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QCD: quarks deep inel. scatt., scaling & violation
 
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TomS
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Beitrag TomS Verfasst am: 20. März 2024 11:22    Titel: QCD: quarks deep inel. scatt., scaling & violation Antworten mit Zitat

Nach den Fragen zur Skaleninvarianz und der Brechung derselben, biete ich an, ein anderes Thema zu diskutieren, innerhalb dessen dies eine wichtige Rolle spielt.

Dabei geht es um die QCD, konkret die tief-inelastische Streuung von Elektronen an Nukleonen, dabei speziell an den einzelnen Quarks, sowie den daraus resultierenden Erkenntnissen über die Struktur des Nukleons.

Damit man etwas hat, woran man sich festhalten kann:

Deep Inelastic Scattering

Es geht im folgenden nicht um konkrete Rechnungen, dazu ist das Thema zu kompliziert und erfordert zu viel Vorwissen, sondern es geht um die Phänomene und die physikalischen Ideen hinter der Mathematik.
TomS
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Anmeldungsdatum: 20.03.2009
Beiträge: 18083

Beitrag TomS Verfasst am: 20. März 2024 14:53    Titel: Antworten mit Zitat

Zum Einstieg

Die innere Struktur von Nukleonen wurde durch Streuung von Elektronen untersucht; Elektronen deswegen, da sie einfach zu beschleunigen sind, und da sie keine eigene Substruktur aufweisen.

Neben der Streuung an Protonen betrachtet man auch die an Neutronen, allerdings nicht isoliert sondern z.B. in einem Deuteron. Hinsichtlich der starken Wechselwirkung verhalten sich Protonen und Neutronen vollkommen identisch, Unterschiede bestehen nur bzgl. Masse und elektrischer Ladung; daher spricht man allgemein von Nukleonen.

Man unterscheidet mehrere Energiebereiche:
a) bei niedrigen Energie streut das Elektron an einem punktförmigen Proton, d.h. an dessen Coulomb-Feld;
b) bei höheren Energien "sieht" das Elektron ein nicht-punktförmiges Proton, d.h. dessen ausgedehnte Ladungsverteilung;
c) bei noch höheren Energien geschehen zwei Dinge: das Elektron löst die Substruktur des Protons auf und streut nun offenbar an punktförmigen Teilchen, den sogenannten Partonen (der Name geht auf Feynman zurück, die Bezeichnung Quarks dann auf Gell-Mann); das Proton bleibt dabei üblicherweise nicht intakt (inelastische Streuung) sondern fragmentiert in einem komplizierten Endzustand X mit sogenannten Jets, den wir im folgenden jedoch nicht weiter betrachten werden (sogenannte inklusive Streuung).
Die Informationen über den Streuprozess und die Partonen im Nukleon wird ausschließlich aus der Winkel- und Impulsverteilung des gestreuten Elektrons ermittelt, dessen sogenannten (differentiellen) Streuquerschnitt.

Prinzipiell schließen höhere Energien die elastische Streuung (a) nicht aus.


Es handelt sich bei (c) und im folgenden also um die (tief)-inelastische Streuung



Die Streuung des Elektrons manifestiert sich im Energie-Impuls-Übertrag sowie im Streuwinkel, d.h. man hat für das einlaufende (in) und das auslaufende (out) Elektron





Das sind letztlich die Messgrößen im Detektor.

Der Energie-Impuls-Übertrag vom einlaufenden Elektron an das Nukleon bezeichnet man mit



Aus dem Energie-Impuls-Viervektor berechnet man die charakteristische invariante Größe q² bzw. -Q² für die Elektronen



In konkreten Rechnungen mittels Feynman-Diagrammen erster Ordnung entspricht q dem Viererimpuls eines "ausgetauschten virtuellen Photons"; "reelle" Photonen haben einen Viererimpuls mit



Als Maß für die Inelastizität des Prozesses führt man die Größe



ein. Betrachtet man die invarianten Massen des Nukleons vor sowie des Zustandes X nach dem Stoß, so gilt





wobei Gleichheit genau dann gilt, wenn das Nukleon intakt und im Grundzustand bleibt, also



Damit folgt letztlich



und somit



wobei Gleichheit genau dann gilt, wenn ein elastischer Stoß vorliegt. Umgekehrt bedeutet ein inelastischer Stoß, dass ein Teil der Energie des einlaufenden Elektrons im Nukleon deponiert wird, jedoch nicht in Form kinetischer Energie.

Diese beiden Größen, der Energie-Impuls-Übertrag Q² und die Inelastizität x kennzeichnen die Kinematik des Stoßes vollständig; und es sind gerade diese beiden Größen, die zur Beschreibung der Substruktur des Nukleons dienen werden.


Im pdf werden die kinematischen Größen der Elektronen mit den Indizes 1, 3 bezeichnet, die der Nukleonen mit 2, 4. Außerdem werden durchgängig Vierervektoren verwendet.

Bei hohen Energien der Elektronen im GeV-Bereich kann man außerdem die Masse der Elektronen m=511 keV vernachlässigen, d.h. man nimmt diese als masselos an.



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antaris



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Beitrag antaris Verfasst am: 20. März 2024 20:32    Titel: Re: QCD: quarks deep inel. scatt., scaling & violation Antworten mit Zitat

TomS hat Folgendes geschrieben:
Damit man etwas hat, woran man sich festhalten kann:

Deep Inelastic Scattering


Sehr viel komprimierte Informationen und doch schon weit mehr komplizierte Herleitungen.
Danke für den ersten Überblick.

