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Many-Worlds-Interpretation
 
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MM.MM
Gast





Beitrag MM.MM Verfasst am: 06. Nov 2016 08:39    Titel: Many-Worlds-Interpretation Antworten mit Zitat

Meine Frage:
Ich beschäftige mich derzeit populärwissenschaftlich mit der Many-Worlds-Interpretation. Und es gibt da einige Unklarheiten, bei denen ich gerne Hilfe hätte.
Ich gliedere meine Frage am besten auf.

1. Wo befinden sich die verschiedenen Welten der Many-Worlds-Interpretation? In unsrem Raum oder im Hilbertraum und warum?

2. Verzweigt sich das Universum ständig oder sind schon alle Zweige vorhanden?

3. Glaubst du persönlich an die Many-Worlds-Interpretation?

4. Was ist der Grund der Verzweigung? Kann schon eine Tasse Kaffee dies auslösen?

5. Sollte man von Universen oder lieber Zweigen reden? Warum ist es sinnvoller?

6. Falls sich diese Welten irgendwo befinden, können wir zu ihnen gelangen?

7. Und ist es richtig, dass eigentlich keine Verzweigung stattfindet, sondern nur die Wellenfunktion des ganzen Universums erhalten bleibt. Warum dann Zweige?

Meine Ideen:
Mit ist die erste und die letzte Frage sehr wichtig. :-)
TomS
Moderator


Anmeldungsdatum: 20.03.2009
Beiträge: 18051

Beitrag TomS Verfasst am: 06. Nov 2016 10:02    Titel: Antworten mit Zitat

Zu 1. Die "Zweige" oder "Welten" befinden sich im Hilbertraum, da es sich bei "Zweigen" lediglich um die Interpretation der verschiedenen Komponenten eines Zustandsvektors in bestimmten Situationen handelt.

Zu 2. Die Verzweigung ist gewissermaßen mikroskopisch schon vorbereitet. Wenn man z.B. einen beliebigen Spinzustand bzgl. der Basis zerlegt, bzgl. der später die Messung stattfindet, dann entspricht diese Zerlegung bereits einer "mikroskopischen Verzweigung", die im Zuge der Messung makroskopisch sichtbar wird.

Zu 3. Die Everettsche Interpretation moderner Prägung unter Einbeziehung der Dekohärenz erscheint mir - wenn ich eine Interpretation für den nackten Formalismus suche - die natürlichste und die sparsamste zu sein, da sie die Messung zusammen mit der Dekohärenz vollständig quantenmechanisch erklärt, ohne zusätzliche unnatürliche Postulate wie den Kollaps einführen zu müssen. Und die Verzweigung selbst ist kein Postulat, sondern lediglich eine bekannte Konsequenz, die Everettsche er al. akzeptieren.

Bevor du diese Frage stellst, musst du jedoch klarstellen, welche Bedeutung du dem Formalismus der Quantenmechanik zuschreibst. Betrachtest du ihn als teilweise ontologisch, d.h. als gewissermaßen strukturell treues Abbild dessen, was in der Realität tatsächlich passiert? Oder siehst du in ihm instrumentalistisch lediglich ein Werkzeug, um Messergebnisse zu berechnen, ohne jedoch in irgendeiner Form die Realität zu beschreiben?

Zu 4. Die Verzweigung findet immer dann statt, wenn ein Quantensystem mit einem makroskopischen System wechselwirkt. Ja, auch bei einer Tasse Kaffee. Das ist jedoch bzgl. des Formalismus verstanden (Dekohärenz) und bzgl. der Interpretation unkritisch. Kritisiert wird die Interpretation erst, wenn du selbst als Beobachter mit einbezogen wirst.

Zu 5. Ich bevorzuge "Zweige". Der Begriff "Welten" stammt nicht von Everett sondern wurde später geprägt. Ich halte das für aufgeblasen und der Diskussion abträglich, da metaphysisch überfrachtet. Wenn man die Everettsche Interpretation auf das Universum als Ganzes anwendet, dann erhält man ebenfalls eine "Verzweigung" desselben; oder besser gesagt: das weiterhin eine und unteilbare Universum bildet eine Zweigstruktur aus.

Zu 6. Wir befinden uns in ihnen.

Zu 7. Ja, das geht in die richtige Richtung. Siehe auch 2. Es handelt sich lediglich darum, eine bestimmte ohnehin vorhandenen Struktur des Zustandsvektors und dessen Zeitentwicklung zu interpretieren.

Am wichtigsten ist zunächst die von mir nach 3 gestellte Frage.
MM.MM
Gast





Beitrag MM.MM Verfasst am: 06. Nov 2016 11:27    Titel: Antworten mit Zitat

Zu deiner Frage. Ich würde die Ergebnisse als ontologisch interpretieren. Das bedeutet, dass sie tatsächlich realisiert sind. Ich weiß, dass einige dies anders sehen.

