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Ununterscheidbare Teilchen - Seite 2
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TomS
Moderator


Anmeldungsdatum: 20.03.2009
Beiträge: 18110

Beitrag TomS Verfasst am: 13. Aug 2023 08:15    Titel: Antworten mit Zitat

Joho123 hat Folgendes geschrieben:
Ich meinte damit, dass ich mal gelesen habe, dass es verboten wäre, Quantenobjekten im Vorhinein Eigenschaften wie Orte, Impulse usw. zuzuschreiben.

Ja, das ist in gewisser Weise richtig.

Betrachten wir wieder zwei Elektronen mit entgegengesetztem Spin. Wie wissen, dass der Gesamtspin S=0 ist; das schreiben wir als



a bezeichne dabei eine beliebig gewählte Achse im Raum. Man könnte meinen, die rechte Seite sei a-abhängig, man kann jedoch beweisen, dass dies nicht der Fall ist, d.h. für beliebige Achsen a,b gilt



Nun werde in einem Messgerät für das erste Teilchen eine spezielle Achse z ausgewählt, und der Spin des ersten Teilchens diesbzgl. zu +1/2 gemessen. Dann wissen wir – und die Messung bestätigt das – dass



gilt. D.h. die Spins sind immer und unabhängig von der Wahl der Achse entgegengesetzt orientiert.

Nun könnte man meinen, dass diese Orientierung "Teilchen 1 mit Spin +1/2 bzgl. z-Achse …" schon vor der Messung festgestellt war. Aber das ist falsch.

Erstens können wir die Orientierung der Achse für die Messung an Teilchen 1 kurz vor dieser Messung festlegen, messen, die gewählte Orientierung an das zweite Messgerät schicken, einstellen, dort messen … Die Ergebnisse sind immer perfekt korreliert. D.h. das zweite Teilchen hätte sozusagen vorher wissen müssen, wie wir die Achse festlegen werden.

Und zweitens können wir versuchen, einen versteckten Mechanismus einzuführen, der Korrelationen bei unterschiedlicher Wahl der Orientierung (um einen beliebigen Winkel gegeneinander verdreht) irgendwie bewerkstelligt. Dabei können wir für eine große Klasse derartiger Mechanismen die theoretischen Vorhersagen mit den daraus folgenden experimentellen Resultate für zwei Spins vergleichen.

Das Ergebnis ist, dass die Annahme, die beiden Spins wären bereits vor der Messung durch sogenannte verborgene Variable einzeln irgendwie festgelegt, experimentell widerlegt wird. Und umgekehrt findet man, dass der o.g. quantenmechanische Ausdruck zu korrekten Ergebnissen führt. D.h. wir wissen, dass ein Teilchen bzgl. einer noch festzulegenden Achse Spin +1/2 oder -1/2 haben wird, das andere Teilchen bzgl. der selben Achse dann -1/2 oder +1/2. Und wir wissen auch, dass die Annahme, der Spin wäre vorab irgendwie festgelegt, falsch ist.

https://de.m.wikipedia.org/wiki/Bellsche_Ungleichung

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Niels Bohr brainwashed a whole generation of theorists into thinking that the job (interpreting quantum theory) was done 50 years ago.


Zuletzt bearbeitet von TomS am 13. Aug 2023 08:46, insgesamt 2-mal bearbeitet
Joho123
Gast





Beitrag Joho123 Verfasst am: 13. Aug 2023 08:39    Titel: Antworten mit Zitat

Danke für die Ausführungen. Aber bezieht sich das auch auf Atome, die in einer Gitterstruktur fest gebunden sind bezüglich ihrer Lokalität im Gitter? Oder betrifft das nur die Spins der Elektronen etc.?
TomS
Moderator


Anmeldungsdatum: 20.03.2009
Beiträge: 18110

Beitrag TomS Verfasst am: 13. Aug 2023 08:48    Titel: Antworten mit Zitat

Das bezieht sich immer auf alles.
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Joho123
Gast





Beitrag Joho123 Verfasst am: 13. Aug 2023 09:22    Titel: Antworten mit Zitat

Mal ganz blöd gefragt: wie kann ich mir dann überhaupt sicher sein, dass die Atome im Festkörper alle an den entsprechenden Plätzen im Gitter liegen, wenn eigentlich im Vorhinein nichts festgelegt ist? Oder habe ich da irgendwo einen großen Denkfehler?
TomS
Moderator


Anmeldungsdatum: 20.03.2009
Beiträge: 18110

Beitrag TomS Verfasst am: 13. Aug 2023 13:12    Titel: Antworten mit Zitat

Joho123 hat Folgendes geschrieben:
… wenn eigentlich im Vorhinein nichts festgelegt ist? Oder habe ich da irgendwo einen großen Denkfehler?