Im PDF ist der Aufbau vom Hera- bzw. Zeus-Experiment dargestellt. Dort sind das Elektron, sowie auch das Nukleon beschleunigt. (Anhang)

Wobei auf Seite 6 wieder vom ruhenden Proton geschrieben ist.
"Example: Scattering of 4.879 GeV electrons from protons at rest"

Auch in diesem PDF steht folgendes:

Seite 20:
"In the proton, as expected, the up quarks carry
twice the momentum of the down quarks
The quarks carry just over 50 % of the total
proton momentum. The rest is carried by
gluons (which being neutral doesn’t contribute
to electron-nucleon scattering)."

Dabei ist dann aber der Impuls des bewegten Protons gemeint?



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antaris



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Beitrag antaris Verfasst am: 20. März 2024 21:16    Titel: Antworten mit Zitat

TomS hat Folgendes geschrieben:
Zum Einstieg


Danke für die übersichtliche Erklärung.

Zitat:


wobei Gleichheit genau dann gilt, wenn ein elastischer Stoß vorliegt.

Beim elastischen Stoß ist x = 1?

Zitat:
Umgekehrt bedeutet ein inelastischer Stoß, dass ein Teil der Energie des einlaufenden Elektrons im Nukleon deponiert wird, jedoch nicht in Form kinetischer Energie.


Das Elektron stößt beim inelastischen Fall nur an ein einzelnes punktförmiges Parton im Nukleon?

Zitat:
Diese beiden Größen, der Energie-Impuls-Übertrag Q² und die Inelastizität x kennzeichnen die Kinematik des Stoßes vollständig; und es sind gerade diese beiden Größen, die zur Beschreibung der Substruktur des Nukleons dienen werden.


Der Energie-Impuls-Übertrag ist, wie du weiter oben geschrieben hast, eine Messgröße und ist zusammen mit der zweiten Messgröße Streuwinkel relevant. Auf was bezieht sich dabei die Invarianz von Q²?


TomS hat Folgendes geschrieben:
Im pdf werden die kinematischen Größen der Elektronen mit den Indizes 1, 3 bezeichnet, die der Nukleonen mit 2, 4. Außerdem werden durchgängig Vierervektoren verwendet.

Bei hohen Energien der Elektronen im GeV-Bereich kann man außerdem die Masse der Elektronen m=511 keV vernachlässigen, d.h. man nimmt diese als masselos an.


Ich finde das im Zusammenhang mit den Feynman-Diagrammen verständlich beschrieben. Bei genügend hoher Energie der Nukleonen wird auch deren Masse vernachlässigt.
Was bedeutet die Abkürzung "C.o.M." in "In the C.o.M. Frame (neglecting the electron and proton masses)"?
TomS
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Beitrag TomS Verfasst am: 20. März 2024 22:26    Titel: Re: QCD: quarks deep inel. scatt., scaling & violation Antworten mit Zitat

antaris hat Folgendes geschrieben:
Im PDF ist der Aufbau vom Hera- bzw. Zeus-Experiment dargestellt. Dort sind das Elektron, sowie auch das Nukleon beschleunigt.

Man muss zwei Dinge strikt auseinanderhalten: i) die Betrachtung des Prozesses in verschiedenen Bezugssystem, ii) den tatsächlichen, experimentellen Aufbau.

Experimentell gibt es tatsächlich beides, auch das fixed proton target. Insbs. im HERMES-Experiment bei HERA hat man das für die Messung der Spin-Struktur des Protons verwendet, indem man die Kernspins ruhender Proton geeignet ausgerichtet hat.

Im Folgenden betrachte ich zunächst nur Eigenschaften, die mittels der invarianten Größen Q² und x beschrieben werden können.

antaris hat Folgendes geschrieben:
Auch in diesem PDF steht folgendes:

Seite 20:
"In the proton, as expected, the up quarks carry
twice the momentum of the down quarks
The quarks carry just over 50 % of the total
proton momentum. The rest is carried by
gluons (which being neutral doesn’t contribute
to electron-nucleon scattering)."

Dabei ist dann aber der Impuls des bewegten Protons gemeint?

Ja. Und zwar nur in einem speziellen Bezugsystem.

Der Impuls des virtuellen Photons ist raumartig. Daher kann man ein Bezugssystem wählen, in dem die Energie des Photons verschwindet
(klingt komisch, ist aber so). Dies ist das so genannte Breit-frame. Nur in diesem Bezugssystem ist die Interpretation, dass x den Impulsbruchteil des Proton bezeichnet, den das streuende Quark trägt, richtig:



Weil diese Aussage bezugsystemabhängig ist, habe ich sie nicht verwendet.

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Zuletzt bearbeitet von TomS am 20. März 2024 22:44, insgesamt 2-mal bearbeitet
TomS
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Beitrag TomS Verfasst am: 20. März 2024 22:37    Titel: Antworten mit Zitat

antaris hat Folgendes geschrieben:
Beim elastischen Stoß ist x = 1?

Ja.

Dabei gilt



d.h. das Nukleon bleibt intakt.

x < 1 misst die Inelastizität, d.h. den Anteil der Energie, die zur Anregung des Nukleons oder dessen Aufbrechen führt.

antaris hat Folgendes geschrieben:
Das Elektron stößt beim inelastischen Fall nur an ein einzelnes punktförmiges Parton im Nukleon?

Für ein gewisses Regime in gewisser Näherung ja. Es gibt auch andere Prozesse, aber die interessieren uns hier nicht, z.B. eine reine Spin-Anregung, bei der das Nukleon einen Spin 3/2 erhält (das bezeichnet man als Delta-Resonanz).

