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TomS
Moderator


Anmeldungsdatum: 20.03.2009
Beiträge: 18110

Beitrag TomS Verfasst am: 22. Jul 2023 12:34    Titel: Antworten mit Zitat

Jupp_@ hat Folgendes geschrieben:
liefert die VWI + Dekohärenz praktisch andere Beobachtungen als Kopenhagener + Dekohärenz?

Nein.

Dekohärenz ist einfach ein mathematischer Mechanismus, der immer gleich funktioniert. Er liefert aber eine Superposition klassischer Zustände, obwohl wir nur einen einzigen beobachten.

Die VWI sagt – als Interpretation der Mathematik der Dekohärenz – dass die Superposition tatsächlich existiert, wir letztlich Teil davon sind, und deswegen nur einen Zweig aus der Superposition wahrnehmen.

Die KI sagt – nach Meinung vieler in einem gewissen Spannungsverhältnis zur Dekohärenz – dass wir den Messprozess nicht quantenmechanisch verstehen können, einen Kollaps fordern, und zwar in den Zustand, den wir beobachten.

Während die VWI auf Basis der Dekohärenz erklärt, warum wir nur einen Zweig aus der Superposition wahrnehmen, ignoriert die KI die Ergebnisse der Dekohärenz und postuliert, dass wir nur einen Zweig aus der Superposition wahrnehmen.

Bzgl. der Beobachtung ist das das selbe.

Jupp_@ hat Folgendes geschrieben:
bzw ist die Dekohärenz wirklich unverträglich mit der Kopenhagener (wie in Wikipedia)?

Was genau sagt denn Wikipedia?

Und wo genau soll das Problem liegen?

Die KI konnte die Dekohärenz noch nicht berücksichtigen, sie war einfach knapp fünfzig Jahre früher dran. Sie heute noch so zu akzeptieren wie damals, wirkt extrem künstlich – wobei sie auch früher schon nicht wirklich vollständig durchdacht erschien und das beste Argument zu Ihren Gunsten ein „mit egal, es funktioniert irgendwie“ war. Also ja, die KI hat ein Problem mit der Dekohärenz, aber das ignoriert sie halt genauso wie andere auch. Dass der naive Kollaps teilweise explizit falsch ist, weiß man seit Ende der zwanziger Jahre! (Mott - später mehr).

Und für die Dekohärenz ist die KI egal. Die Dekohärenz löst auf Basis sauberer mathematischer Methoden, unter Verzicht auf den Kollaps und zunächst ohne irgendwelche Interpretationen physikalische Probleme.

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Niels Bohr brainwashed a whole generation of theorists into thinking that the job (interpreting quantum theory) was done 50 years ago.
Jupp_@
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Beitrag Jupp_@ Verfasst am: 22. Jul 2023 12:38    Titel: Antworten mit Zitat

Oh sorry, ich habe viel zu spät gesehen, dass TomS seinen letzten Beitrag ergänzt hat.

Welche neueren Interpretationen (ohne viele Welten) kommen denn besser mit der Dekohärenz klar?
Aruna



Anmeldungsdatum: 28.07.2021
Beiträge: 795

Beitrag Aruna Verfasst am: 22. Jul 2023 12:47    Titel: Antworten mit Zitat

TomS hat Folgendes geschrieben:

Jupp_@ hat Folgendes geschrieben:
bzw ist die Dekohärenz wirklich unverträglich mit der Kopenhagener (wie in Wikipedia)?

Was genau sagt denn Wikipedia?

Und wo genau soll das Problem liegen?


Wikipedia gibt als Grund für die Unvereinbarkeit an, dass die Kopenhagener Interpretation Messgeräte als „klassische“, nicht quantenmechanisch beschreibbare Systeme definiert."

In der angegebenen Quelle findet sich:

Zitat:
Insbesondere geht die Kopenhagener Deutung von der Existenz makroskopischer Messapparaturen aus, die der klassischen Physik gehorchen und die der klassischen Physik gehorchen und die nicht quantenmechanisch beschrieben werden sollen (in scharfem Gegensatz zum von-Neumann-Messschema, das eher zur Standardinterpretation gehört).
Interpretation gehört); ein solcher klassischer Apparat wird als notwendig, um uns quantenmechanische Phänomene in der "klassischen" Welt unserer Erfahrung zugänglich zu machen. Dieser strenge Dualismus zwischen dem System S, das durch die Quantenmechanik beschrieben werden soll, und dem Apparat A, der der klassischen Physik gehorcht, bringt auch die Existenz einer im Wesentlichen festen Grenze zwischen S und A mit sich, die die Mikrowelt von der Makrowelt trennt (der"Heisenberg-Schnitt"). Diese Grenze kann nicht wesentlich verschoben werden, ohne das beobachtete Phänomen zu zerstören
Insbesondere im Lichte der aus der Dekohärenz gewonnenen Erkenntnisse scheint es unmöglich, die Vorstellung einer festen quantenklassischen Grenze auf einer fundamentalen Ebene der Theorie aufrechtzuerhalten. Umweltinduzierte Superselektion und Unterdrückung der Interferenz haben gezeigt, wie quasiklassische robuste Zustände entstehen oder ausbleiben können, allein mit Hilfe des Quantenformalismus und über einen weiten
über einen weiten Bereich von mikroskopischen bis makroskopischen Skalen entstehen oder abwesend bleiben können, und sie haben die Vorstellung begründet, dass die Grenze zwischen S und A weitgehend in Richtung A verschiebbar ist. Ähnliche Ergebnisse wurden bei der allgemeinen Untersuchung von Quanten nicht-zerstörenden Messungen (siehe z.B. Kap. 19
von Auletta, 2000), die die Überwachung eines Systems durch seine Umgebung einschließen. Außerdem ist zu beachten, dass der Apparat, da er klassisch beschrieben wird, per Definition makroskopisch ist; aber nicht jeder Apparat muss makroskopisch sein:
Das eigentliche "Instrument" kann durchaus mikroskopisch sein.
Nur
der "Verstärker" muss makroskopisch sein. [...]



Hier eine bildhafte Darstellung der quantenklassischen Grenze:

https://3.bp.blogspot.com/_rL73HKlqbH0/TJmBDlDNJBI/AAAAAAAABDo/4mrobbDRYhA/s1600/zurek%26bohr.jpg
TomS
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Anmeldungsdatum: 20.03.2009
Beiträge: 18110

Beitrag TomS Verfasst am: 22. Jul 2023 13:25    Titel: Antworten mit Zitat

Danke.

Wenn man das so präzisiert, resultiert die genannten Unverträglichkeit. Allerdings konnten sich nicht mal Bohr und Heisenberg auf eine gemeinsame Präzisierung einigen.

Hier steht etwas mehr dazu:

https://plato.stanford.edu/entries/qm-copenhagen/#DivVie

E. T. Jaynes beschreibt das als "a peculiar mixture describing in part realities of Nature, in part incomplete human information about Nature – all scrambled up together by Heisenberg and Bohr into an omelette that nobody has seen how to unscramble".

