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Mein Dilemma mit dem Physik-Studium
 
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mortyc137



Anmeldungsdatum: 25.08.2016
Beiträge: 5

Beitrag mortyc137 Verfasst am: 25. Aug 2016 00:45    Titel: Mein Dilemma mit dem Physik-Studium Antworten mit Zitat

Hallo liebe Community!

Ich bin AHS-Absolvent aus Österreich und spiele ernsthaft mit dem Gedanken, Physik zu studieren (andere Optionen wären Chemie oder ein Lehramtsstudium Physik+Chemie). Aber so recht will sich mein Gewissen nicht dazu durchringen, weil meine Interessen stark in Richtung theoretische Physik gehen (Kosmologie, Quantenmechanik etc.). Wenn ich mir meine berufliche Zukunft ausmale, dann hat sie immer einen "Breakthrough"-Charakter: Ich will dazu beitragen, dass wir Menschen die Natur, den Kosmos usw. besser verstehen. Aber als theoretischer Physiker sind die Berufsaussichten denkbar mager. Mich mit Postdocs über Wasser zu halten ist nicht gerade meine Vision von einem erfüllten Berufsleben. Und in Institute wie das CERN kommt man kaum rein ohne ein hohes Maß an Berufserfahrung.

Deswegen wollte ich auch schon meinen Plan, ein reines Physik-Studium anzugehen, fast für ein Studium in Maschinenbau oder ähnlichem aufgeben: Die Konstruktion von einzelnen Bauteilen für Satelliten, Rover oder sogar Raketen würde es mir nämlich auch durchaus antun (wenn man da wirklich Chancen hat, bei einem Zulieferant der ESA oder so unterzukommen). Das gäbe mir auch das Gefühl, die Erforschung des Kosmos voranzutreiben.

Nun meine Frage: Bringt es etwas, den sehr theoretischen Studiengang Physik zu belegen und sich damit gute Chancen auszurechnen, in der Industrie (z.B. eben Luft- und Raumfahrttechnik, Automobil- oder Flugzeugindustrie, Werkstofftechnik) unterzukommen? Oder anders formuliert: Soll ich mich trotz Desinteresse durch ein Studium a la Maschinenbau oder Elektrotechnik kämpfen, nur um dann bessere Chancen in der Industrie zu haben?

Danke schon im Voraus für eure Antworten!
moody_ds



Anmeldungsdatum: 29.01.2016
Beiträge: 515

Beitrag moody_ds Verfasst am: 25. Aug 2016 07:45    Titel: Antworten mit Zitat

Ohne dir eigentlich eine richtige Antwort zu geben: Unter der Prämisse Desinteresse wird es dir kaum gelingen ein anspruchsvolles Studium zu Ende zu bringen.
franz



Anmeldungsdatum: 04.04.2009
Beiträge: 11583

Beitrag franz Verfasst am: 25. Aug 2016 07:57    Titel: Re: Mein Dilemma mit dem Physik-Studium Antworten mit Zitat

Willkommen im Forum mortyc137! smile

Zitat:
Aber so recht will sich mein Gewissen nicht dazu durchringen

Wie in der Liebe: Wenn es nicht "funkt", dann laß es sein!

Ansonsten halte ich nichts von einer "Verbesserung" der Welt als Lebensentwurf. Wissenschaft ist vorrangig Neugierde, Spaß und Zähigkeit. Und mit einem mathematischen oder physikalischen Studienabschluß stehen sehr viele Wege offen; man sucht sich dann eine passende Firma aus... (Lehrerausbildung wiederum ist ein vollkommen anderer Film.)
MI



Anmeldungsdatum: 03.11.2004
Beiträge: 828
Wohnort: München

Beitrag MI Verfasst am: 25. Aug 2016 10:00    Titel: Antworten mit Zitat

Ich kann deine Zweifel verstehen, aber vielleicht kann ich noch ein paar Gedanken anschließen:

- Generell ist die Arbeitslosenquote unter Physikern sehr gering. Man findet also durchaus Jobs. In der Wissenschaft ist das ganze aber tatsächlich eher schwierig, auch da ist es aber sehr heterogen. In Fächern, die gerade "in" sind, gibt's mehr PostDocstellen, in anderen Fächern tatsächlich fast keine.