Ich erkläre das morgen nochmal genauer.

antaris hat Folgendes geschrieben:
Der Energie-Impuls-Übertrag ist, wie du weiter oben geschrieben hast, eine Messgröße und ist zusammen mit der zweiten Messgröße Streuwinkel relevant. Auf was bezieht sich dabei die Invarianz von Q²?

Die Werte der Größen Q² und x für einen Streuprozess sind in allen Bezugsystemen identisch.

antaris hat Folgendes geschrieben:
Was bedeutet die Abkürzung "C.o.M." in "In the C.o.M. Frame (neglecting the electron and proton masses)"?

c.o.m. frame = center of mass frame = Schwerpunktsystem. D.h. der Massenschwerpunkt von einlaufendem Elektron und Nukleon ist Null.

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TomS
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Beitrag TomS Verfasst am: 21. März 2024 14:52    Titel: Antworten mit Zitat

Kurz noch ein Einschub zur Bedeutung von x.

Wir haben den Energie-Impuls-Übertrag vom Elektron auf das Nukleon, und wir wissen, dass



D.h. es gibt ein Bezugsystem, in dem der Vierervektor q die Form



hat (wobei die z-Achse geeignet gewählt wurde). In diesem System verschwindet die Null-Komponenten d.h. die Energie des ausgetauschten virtuellen Photons.

Unter der Annahme, dass das Photon von einem Parton absorbiert wird, betrachten wir den Bruchteil xi des Viererimpulses p des einlaufenden Protons, den dieses Parton trägt:



Aufgrund der verschwindenden Energie des Photons (in diesem Bezugsystem) gilt für das auslaufende Parton



d.h. es kehrt seine Bewegungsrichtung bei identischer Energie um.

Wertet man Energie- und Impulserhaltung aus, so folgt







D.h. in diesem und nur in diesem speziellen Bezugsystem, dem sogenannten Breit-frame, trägt das Parton den Viererimpuls-Bruchteil x.

Im Ruhesystem des Nukleons gilt sicher



d.h. das Parton kann gar keinen irgendwie gearteten Bruchteil des Impulses tragen, denn dieser ist Null.
antaris



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Beitrag antaris Verfasst am: 21. März 2024 18:10    Titel: Re: QCD: quarks deep inel. scatt., scaling & violation Antworten mit Zitat

TomS hat Folgendes geschrieben:
antaris hat Folgendes geschrieben:
Im PDF ist der Aufbau vom Hera- bzw. Zeus-Experiment dargestellt. Dort sind das Elektron, sowie auch das Nukleon beschleunigt.

Man muss zwei Dinge strikt auseinanderhalten: i) die Betrachtung des Prozesses in verschiedenen Bezugssystem, ii) den tatsächlichen, experimentellen Aufbau.


Ok, bei der Betrachtung kann frei gewählt werden, ob man das Nukleon, das Elektron oder der Punkt, an dem beide aufeinandertreffen, als Bezugssystem genutzt wird? Ganz unabhängig vom realen Versuchsaufbau. Dabei ist x und Q² aber in allen Bezugsystemen gleich?

Zitat:
antaris hat Folgendes geschrieben:
Auch in diesem PDF steht folgendes:

Seite 20:
"In the proton, as expected, the up quarks carry
twice the momentum of the down quarks
The quarks carry just over 50 % of the total
proton momentum. The rest is carried by
gluons (which being neutral doesn’t contribute
to electron-nucleon scattering)."

Dabei ist dann aber der Impuls des bewegten Protons gemeint?

Ja. Und zwar nur in einem speziellen Bezugsystem.


Was zeichnet dieses Bezugsystem so speziell aus? Welche relevanten Bezugssysteme gibt es denn?

Zitat:

Der Impuls des virtuellen Photons ist raumartig. Daher kann man ein Bezugssystem wählen, in dem die Energie des Photons verschwindet
(klingt komisch, ist aber so). Dies ist das so genannte Breit-frame. Nur in diesem Bezugssystem ist die Interpretation, dass x den Impulsbruchteil des Proton bezeichnet, den das streuende Quark trägt, richtig:



Weil diese Aussage bezugsystemabhängig ist, habe ich sie nicht verwendet.


Was bedeutet raumartiger Impuls?

Edit: Es geht um den Viererimpuls und dieser ist raumartig, wenn das Ereignis außerhalb des Lichtkegels liegt? In Bezug zu welchen Lichtkegel?

Ich habe deinen letzten Beitrag zum Breit-Frame schon gelesen aber einmal reicht nicht.
TomS
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Beitrag TomS Verfasst am: 21. März 2024 18:20    Titel: Re: QCD: quarks deep inel. scatt., scaling & violation Antworten mit Zitat

antaris hat Folgendes geschrieben:
Ok, bei der Betrachtung kann frei gewählt werden, ob man das Nukleon, das Elektron oder der Punkt, an dem beide aufeinandertreffen, als Bezugssystem genutzt wird? Ganz unabhängig vom realen Versuchsaufbau. Dabei ist x und Q² aber in allen Bezugsystemen gleich?

Ja. Und ja.

Man wählt das Bezugssystem oft nach praktischen Gesichtspunkten.

antaris hat Folgendes geschrieben:
Was zeichnet dieses Bezugsystem so speziell aus? Welche relevanten Bezugssysteme gibt es denn?

Das besondere am Breit-frame ist, dass das Parton bei identischer Energie reflektiert wird.

Es gibt noch das lab- bzw. rest-frame, das c.o.m.-frame, außerdem wird teilweise das Bjorken-frame verwendet.

antaris hat Folgendes geschrieben:
Was bedeutet raumartiger Impuls?