Ich bin auch nicht der Meinung, dass es notwendig ist, diese Wirrnis irgendwie zu klären. Wichtig ist nur, dass da viel Quatsch erzählt wurde – und leider bis auf den heutigen Tag immer noch erzählt wird – und dass es Alternativen gibt.

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Sonnenwind



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Beiträge: 678

Beitrag Sonnenwind Verfasst am: 22. Jul 2023 13:42    Titel: Antworten mit Zitat

Aruna hat Folgendes geschrieben:
Hier eine bildhafte Darstellung der quantenklassischen Grenze:

https://3.bp.blogspot.com/_rL73HKlqbH0/TJmBDlDNJBI/AAAAAAAABDo/4mrobbDRYhA/s1600/zurek%26bohr.jpg

Wo die Grenze liegt wurde berechnet, die Eigengravitation eines Körpers hält seine Welle zusammen.

https://de.wikipedia.org/wiki/Schr%C3%B6dinger-Newton-Gleichung

》Im Bereich von 10^10 atomaren Masseneinheiten liegt die kritische Größe im Bereich von Mikrometern, so dass möglicherweise in Zukunft eine experimentelle Prüfung der Schrödinger-Newton-Gleichung möglich ist.《

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TomS
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Beiträge: 18110

Beitrag TomS Verfasst am: 22. Jul 2023 14:03    Titel: Antworten mit Zitat

Sonnenwind hat Folgendes geschrieben:
Wo die Grenze liegt wurde berechnet …

Das klingt so, als wäre die Schrödinger-Newton-Gleichung verbreitet und weithin akzeptiert.

Erstens hat sie intrinsische Probleme bzw. offene Fragen, z.B. die Frage nach Konvergenz, Unitarität (ich lese nur die Behauptung), stabilem Grundzustand (im Allgemeinen) u.a. Zweitens existieren offensichtlich weitere Probleme, so der Konflikt mit Lokalität und Lorentzinvarianz d.h. der Relativitätstheorie. Man benötigt demnach eine relativistische Erweiterung, und das bedeutet
1) die Allgemeine Relativitätstheorie, da Gravitation in der Speziellen Relativitätstheorie inkonsistent ist, und die relativistische Quantenmechanik wie z.B. die Diracgleichung, wobei wir hier wiederum wissen, dass diese erst mit
2) der relativistischen Quantenfeldtheorie sinnvoll ist.
Sowohl (1) und (2) für sich als auch die Kombination von beiden ist jedoch ebenfalls mathematisch unvollständig bzw. explizit inkonsistent.

Dass die Schrödinger-Newton-Gleichung nur ein Grenzfall ist, ist jedenfalls klar.

Sie kann evtl. Hinweise liefern, in die Richtung des Kollapses zu forschen, von einer echten Lösung ist sie weit entfernt. Penrose hat das vorgeschlagen, große Resonanz hat das nicht ausgelöst.

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Jupp_@
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Beitrag Jupp_@ Verfasst am: 22. Jul 2023 14:22    Titel: Antworten mit Zitat

Aber welche Interpretationen sind denn, mal abgesehen von der VWI, alternativen zu Kopenhagen, und haben keine Probleme mit Dekohärenz?
Sonnenwind



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Beiträge: 678

Beitrag Sonnenwind Verfasst am: 22. Jul 2023 14:27    Titel: Antworten mit Zitat

TomS hat Folgendes geschrieben:
Dass die Schrödinger-Newton-Gleichung nur ein Grenzfall ist, ist jedenfalls klar.

Ich behaupte nicht, dass die S-N-Gleichung der Weisheit letzter Schluss ist, aber für die Frage, ob der Mond auch da ist, wenn keiner hinschaut, kann man die Relativitätstheorie gerne in der Vorratskammer lassen.

Eines ist jedoch klar: Wenn sich die psi-Welle im Inertialsystem nach Schrödinger ausbreitet, dann kann sie das logischerweise im dazu beschleunigten System nicht genauso tun. Ansonsten wäre das Äquivalenzprinzip verletzt. Und das Äquivalenzprinzip lässt sich selbstverständlich auch unter Newton definieren.

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TomS
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Anmeldungsdatum: 20.03.2009
Beiträge: 18110

Beitrag TomS Verfasst am: 22. Jul 2023 15:29    Titel: Antworten mit Zitat

Sonnenwind hat Folgendes geschrieben:
… aber für die Frage, ob der Mond auch da ist, wenn keiner hinschaut, kann man die Relativitätstheorie gerne in der Vorratskammer lassen.

Klar.

Ich wollte nur dein „Wo die Grenze liegt wurde berechnet …“ relativieren. Ja, das hat man mittels einiger sehr spezieller Annahmen berechnet.

Sonnenwind hat Folgendes geschrieben:
Wenn sich die psi-Welle im Inertialsystem nach Schrödinger ausbreitet, dann kann sie das logischerweise im dazu beschleunigten System nicht genauso tun. Ansonsten wäre das Äquivalenzprinzip verletzt. Und das Äquivalenzprinzip lässt sich selbstverständlich auch unter Newton definieren.

Ich verstehe nicht, was du damit sagen willst.

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Sonnenwind



Anmeldungsdatum: 25.04.2022
Beiträge: 678

Beitrag Sonnenwind Verfasst am: 22. Jul 2023 15:54    Titel: Antworten mit Zitat

TomS hat Folgendes geschrieben:
Sonnenwind hat Folgendes geschrieben:
Wenn sich die psi-Welle im Inertialsystem nach Schrödinger ausbreitet, dann kann sie das logischerweise im dazu beschleunigten System nicht genauso tun. Ansonsten wäre das Äquivalenzprinzip verletzt. Und das Äquivalenzprinzip lässt sich selbstverständlich auch unter Newton definieren.

Ich verstehe nicht, was du damit sagen willst.

Ich will damit sagen, dass die Gravitation in die Schrödingergleichung rein muss. Wenn sich in einem frei auf die Erde fallenden System eine Welle ausbreitet, so tut sie das relativ zur Erde natürlich mit der zusätzlichen Erdbeschleunigung.

Im Übrigen bin ich der Meinung, dass man Gegenstände, die weit schwerer sind als die berechnete Grenze, als klassische Objekte betrachten darf.

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TomS
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Anmeldungsdatum: 20.03.2009
Beiträge: 18110

Beitrag TomS Verfasst am: 22. Jul 2023 17:24    Titel: Antworten mit Zitat

Sonnenwind hat Folgendes geschrieben:
Ich will damit sagen, dass die Gravitation in die Schrödingergleichung rein muss.

Das ist klar (wenngleich man normalerweise erwartet, dass die Effekte vernachlässigbar sind).

In der Schrödinger-Newton-Gleichung erfolgt das jedoch über eine Selbstwechselwirkung, wodurch die Gleichung nicht-linear wird. Und das ist zunächst keineswegs klar.

Sonnenwind hat Folgendes geschrieben:
Im Übrigen bin ich der Meinung, dass man Gegenstände, die weit schwerer sind als die berechnete Grenze, als klassische Objekte betrachten darf.