Ja. Es ist nicht nichts festgelegt, nur nicht das, was du dir klassisch vorstellst. Das habe ich oben aber auch versucht zu erklären

Joho123 hat Folgendes geschrieben:
Mal ganz blöd gefragt: wie kann ich mir dann überhaupt sicher sein, dass die Atome im Festkörper alle an den entsprechenden Plätzen im Gitter liegen …

Die Wahrscheinlichkeit, jedes Atom an einem Gitterpunkten zu finden, ist extrem hoch, jedoch eben nicht exakt Eins.

Nur die Frage, welches Atom an welchem Gitterpunkt zu finden sei, ist sinnlos.

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Joho123
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Beitrag Joho123 Verfasst am: 13. Aug 2023 15:31    Titel: Antworten mit Zitat

Danke, jetzt habe ich es hoffentlich verstanden.

Eine Frage bleibt allerdings noch: Wie kommt man von diesen abstrakten Eigenschaften zu den klassischen, die wir von mikroskopischen Körpern kennen
TomS
Moderator


Anmeldungsdatum: 20.03.2009
Beiträge: 18110

Beitrag TomS Verfasst am: 13. Aug 2023 17:10    Titel: Antworten mit Zitat

Indem man sehr komplizierte Gleichungen durch geeignete Näherungen vereinfacht und tatsächlich bestimmte Eigenschaften klassischer Körper berechnet. Ich bin auf dem Gebiet jedoch kein Experte.
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Joho123
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Beitrag Joho123 Verfasst am: 13. Aug 2023 17:39    Titel: Antworten mit Zitat

Ok, danke. Irgendwie müssen ja die klassischen Eigenschaften (makroskopischer Objekte), mit denen wir es in der klassischen Physik zu tun haben, entstehen, sie sind ja keine Illusion.

Danke für die Hilfe, die ich hier bekommen habe.
antaris



Anmeldungsdatum: 12.12.2022
Beiträge: 477
Wohnort: In einem chaotischen Universum

Beitrag antaris Verfasst am: 13. Aug 2023 21:19    Titel: Antworten mit Zitat

TomS hat Folgendes geschrieben:
Das bezieht sich immer auf alles.


Wie ist das mit den Neutrinos? Sie sind ja auch Fermionen und durchdringen den ganzen Raum, ohne dabei nennenswert mit ihren massereicheren "Verwandten" Wechselwirkungen einzugehen und sich dabei im Bezug zu ihnen noch zusätzlich mit Relativgeschwindigkeit gegen c bewegen. Gilt für sie genau das gleiche?
Joho123
Gast





Beitrag Joho123 Verfasst am: 13. Aug 2023 22:06    Titel: Antworten mit Zitat

Ach ja, in meinem vorletzten Beitrag soll eigentlich makroskopische Körper stehen, nicht mikroskopische (blöde Handy Schreibhilfe).
Joho123
Gast





Beitrag Joho123 Verfasst am: 14. Aug 2023 07:18    Titel: Antworten mit Zitat

Und mit den klassischen Eigenschaften meine ich die, der klassischen Physik. Außerdem, dass man wieder ganz ohne Probleme die Körper durchnummerieren kann (wird ja klassisch auch getan).
Playerxz
Gast





Beitrag Playerxz Verfasst am: 15. Aug 2023 14:49    Titel: Antworten mit Zitat

Blöde Frage, darf man denn klassisch problemlos alles durchnummerieren oder ist es dort auch nur ein eigentlich unzulässiges Hilfskonstrukt?
TomS
Moderator


Anmeldungsdatum: 20.03.2009
Beiträge: 18110

Beitrag TomS Verfasst am: 16. Aug 2023 06:59    Titel: Antworten mit Zitat

Playerxz hat Folgendes geschrieben:
Blöde Frage, darf man denn klassisch problemlos alles durchnummerieren oder ist es dort auch nur ein eigentlich unzulässiges Hilfskonstrukt?

