man solche Drehungen, bei denen x und p ineinander übergehen, nicht genau genommen als rein mathematisches Phänomen bezeichnen? - Wenn ich das richtig sehe, existiert diese Symmetrie nur, weil man es in der QM mit Wellen zu tun hat, und man diese durch Phasenverschiebung und Veränderung der Krümmung passend machen kann.

TomS hat Folgendes geschrieben:
Statt eines Drehimulsoperators L^2 erhält man N-1 derartige Operatoren. Dies sind die Casimir-Operatoren. Der erste entspricht genau dem L^2; der zweite ist kubisch. Deren Eigenwerte klassifizieren dann die Darstellungen, so wie l = 0,1,2,... für den Drehimpuls L^2.

OK.
Es lässt sich also nicht so einfach herausfinden, welche Grössen ineinander transformiert werden dürfen, und damit auch nicht, welche Operatoren man braucht, um über den Weg der Symmetrien hin zu einem vollständigen Satz kommutierender Observablen zu kommen.
TomS
Moderator


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Beitrag TomS Verfasst am: 11. März 2017 16:14    Titel: Antworten mit Zitat

Bei all diesen Symmetrien geht es nie darum, dass diese tatsächlich etwas rotieren oder boosten. Es geht immer nur darum, wie ein Objekt sich ändert, wenn es einer Transformation unterworfen würde. Insofern sind derartige Drehungen der SU(N) nicht abstrakter als solche der SO(N).

Mit der Quantenmechanik, Wellenfunktionen u.ä. hat das zunächst nichts zu tun. Die Überlegung ist bereits rein klassisch im Phasenraum und mittels kanonischer Transformationen möglich.
gnt
Gast





Beitrag gnt Verfasst am: 11. März 2017 16:28    Titel: Antworten mit Zitat

Vielen Dank!
Dann bin ich wieder ein Stückchen weiter.

Wenn der Weg über die Symmetrien nicht so einfach ist, was macht man dann mit U(Lambda, a)? Setzt man ihn einfach in den Eigenwertgleichungen vor jede Observable?
TomS
Moderator


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Beiträge: 17898

Beitrag TomS Verfasst am: 11. März 2017 16:43    Titel: Antworten mit Zitat

Der Weg über die Symmetrien ist einfach, wenn diese bekannt sind und wenn es sich um bekannte Liegruppen handelt.

Was meinst du mit U(Lambda, a), unsns was meinst du in diesem Zusammenhang mit Eigenwertgleichungen?
gnt
Gast





Beitrag gnt Verfasst am: 11. März 2017 16:53    Titel: Antworten mit Zitat

TomS hat Folgendes geschrieben:
Was meinst du mit U(Lambda, a), ...

Weinberg schreibt den Operator für die Lorentztransformation , also U für die Unitarität des Operators, Lambda für die 4x4-Matrix und a für die Translation.

TomS hat Folgendes geschrieben:
...was meinst du in diesem Zusammenhang mit Eigenwertgleichungen?

Die Eigenwertgleichungen zur Lösung eines Problems, also in dieser Art erweitert, um Messwerte im Laborsystem zu erhalten:
U(L,a) H |psi> = E |psi>
U(L,a) J² |psi> = j² + j |psi>
...
Es ging ja Anfangs darum, wie Messungen und Zustände die Lorentztransformation berücksichtigen.
TomS
Moderator


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Beitrag TomS Verfasst am: 11. März 2017 17:04    Titel: Antworten mit Zitat

Dann meint Weinberg mit U eine Transformation der Poincaregruppe, denn Translationen gehören nicht zur Lorentzgruppe.

Zu den Zuständen. Wenn z.B. ein Drehimpuls-Eigenzustand gegeben ist





dann wirkt eine Rotation als



Dieser neue Zustand ist wiederum ein Drehimpuls-Eigenzustand, allerdings zu einem anderen Drehimpulsoperator. Dazu berechnet man



Also



d.h. mit identischem m jedoch rotiertem

gnt
Gast





Beitrag gnt Verfasst am: 11. März 2017 17:47    Titel: Antworten mit Zitat

TomS hat Folgendes geschrieben:
Dann meint Weinberg mit U eine Transformation der Poincaregruppe, denn Translationen gehören nicht zur Lorentzgruppe.

Ja, Du hast Recht. Er schreibt an einer Stelle: "The whole group of transformations T(Lambda, a) is properly known as the inhomogeneous Lorentz group, or Poincare group." Das hatte ich überlesen.