Dann hast du die Message nicht wirklich verstanden. Diese „Gegenstände“ sind makroskopische Quantensysteme, d.h. man muss erst zeigen, dass sie so wie vertraute klassische Gegenstände erscheinen – und das ist bisher nicht gelungen.

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Jupp_@
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Beitrag Jupp_@ Verfasst am: 22. Jul 2023 19:31    Titel: Antworten mit Zitat

Ich will ja nun wirklich niemanden nerven oder gar trollen, aber kennt denn niemand Interpretationen, die mit Dekohärenz und ohne viele Welten klar kommen (von mir aus auch instrumentalistisch)?
Aruna



Anmeldungsdatum: 28.07.2021
Beiträge: 795

Beitrag Aruna Verfasst am: 22. Jul 2023 19:59    Titel: Antworten mit Zitat

Jupp_@ hat Folgendes geschrieben:
Ich will ja nun wirklich niemanden nerven oder gar trollen, aber kennt denn niemand Interpretationen, die mit Dekohärenz und ohne viele Welten klar kommen (von mir aus auch instrumentalistisch)?


Aus oben genannter Quelle zum Verhältnis von Dekohärenz und Kollapsmodellen:

Zitat:
Die Dekohärenz hat den entscheidenden Vorteil, dass sie sich direkt aus den Gesetzen der Standard-Quantenmechanik ableiten lässt, während die derzeitigen Kollapsmodelle ihren Reduktionsmechanismus als ein neues fundamentales Naturgesetz postulieren müssen. Andererseits liefern die Kollapsmodelle zumindest für alle praktischen Zwecke richtige Mischungen.
Sie sind also in der Lage, eine "objektive" Lösung für das Messproblem zur Verfügung zu stellen. Die formale Ähnlichkeit zwischen den Zeitentwicklungsgleichungen der Kollaps- und Dekohärenzmodelle nährt die Hoffnung, dass die postulierten Reduktionsmechanismen der Kollapsmodelle möglicherweise aus der allgegenwärtigen und unvermeidlichen Wechselwirkung eines jeden physikalischen Systems mit seiner Umgebung und den daraus resultierenden den daraus resultierenden Dekohärenzeffekten abgeleitet werden könnten. Wir dürfen daher Kollapsmodelle und Dekohärenz nicht als sich gegenseitig ausschließende ausschließende Alternativen zur Lösung des Messproblems
Lösung des Messproblems betrachten, sondern als mögliche Kandidaten für eine fruchtbare Vereinheitlichung.

Für einen vagen Vorschlag in diese Richtung siehePessoa (1998); vgl. auch Di'osi (1989) und Pearle (1999) für Spekulationen, dass die Quantengravitation als eine kollabierende universelle "Umgebung" wirken könnte.


bzw. allgemein zum Verhältnis der Dekohärenz zu verschiedenen Interpretationen:

Zitat:
um nur einige Anwendungen zu nennen, kann die Dekohärenz ein universelles Kriterium für die Auswahl der Zweige in Relativzustandsinterpretationen Interpretationen und ein physikalisches Argument für die Nichtinterferenz zwischen diesen Zweigen aus der Sicht eines Beobachters liefern; in Modalinterpretationen kann sie verwendet werden, um empirisch adäquate Mengen von Eigenschaften zu spezifizieren, die Systemen zugeschrieben werden können; in Kollapsmodellen können die freien Parameter (und möglicherweise sogar die Art des Reduktionsmechanismus
Mechanismus selbst) aus den Wechselwirkungen mit der Umwelt ableitbar sein
Wechselwirkungen ableiten; Dekohärenz kann auch bei der Auswahl der quasiklassischen Teilchenbahnen in der Bohmschen Mechanik helfen, und sie kann als effizienter Mechanismus dienen, um quasiklassischen Historien im Ansatz der konsistenten Historien dienen. Darüber hinaus hat sich gezeigt, dass die Dekohärenz die empirische Angemessenheit und damit die empirische
Gleichwertigkeit verschiedener Interpretationsansätze gewährleisten kann, was
was einige zu der Behauptung veranlasst hat, dass die Wahl beispielsweise zwischen der orthodoxen und der Everett-Interpretation zu einer "reinen Geschmacksfrage wird, die in etwa dem entspricht ob man die mathematische Sprache oder die menschliche Sprache für fundamentaler hält"
(Tegmark, 1998,
p. 855).
TomS
Moderator


Anmeldungsdatum: 20.03.2009
Beiträge: 18110

Beitrag TomS Verfasst am: 22. Jul 2023 21:34    Titel: Antworten mit Zitat

Kann ich bei beiden nicht so ganz mitgehen.

Im ersten Zitat geht’s bei den Kollapsmodellen wohl um Modifikationen der Theorie, nicht um deren Interpretation. Auch der gravitationsinduzierte Kollaps ist eine derartige Modifikation.

Im zweiten Zitat hat Tegmark bzgl. der Epistemik recht. Aber irgendwie erscheint das ziemlich zusammengewürfelt.

@Jupp - ich würde insbs. noch die Consistent Histories nennen.

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Jupp_@
Gast





Beitrag Jupp_@ Verfasst am: 22. Jul 2023 22:19    Titel: Antworten mit Zitat

Danke für eure Hilfe.

Haben die Consistent Histories nicht auch ein "Viele Welten" Modell, bzw. war dort die Vergangenheit nicht richtig festgelegt? Hab mich schon mal vor Ewigkeiten dazu belesen, aber weiß es nicht mehr genau.

Was ist mit anderen Interpretationen wie Ensemble, Qbism etc?
Aruna



Anmeldungsdatum: 28.07.2021
Beiträge: 795

Beitrag Aruna Verfasst am: 22. Jul 2023 23:17    Titel: Antworten mit Zitat

TomS hat Folgendes geschrieben:
Kann ich bei beiden nicht so ganz mitgehen.

Im ersten Zitat geht’s bei den Kollapsmodellen wohl um Modifikationen der Theorie, nicht um deren Interpretation.


Es geht IMO um die Modifikation der Kollapsmodelle, so dass die mit der
Dekohärenz vereinbar sind. (weiter oben wird dargestellt, wo die Probleme liegen). Wenn diese vereinbar sind, dann ist die Interpretation einer Wechselwirkung als Kollaps in einen einzelnen (quasiklassischen) Zustand eben mit der Dekohärenz vereinbar und die viele-Welten-Interpretation Theorie nicht zwingend.

TomS hat Folgendes geschrieben:

Im zweiten Zitat hat Tegmark bzgl. der Epistemik recht. Aber irgendwie erscheint das ziemlich zusammengewürfelt.


Das sind IMO nur Beispiele für verschiedene Interpretationen und der TE hat ja nach der Vereinbarkeit von Interpretationen mit der Dekohärenz gefragt.
Ich entnehme dem Zitat, dass viele Interpretationen mit der Dekohärenz vereinbar sind, auch solche, von denen ich noch nie gehört habe.
Jupp_@
Gast





Beitrag Jupp_@ Verfasst am: 23. Jul 2023 00:23    Titel: Antworten mit Zitat

Habe gerade nochmal bezüglich der Consistent Histories nachgelesen. Anscheinend soll da tatsächlich die Vergangenheit nicht mehr festgelegt sein, da es ja mehrere Möglichkeiten an konsistenten Ereignissen gab.