Mir fällt tatsächlich nur ein problematischer Fall ein, nämlich das Gibbsche Paradoxon in der statistischen Mechanik.

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Joho123
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Beitrag Joho123 Verfasst am: 16. Aug 2023 07:20    Titel: Antworten mit Zitat

Ja, und da geht es ja um die Entropie von Gasen im gleichen Zustand. Also so gesehen auch wieder um ununterscheidbare Teilchen (Atome des Gases).

In der newtonschen Mechanik ist es dagegen völlig Usus Körper durchzunummerieren, siehe zb Berechnungen an Mehrkörpersystemen.

Was mich halt echt immer noch interessiert, ist, wie kommt man vom ununterscheidbaren zum unterscheidbaren. Also quasi von der Quantenmechanik hin zur newtonschen Mechanik.

Aber vermutlich könnte ich selbst mathematischen Herleitung auch nicht ganz nachvollziehen, da fehlt mir einfach Wissen.
TomS
Moderator


Anmeldungsdatum: 20.03.2009
Beiträge: 18110

Beitrag TomS Verfasst am: 17. Aug 2023 08:52    Titel: Antworten mit Zitat

Das Gibbsche Paradox stammt tatsächlich aus der klassischen Mechanik. Es hat nichts mit der Quantenmechanik zu tun und würde auch für Systeme makroskopischer Teilchen gelten, z.B. identische Tischtennisbälle.
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Sonnenwind



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Beitrag Sonnenwind Verfasst am: 17. Aug 2023 10:18    Titel: Antworten mit Zitat

TomS hat Folgendes geschrieben:
Das Gibbsche Paradox stammt tatsächlich aus der klassischen Mechanik.

Ich verstehe nicht, was daran paradox sein soll. Natürlich nimmt die Entropie nicht zu, wenn ich ein Gas mit sich selbst mische.

Es existiert ja auch kein osmotischer Druck zwischen Luft und Luft. Nehme ich aber Luft und Wasserstoff, so kann sich mittels einer Membran ein osmotischer Druck aufbauen und durch die Druckdifferenz einen Kolben heben, also etwas Arbeit verrichten.

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TomS
Moderator


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Beitrag TomS Verfasst am: 17. Aug 2023 11:16    Titel: Antworten mit Zitat

Sonnenwind hat Folgendes geschrieben:
TomS hat Folgendes geschrieben:
Das Gibbsche Paradox stammt tatsächlich aus der klassischen Mechanik.

Ich verstehe nicht, was daran paradox sein soll. Natürlich nimmt die Entropie nicht zu, wenn ich ein Gas mit sich selbst mische.

Das Paradoxon besteht darin, dass eine nicht zunehmende Entropie mathematisch nur dann folgt, wenn man Ununterscheidbarkeit voraussetzt; andernfalls folgt fälschlicherweise zunehmende Entropie.

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Sonnenwind



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Beiträge: 678

Beitrag Sonnenwind Verfasst am: 17. Aug 2023 11:29    Titel: Antworten mit Zitat

Also für mich ist Entropieänderung = (geleistete Arbeit oder Wärmeübergang) / absoluter Temperatur.

Wenn also weder Arbeit verrichtet wird noch sich Temperaturen ausgleichen, dann ist die Entropieänderung null.

Ich nehme an, dass man aus einer Vereinigung von Sauerstoff und Stickstoff zu Luft so gut wie keine Energie gewinnen kann, obwohl sich O2 stark von N2 unterscheidet.