Aber noch eine andere wichtige Frage: die Wellenfunktion ist die Beschreibung der Aufenthaltswahrscheinlichkeit eines Teilchens. Die Wellenfunktion lebt im Hilbertraum und darin bewegt sie sich auch. Dabei ist der Hilbertraum ein vieldimensionaler Raum, der nicht unserem Raum entspricht. Ich glaube, dass man die Wellenfunktion als Punkt im Hilbertraum betrachtet, der sich deterministisch in diesem Hilbertraum bewegt. Stimmt das? Und wenn die Wellenfunktion des Universums niemals kollabiert und immer bestehen bleibt, warum sprechen wir dann von Zweigen oder verschiedenen Welten? Liegt es daran, dass unsere verschiedenen Bewusstseinszustände mit denen jeder jeweiligen Quantensystem verbunden sind in dem wir es messen und deshalb nur Zweige sinnvoll sind? Wenn aber die Wellenfunktion bestehen bleibt, dann befindet sich alles in Superpositionen.
TomS
Moderator


Anmeldungsdatum: 20.03.2009
Beiträge: 18051

Beitrag TomS Verfasst am: 06. Nov 2016 11:55    Titel: Antworten mit Zitat

MM.MM hat Folgendes geschrieben:
Zu deiner Frage. Ich würde die Ergebnisse als ontologisch interpretieren. Das bedeutet, dass sie tatsächlich realisiert sind. Ich weiß, dass einige dies anders sehen.

Wenn du das so siehst - und damit bist du nicht alleine - dann ist die Everettsche Interpretation die einzige, die momentan am Markt ist. Das macht sie natürlich noch nicht "wahr".

Kollapsinterpretationen sind ausgeschlossen, da die unitäre Dynamik der Schrödungergleichung sowie der nicht-unitäre Kollaps zueinander im Widerspruch stehen und nicht beide ontologisch zutreffend sein können.

MM.MM hat Folgendes geschrieben:
Die Wellenfunktion ist die Beschreibung der Aufenthaltswahrscheinlichkeit eines Teilchens.

Nicht im Rahmen der Everettschen Interpretation. Hier ist zunächst keine Wahrscheinlichkeit im Spiel. Diese würde mittels der Bornschen Regel eingeführt werden, aber dieses Postulat existiert nicht bei Everettsche. Wahrscheinlichkeit wäre sozusagen eine subjektive Eigenschaft innerhalb eines Zweiges.

MM.MM hat Folgendes geschrieben:
Die Wellenfunktion lebt im Hilbertraum und darin bewegt sie sich auch. Dabei ist der Hilbertraum ein vieldimensionaler Raum, der nicht unserem Raum entspricht. Ich glaube, dass man die Wellenfunktion als Punkt im Hilbertraum betrachtet, der sich deterministisch in diesem Hilbertraum bewegt. Stimmt das?

Ja.

MM.MM hat Folgendes geschrieben:
Und wenn die Wellenfunktion des Universums niemals kollabiert und immer bestehen bleibt,

Im Rahmen der Everettschen Interpretation, ja.

MM.MM hat Folgendes geschrieben:
... warum sprechen wir dann von Zweigen?

Weil sich im Zuge der Dekohärenz beweisen lässt, dass tatsächlich eine zweigartige Struktur resultiert (später mehr).

MM.MM hat Folgendes geschrieben:
Liegt es daran, dass unsere verschiedenen Bewusstseinszustände mit denen jeder jeweiligen Quantensystem verbunden sind in dem wir es messen und deshalb nur Zweige sinnvoll sind?

Lass' mal das Bewusstsein weg. Das war die Idee der "Many Mind", aber das führt zu nichts.

MM.MM hat Folgendes geschrieben:
Wenn aber die Wellenfunktion bestehen bleibt, dann befindet sich alles in Superpositionen.

Ja.

Und die Superposition besteht eben aus diesen Zweigen.

_________________
Niels Bohr brainwashed a whole generation of theorists into thinking that the job (interpreting quantum theory) was done 50 years ago.
franz



Anmeldungsdatum: 04.04.2009
Beiträge: 11583

Beitrag franz Verfasst am: 06. Nov 2016 12:18    Titel: Antworten mit Zitat

OT
TomS hat Folgendes geschrieben:
Zu 5. Ich bevorzuge "Zweige".