- Am Anfang des Studiums weiß man oft gar nicht, was man wirklich will. Branchen wie die Luft- und Raumfahrttechnik oder die Automobilindustrie wirken immer sexy, aber viele verlieren ihren Reiz. Insbesondere kenne ich niemanden (und damit meine ich niemanden), der gerne bei einem großen Autobauer arbeiten würde. Ich kenne viele, die als Zulieferer oder Berater bei großen Autobauern unterwegs waren oder sind und alle empfanden diese Arbeit als eher anstrengend und teilweise unbefriedigend. Man muss ein ganz bestimmter Typ Mensch sein, um in solchen Riesenkonzernen glücklich zu werden. Wenn man etwas "bewegen" will, ist man dort meist schlecht aufgehoben. Die tatsächliche Innovationskraft großer Konzerne ist erschreckend niedrig, da die nach außen kolpotierte Innovation meist von Subunternehmern geleistet wird (so zumindest mein Eindruck).

- Theoretische Physiker werden nicht wegen ihrer Fähigkeiten eingestellt, sondern wegen ihrer "raw intelligence" und ihrer Denkfähigkeiten. Das klingt nach blabla, heißt konkret aber folgendes: Wenn du ein gutes Physikstudium abgeschlossen hast, dann zeigt das normalerweise eine gute Intelligenz und physikalisch-mathematische Denk- und Anpassungsfähigkeit. Damit wirst du auf die Dauer einen interessanten Job finden, in dem du dich auch "selbstverwirklichen" kannst, weil du dir schnell Dinge anlesen kannst und dich gerne weiterentwickelst.

- Der Einstieg kann aber etwas holprig sein (d.h. wenn du dich bewirbst melden sich vielleicht nur 20% der Firmen zurück; in Vorstellungsgesprächen bekommst du etwas seltener ein Angebot, etc.). Generell würde ich aus den Erfahrungen meines Umfelds schließen: Du wirst nicht bei einer großen Firma einsteigen. Das Recruiting bei großen Firmen (>5000 Mitarbeiter) läuft vollständig über oftmals uninformierte HR, die nicht einschätzen kann, dass sie dich gebrauchen kann. Wenn man da rein will geht das nur über Praktika. Auf der anderen Seite gibt es viele Firmen im mittleren Bereich (oft >50 und <300 Mitarbeiter), deren Geschäftsmodell auf strukturiertem Denken und "raw power" ausgelegt ist und die genau wissen, was sie an Physikern haben. Das sind Firmen, die meist in irgendeiner Form im Beratungsspektrum liegen (häufig mit hohem IT-Anteil, manchmal auch im Ingenieursbereich).

- Nachdem ein bisschen einschlägige Berufserfahrung gesammelt wurde, bekommt man dann, wenn man den Job wechseln möchte, häufig sehr gute Angebote. Das gilt auch für das Gehalt: Die Einstiegsgehälter liegen (außer vielleicht bei großen Beratungshäusern) meist deutlich unter dem, was ein Ingenieur der bei BMW oder Intel anfängt verdient, aber die Entwicklungsmöglichkeiten sind häufig auch größer.

- Wie ich schon oben angesprochen habe ist die IT ein äußerst beliebter Arbeitgeber für Physiker. Das liegt auch daran, dass es dort viel zu tun gibt und man gute Leute immer gebrauchen kann. Wenn dich das also interessiert, könntest du auch schon in deinem Physikstudium ein bisschen darauf hinarbeiten: Zum Beispiel könntest du Informatik als Nebenfach nehmen und in Bachelor- und Masterarbeiten Simulationen machen. Wenn du zum Beispiel Kosmologie machen willst, basiert ein Großteil der Forschung in der Simulation von Modellen - dabei kann man dann gut IT-Grundlagen lernen, die von den oben angesprochenen mittleren Firmen anerkannt werden.

Warum rede ich hier so selbstbewusst davon? Ich bin in der Situation, die du beschreibst. Ich stehe kurz davor meine Doktorarbeit abzugeben (mathematische Physik, Spezialgebiet Quanteninformationstheorie) und auch wenn ich früher unbedingt in der Wissenschaft bleiben wollte, werde ich sie jetzt verlassen, weil die Bedingungen eben schlecht sind. Weder für mich noch für meine Kollegen war/ist es besonders schwierig Jobs zu finden, die auf den ersten Blick interessant scheinen - es ist nur schwierig wirklich zu entscheiden, was man will, weil man sich eigentlich nirgends auskennt.

Ich werde daher in den IT Sektor wechseln (etwas mehr Entwicklung und etwas weniger Beratung zu Anfang) und will dort erst einmal verschiedene Branchen kennenlernen, um mich dann vielleicht zu spezialisieren. Habe ich IT-Erfahrung? Kaum. Seit dem Bachelor habe ich so gut wie gar nicht mehr programmiert oder ähnliches gemacht. Macht aber nichts. IT durchdringt inzwischen so ziemlich alle Bereiche und die meisten Bereiche brauchen immer mehr IT. IT als zweites Standbein kann also nie schaden.