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TomS
Moderator


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Beiträge: 18110

Beitrag TomS Verfasst am: 17. Aug 2023 13:36    Titel: Antworten mit Zitat

Es geht um die Berechnung des Phasenraumvolumens, der Zustandssumme und der daraus folgenden Entropie mittels der statischen Mechanik.
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Joho123
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Beitrag Joho123 Verfasst am: 17. Aug 2023 20:30    Titel: Antworten mit Zitat

Nur was heißt das jetzt konkret? Ist damit bewiesen, dass man klassisch schon nicht mehr identische makroskopische Körper durchnummerieren darf? Und warum können wir es dann doch in der Realität (zb bei Tischtennisbällen)? Und in der newtonschen Mechanik wird es doch auch gemacht. Bin etwas verwirrt....
TomS
Moderator


Anmeldungsdatum: 20.03.2009
Beiträge: 18110

Beitrag TomS Verfasst am: 17. Aug 2023 21:15    Titel: Antworten mit Zitat

Joho123 hat Folgendes geschrieben:
Nur was heißt das jetzt konkret? Ist damit bewiesen, dass man klassisch schon nicht mehr identische makroskopische Körper durchnummerieren darf?

Ja. Zumindest in bestimmten Fällen.

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Joho123
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Beitrag Joho123 Verfasst am: 17. Aug 2023 21:23    Titel: Antworten mit Zitat

Und warum kann ich dann identische Tischtennisbälle ohne Probleme durchnummieren und unterscheiden?
Sonnenwind



Anmeldungsdatum: 25.04.2022
Beiträge: 678

Beitrag Sonnenwind Verfasst am: 18. Aug 2023 08:30    Titel: Antworten mit Zitat

TomS hat Folgendes geschrieben:
Es geht um die Berechnung des Phasenraumvolumens, der Zustandssumme und der daraus folgenden Entropie mittels der statischen Mechanik.

Was bitte ist denn ein Phasenraumvolumen? Wenn ich z.B. einen Wassertropfen im Vakuum habe und ein Wassermolekül verlässt den Tropfen und fliegt weg, so kann das Phasenraumvolumen beliebig wachsen nur wegen einem einzigen Wassermolekül.

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Playerxz
Gast





Beitrag Playerxz Verfasst am: 18. Aug 2023 11:01    Titel: Antworten mit Zitat

Bzw. wie relevant ist das gibbsche Paradoxon für reale makroskopische Fälle? Eigentlich doch eher blanke Theorie und irrelevant, oder?
Joho123
Gast





Beitrag Joho123 Verfasst am: 18. Aug 2023 13:37    Titel: Antworten mit Zitat

Für mich ist es irgendwie widersprüchlich. In der einen Situation darf ich mikroskopisch Körper durchnummerieren, in der anderen nicht. Aber wahrscheinlich löst sich der Widerspruch in der Realität auf, weil es keine identischen makroskopischen Körper gibt.
Joho123
Gast





Beitrag Joho123 Verfasst am: 18. Aug 2023 17:08    Titel: Antworten mit Zitat

Anscheinend tritt das Paradoxon nicht mal zwingend klassisch auf, es hängt eher von einer unsauberen Beschreibung ab: fiona.uni-hamburg.de/4d70bb3f/vorl23.pdf

Etwas ähnliches konnte ich in einem anderen Physik Forum von Arnold Neumaier, auch ein Physik Experte, lesen.

Was sagen die Experten dazu hier?
TomS
Moderator


Anmeldungsdatum: 20.03.2009
Beiträge: 18110

Beitrag TomS Verfasst am: 18. Aug 2023 17:47    Titel: Antworten mit Zitat

Playerxz hat Folgendes geschrieben:
Bzw. wie relevant ist das gibbsche Paradoxon für reale makroskopische Fälle? Eigentlich doch eher blanke Theorie und irrelevant, oder?

Nein.

Warum sollte es denn irrelevant sein, wenn die Berechnung der Entropie bei der Mischung von Gasmengen falsch ist?

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TomS
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Anmeldungsdatum: 20.03.2009
Beiträge: 18110

Beitrag TomS Verfasst am: 18. Aug 2023 18:00    Titel: Antworten mit Zitat

Joho123 hat Folgendes geschrieben:
Was sagen die Experten dazu hier?

Es geht um die Abzählung von Konfigurationen.