Aber widerspricht das nicht jeglicher Vernunft? Wie soll man denn dann zb seine eigene Vergangenheit betrachten? Ich bin verwirrt. Oder habe etwas falsch verstanden?
TomS
Moderator


Anmeldungsdatum: 20.03.2009
Beiträge: 18110

Beitrag TomS Verfasst am: 23. Jul 2023 11:05    Titel: Antworten mit Zitat

Zunächst: sind wir uns einig, dass Kollapsmodelle eine ggü. der Quantenmechanik modifizierte Dynamik enthalten, die den Kollaps als Ergebnis der normalen Zeitentwicklung beinhaltet, während Kollapsinterpretationen die unitäre Dynamik der Quantenmechanik nicht modifizieren, jedoch einen zusätzlichen Kollaps postulieren?

Die offensichtliche Schwäche letzterer ist ja, dass der Kollaps als Bestandteil der Axiome auftritt, jedoch im Licht der Dekohärenz nicht vollständig formuliert werden kann. Von Neumann hat sein Projektionspostulat klar formuliert. Zur Berücksichtigung der Dekohärenz müsste man es modifizieren im Sinne von „im Zuge einer Messung erfolgt ein Kollaps in einen Zustand, der mittels detaillierter Modelle zu berechnen ist“. Was wäre das denn für eine Axiomatik??

Unabhängig davon, dass wir wissen, dass das Projektionspostulat teilweise modifiziert bzw. sogar aufgegeben werden muss.

Aruna hat Folgendes geschrieben:
Es geht IMO um die Modifikation der Kollapsmodelle, so dass die mit der Dekohärenz vereinbar sind. (weiter oben wird dargestellt, wo die Probleme liegen). Wenn diese vereinbar sind, dann ist die Interpretation einer Wechselwirkung als Kollaps in einen einzelnen (quasiklassischen) Zustand eben mit der Dekohärenz vereinbar und die viele-Welten-Interpretation Theorie nicht zwingend.

Inwiefern vereinbar? Epistemisch? Ja, in gewisser Weise, wenn ich ein funktionierendes Kollapsmodell habe, und eine Kollapsinterpretation auf die Dekohärenz anwende.

Aruna hat Folgendes geschrieben:
Das sind IMO nur Beispiele für verschiedene Interpretationen und der TE hat ja nach der Vereinbarkeit von Interpretationen mit der Dekohärenz gefragt.
Ich entnehme dem Zitat, dass viele Interpretationen mit der Dekohärenz vereinbar sind, auch solche, von denen ich noch nie gehört habe.

Ich würde mich dennoch auf moderne Interpretationen beschränken, da diese zumindest die Chance hatten, die Dekohärenz zu berücksichtigen. Und ich würde Kollapsinterpretationen aus den genannten Gründen ausklammern.

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Aruna



Anmeldungsdatum: 28.07.2021
Beiträge: 795

Beitrag Aruna Verfasst am: 23. Jul 2023 13:25    Titel: Antworten mit Zitat

TomS hat Folgendes geschrieben:
Zunächst: sind wir uns einig, dass Kollapsmodelle eine ggü. der Quantenmechanik modifizierte Dynamik enthalten, die den Kollaps als Ergebnis der normalen Zeitentwicklung beinhaltet, während Kollapsinterpretationen die unitäre Dynamik der Quantenmechanik nicht modifizieren, jedoch einen zusätzlichen Kollaps postulieren?


Ich hatte bisher zwischen beidem nicht dahingehend differenziert, dass ich die als grundsätzlich unterschiedlich oder gegensätzlich betrachtete.
Vielmehr dachte ich, dass Kollapsmodelle beschreiben, wie der von Kollapsinterpretationen postulierte Kollaps denn aussehen soll.

TomS hat Folgendes geschrieben:

Die offensichtliche Schwäche letzterer ist ja, dass der Kollaps als Bestandteil der Axiome auftritt, jedoch im Licht der Dekohärenz nicht vollständig formuliert werden kann. Von Neumann hat sein Projektionspostulat klar formuliert. Zur Berücksichtigung der Dekohärenz müsste man es modifizieren im Sinne von „im Zuge einer Messung erfolgt ein Kollaps in einen Zustand, der mittels detaillierter Modelle zu berechnen ist“. Was wäre das denn für eine Axiomatik??


Ich kenne mich mit Axiomatik nicht so gut aus, aber,
wenn der Kollaps anhand von existierenden Modellen beschreibbar wäre, könnte man doch auf das Axiom, dass den Kollaps postuliert verzichten, bzw. es wäre keines mehr, weil es sich aus der Theorie ergibt.
Hattest Du nicht in einer anderen Diskussion darauf hingewiesen, dass man die bornsche Regel aus der Theorie herleiten kann und daher nicht postulieren müsse, oder habe ich etwas falsch verstanden?

TomS hat Folgendes geschrieben:

Aruna hat Folgendes geschrieben:
Es geht IMO um die Modifikation der Kollapsmodelle, so dass die mit der Dekohärenz vereinbar sind. (weiter oben wird dargestellt, wo die Probleme liegen). Wenn diese vereinbar sind, dann ist die Interpretation einer Wechselwirkung als Kollaps in einen einzelnen (quasiklassischen) Zustand eben mit der Dekohärenz vereinbar und die viele-Welten-Interpretation Theorie nicht zwingend.

Inwiefern vereinbar? Epistemisch? Ja, in gewisser Weise, wenn ich ein funktionierendes Kollapsmodell habe, und eine Kollapsinterpretation auf die Dekohärenz anwende.


Ursprünglich ging es um die Frage, warum in Wikipedia steht, dass die Kopenhagener Deutung und das Dekohärenzprogramm unvereinbar seien.
Ich habe den in Wikipeda als Referenz verlinkten Artikel nach den Schlagworten durchsucht, um herauszufinden, wie das gemeint sei und
es stellte sich heraus, dass die Kopenhagener Deutung als Variante der Standardinterpretation angesehen wird, mit dem zusätzlichen Postulat, dass man eine Messung nur mit klassischen Konzepten beschreiben könne:

Zitat:
Bekanntlich postuliert die Standardinterpretation ("orthodoxe" Quantenmechanik), dass jede Messung einen diskontinuierlichen Bruch in der unitären Zeitentwicklung verursacht Entwicklung des Zustands durch den Kollaps der gesamten Wellenfunktion auf einen ihrer Terme in der Zustandsvektor Expansion (eindeutig bestimmt durch die Eigenbasis der gemessenen Observablen), der einen einzelnen Term in der
Überlagerung auswählt, der das Ergebnis darstellt. Die Art
des Kollapses wird überhaupt nicht erklärt, und somit bleibt die Definition der Messung unklar. Makroskopische Überlagerungen sind nicht a priori verboten,
werden aber nie beobachtet, da jede Beobachtung eine messungsähnliche Wechselwirkung nach sich ziehen würde. Im Folgenden werden wir auch eine "Kopenhagener" Variante der Standardinterpretation betrachten, die ein weiteres Schlüsselelement hinzufügt, indem sie postuliert
die Notwendigkeit von klassischen Konzepten zur Beschreibung von
Quantenphänomene, einschließlich Messungen


Daraus folgere ich, dass die Standardinterpretation, die ja eine Kollapsinterpretation ist, ohne dieses Schlüsselelement durchaus mit Dekohärenz vereinbar wäre, solange die nicht etwas postuliert, das dem Ansatz der Dekohärenz widerspricht.