Abgelehnt! Möchtest Du als SF-Leser was von "Zweigen" lesen, mit Blätterrauschen un so? smile
MM.MM
Gast





Beitrag MM.MM Verfasst am: 06. Nov 2016 12:50    Titel: Antworten mit Zitat

Nochmal zum Hilbertraum und der Wellenfunktion. Die Wellenfunktion gibt doch an, wo sich ein Teilchen befinden kann. Es kann hier aber auch dort sein. Mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit, die durch das Quadrat der Wellenfunktion herausgefunden wird.
Die Wellenfunktion ist etwas ausgebreitetes. Warum aber befindet sich die Wellenfunktion nur im Hilbertraum und warum wird sie dort als Punkt dargestellt. Ein Punkt hat die Dimension Null. Der Hilbertraum selbst hat viele Dimensionen.
Und wenn sich doch die Zweige oder Welten nur im Hilbertraum befinden und wir uns in den zweigen, bedeutet das, dass wir uns auch im Hilbertraum befinden? Ich dachte, der Raum sei ein Minkowski-Raum.
jh8979
Moderator


Anmeldungsdatum: 10.07.2012
Beiträge: 8581

Beitrag jh8979 Verfasst am: 06. Nov 2016 13:59    Titel: Antworten mit Zitat

MM.MM hat Folgendes geschrieben:
Nochmal zum Hilbertraum und der Wellenfunktion. Die Wellenfunktion gibt doch an, wo sich ein Teilchen befinden kann. Es kann hier aber auch dort sein. Mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit, die durch das Quadrat der Wellenfunktion herausgefunden wird.
Die Wellenfunktion ist etwas ausgebreitetes. Warum aber befindet sich die Wellenfunktion nur im Hilbertraum und warum wird sie dort als Punkt dargestellt. Ein Punkt hat die Dimension Null. Der Hilbertraum selbst hat viele Dimensionen.
Und wenn sich doch die Zweige oder Welten nur im Hilbertraum befinden und wir uns in den zweigen, bedeutet das, dass wir uns auch im Hilbertraum befinden? Ich dachte, der Raum sei ein Minkowski-Raum.

Ich glaub ehrlich gesagt, dass die Diskussion so nicht zielfuehrend ist. Du weisst nicht was ein Hilbertraum ist (was nicht schlimm ist, das ja hoehere Mathematik), also vergiss ihn am besten komplett wieder. Das verwirrt Dich sonst nur (offensichtlich).

Es gibt Wellenfunktionen, d.h. jedem Punkt in unserem vierdimensionalem Raum (vergiss am besten auch "Minkowski", wenn Du nicht im Schlaf die Definition aufsagen kannst) wird eine komplexe Zahl zugeordent und das Absolutquadrat der Wellenfunktion sagt etwas ueber die Wahrscheinlichkeiten etwas zu messen aus.

Das ist alles was fuer die Diskussion notwendig ist.
TomS
Moderator


Anmeldungsdatum: 20.03.2009
Beiträge: 18051

Beitrag TomS Verfasst am: 06. Nov 2016 16:32    Titel: Antworten mit Zitat

franz hat Folgendes geschrieben:
OT
TomS hat Folgendes geschrieben:
Zu 5. Ich bevorzuge "Zweige".

Abgelehnt! Möchtest Du als SF-Leser was von "Zweigen" lesen, mit Blätterrauschen un so? :)

Erstens ist branching, also Verzweigung, ein gebräuchlicher Begriff in der Fachliteratur, und zweitens geht es letztlich um eine Veranschaulichung ohne irgendeine metaphysische Überhöhung; und daher sicher besser Zweig als Welt.
TomS
Moderator


Anmeldungsdatum: 20.03.2009
Beiträge: 18051

Beitrag TomS Verfasst am: 06. Nov 2016 16:43    Titel: Antworten mit Zitat

MM.MM hat Folgendes geschrieben:
Die Wellenfunktion gibt doch an, wo sich ein Teilchen befinden kann. Es kann hier aber auch dort sein. Mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit, die durch das Quadrat der Wellenfunktion herausgefunden wird.

Nochmal: das ist im Kontext der Everett-Interpretation so nicht der Fall! Wenn du diese verstehen möchtest, dann musst du das, was du offensichtlich irgendwo gelesen hast, und was im Kontext anderer Interpretationen gesagt wird, vergessen.

Die Everett-Interpretation verwendet und betrachtet keine Wahrscheinlichkeiten, sie verzichtet darauf, etwas über "Teilchen" zu sagen und wo sich diese befinden. Dies ist weder der Inhalt der Axiome und Postulate, noch der Inhalt des Formalismus. Es ist ein Ergebnis von zusätzlichen Postulaten (Projektionspostulat, Bornsche Regel), von anderen Interpretationen (orthodoxe bzw. Kopenhagener Interpretation), die für die Everett-Interpretation nur insofern eine Rolle spielen, als die Everett-Interpretation einen Gegenentwurf darstellt.

MM.MM hat Folgendes geschrieben:
Die Wellenfunktion ist etwas ausgebreitetes. Warum aber befindet sich die Wellenfunktion nur im Hilbertraum und warum wird sie dort als Punkt dargestellt. Ein Punkt hat die Dimension Null. Der Hilbertraum selbst hat viele Dimensionen.

Das ist eine komplizierte mathematische Fagestellung. Ich bin mir nicht sicher, ob du den Erklärungen folgen kannst, aber wir können's ja mal probieren.
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