Bei Atomen ist es irrelevant, ob zwei Konfigurationen sich ausschließlich durch die gedachte Nummerierung unterscheiden. Da die Nummerierung künstliche ist, sind derartige Konfigurationen identisch.

Beispiel: zwei Atome, die sich in zwei Hälften eines Kastens befinden können; bezeichnen wir diese mit L für links und R für rechts; dann gibt es die drei Konfigurationen {LL, LR = RL, RR}, nicht vier Konfigurationen {LL, LR, RL, RR}.

Zum Sprachgebrauch: "ein Atom befindet sich links, das andere rechts"; nicht "dieses Atom Alice befindet sich links, das andere Atom Bob rechts" oder "dieses Atom Bob befindet sich links, das andere Atom Alice rechts"

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Joho123
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Beitrag Joho123 Verfasst am: 18. Aug 2023 23:19    Titel: Antworten mit Zitat

Ich glaube, ich habe mich missverständlich ausgedrückt, sorry.
Eher meinte ich, dass es keine ununterscheidbaren Tischtennisbälle gibt, deren Entropie man berechnet. Bzw. wollte ich darauf hinaus, dass es ab einer gewissen größe schon zulässig ist zu sagen, dass man zwischen Körpern oder Gegenständen unterscheiden kann, auch wenn sie optisch gleich aussehen (sodass man sagen kann, Körper1 befindet sich rechts im Behälter, Körper 2 links).
Dass es für Gase das Gibbsche Paradoxon, also die Mischung gleicher Gase ohne Entropieanstieg, gültig ist, ist doch unbestritten. Deshalb fand ich den Link von der Uni Hamburg so interessant, wo diese Phänomene ganz ohne Paradoxon, aber klassisch, erklärt wurden. Da würde ich es echt mal interessieren, wie die Thermodynamiker zu solch einem Papier stehen.
TomS
Moderator


Anmeldungsdatum: 20.03.2009
Beiträge: 18110

Beitrag TomS Verfasst am: 19. Aug 2023 06:52    Titel: Antworten mit Zitat

Joho123 hat Folgendes geschrieben:
… dass es ab einer gewissen Größe schon zulässig ist zu sagen, dass man zwischen Körpern oder Gegenständen unterscheiden kann, auch wenn sie optisch gleich aussehen (sodass man sagen kann, Körper1 befindet sich rechts im Behälter, Körper 2 links).

Nein, das ist nicht der Fall.

Die Größe der Körper spielt bei diesem Argument bzw. bei der Lösung des Gibbschen Paradoxons keine Rolle.

Joho123 hat Folgendes geschrieben:
Dass es für Gase das Gibbsche Paradoxon, also die Mischung gleicher Gase ohne Entropieanstieg, gültig ist, ist doch unbestritten. Deshalb fand ich den Link von der Uni Hamburg so interessant, wo diese Phänomene ganz ohne Paradoxon, aber klassisch, erklärt wurden.

Natürlich löst sich das Paradoxon ganz simpel, wenn man die Unterscheidbarkeit fallen lässt.

Dazu reicht die Thermodynamik m.E. jedoch nicht aus, man muss die statistische Mechanik bemühen. Das erkennt man auch in deinem verlinkten Skript: natürlich wird richtigerweise auf die Relevanz der Makrozustände hingewiesen, aber es erfolgt keine Berechnung der Entropie auf Basis der Mikrozustände; die Argumentation bleibt unvollständig, so lange man nicht versteht, wie genau denn nun deren Ununterscheidbarkeit ins Spiel kommt.

Konkret bedeutet Ununterscheidbarkeit, dass für N Teilchen in einem Mikrozustand



dieser Mikrozustand nur einmal gezählt werden darf; bei Unterscheidbarkeit gibt es jedoch N! derartige Mikrozustände. Man benötigt nun ein Argument, warum dieser Mikrozustand nur einmal gezählt werden darf; dazu muss man aber den Mikrozustand erst einmal betrachten, und man muss den Faktor N! verstehen. Das leistet die Thermodynamik nicht, da sie keine Mikrozustände betrachtet.