TomS hat Folgendes geschrieben:

Aruna hat Folgendes geschrieben:
Das sind IMO nur Beispiele für verschiedene Interpretationen und der TE hat ja nach der Vereinbarkeit von Interpretationen mit der Dekohärenz gefragt.
Ich entnehme dem Zitat, dass viele Interpretationen mit der Dekohärenz vereinbar sind, auch solche, von denen ich noch nie gehört habe.

Ich würde mich dennoch auf moderne Interpretationen beschränken, da diese zumindest die Chance hatten, die Dekohärenz zu berücksichtigen.


Dekohärenz berücksichtigen und erklären, wie es zu einem einzelnen Messergebnis kommt, ohne die Schrödingergleichung zu modifizieren?


Zuletzt bearbeitet von Aruna am 23. Jul 2023 13:30, insgesamt einmal bearbeitet
Sonnenwind



Anmeldungsdatum: 25.04.2022
Beiträge: 678

Beitrag Sonnenwind Verfasst am: 23. Jul 2023 13:28    Titel: Antworten mit Zitat

Ich verstehe nicht, warum man so ablehnend gegen meine Idee ist, das mit der klassischen Mechanik zu vergleichen.

Wenn wir eine chaotische Strömung haben und die Strömungsgeschwindigkeit messen wollen, dann ist sie solange in einem Nebel, bis sie jemandem bewusst wird. Für jemanden außerhalb des Labors ist sie immernoch im Nebel.

Durch die Bewusstwerdung lichtet sich der Nebel, aber nicht für jeden gleich.

Also ist logisch hergeleitet, dass die subjektive Interpretation die richtige ist, da sie klassisch wie quantenmechanisch funktioniert.

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Jupp_@
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Beitrag Jupp_@ Verfasst am: 23. Jul 2023 16:57    Titel: Antworten mit Zitat

Jetzt nochmal an die Experten: ist die Vergangenheit in der Consistent Histories wirklich so unbestimmt? Wenn ja, wie kann man das dann überhaupt mit seiner eigenen Vergangenheit in Einklang bringen?
Ich finde leider nicht so viele Infos zu der Interpretation.


Jetzt noch eine zweite Frage: Wenn ich den instrumentalistischen Zugang zur Physik nehme, kann mir dann die Interpretation nicht fast egal sein? Dann habe ich doch schlichtweg einen Mechanismus, mit dem ich Messergebnisse berechnen kann. Ob Kollaps oder kein Kollaps - wäre dann ja egal, weil mir mein Werkzeug ja eh nichts zur Ontologie liefert.
TomS
Moderator


Anmeldungsdatum: 20.03.2009
Beiträge: 18110

Beitrag TomS Verfasst am: 23. Jul 2023 18:01    Titel: Antworten mit Zitat

Sonnenwind hat Folgendes geschrieben:
Ich verstehe nicht, warum man so ablehnend gegen meine Idee ist, das mit der klassischen Mechanik zu vergleichen.

Weil das folgende …
Sonnenwind hat Folgendes geschrieben:
Wenn wir eine chaotische Strömung haben und die Strömungsgeschwindigkeit messen wollen, dann ist sie solange in einem Nebel, bis sie jemandem bewusst wird. Für jemanden außerhalb des Labors ist sie immernoch im Nebel.

Durch die Bewusstwerdung lichtet sich der Nebel, aber nicht für jeden gleich.

… in der klassischen Mechanik möglich aber nicht zwingend ist. Man kann klassischen Systemen und Subsystemen gewisse Eigenschaften zuschreiben, was bei quantenmechanischen Systemen schlichtweg zum Widerspruch mit dem Experiment führt. D.h. gewisse ontische Behauptungen sind in der klassischen Mechanik zulässig, in der Quantenmechanik sicher falsch.

Es ist aber letztlich völlig irrelevant, was wir uns auf Basis unserer Alltagsbegriffe für die Quantenmechanik vorstellen. Vieles in der Diskussion um die angeblichen Rätsel der Quantenmechanik beruht auf der völlig fehlgeleiteten (positivistischen) Idee, dass sich die Natur nach unseren Kategorien der Wahrnehmung richtet.

https://en.m.wikipedia.org/wiki/Kochen–Specker_theorem

Sonnenwind hat Folgendes geschrieben:
Also ist logisch hergeleitet, dass die subjektive Interpretation die richtige ist, da sie klassisch wie quantenmechanisch funktioniert.

Nein, es ist logisch lediglich hergeleitet, dass eine subjektive Interpretation möglich ist, nicht jedoch, dass sie die alleinig mögliche ist.

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TomS
Moderator


Anmeldungsdatum: 20.03.2009
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Beitrag TomS Verfasst am: 23. Jul 2023 18:16    Titel: Antworten mit Zitat

Jupp_@ hat Folgendes geschrieben:
Wenn ich den instrumentalistischen Zugang zur Physik nehme, kann mir dann die Interpretation nicht fast egal sein? Dann habe ich doch schlichtweg einen Mechanismus, mit dem ich Messergebnisse berechnen kann.

Ja.

Wenn man bestimmte (ontische) Fragen nicht stellt, kommt man mit einer minimalistischen Interpretation zu Messergebnissen und Wahrscheinlichkeiten gut klar.

Jupp_@ hat Folgendes geschrieben:
Ob Kollaps oder kein Kollaps - wäre dann ja egal, weil mir mein Werkzeug ja eh nichts zur Ontologie liefert.

Nein.

Weil zumindest der naive Kollaps d.h. das von Neumannsche Projektionspostulat sowie die Gleichsetzung von Eigen- und Messwerten in diversen Fällen zu explizit falschen Resultaten führt – auch wenn sich das immer noch nicht überall herumgesprochen hat.

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Janos
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Beitrag Janos Verfasst am: 23. Jul 2023 19:49    Titel: Antworten mit Zitat

TomS hat Folgendes geschrieben:

Weil [...] die Gleichsetzung von Eigen- und Messwerten in diversen Fällen zu explizit falschen Resultaten führt – auch wenn sich das immer noch nicht überall herumgesprochen hat.


Kannst du einen oder mehrere der Fälle angeben, in denen die Messung einer Observablen, der ein selbstadjungierter Operator zugeordnet ist, zu Messwerten führt, die keine verallgemeinerten Eigenwerte sind?
TomS
Moderator


Anmeldungsdatum: 20.03.2009
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Beitrag TomS Verfasst am: 23. Jul 2023 21:03    Titel: Antworten mit Zitat

In der Quantenfeldtheorie existiert für masselose Teilchen kein Ortsoperator (für massebehaftete funktioniert dies angeblich auch in der QFT).