Eigentlich nichts weiter.



bedeutet geometrisch, dass der Viererimpuls des Photons außerhalb des Lichtkegels liegt.

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Beitrag antaris Verfasst am: 21. März 2024 18:27    Titel: Antworten mit Zitat

TomS hat Folgendes geschrieben:
antaris hat Folgendes geschrieben:
Beim elastischen Stoß ist x = 1?

Ja.

Dabei gilt



d.h. das Nukleon bleibt intakt.

x < 1 misst die Inelastizität, d.h. den Anteil der Energie, die zur Anregung des Nukleons oder dessen Aufbrechen führt.


Die Q² Abhängigkeit sinkt, je weiter sich x=0 annähert?
Zitat:

antaris hat Folgendes geschrieben:
Das Elektron stößt beim inelastischen Fall nur an ein einzelnes punktförmiges Parton im Nukleon?

Für ein gewisses Regime in gewisser Näherung ja. Es gibt auch andere Prozesse, aber die interessieren uns hier nicht, z.B. eine reine Spin-Anregung, bei der das Nukleon einen Spin 3/2 erhält (das bezeichnet man als Delta-Resonanz).


Bei der Betrachtung hier im Thema spielt sich aber alles in diesem Regime ab?

Zitat:
antaris hat Folgendes geschrieben:
Was bedeutet die Abkürzung "C.o.M." in "In the C.o.M. Frame (neglecting the electron and proton masses)"?

c.o.m. frame = center of mass frame = Schwerpunktsystem. D.h. der Massenschwerpunkt von einlaufendem Elektron und Nukleon ist Null.


Also der mit dem Elektron bzw. Nukleon mitbewegte Nullpunkt? (jeweiliger Koordinatenursprung)
antaris



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Beitrag antaris Verfasst am: 21. März 2024 18:41    Titel: Re: QCD: quarks deep inel. scatt., scaling & violation Antworten mit Zitat

TomS hat Folgendes geschrieben:

antaris hat Folgendes geschrieben:
Was bedeutet raumartiger Impuls?

Eigentlich nichts weiter.



bedeutet geometrisch, dass der Viererimpuls des Photons außerhalb des Lichtkegels liegt.


Der Viererimpuls des Photons liegt außerhalb des Lichtkegels des selben Photons?
antaris



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Beitrag antaris Verfasst am: 21. März 2024 19:33    Titel: Re: QCD: quarks deep inel. scatt., scaling & violation Antworten mit Zitat

TomS hat Folgendes geschrieben:
Kurz noch ein Einschub zur Bedeutung von x.

...

D.h. in diesem und nur in diesem speziellen Bezugsystem, dem sogenannten Breit-frame, trägt das Parton den Viererimpuls-Bruchteil x.

Im Ruhesystem des Nukleons gilt sicher



d.h. das Parton kann gar keinen irgendwie gearteten Bruchteil des Impulses tragen, denn dieser ist Null.


Also ist die Betrachtung im Breit-frame eher rein mathematischer Art und hat keinen wirklichen Bezug zum realen Experiment bzw. der Natur? Der center of mass frame, also aus dem Ruhesystem in dem das jeweilge Teilchen p=0 ist, beschreibt das Experiment bzw. die Natur und vereinfacht die Rechnungen?
Man kann bei der Betrachtung einzelner frames aber verschiedene Aspekte über ein und die selbe Fragestellung lernen, die Struktur der Nukleonen?
TomS
Moderator


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Beitrag TomS Verfasst am: 21. März 2024 23:13    Titel: Antworten mit Zitat

antaris hat Folgendes geschrieben:
Die Q² Abhängigkeit sinkt, je weiter sich x=0 annähert?

Was meinst du mit Q²-Abhängigkeit?

antaris hat Folgendes geschrieben:
Bei der Betrachtung hier im Thema spielt sich aber alles in diesem Regime ab?

Zu den kinematischen Bereichen siehe Anhang.

Es geht um das Regime (c), in dem das Nukleon tatsächlich fragmentiert.

antaris hat Folgendes geschrieben:
Zitat:
antaris hat Folgendes geschrieben:
Was bedeutet die Abkürzung "C.o.M." in "In the C.o.M. Frame (neglecting the electron and proton masses)"?

c.o.m. frame = center of mass frame = Schwerpunktsystem. D.h. der Massenschwerpunkt von einlaufendem Elektron und Nukleon ist Null.

Also der mit dem Elektron bzw. Nukleon mitbewegte Nullpunkt? (jeweiliger Koordinatenursprung)

Nein, der Massenmittelpunkt aller beteiligten Teilchen. Dessen Impuls ist unter allen Reaktion inkl. der Streuung erhalten, das folgt aus der Poincare-Invarianz. Man führt eine Koordinatentransformation durch, so dass dieser Punkt immer dem Ursprung entspricht, d.h. das neue Koordinatensystem ist mit dem Massenmittelpunkt mitbewegt.

antaris hat Folgendes geschrieben:
Also ist die Betrachtung im Breit-frame eher rein mathematischer Art und hat keinen wirklichen Bezug zum realen Experiment bzw. der Natur?

Es hat nichts mit einem realen Bezugsystem wie dem Laborsystem zu tun.

antaris hat Folgendes geschrieben:
Der center of mass frame, also aus dem Ruhesystem in dem das jeweilge Teilchen p=0 ist, beschreibt das Experiment bzw. die Natur und vereinfacht die Rechnungen?

