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Fehlerrechnung
 
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Max Cohen



Anmeldungsdatum: 13.04.2014
Beiträge: 280

Beitrag Max Cohen Verfasst am: 30. Mai 2015 10:01    Titel: Fehlerrechnung Antworten mit Zitat

Hallo zusammen,

ich habe eine generelle Frage zur Fehlerrechnung. Angenommen ich habe eine Messung durchgeführt und in mehreren Messreihen die Masse und die Geschwindgkeit eines Körpers bestimmt. Ich erhalte z.B. und

Nun ist die Frage wie groß der Fehler ist wenn man die kinetische Energie wissen möchte. Also .

Nun könnte man einerseits mit einer Gaußschen Fehlerfortpflanzung anfangen also konkret:

und erhält somit den absoluten Fehler auf die kinetische Energie.

Nun gibt es noch die Möglichkeit den maximalen absoluten Fehler zu bestimmen also konkret über das totale Differential.



Gibt es eventuell weitere Möglichkeiten den Fehler zu bestimmen? Bzw. wie geht man dabei am besten vor, nimmt man die Gaußsche Fehlerfortpflanzung oder den maximalen absoluten Fehler?

Bei der kinetischen Energie ist die Bestimmung des Fehlers über Gaußsche Fehlerfortpflanzung oder maximalen absoluten Fehler noch sehr einfach da nur 2 Variablen. Werden die Formeln aber länger und weniger übersichtlich wird die Berechnung ein ziemlicher Aufwand.

Was gibt es für weitere Tricks?

Es sind zwar viele Fragen aber ich hoffe dennoch das jemand Lust hat mir darauf mal eine eindeutige und klärende Antwort zu geben.

Besten Dank! smile
Jayk



Anmeldungsdatum: 22.08.2008
Beiträge: 1450

Beitrag Jayk Verfasst am: 30. Mai 2015 14:05    Titel: Antworten mit Zitat

Für unabhängige statistische Fehler nimmt man immer die Gaußsche Formel.

Hilfreich ist es, ein paar Regeln zu kennen:
Für Summen und Differenzen sind die absoluten Fehler quadratisch zu addieren.
Für Produkte und Quotienten addiert man die relativen Fehler quadratisch.
Die relativen Fehler multipliziert man gegebenenfalls mit den Exponenten, in denen sie auftreten.
Auf diese Weise kannst Du im Prinzip auch zusammengesetzte Terme zerlegen und so schrittweise ziemlich zügig den Fehler berechnen. Man rechnet einfach mit der Kettenregel nach, daß man auf diese Weise denselben Fehler erhält, wie wenn man ihn mit Gauß berechnet hätte. Allerdings: Das funktioniert nur, wenn alle auftretenden Terme unabhängig voneinander sind! Andernfalls hast Du keine Wahl, als alle partiellen Ableitungen auszurechnen. Falls es Dich interessiert: Ich habe gestern abend ein Praktikumsprotokoll ausgewertet. Für eine Fehlerformel habe ich zum Aufschreiben eine halbe Seite und zum Realisieren in Excel zehn Minuten gebraucht. Praktikum macht wirklich keinen Spaß...
Max Cohen



Anmeldungsdatum: 13.04.2014
Beiträge: 280

Beitrag Max Cohen Verfasst am: 30. Mai 2015 15:05    Titel: Antworten mit Zitat

Hallo Jayk, schonmal vielen Dank für deine Antwort. Das mit dem zusammensetzen der einzelnen Fehler habe ich zum ersten mal gehört. Dazu habe ich etwas gegoogelt und folgendes Video bei youtube gefunden. Dort werden Rechenregeln vorgestellt zum rechnen mit Fehlern. Allerdings werden diese garnicht quadriert?
https://www.youtube.com/watch?v=4HW74Z49pLM

Wie würde das denn in dem Fall für lauten? Wenn ich die Regel aus dem Video anwende also
erhält man:



Dies wäre allerdings auch der relative Fehler. Gefragt ist allerdings doch immer nach dem absoluten Fehler?

Danke vielmals für deine Hilfe!
Jayk



Anmeldungsdatum: 22.08.2008
Beiträge: 1450

Beitrag Jayk Verfasst am: 30. Mai 2015 16:00    Titel: Antworten mit Zitat

Okay, ich sollte präziser werden: In dem Video geht es wirklich um Fehler (wie sie die Numeriker brauchen). Ich habe umgangssprachlich von "Fehler" gesprochen, gemeint war aber eigentlich "Unsicherheit" (was für die Physik relevant ist). Ich nahm an, daß das das ist, wonach Du eigentlich suchst. Es geht weniger darum, daß etwas wirklich mit einem Fehler bestimmt wurde, sondern daß Werte natürlichen statistischen Schwankungen unterworfen sind. Also z.B. wenn du die Geschwindigkeit ganz oft mißt und dann die Standardabweichung ausrechnest, bekommst du eine Unsicherheit.