Dann gibt es zu den von Neumannschen projektiven Messungen die verallgemeinerten unscharfen Messungen, bei denen POVMs tatsächlich keine selbstadjungierten Operatoren liefern (da bin ich kein Experte).

Ein weiteres Problem ist das Mott-Problem für die sukzessiven Ortsmessungen in der Nebelkammer. Wendet man das Projektionspostulat an, so resultiert aus der ersten Ortsmessung ein im Impulsraum isotroper Zustand, aus dem keine gerichtete Spur folgen kann. Mott löste dies ohne jegliche Annahme eines Messprozesses (ich vermute, man kann dies mittels POVMs beschreiben).

Die Probleme sind noch etwas anders gelagert. Zum Beispiel ist die Aussage, das System befinde sich nach der Messung einer Observablen A mit Eigenwert a im entsprechenden Eigenzustand, in einigen Fällen offensichtlich falsch (siehe Mott). Misst man an einem Zustand eines Photons dessen Energie, sie wird das Photon absorbiert und seine Energie irgendwie auf die Freiheitsgrade des Detektors übertragen, d.h. nach der Messung existiert kein Photon mehr, das sich in irgendeinem Energie-Eigenzustand befinden könnte.

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Beitrag Sonnenwind Verfasst am: 24. Jul 2023 10:13    Titel: Antworten mit Zitat

TomS hat Folgendes geschrieben:
Sonnenwind hat Folgendes geschrieben:
Also ist logisch hergeleitet, dass die subjektive Interpretation die richtige ist, da sie klassisch wie quantenmechanisch funktioniert.

Nein, es ist logisch lediglich hergeleitet, dass eine subjektive Interpretation möglich ist, nicht jedoch, dass sie die alleinig mögliche ist.

Nehmen wir eine hypothetische Mechanik, die ich "fast-klassische-Mechanik" nennen möchte. In ihr bewegen sich die Teilchen hauptsächlich klassisch, bekommen aber zusätzlich Poisson-verteilte Stöße aus einer zufälligen Richtung, deren Ursache völlig unbekannt ist. Dann könnten wir trotzdem eine Wahrscheinlichkeitsverteilung angeben. Wir hätten aber eine lineare Wahrscheinlichkeitsüberlagerung ohne das Interferenz-Gedöns.

Wie würde man in diesem Modell den Übergang des Potenziellen in das Faktische mathematisch modellieren? Mit oder ohne Kollaps?

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Beitrag TomS Verfasst am: 24. Jul 2023 10:59    Titel: Antworten mit Zitat

Ohne irgendeine Form des quantenmechanischen Kollaps, weil dazu weder die Notwendigkeit noch die Möglichkeit der mathematischen Formulierung existiert. In deinem Fall liegen schlicht nur Teilchen vor, also was sollte da wie und warum kollabieren?


1) Der Kollaps resultiert – vereinfacht gesprochen nach von Neumann – daher, dass die Mathematik der Quantenmechanik, d.h. konkret die unitäre Zeitentwicklung, einen Zustand



liefert, man jedoch zu einer Observablen A zugehörige Messwerte = Eigenwerte a misst, und meint, im Zuge einer ersten Messung eines speziellen Wertes und anschließend wiederholter Messungen die Reduktion



ansetzen zu müssen.

Wie gesagt, dies wird aus vielen Gründen kritisch gesehen.


2) Es bleibt jedoch die Notwendigkeit, zu erklären, wie und warum innerhalb eines Systems mit präparierten Subsystemen "Teilchen" und "Messgeräten" immer lokalisierte, "teilchenartige Detektorereignisse" resultieren, obwohl wir nach allgemeinem Verständnis delokalisierte Zustände präparieren.


Wie gesagt, (1) ist für ein Photon unzutreffend, da
i. bei der Detektion eines Photons die sogenannte Observable A nicht als Ortsoperator angesetzt werden kann, da dieser mathematisch nicht existiert
ii. es experimentell nicht zutreffend ist, dass der Ort des Photons gemessen wird; gemessen wird z.B. der Ort einer Schwärzung auf einer Photoplatte
iii. das Photon sich nach der Messung nicht in einem Ortseigenzustand befinden kann – zum einen wg. (i, ii), zum anderen weil es nicht mehr existiert.

Diese übliche Erzählung (1) zum Messprozess ist bei genauerem Hinsehen völliger Humbug!!

Räumt man damit auf, so bleibt dennoch (2), z.B. im einfachen Fall eines einzelnen Photons, das durch einen Strahlteiler auf zwei räumlich getrennte Lichtwege geschickt wird – also delokalisiert ist – jedoch nach Zusammenführen der Lichtwege durch Spiegel sowie ggf. Interferenz an genau einem von zwei wiederum räumlich getrennten Detektoren lokalisiert detektiert wird. Die Dekohärenz liefert in einfachen Modellen einen mathematischen Ausdruck, den man als "Detektorereignis bei A" oder "Detektorereignisse bei B" interpretieren kann, während man im realen Experiment eben z.B. "Detektorereignisse bei B" beobachtet. Eine Lokalisierung des Photons bereits unterwegs kann bekanntermaßen experimentell ausgeschlossen werden, wenn man außerdem Interferenzeffekte betrachtet.

Jenseits der ganzen unzureichenden Darstellung nach Kopenhagen und von Neumann bleibt diese Problem ungelöst.


Im Falle der Quantenmechanik führt bereits die Annahme der Lokalisierung – oder anderer klassischer Eigenschaften, siehe Bell, Kochen-Specker u.a. – zu explizit falschen Vorhersagen. In deinem Fall darf ich jedoch ohne Probleme annehmen, dass die Teilchen immer lokalisiert sind, ich lediglich nicht weiß, wo.

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Beitrag TomS Verfasst am: 24. Jul 2023 11:43    Titel: Antworten mit Zitat

Aruna hat Folgendes geschrieben:
Vielmehr dachte ich, dass Kollapsmodelle beschreiben, wie der von Kollapsinterpretationen postulierte Kollaps denn aussehen soll.

Nein.

Kollapsinterpretationen verwenden die Schrödingergleichung und postulieren zusätzlich einen Kollaps (der der Schrödingergleichung mathematisch widerspricht). Kollapsmodelle modifizieren die Schrödingergleichung, so dass mathematisch ein Kollaps resultiert.

Aruna hat Folgendes geschrieben:
… wenn der Kollaps anhand von existierenden Modellen beschreibbar wäre, könnte man doch auf das Axiom, dass den Kollaps postuliert verzichten, bzw. es wäre keines mehr, weil es sich aus der Theorie ergibt.

Wie gesagt, die Modelle modifizieren die Schrödingergleichung; aber ja, unter dieser Annahme ist kein weiteres Kollapspostulat mehr notwendig.

Und nein, nach allgemeinem Verständnis kann der Kollaps nicht aus der Theorie folgen. Die einzige mir bekannte abweichende Meinung ist eben die Thermal Interpretation sowie einige Arbeiten, auf denen diese aufbaut.