Nur um ein paar Entwicklungen zu nennen:
- Die Autobranche wird in den nächsten Jahren verstärkt IT einstellen oder ankaufen (müssen) und klassische Maschinenbauer vermutlich entlassen. Das liegt an zwei Entwicklungen: a) Für ein selbstfahrendes Elektrofahrzeug braucht es mehr Elektrotechniker als Maschinenbauer und sehr viel mehr IT, b) immer mal wieder gibt es Berichte über "gehackte" Autos. Das wird schlimmer werden, was auch in der Autoindustrie zu einem Wettlauf zwischen Hackern und Sicherheitsleuten führen wird, wofür die Autobauer wiederum Spezial-IT brauchen.
- Vollautomatisierte Produktion in der Industrie: Adidas baut wieder eine Textilfabrik in Deutschland. Nur braucht die kein Personal. Ähnliches wird auch in anderen Branchen passieren, wo jetzt noch "Made in Bangladesh" drauf steht. Der Zyklus der sukzessiven Verlagerung der Industrie von einem Billiglohnland in das nächste könnte demnächst an ein Ende kommen - und in dem Moment wird es billiger das ganze vollautomatisch zu machen. Technisch ist das kein Problem, aber die Maschinen sind dafür noch zu blöd.
- Der nächste große "Hype" bahnt sich in der Medizin an. Das wird im deutschsprachigen Raum noch etwas dauern, aufgrund der Weigerung der Bevölkerung persönliche Daten preiszugeben (ob das gut oder schlecht ist mag ich nicht beurteilen), aber es wird kommen.

Gruß
MI
mortyc137



Anmeldungsdatum: 25.08.2016
Beiträge: 5

Beitrag mortyc137 Verfasst am: 25. Aug 2016 15:05    Titel: Re: Mein Dilemma mit dem Physik-Studium Antworten mit Zitat

franz hat Folgendes geschrieben:
Willkommen im Forum mortyc137! smile

Zitat:
Aber so recht will sich mein Gewissen nicht dazu durchringen

Wie in der Liebe: Wenn es nicht "funkt", dann laß es sein!


Es liegt nicht am Interesse - ich brenne ja eigentlich für Physik und deshalb würde ich auch wirklich gerne eine Laufbahn in diese Richtung einschlagen. Bloß erscheint es mir schwierig, dann wirklich auch Stellen zu finden, die meinen besonderen Interessen entsprechen und die gleichzeitig sicher und halbwegs gut bezahlt sind. Die Physik ist da weniger das Problem, der Arbeitsmarkt macht mir mehr Sorgen.
mortyc137



Anmeldungsdatum: 25.08.2016
Beiträge: 5

Beitrag mortyc137 Verfasst am: 25. Aug 2016 15:09    Titel: Antworten mit Zitat

@MI: Danke für die ausführliche Antwort. Nach den vielen Tagen, an denen ich mir an unzähligen Firefox-Tabs und Google-Suchergebnissen den Kopf zerbrochen habe, war so ein realitätsnaher Blick auf den Arbeitsmarkt für Physiker das, was ich gebraucht habe.

Und ja, IT würde mich ansprechen, evtl. auch die Elektrotechnik bei Computer-Hardware oder etwas in Richtung Kommunikation und Datenübertragung.
jh8979
Moderator


Anmeldungsdatum: 10.07.2012
Beiträge: 8583

Beitrag jh8979 Verfasst am: 25. Aug 2016 16:21    Titel: Re: Mein Dilemma mit dem Physik-Studium Antworten mit Zitat

mortyc137 hat Folgendes geschrieben:

Nun meine Frage: Bringt es etwas, den sehr theoretischen Studiengang Physik zu belegen und sich damit gute Chancen auszurechnen, in der Industrie (z.B. eben Luft- und Raumfahrttechnik, Automobil- oder Flugzeugindustrie, Werkstofftechnik) unterzukommen? Oder anders formuliert: Soll ich mich trotz Desinteresse durch ein Studium a la Maschinenbau oder Elektrotechnik kämpfen, nur um dann bessere Chancen in der Industrie zu haben?