TomS hat Folgendes geschrieben:
Zu den Zuständen. Wenn z.B. ein Drehimpuls-Eigenzustand gegeben ist...

Dem kann ich folgen. Demnach ist das für die Lorentztransformation ebenso zu machen, und für einzelne Teilchen ausreichend, um relativistisch korrekt ins Laborsystem zu transformieren.

Wenn man aber n Teilchen hat, die miteinander wechselwirken... Die Dirac-Gleichung und die (ich weiss nicht, wie man dazu korrekterweise sagt) "quantisierten Maxwellgleichungen" enthalten ja nur die relativistische Energie-Impuls-Beziehung, sind aber ansonsten lokal definiert. Ich kann darin nichts zur Lorentzkontraktion oder Zeitdilatation finden. Für eine korrekte Wechselwirkung müsste U doch auch darin stecken; vermutlich sogar für jeden Punkt. Wie muss ich mir das vorstellen?
TomS
Moderator


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Beitrag TomS Verfasst am: 11. März 2017 20:55    Titel: Antworten mit Zitat

In der QFT beschreiben diese Gleichungen (Dirac, Maxwell, ...) auch nicht die Lösungen. Aus ihrer Lagrangedichte folgt der Hamiltonoperator, dessen Eigenzustände man konstruiert. Und Eigenzustände zu Energie und Impuls (oder Energie und Drehimpuls) mit unterschiedlichen Impulsen (Drehimpulsen) sind mittels Lorentztransformationen verbunden. Erst wenn man diese Zustände ineinander überführt, kommt wieder der o.g. Operator U ins Spiel, und zwar im Wesentlichen so wir oben.

Man kann die Eigenzustände zu fester Energie und unterschiedlichen Impulsen auf zweierlei Weise finden
i) direkte Konstruktion aller Lösung der Gleichungen
ii) direkte Konstruktion einer Lösung und Anwendung von Lorentztransformationen U für die anderen Lösungen

U steckt nie schon in diesen Gleichungen drin; die Anwendung erfolgt wie oben sozusagen zusätzlich.

Und U hat nichts mit Wechselwirkungen zu tun. Die "n Teilchen" stecken in den Zuständen, und die Wechselwirkungen in Operatoren wie



(hier am Beispiel der Dirac-Gleichung mit Elektron-Photon-Wechselwirkung)

_________________
Niels Bohr brainwashed a whole generation of theorists into thinking that the job (interpreting quantum theory) was done 50 years ago.
gnt
Gast





Beitrag gnt Verfasst am: 11. März 2017 23:03    Titel: Antworten mit Zitat

Gut, so weit habe ich das wohl verstanden, Danke!
Dennoch bleibt mir eine Verständnislücke. Ich versuche es mit einem Beispiel zu erklären: Nehmen wir an, wir hätten einen Teilchenbeschleuniger A. Dieser kann in einem Experiment den pancake-Effekt der Lorentzkontraktion messen. Der experimentierende Physiker kann die Längenkontraktion mit obigen Formeln berechnen.
Wenn wir jetzt aber das ganze Labor mit dem Teilchenbeschleuniger A in einen riesigen Teilchenbeschleuniger B packen, und das ganze System A darin beschleunigen, dann ist mir unklar, wie der pancake-Effekt im Teilchenbeschleuniger A weiterhin von dem Physiker im System A gemessen werden kann - man beschreibt doch dann das ganze System B+A mit nicht-lorentztransformierten Wellenfunktionen, und wendet erst im System B die Lorentztransformation an. Dann wird, so wie ich das jetzt sehe, nur System B zu einem pancake.
Bestimmt sehe ich das nur falsch, aber ich weiss nicht was und wie.
Es geht mir eben darum, dass jedes System die relativistischen Effekte "spüren" muss, und nicht nur wir, wenn wir einen Messwert ermitteln.
TomS
Moderator


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Beitrag TomS Verfasst am: 12. März 2017 10:26    Titel: Antworten mit Zitat

Du hast zwei Systeme, nämlich das Laborsystem und das Ruhesystem des Protons = das mitbewegte System.

Im Laborsystem hast du den Protonzustand



im mitbewegte System



Der Pancake-Effekt stammt sozusagen aus dem Lorentzboost vom Laborsystem ins mitbewegte System.



Soweit klar?
gnt
Gast





Beitrag gnt Verfasst am: 12. März 2017 10:49    Titel: Antworten mit Zitat

TomS hat Folgendes geschrieben:
Soweit klar?

Ja!
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