Aruna hat Folgendes geschrieben:
Daraus folgere ich, dass die Standardinterpretation, die ja eine Kollapsinterpretation ist, ohne dieses Schlüsselelement durchaus mit Dekohärenz vereinbar wäre, solange die nicht etwas postuliert, das dem Ansatz der Dekohärenz widerspricht.

M.W.n. war dies gerade der Antrieb für die Consistent Histories, also eine verbesserte Standardinterpretation.

Das Problem mit Standardinterpretation und Dekohärenz ist etwas subtil.

Zunächst postuliert von Neumann den Kollaps in einen Zustand mit eindeutigem Eigenwert der gemessenen Observablen plus eindeutigem makroskopischen Zeigerzustand. Das ist – siehe oben – ohnehin problematisch. Dann verwendet von Neumann den Zeigerzustand wie einen Einteilchen-Zustand, jedoch wissen wir von der Dekohärenz, dass es ein komplizierter Vielteilchen-Zustand ist, und dass der wesentliche Effekt von den Umgebungsfreiheitsgraden stammt.

Nimmt man das ernst, fällt nicht nur das Kollapspostulat, sondern auch das Postulat, dass Messwert = Eigenwert ist. Die Dekohärenz besagt, dass für bestimmte makroskopische Systeme – die wir Messgeräte nennen dürfen – eine geeignete Verschränkung zwischen Freiheitsgraden des Messgerätes und Freiheitsgraden des (zu messenden) Subsystems resultiert; das ist ein emergenter Effekt. Anders gesagt: eine Messung bzw. ein Messgerät ist dahingehend ein Spezialfall, dass sie makroskopische, zeitlich stabile Strukturen herstellen, bei denen eine Korrelation zwischen den makroskopischen und gewissen mikroskopischen "Eigenschaften" vorliegt (ein Stuhl ist ein stabiles makroskopisches Quantensystem, auf dem man sitzen kann).

Es bleibt also für die Messung wenig übrig, was noch zu postulieren wäre.


Aruna hat Folgendes geschrieben:
Dekohärenz berücksichtigen und erklären, wie es zu einem einzelnen Messergebnis kommt, ohne die Schrödingergleichung zu modifizieren?

Dekohärenz erklärt, wie die Zustände aussehen, die als Ergebnis der Messung resultieren.

Dekohärenz erklärt, dass und warum bestimmte ausgezeichnete Zustände resultieren. Betrachten wir ein Spinsystem, das ich in den Basen {up,down}, {left,right} oder anderen rotierten Basen beschreiben kann. Wieso resultiert immer ein Messergebnis in einer bestimmten Zeigerbasis, z.B. {UP, DOWN}? Weil bestimmte Konstruktionen zu genau einer Basis führen, die stabil unter Dekohärenz ist.

Dekohärenz erklärt nicht, dass genau ein Messergebnis der vielen möglichen resultiert, und damit natürlich auch nicht, welches.

Betrachten wir einen Detektor mit Detektorelementen n, wobei wir das Subsystem des Detektors ohne Umgebungsfreiheitsgrade mittels einer reduzierten Dichtematrix beschreiben. Dann resultiert aus der Messung exakt eines Teilchens im idealisierten Einteilchen-Zustand psi eine reduzierten Dichtematrix



wobei symbolisch



für die reduzierte Dichtematrix eines Detektorelementes mit erfolgter Detektion steht,



für die Wahrscheinlichkeit, dass dieses Detektorelement anspricht, und

… für Interferenzterme, in denen zwei (oder mehr) Detektorelemente das Teilchen messen – was natürlich aufgrund der Dekohärenz praktisch Null ist.

Außerdem sind die "Zweige" der reduzierte Dichtematrix in sehr guter Näherung orthogonale Projektoren



(evtl. muss das für POVMs verallgemeinert werden)

Aber was wir jedoch tatsächlich beobachten ist eben soetwas wie



für genau ein Detektorelement. Und das liefert die Dekohärenz nicht.

Dazu benötigt man
- doch wieder eine Art Kollaps
- oder die Consistent Histories
- oder die vielen Welten, d.h. eine je Detektorelement
- oder die TI mit dem Versprechen, diese Eindeutigkeit erklären zu können.

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Beitrag Jupp_@ Verfasst am: 24. Jul 2023 13:51    Titel: Antworten mit Zitat

Hallo TomS,

Kannst du vielleicht die Consistent Histories nochmal erläutern? Wieso wird zb bei dieser Interpretation behauptet, dass die Vergangenheit unbestimmt ist, und wie kann das überhaupt mit unserer Alltagserfahrung in Einklang gebracht werden (wäre doch unsinnig wenn ich Handlungen, die ich in der Vergangenheit getan habe, nun auf einmal doch nicht getan habe). Oder verstehe ich etwas falsch ?
Sonnenwind



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Beitrag Sonnenwind Verfasst am: 24. Jul 2023 13:55    Titel: Antworten mit Zitat

TomS hat Folgendes geschrieben:
Im Falle der Quantenmechanik führt bereits die Annahme der Lokalisierung – oder anderer klassischer Eigenschaften, siehe Bell, Kochen-Specker u.a. – zu explizit falschen Vorhersagen.

Vielleicht ist ein Kollaps auf eine Delta-Funktion auch etwas zu hart für eine Nebelkammer. Was schmerzlich fehlt ist eine ordentliche dissipative Schrödingergleichung. Ich habe selbst eine hergeleitet, indem ich quasi das Pferd von hinten her aufgezäumt habe. Aus gedämpften ebenen Wellen bei räumlich konstanter viskoser Dämpfung kann man eine DGL aufstellen und sie ist im Wesentlichen die Schrödingergleichung mit einem Zusatzterm proportional der Dämpfung und der ersten Raumableitung der psi-Funktion. Sieht ein bisschen so aus wie die Einkopplung des Vektorpotentials in die Schrödingergleichung bzw. Pauli-Gleichung.

Wenn ich mal viel Zeit habe kann ich das vorführen.

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Beitrag TomS Verfasst am: 24. Jul 2023 14:50    Titel: Antworten mit Zitat

Sonnenwind hat Folgendes geschrieben:
TomS hat Folgendes geschrieben:
Im Falle der Quantenmechanik führt bereits die Annahme der Lokalisierung – oder anderer klassischer Eigenschaften, siehe Bell, Kochen-Specker u.a. – zu explizit falschen Vorhersagen.

Vielleicht ist ein Kollaps auf eine Delta-Funktion auch etwas zu hart für eine Nebelkammer.

Sicher.

Sonnenwind hat Folgendes geschrieben:
Was schmerzlich fehlt ist eine ordentliche dissipative Schrödingergleichung … Wenn ich mal viel Zeit habe kann ich das vorführen.

Gerne.

Aber grundsätzlich: erstens gibt es diverse Ansätze zur Modifizierung der Schrödingergleichung; aber zweitens muss man sich immer überlegen, wie man die Unitarität rettet – bzw. wenn nicht, was das bedeutet.

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Beitrag TomS Verfasst am: 24. Jul 2023 15:46    Titel: Antworten mit Zitat

Jupp_@ hat Folgendes geschrieben:
Kannst du vielleicht die Consistent Histories nochmal erläutern?