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Joho123
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Beitrag Joho123 Verfasst am: 19. Aug 2023 09:31    Titel: Antworten mit Zitat

Mal angenommen, ich habe einen riesen Behälter, in dem Tischtennisbälle geordnet drinnen liegen. Diese Ordnung wird nun durcheinander gebracht und die Entropie erhöht. Trotzdem könnte ich vorher die Bälle durchnummerieren, oder sonst wie markieren. Dann kann ich sehr wohl sagen, Ball 1 ist links, Ball 5 rechts unten usw.


Ich verstehe schon, warum man LR=RL zählt. Wahrscheinlich scheitert mein gedankliches Experiment daran, weil in der Realität Tischtennisbälle nicht identisch sind ....

Zu dem Paper: ich wollte hier nur darauf hinweisen, dass das Paradoxon in der Thermodynamik gar nicht auftritt, wenn die Systembeschreibung wie dort beschrieben richtig gewählt wird. Somit ist es dann wahrscheinlich dich eher ein Problem der statistischen Mechanik, wo halt die Ununterscheidbarkeit eingeführt werden muss, damit innerhalb dieser derartige Probleme nicht entstehen.
Aruna_Gast
Gast





Beitrag Aruna_Gast Verfasst am: 19. Aug 2023 11:14    Titel: Antworten mit Zitat

Joho123 hat Folgendes geschrieben:
Mal angenommen, ich habe einen riesen Behälter, in dem Tischtennisbälle geordnet drinnen liegen. Diese Ordnung wird nun durcheinander gebracht
und die Entropie erhöht.


Das bedeutet, dass sich ein neuer Makrozustand einstellt, der sich durch mehr Mikrozustände realisieren lässt, als der vorherige "geordnete" Makrozustand. Auch schon bei ununterscheidbaren Teilchen.

Joho123 hat Folgendes geschrieben:

Trotzdem könnte ich vorher die Bälle durchnummerieren, oder sonst wie markieren.
Dann kann ich sehr wohl sagen, Ball 1 ist links, Ball 5 rechts unten usw.


Und dann? Was ist Dein Punkt?
Wie unterscheidet sich Deiner Meinung nach die Entropieerhöhung, wenn die markierten Bälle durcheinander gebracht werden, gegenüber derjenigen, wenn die ununterscheidbaren durcheinander gebracht werden?

Joho123 hat Folgendes geschrieben:

Ich verstehe schon, warum man LR=RL zählt. Wahrscheinlich scheitert mein gedankliches Experiment daran, weil in der Realität Tischtennisbälle nicht identisch sind ....


Laut dem von Dir verlinkten Skript kommt es darauf an, ob die Markierung thermodynamisch relevant ist, oder nicht.

Joho123 hat Folgendes geschrieben:

Zu dem Paper: ich wollte hier nur darauf hinweisen, dass das Paradoxon in der Thermodynamik gar nicht auftritt, wenn die Systembeschreibung wie dort beschrieben richtig gewählt wird. Somit ist es dann wahrscheinlich dich eher ein Problem der statistischen Mechanik, wo halt die Ununterscheidbarkeit eingeführt werden muss, damit innerhalb dieser derartige Probleme nicht entstehen.


Der Autor des Skripts argumentiert IMO auch mit "Ununterscheidbarkeit":
Wenn die Teilchen physikalisch nicht unterscheidbar sind, kann man keine semipermeablen Wände bauen, um die vermischten Teilchen wieder zu trennen.

Bei der Auflösung von Paradoxon 1 steht:

Zitat:
Mischung produziert Entropie heißt:
man kann die Gase wieder entmischen und das System reversibel in den Ausgangszustand zurückführen, wobei eine Änderung in der Umgebung zurückbleibt


Ein Gas aus ununterscheidbaren Teilchen kannst Du nicht entmischen.
Auch mit einer Markierung sind die Teilchen in diesem Sinne noch ununterscheidbar, falls Die Markierung selbst nicht zu einer Entmischung genutzt werden kann, oder thermodynamische Zustände unterschieden werden können:

Zitat:
•die Variable “Farbe” ist also thermodynamisch sinnlos, TD Zustände können nicht mit ihr unterschieden werden, es ist sinnlos, den “durchmischten” und den “geordneten” Zustand als verschieden zu betrachten,
TomS
Moderator


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Beitrag TomS Verfasst am: 19. Aug 2023 11:16    Titel: Antworten mit Zitat

Joho123 hat Folgendes geschrieben:
Ich verstehe schon, warum man LR=RL zählt. Wahrscheinlich scheitert mein gedankliches Experiment daran, weil in der Realität Tischtennisbälle nicht identisch sind.