1. Wieso möchtest Du in so einem Job arbeiten, wenn Dich ein Studium in diese Richtung schon nicht interessiert?

2. Wie MI schon geschrieben hast, wirst Du als Physiker sicherlich nicht arbeitslos werden. Aber wenn Du jetzt schon weisst, dass Du Dich eigentlich für einen Job in einem anderen Bereich interessierst, dann ist es vermutlich sinnvoller auch etwas in diesem Bereich zu studieren.
mortyc137



Anmeldungsdatum: 25.08.2016
Beiträge: 5

Beitrag mortyc137 Verfasst am: 25. Aug 2016 18:00    Titel: Re: Mein Dilemma mit dem Physik-Studium Antworten mit Zitat

jh8979 hat Folgendes geschrieben:

1. Wieso möchtest Du in so einem Job arbeiten, wenn Dich ein Studium in diese Richtung schon nicht interessiert?

Ich bin momentan ein bisschen durcheinander, weil ich mich wirklich kaum auf ein Studium festlegen kann. Deine Frage hat mir wieder vor Augen geführt, wie absurd es eigentlich wäre, ein Studium in Maschinenbau o.Ä. zu beginnen, obwohl mich 70% davon nicht interessieren würde.

jh8979 hat Folgendes geschrieben:

2. Wie MI schon geschrieben hast, wirst Du als Physiker sicherlich nicht arbeitslos werden. Aber wenn Du jetzt schon weisst, dass Du Dich eigentlich für einen Job in einem anderen Bereich interessierst, dann ist es vermutlich sinnvoller auch etwas in diesem Bereich zu studieren.

Das ist es ja. Es gäbe so einige Bereiche, die ich mir - als Jugendlicher wohlgemerkt - sehr interessant vorstelle. Nur handelt es sich dabei um spezialisierte Branchen, wie z.B. die Raumfahrtindustrie. Genauso gern würde ich auch Auswertungen am CERN machen oder Simulationen für die Kernphysik erstellen oder, oder, oder.

Es gibt so vieles, was mich interessieren würde, dass es einfach momentan noch schwer für mich ist, "aufs Ganze zu gehen", sprich: einen Studiengang zu wählen, der mir dann mit viel Überwindung und Einsatz einen Platz in diesen spezialisierten Branchen bringen würde.

Wie gesagt, das war wieder so ein leichtsinnig geborener Vorschlag. Denn wenn ich z.B. Maschinenbau studieren würde, dann würde ich ausschließlich in die Automobil- oder Luftfahrtindustrie gehen wollen. Sonst wär da bezüglich Berufsmöglichkeiten so ziemlich tote Hose - also wie gesagt. Ich merk jetzt, wie absurd diese Idee eigentlich war. Aber danke für deine Antwort!
jh8979
Moderator


Anmeldungsdatum: 10.07.2012
Beiträge: 8583

Beitrag jh8979 Verfasst am: 25. Aug 2016 18:34    Titel: Re: Mein Dilemma mit dem Physik-Studium Antworten mit Zitat

mortyc137 hat Folgendes geschrieben:

Ich bin momentan ein bisschen durcheinander, weil ich mich wirklich kaum auf ein Studium festlegen kann.

Falls es Dich beruhigt: Das ging/geht den meisten von uns so smile
Zitat:

Das ist es ja. Es gäbe so einige Bereiche, die ich mir - als Jugendlicher wohlgemerkt - sehr interessant vorstelle. Nur handelt es sich dabei um spezialisierte Branchen, wie z.B. die Raumfahrtindustrie. Genauso gern würde ich auch Auswertungen am CERN machen oder Simulationen für die Kernphysik erstellen oder, oder, oder.

Es gibt so vieles, was mich interessieren würde, dass es einfach momentan noch schwer für mich ist, "aufs Ganze zu gehen", sprich: einen Studiengang zu wählen, der mir dann mit viel Überwindung und Einsatz einen Platz in diesen spezialisierten Branchen bringen würde.

Was Du jetzt interessant findest, wird sich normalerweise während des Studiums auch noch ändern, schon weil Du viele Dinge kennenlernen wirst, von denen Du im Moment nicht einmal träumst smile

Ein ganz guter Tipp zur Studienwahl ist in der Regel: Studier das, was Dich (als Fach) am meisten interessiert. Du wirst im Normalfall mindestens einige Jahre damit verbringen, wenn Du dann kein Interesse daran hast, ist das nur Qual egal was Du danach machen möchtest. Es ist ausserdem auch keine Schande wenn Du während des Studiums merkst, dass Dich das Fach doch nicht so reizt und Du lieber etwas anderes machen würdest und dann das Studienfach wechselst.
willyengland



Anmeldungsdatum: 01.05.2016
Beiträge: 679

Beitrag willyengland Verfasst am: 25. Aug 2016 20:03    Titel: Re: Mein Dilemma mit dem Physik-Studium Antworten mit Zitat

mortyc137 hat Folgendes geschrieben:
ich brenne ja eigentlich für Physik

DANN STUDIERE PHYSIK!

Alles andere wird sich schon finden!

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Gruß Willy
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