Siehe oben, es geht nicht um den c.o.m. eines Teilchens sondern um den aller beteiligten Teilchen, hier zunächst definiert durch Elektron und Nukleon, jedoch nach der Streuung identisch mit dem c.o.m. von Elektron und X.

antaris hat Folgendes geschrieben:
Man kann bei der Betrachtung einzelner frames aber verschiedene Aspekte über ein und die selbe Fragestellung lernen, die Struktur der Nukleonen?

Über die Struktur haben wir noch nichts gelernt, das kommt noch ;-)

Sagen wir so: bestimmte Überlegungen und Rechnungen sind in einem Koordinatensystem evtl. einfacher als in einem anderen. Die Strategie besteht jedoch darin, die Struktur des Nukleons durch invariante Größen zu beschreiben, so dass diese Beschreibung unabhängig von dem Koordinatensystem wird, in dem wir sie gefunden haben, und vielmehr in allen Systemen gilt.

Das ist der nächste Schritt.

antaris hat Folgendes geschrieben:
TomS hat Folgendes geschrieben:
antaris hat Folgendes geschrieben:
Was bedeutet raumartiger Impuls?



bedeutet geometrisch, dass der Viererimpuls des Photons außerhalb des Lichtkegels liegt.

Der Viererimpuls des Photons liegt außerhalb des Lichtkegels des selben Photons?

Ja.

Das ist aber nur dann verwunderlich, wenn du dir das Photon als punktförmiges Teilchen vorstellst. Im vorliegenden Fall handelt es sich jedoch um ein sogenannten "virtuelles" Teilchen, unter dem man sich am besten gar nichts vorstellt; es handelt sich um eine formale Rechenvorschrift. Siehe (18.13) in

https://fma.if.usp.br/~burdman/QFT1/lecture_18.pdf

Das virtuelle Photon ist das




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Beitrag TomS Verfasst am: 22. März 2024 09:44    Titel: Antworten mit Zitat

Vor dem Verständnis der Nukleon-Struktur müssen wir erst mal die Messung etwas besser verstehen.

Für Experimente zum Deep-Inelastic Scattering wird ein energiereicher Leptonenstrahl (meist Elektronen) auf ein Target (in Ruhe, oder ebenfalls beschleunigt) aus Protonen oder Neutronen (diese meist in Deuteronen) geschossen.

Die Messung erfolgt durch Detektoren, die die Streuprodukte wie das Elektron, Hadronen (das X) und Photonen (und andere Sekundärteilchen, bisher nicht betrachtet) registrieren. Die kinematischen Variablen wie Impulsübertrag Q und Streuwinkel theta werden gemessen, d.h. aus dem detektierten Elektron rekonstruiert.

Eine zentrale Rolle spielt der Streuquerschnitt

Dieser entspricht zunächst der "wirksamen Fläche" eines Streuzentrums.

Hier interessiert zunächst die Winkelabhängigkeit des sogenannten differentiellen Streuquerschnitts (siehe Anhang), d.h. welcher Anteil der Elektronen wird in welches Winkelelement gestreut. Der Winkel phi ist zunächst nicht relevant, d.h. über ihn wird sozusagen integriert (das ändert sich im Falle der spin-polarisierten Streuung, um auch die Spinstruktur des Nukleons aufzulösen).

Die Struktur des Nukleons soll durch die oben eingeführten invarianten Größen Q² und beschriebene werden, d.h. man interessiert sich für den differentiellen Streuquerschnitt je dQ² und je dx.



Diese Größe ist nicht direkt messbar, jedoch mittels der kinematischen Variablen berechenbar.

Die Idee ist nun folgende: bei bekannter Struktur des Nukleons könnte man diesen differentiellen Streuquerschnitt berechnen. Die tatsächlich jedoch unbekannte Struktur verhindert eine vollständige Berechnung, jedoch kann man diese Struktur in zwei unbekannte Funktionen verpacken, so dass man eine Formel erhält, die eine Beziehung zwischen diesen beiden Funktionen und dem gemessenen differentiellen Wirkungsquerschnitt liefert, so dass man die Funktionen aus den Messdaten rekonstruieren kann. Dabei handelt es sich um die sogenannten Strukturfunktionen des Nukleons, dem heiligen Gral der tief-inelastischen Streuung.

Ich zeige die Idee mal an einfachen Beispielen:

1. Wir betrachten die Streuung eines klassischen punktförmigen Teilchens an einer harten Kugel mit Radius R.



Für Teilchen, die die Kugel treffen, gilt



d.h. in jedes Raumwinkelelement streuen gleich viele Teilchen (das ist letztlich der Grund, warum die Oberflächen von Kugeln überall gleich hell erscheinen und nicht zum Rand der sichtbaren Scheibe hin dunkler werden).

2. Statt der Streuung an einer harten Kugel betrachten wir die Streuung an einem Ellipsoiden



Man erhält die hässliche Formel



Unsere Unkenntnis steckt in den zwei Größen R und zeta. Wenn wir jedoch den Streuversuch durchführen und den Anteil der Kugeln je theta zählen, dann lassen sich daraus die beiden Parameter R und zeta, d.h. die Größe des Ellipsoiden und seine Deformation bestimmen.

Etwas zum lesen siehe hier: https://www.physics.udel.edu/~jim/PHYS425_20S/Class%20Notes/Notes_10.pdf

Genaus das machen wir als nächstes für die Nukleonen ...


*) inwieweit weitere Teilchen analysiert werden, um die Güte der Messung der kinematischen Variablen des Elektrons zu verstehen oder zu verbessern, oder um Ereignisse mit schlechter Datenqualität zu erkennen und zu verwerfen, kann ich nicht sagen; theoretisch tragen die Teilchen, die das X bilden, zusammen exakt die selbe kinematische Information wie das Elektron.