Genau.

Es geht dabei nicht darum, dass die Merkmale für die Thermodynamik relevant sein müssen. Zählt man z.B. die Zustände freier Teilchen, so haben bestimmte Merkmale wie der Spin keinen Einfluss auf die kinetische Energie. Trotzdem muss man nun bei der Statistik unterschiedliche Spinzustände einzeln zählen.

Joho123 hat Folgendes geschrieben:
Zu dem Paper: ich wollte hier nur darauf hinweisen, dass das Paradoxon in der Thermodynamik gar nicht auftritt, wenn die Systembeschreibung wie dort beschrieben richtig gewählt wird.

Natürlich. Wenn man es richtig macht, funktioniert es richtig.

Der Punkt ist, dass man – um es in der Thermodynamik richtig zu machen – vom korrekten Endergebnis her argumentieren muss. Aber das ist unbefriedigend.

Der Autor argumentiert auch nicht streng thermodynamisch. Er betrachtet unterscheidbare und ununterscheidbare Mikrozustände, schmuggelt also Argumente aus der statistischen Mechanik ein. Die Thermodynamik alleine kennt keine Mikrozustände und keinen Entropiebegriff im Sinne von Unordnung bzw. Anzahl der Mikrozustände.

Joho123 hat Folgendes geschrieben:
Somit ist es dann wahrscheinlich dich eher ein Problem der statistischen Mechanik, wo halt die Ununterscheidbarkeit eingeführt werden muss, damit innerhalb dieser derartige Probleme nicht entstehen.

Nein.

Es ist umgekehrt ein Problem der Thermodynamik, dessen Lösung erst im Rahmen der statistischen Mechanik verstanden werden kann, streng genommen sogar erst im Rahmen der relativistischen Quantenstatistik.

https://en.wikipedia.org/wiki/Spin–statistics_theorem

Erst damit entfallen ad hoc Begründungen, die man nur deswegen einführt, damit das Ergebnis passt. Auch der Autor macht m.E. nichts anderes: er zieht neben der Thermodynamik auch andere Argumente hinzu, weil er weiß, was bei der Rechnung herauskommen soll.

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TomS
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Beitrag TomS Verfasst am: 19. Aug 2023 11:50    Titel: Antworten mit Zitat

Evtl. lohnt es sich, dieses Paper zu lesen:

https://bayes.wustl.edu/etj/articles/gibbs.paradox.pdf
THE GIBBS PARADOX
E. T. Jaynes
Department of Physics. Washington University, St. Louis, Missouri 63130 USA.

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Joho123
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Beitrag Joho123 Verfasst am: 20. Aug 2023 08:49    Titel: Antworten mit Zitat

Hallo TomS,

Vielen Dank für deine Ausführungen, wenn ich Zeit finde, werde ich mir das Paper mal anschauen.

Wie gesagt, mein Denkfehler war eigentlich hauptsächlich folgender: dadurch, dass du geschrieben hast, dass die Ununterscheidbarkeit prinzipiell auch für makroskopische Dinge gilt, habe ich es direkt mit der Realität assoziiert. Du hast dich jetzt aber rein auf die Mathematik (und das Gibbs Paradoxon) bezogen.
In der Realität gibt es natürlich keine ununterscheidbaren makroskopischen Körper, ausgenommen reine Gase und reine Flüssigkeiten (bei welchen wir beim Gibbs Paradoxon wären). Aber keine ununterscheidbare kleine Kugelkörper oder ähnliches, die sind unterscheidbar (auch wenn das mit bloßem Auge nicht sichtbar ist), weshalb ich auch problemlos die newtonsche Mechanik anwenden darf.
Und bei den Gasen begründet es sich so gesehen ja auch wieder durch die einzelnen Atome bzw Moleküle, die ununterscheidbar sind. Also passt doch alles.
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