Muss ich mir selbst nochmal detaillierter anschauen, aber dass
Jupp_@ hat Folgendes geschrieben:
… behauptet wird, dass die Vergangenheit unbestimmt ist …

und dass
Jupp_@ hat Folgendes geschrieben:
… wenn ich Handlungen, die ich in der Vergangenheit getan habe, nun auf einmal doch nicht getan habe …

sagt sie m.E. nicht.

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Beitrag Jupp_@ Verfasst am: 24. Jul 2023 17:04    Titel: Antworten mit Zitat

Alles klar,

falls du etwas genaueres weißt, würde es mich interessieren. Ich hatte nur mal ein Auszug von Maudlin darüber gelesen, dort äußerte er sich in diese Richtung.
TomS
Moderator


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Beitrag TomS Verfasst am: 24. Jul 2023 20:47    Titel: Antworten mit Zitat

Ich habe jetzt mal begonnen, diesen Artikel https://plato.stanford.edu/entries/qm-consistent-histories/ zu lesen.

Zunächst mal ist wichtig, dass die CHI immer fundamental stochastisch ist.

Zum zweiten wird sehr klar der formale Unterschied zwischen klassischen und quantenmechanischen Eigenschaften herausgestellt.

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Beitrag Jupp_@ Verfasst am: 25. Jul 2023 07:30    Titel: Antworten mit Zitat

Konntest du noch neue Erkenntnisse zur CHI gewinnen? Ich muss ganz ehrlich gestehen, dass mein Englisch zu schlecht ist, um den Artikel gut verstehen zu können. Waren die Sorgen bezüglich der Vergangenheit unbegründet?
TomS
Moderator


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Beitrag TomS Verfasst am: 25. Jul 2023 07:44    Titel: Antworten mit Zitat

Jupp_@ hat Folgendes geschrieben:
Konntest du noch neue Erkenntnisse zur CHI gewinnen?

Nur, was ich bisher geschrieben habe.

Jupp_@ hat Folgendes geschrieben:
Ich muss ganz ehrlich gestehen, dass mein Englisch zu schlecht ist, um den Artikel gut verstehen zu können.

Dann nutze doch mal google, deepl oder OpenAI für eine Übersetzung. Man lernt das recht schnell.

Jupp_@ hat Folgendes geschrieben:
Waren die Sorgen bezüglich der Vergangenheit unbegründet?

Ich sehe da kein Problem. Evtl. hast du ja einen Link zu der fraglichen Aussage.

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Beitrag Jupp_@ Verfasst am: 25. Jul 2023 08:16    Titel: Antworten mit Zitat

Hier ist ein Link dazu: wissenschaft.de/astronomie-physik/drei-klettersteige-zum-quanten-olymp/

Dort geht es um mehrere Interpretationen, ab der Hälfte dann ca um die CHI (habe das www entfernt, da ich keinen link senden darf als Gast).
TomS
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Beitrag TomS Verfasst am: 25. Jul 2023 09:46    Titel: Antworten mit Zitat

Der Artikel ist in Teilen recht gut, an anderen Stellen schlecht. Das auseinander zu halten ist schwierig.

Evtl. schaue ich mir mal die Originalpublikationen an.

Generell: Die CHI sagt nie, was real passiert, sie gibt für alles nur Wahrscheinlichkeiten an; Messungen sind dabei nur ein Spezialfall. Insofern sehe ich erst mal kein Problem darin, auch für die Wahrscheinlichkeiten anzusetzen. Wenn man beim Galtonbrett mit einem Startpunkt für eine Kugel ein Ergebnis hat, kann man diesem Ergebnis auch mehrere Geschichten zuweisen.

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Beitrag Jupp_@ Verfasst am: 25. Jul 2023 10:49    Titel: Antworten mit Zitat

Das heißt dann aber im Umkehrschluss, dass ich nach einer Messung weiß, was in diesem speziellen Fall passiert ist?

Vielleicht habe ich ja völlig falsche Vorstellungen. Aber wie gesagt, wenn ich das auch meine makroskopische Realität übertrage, bekomme ich schon Kopfschmerzen (Zumal diese ja klassisch deterministisch beschreibbar ist; und wenn ich zb mit dem Auto an ein bestimmtes Ziel fahre, gibt es in der Regel dafür auch mehrere Wege. Gefahren bin ich trotzdem nur einen. Also wäre es sinnfrei, die Wahrscheinlichkeitfür die anderenanzugeben. Wahrscheinlich verstehe ich aber einfach nur etwas falsch.)
TomS
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Beitrag TomS Verfasst am: 25. Jul 2023 12:49    Titel: Antworten mit Zitat

Jupp_@ hat Folgendes geschrieben:
Das heißt dann aber im Umkehrschluss, dass ich nach einer Messung weiß, was in diesem speziellen Fall passiert ist?

Nein, das heißt es nicht.

Zunächst musst du dich davon verabschieden, dass die Messung irgendetwas Spezielles ist. Das wurde von Bohr eingeführt, weil er meinte, behaupten zu müssen, Messungen könnten nicht quantenmechanisch verstanden werden. Das glaubt heute eigentlich keiner mehr (schau dir die Newtonsche Axiome; da steht such nicht plötzlich speziell "Kutsche" drin).

Dann heißt es bewusst Consistent Histories, nicht Unique Histories. Im Zuge einer Messung stelle ich die Frage nach der Wahrscheinlichkeit, ein Teilchen hier zu detektieren; oder ich stelle die weitere Frage, es später dort zu detektieren. Beides kann aber durchaus verträglich damit sein, dass es vorher
a) durch den ersten und nicht durch den zweiten
b) durch den zweiten und nicht durch den ersten
c) durch beide
Spalten gegangen ist (streng genommen stellen wir die Frage an die Wellenfunktion bzw. den Zustandsvektor, nicht an ein Teilchen). Wenn ich jedoch zuvor eine Messung an dem Spalten vornehme, dann ändere ich die Historie, darf zwar die selben Fragen stellen, erhalte jedoch andere Antworten.

Die CHI dreht sich überhaupt nicht darum, herauszufinden, was real passiert oder passiert ist, sie dreht sich darum, einen vollständig konsistenten und allgemeingültigen wahrscheinlichkeitstheoretischen Mechanismus zu entwickeln, für den bestimmte Fragen zulässig und andere unzulässig sind, und innerhalb dessen Messungen einen Spezialfall darstellen.

Jupp_@ hat Folgendes geschrieben:
… und wenn ich zb mit dem Auto an ein bestimmtes Ziel fahre, gibt es in der Regel dafür auch mehrere Wege. Gefahren bin ich trotzdem nur einen.

In der CHI beschreibt der Zustand aber immer nur Wahrscheinlichkeiten.

Es kann natürlich sein, dass ein Detektorsignal zulässt, dass alle drei (a - c) möglich waren, jedoch ein weiteres (d) sicher ausgeschlossen werden kann. Aber dass du eine klassisch unliebsame Option (c) immer los wirst, gilt in keiner Interpretation.

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