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Beitrag TomS Verfasst am: 22. März 2024 13:43    Titel: Antworten mit Zitat

Jetzt müssen wir diesen Streuquerschnitt mittels QED berechnen. Die QCD spielt keine direkte Rolle, da wir nur die elastische Streuung



eines Partons bzw. Quarks q mit einem Elektron über ein virtuelles Photon betrachten, und da wir die unsere Unwissenheit über die Struktur des Nukleons und damit die über den Eingangszustand des Quarks in den genannten Funktionen "verstecken".

Betrachten wir zunächst die Streuung eines strukturlosen Elektrons an einem ebenfalls strukturlosen Myon. Ein Myon nehmen wir deswegen, damit die beiden Teilchen unterscheidbar sind.

Das Feynman-Diagramm im Anhang liefert die Formel für das Übergangsmatrixelement



mit dem Photon-Propagator zwischen den Beiträgen von Elektron



und Myon analog.

Die u's stehen für freie Dirac-Spinoren, d.h. sie beschreiben das einlaufende Elektron mit Impuls k sowie das auslaufende mit k', das am Vertex an das "virtuelle" Photon mit Impuls q koppelt; wiederum das Myon analog.

Mittelung über die Spins, die wir nicht betrachten, liefert für das Absolutquadrat



mit dem über die Spins gemittelten sogenannten leptonischen Tensor



Wenn man das mittels der Regeln für Dirac-Spinoren und -Matrizen berechnet, erhält man



sowie das selbe Ergebnis für das Myon mit dessen Masse M.

Nach einigen Seiten Algebra findet man für das Absolutquadrat, im Laborsystem, sowie für m=0




Rechnet man weiter, gelangt man zum Streuquerschnitt zweier unterscheidbarer, strukturloser Leptonen. Die Algebra liefert uns letztlich die Lorentz-Struktur, also wie das Ergebnis von den Viererimpulsen abhängt:



wobei ... für letztlich einige kinematische Terme und insbs. Normierung steht; das sind Details, die wir nicht benötigen. Die delta-Funktion liefert außerdem die Impulserhaltung, sie legt bei gegeben Impulsen k, k', p, p' das q fest.

Man wird sie los, indem man über p' integriert, d.h. man betrachtet den Impuls p' des auslaufenden Myons nicht.

Letztlich liefert das Matrixelement aus dem Feynman-Diagramm also den differentiellen Streuquerschnitt, insbs. dessen Struktur aufgrund der Lorentz-Invarianz.


Nun macht man etwas Ähnliches für die tief-inelastische Streuung.

Man betrachtet nun



wobei W für den sogenannten hadronische Tensor mit den Beiträgen der Partonen steht.

Den kennen wir nicht, allerdings können wir uns seine Lorentz-Struktur erschließen; dazu benutzen wir die Lorentz-Kovarianz, Impulserhaltung und Paritätserhaltung (letzteres würde nicht für die schwache WW gelten).

Das liefert



wobei P und f bekannte Funktionen von p und q sind, die wir hier nicht benötigen.

Die beiden unbekannten Funktionen W hängen ausschließlich von Lorentz-invarianten Größen ab; in ihnen steckt unser Unwissen über die Partonen im Nukleon.

Man erhält man schließlich



Man beachte, dass sich die Physiker entschieden haben, ein paar Normierungsfaktoren und andere Kleinigkeiten in die neuen Funktionen hineinzupacken; ansonsten ist das Ergebnis strukturell identisch zur obigen Formel für die Elektron-Myon-Streuung.

Und damit lasse ich's erst mal gut sein für heute ...



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Zuletzt bearbeitet von TomS am 22. März 2024 15:12, insgesamt einmal bearbeitet
antaris



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Beitrag antaris Verfasst am: 22. März 2024 14:48    Titel: Antworten mit Zitat

TomS hat Folgendes geschrieben:

Und damit lasse ich's erst mal gut sein für heute ...


Ja bitte, ich habe noch nix lesen können und sind ja auch ein paar links und Anhänge.
Ich komme erst am Abend dazu.

Aber macht Spaß und gelingt dir gut das Wesentliche auf den Punkt zu bringen.
Danke! Prost
antaris



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Beitrag antaris Verfasst am: 23. März 2024 21:25    Titel: Antworten mit Zitat

TomS hat Folgendes geschrieben:
Vor dem Verständnis der Nukleon-Struktur müssen wir erst mal die Messung etwas besser verstehen.

Für Experimente zum Deep-Inelastic Scattering wird ein energiereicher Leptonenstrahl (meist Elektronen) auf ein Target (in Ruhe, oder ebenfalls beschleunigt) aus Protonen oder Neutronen (diese meist in Deuteronen) geschossen.

Die Messung erfolgt durch Detektoren, die die Streuprodukte wie das Elektron, Hadronen (das X) und Photonen (und andere Sekundärteilchen, bisher nicht betrachtet) registrieren. Die kinematischen Variablen wie Impulsübertrag Q und Streuwinkel theta werden gemessen, d.h. aus dem detektierten Elektron rekonstruiert.

Soweit klar.

Zitat:
Eine zentrale Rolle spielt der Streuquerschnitt

Dieser entspricht zunächst der "wirksamen Fläche" eines Streuzentrums.


Der Streuquerschnitt entspricht einem Wahrscheinlichkeitsmaß, dass es zu bestimmten Kollisionen kommt.

Aus dem Wikiartikel:
"In physics, the cross section is a measure of the probability that a specific process will take place in a collision of two particles."

Zitat:
Hier interessiert zunächst die Winkelabhängigkeit des sogenannten differentiellen Streuquerschnitts (siehe Anhang), d.h. welcher Anteil der Elektronen wird in welches Winkelelement gestreut. Der Winkel phi ist zunächst nicht relevant, d.h. über ihn wird sozusagen integriert (das ändert sich im Falle der spin-polarisierten Streuung, um auch die Spinstruktur des Nukleons aufzulösen).

Die Struktur des Nukleons soll durch die oben eingeführten invarianten Größen Q² und beschriebene werden, d.h. man interessiert sich für den differentiellen Streuquerschnitt je dQ² und je dx.



Diese Größe ist nicht direkt messbar, jedoch mittels der kinematischen Variablen berechenbar.

Gibt es öffentlichen Zugang zu den Messdaten Q und theta bzw. Auszüge davon?

Zitat:
Die Idee ist nun folgende: bei bekannter Struktur des Nukleons könnte man diesen differentiellen Streuquerschnitt berechnen. Die tatsächlich jedoch unbekannte Struktur verhindert eine vollständige Berechnung, jedoch kann man diese Struktur in zwei unbekannte Funktionen verpacken, so dass man eine Formel erhält, die eine Beziehung zwischen diesen beiden Funktionen und dem gemessenen differentiellen Wirkungsquerschnitt liefert, so dass man die Funktionen aus den Messdaten rekonstruieren kann. Dabei handelt es sich um die sogenannten Strukturfunktionen des Nukleons, dem heiligen Gral der tief-inelastischen Streuung.

Ich zeige die Idee mal an einfachen Beispielen:

1. Wir betrachten die Streuung eines klassischen punktförmigen Teilchens an einer harten Kugel mit Radius R.



Für Teilchen, die die Kugel treffen, gilt



d.h. in jedes Raumwinkelelement streuen gleich viele Teilchen (das ist letztlich der Grund, warum die Oberflächen von Kugeln überall gleich hell erscheinen und nicht zum Rand der sichtbaren Scheibe hin dunkler werden).

2. Statt der Streuung an einer harten Kugel betrachten wir die Streuung an einem Ellipsoiden



Man erhält die hässliche Formel



Unsere Unkenntnis steckt in den zwei Größen R und zeta. Wenn wir jedoch den Streuversuch durchführen und den Anteil der Kugeln je theta zählen, dann lassen sich daraus die beiden Parameter R und zeta, d.h. die Größe des Ellipsoiden und seine Deformation bestimmen.

Etwas zum lesen siehe hier: https://www.physics.udel.edu/~jim/PHYS425_20S/Class%20Notes/Notes_10.pdf

Genaus das machen wir als nächstes für die Nukleonen ...


Das R aus 1. muss kleiner sein, als das R aus 2. Bei 1. wird durch den Stoß "punktgenau" der Ort gemessen aber in der QM ist die Ortsmessung einer Wahrscheinlichkeitsverteilung und Wechselwirkungen "auf kleinen Distanzen" unterlegen und das ist unseren Fall der Streuquerschnitt, der lt. dem Wikiartikel in Bezug zur quantenmechanischen Wahrscheinlichkeitsdichte gesetzt wird.
https://en.wikipedia.org/wiki/Cross_section_(physics)#Quantum_scattering



"This has the simple interpretation as the probability density for finding the scattered projectile at a given angle."

Eine Frage zum angehangenen Bild.
Der linke Ring ist der einlaufende Teilchenstrahl in Zylinderkoordinaten?
antaris



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Beitrag antaris Verfasst am: 23. März 2024 21:59    Titel: Antworten mit Zitat

TomS hat Folgendes geschrieben:
Jetzt müssen wir diesen Streuquerschnitt mittels QED berechnen. Die QCD spielt keine direkte Rolle, da wir nur die elastische Streuung



eines Partons bzw. Quarks q mit einem Elektron über ein virtuelles Photon betrachten, und da wir die unsere Unwissenheit über die Struktur des Nukleons und damit die über den Eingangszustand des Quarks in den genannten Funktionen "verstecken".


Man fügt 2 "Blackboxen" ein und untersucht diese separat.

Zitat:
Betrachten wir zunächst die Streuung eines strukturlosen Elektrons an einem ebenfalls strukturlosen Myon. Ein Myon nehmen wir deswegen, damit die beiden Teilchen unterscheidbar sind.

Das Feynman-Diagramm im Anhang liefert die Formel für das Übergangsmatrixelement

...

Letztlich liefert das Matrixelement aus dem Feynman-Diagramm also den differentiellen Streuquerschnitt, insbs. dessen Struktur aufgrund der Lorentz-Invarianz.


Ich kann die beschriebene Quintessenz der Gleichungen nachvollziehen, die Gleichungen nicht alle vollständig. Aber es sind viele Hinweise drin, denen ich mich parallel widmen kann.


Zitat:
Nun macht man etwas Ähnliches für die tief-inelastische Streuung.

Man betrachtet nun



wobei W für den sogenannten hadronische Tensor mit den Beiträgen der Partonen steht.

Den kennen wir nicht, allerdings können wir uns seine Lorentz-Struktur erschließen; dazu benutzen wir die Lorentz-Kovarianz, Impulserhaltung und Paritätserhaltung (letzteres würde nicht für die schwache WW gelten).

Das liefert



wobei P und f bekannte Funktionen von p und q sind, die wir hier nicht benötigen.

Die beiden unbekannten Funktionen W hängen ausschließlich von Lorentz-invarianten Größen ab; in ihnen steckt unser Unwissen über die Partonen im Nukleon.


Sollte es in der Gleichung W_1 und W_2 heißen?

Zitat:
Man erhält man schließlich



Man beachte, dass sich die Physiker entschieden haben, ein paar Normierungsfaktoren und andere Kleinigkeiten in die neuen Funktionen hineinzupacken; ansonsten ist das Ergebnis strukturell identisch zur obigen Formel für die Elektron-Myon-Streuung.


Das Prinzip habe ich verstanden.
TomS
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Beitrag TomS Verfasst am: 25. März 2024 08:20    Titel: Antworten mit Zitat

antaris hat Folgendes geschrieben:
Zitat:
Eine zentrale Rolle spielt der Streuquerschnitt

Dieser entspricht zunächst der "wirksamen Fläche" eines Streuzentrums.


Der Streuquerschnitt entspricht einem Wahrscheinlichkeitsmaß, dass es zu bestimmten Kollisionen kommt.

Das schließt sich gegenseitig nicht aus, allerdings ist letzteres ohne Kontext irreführend.

Was ist im Falle eines Streuzentrums endlich Querschnittsfläche, verglichen mit der unendlichen Fläche, die es nicht abdeckt?

Ich bleibe dabei, klassisch ist es die "wirksamen Fläche" eines Streuzentrums, und die Anführungszeichen zeigen an, dass man das nicht wörtlich nehmen darf.

Es ist natürlich korrekt, der differentielle Streuquerschnitt entspricht einem Wahrscheinlichkeitsmaß, dass es zu bestimmten Kollisionen kommt – bezogen auf die Fälle, in denen es überhaupt zu Kollisionen kommt. Auch im der QM wird oft implizit die nicht-Streuung herausgerechnet.

Zum Einsteig ..
Zitat:
1. …betrachten wir die Streuung eines klassischen punktförmigen Teilchens an einer harten Kugel mit Radius R.

2. Statt der Streuung an einer harten Kugel betrachten wir die Streuung an einem Ellipsoiden


Deswegen ist
antaris hat Folgendes geschrieben:
Das R aus 1. muss kleiner sein, als das R aus 2. Bei 1. wird durch den Stoß "punktgenau" der Ort gemessen aber in der QM ist die Ortsmessung einer Wahrscheinlichkeitsverteilung und Wechselwirkungen "auf kleinen Distanzen" unterlegen und das ist unseren Fall der Streuquerschnitt, der lt. dem Wikiartikel in Bezug zur quantenmechanischen Wahrscheinlichkeitsdichte gesetzt wird.

nicht zielführend.

R ist ein klassischer Radius – z.B. einer Bowlingkugel – der kann jeden beliebigen Wert haben. Und die Ortsmessung stellen wir uns klassisch beliebig präzise vor.

antaris hat Folgendes geschrieben:
Eine Frage zum angehangenen Bild.
Der linke Ring ist der einlaufende Teilchenstrahl in Zylinderkoordinaten?

Der linke blaue Ring bezeichnet den gedachten Ring, aus dem die einlaufenden klassischen Teilchen in den rechten blauen Ring gestreut werden. Das sagt noch nichts über die Verteilung der Teilchen innerhalb des realen Strahls.

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TomS
Moderator


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Beitrag TomS Verfasst am: 25. März 2024 08:29    Titel: Antworten mit Zitat

Die Indizes 1 und 2 korrigiere ich noch.

Dass die Daten offiziell zugänglich sind, bezweifle ich. Die liegen auf Magnetbändern.

Wenn du das Prinzip verstanden hast, dann ist viel gewonnen.

Der nächste Schritt wäre dann, die beiden Funktionen W zu verstehen.

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antaris



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Beitrag antaris Verfasst am: 25. März 2024 10:02    Titel: Antworten mit Zitat

TomS hat Folgendes geschrieben:
Dass die Daten offiziell zugänglich sind, bezweifle ich. Die liegen auf Magnetbändern.


Ich hatte ein bischen gesucht und es scheint ein open access der (aufbereiteten) Daten zu geben:
https://www.hepdata.net/

Wiki:
Zitat:
Das Durham HepData Project, abgeleitet von Durham High Energy Physics Database ‚Durham-Hochenergiephysik-Datenbank‘, ist eine frei zugängliche Datenbank der University of Durham in England, in der Versuchsresultate aus der experimentellen Teilchenphysik zur Verfügung gestellt werden. Sie wurde 2016 durch HEPData abgelöst, eine Datenbank, die dieselbe Funktion übernimmt.


Zitat:
Wenn du das Prinzip verstanden hast, dann ist viel gewonnen.
Der nächste Schritt wäre dann, die beiden Funktionen W zu verstehen.


Ja ich denke es verstanden zu haben.
antaris



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Beitrag antaris Verfasst am: 25. März 2024 13:13    Titel: Antworten mit Zitat

antaris hat Folgendes geschrieben:

Ich hatte ein bischen gesucht und es scheint ein open access der (aufbereiteten) Daten zu geben:
https://www.hepdata.net/


Hier findet man Daten der e- + p -> e- + x DIS-Kollisionen bei verschiedenen Energien von Zeus und Hera. Die Daten für Q², x und σ. Man kann die Tabellen direkt auf der Webseite einsehen oder z.B. als CSV runterladen:
https://www.hepdata.net/record/ins1377206

Zitat:
DESY-HERA. A combination is presented of all inclusive deep inelastic cross sections previously published by the H1 and ZEUS collaborations at HERA for neutral and charged current scattering for zero beam polarisation. The data were taken at proton beam energies of 920, 820, 575 and 460 GeV and an electron beam energy of 27.5 GeV. ...
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