Hier ist das meines Erachtens nach korrekt wiedergegeben: http://de.wikipedia.org/wiki/Fehlerfortpflanzung#Messunsicherheiten
(da wird auch beschrieben, welche der beiden Formeln wann angewendet wird)

Was ich zu den kombinierten Fehlern gesagt habe, bezieht sich auf Unsicherheiten, die nach der Gaußschen Fehlerfortpflanzung bestimmt werden.
Hier ist eine seichte Einführung: http://www.physi.uni-heidelberg.de/Einrichtungen/AP/anleitungen/apl/FehlerrechnungmitKoepfchen.pdf

Ich rechne das mal kurz für das Produkt vor:


Nun dazu, wie man komplizierte Terme aufspalten kann: Sagen wir, du bestimmst eine Größe . Die Behauptung ist, daß
mit .
Schau es Dir scharf an: Das ist nichts anderes als die Kettenregel:


Also eigentlich nichts Tiefsinniges.
In der Praxis sieht das so aus: Angenommen, du möchtest berechnen. Dann ist das

(wie schon angesprochen, ist bei Potenzen der Exponent an die relative Unsicherheit zu multiplizieren. Die Herleitung ist nicht schwer.)

Interessanter ist z.B. der Fall


Die Formel ist schnell hingeschrieben:



mit und

Wenn Du versuchst, daraus eine große Formel zu machen, wird es häßlich. Wenn Du aber bei der Praktikumsauswertung bist und Excel oder Calc oder whatever verwendest, ist dieser Weg optimal. Augenzwinkern

Nicht vergessen: Das führt nur zum richtigen Ergebnis, wenn die einzelnen Teile unabhängig voneinander sind! Also wenn bspw. im Nenner noch ein a aufgetaucht wäre, hätte man das nicht machen dürfen.
Max Cohen



Anmeldungsdatum: 13.04.2014
Beiträge: 280

Beitrag Max Cohen Verfasst am: 30. Mai 2015 16:29    Titel: Antworten mit Zitat

Hallo Jayk, danke für deine Hilfe. Die Formeln erschlagen mich erstmal. Ich werde dazu wohl weitere Beispiele benötigen um das konkret einmal nachzuvollziehen. Kennst du dazu Literatur wo das anhand von Beispielen einmal deutlich gemacht wird? (Ein Skript wäre auch gut)

Habe ich das richtig verstanden das der Vorteil darin liegt das man sich die partiellen Ableitungen erspart die man mittels Fehlerfortpflanzung nach Gauß berechnen müsste?

Die Formeln aus dem Video sind also bei der Bestimmung des Fehlers nicht anwendbar?

Eine Frage habe ich dazu noch. Es werden damit die relativen Fehler bestimmt. Bei der Fehlerfortpflanzung nach Gauß möchte man allerdings den absoluten Fehler erhalten. Wie komme ich denn von dem relativen Fehler den man damit berechnet auf den absoluten? Ich meine man erhält damit ja "nur" eine Prozentzahl.

Noch eine Frage zu Excel. Wie genau nutzt du denn Excel um dir die Fehlerrechnung zu vereinfachen? Meine Erfahrung mit Excel ist eher negativ da man damit nicht gescheit Formeln eingeben kann oder täusche ich mich da? (Eventuell dazu auch Literatur oder Infos?)
Generelle Infos zur Auswertung mittels Excel wären auch toll da ich mich damit ebenfalls "rumquälen" darf und ich mir mein Leben nicht noch weiter verkomplizieren möchte.

Vielen Dank! smile
Jayk



Anmeldungsdatum: 22.08.2008
Beiträge: 1450

Beitrag Jayk Verfasst am: 30. Mai 2015 17:20    Titel: Antworten mit Zitat

Daß die Formeln nicht so viel bringen, dachte ich mir schon. Bei mir war es halt so, daß ich das intuitiv so gemacht habe und mich selbst dann irgendwann gefragt habe, ob und warum es eigentlich richtig ist, was ich tue.
Was diese Formeln auf ziemlich allgemeine Art ausdrücken, ist: Wenn du eine Größe y hast, die von abhängt, wobei alle bspw. nur kombiniert als auftreten, dann kannst du die Fehler von getrennt nach Gaußscher Fehlerfortpflanzung ausrechnen und dann diese als unabhängige Variable behandeln, von denen y abhängt.

Ich dachte, ich könnte Dir ein Beispiel schicken, aber ich habe meine Auswertungen alle gelöscht, nachdem das Praktikum vorbei war. Und vom laufenden Praktikum gibt es nicht so viele nennenswerten Fehlerberechnungen.
Ich gehe aber immer so vor: Du hast verschiedene Meßgrößen A, B, C... mehrmals gemessen. Dann sieht meine Tabelle so aus:

Code:

#  A   Fehler(A)  B  Fehler(B)  C  Fehler(C)  |  X1   Fe(X1)   X2   Fe(X2)  |  Y   Fe(Y)
1  ... ...
2  ... ...


Das hat auch den Vorteil, daß man so eine Tabelle ohne weiteres ins Protokollheft einkleben kann (ja, bei uns muß ein handschriftliches Protokollheft angelegt werden^^).

Bei längeren Formeln benutze ich auch ganz gerne Python, dann sieht das etwa so aus:

Code:

def x1(a, b):
    ...

def x2(c, d):
    ...

def err_x1(a, b, err_a, err_b):
    ...

def perr_y(px1, px2, perr_x1, perr_x2):
    ...

def err_y(a, b, c, d, err_a, err_b, err_c, err_d):
    return perr_y(x1(a, b), x2(c, d), err_x1(a, b, err_a, err_b), err_x2(c, d, err_c, err_d))


Auch bewährt hat sich bei mir, große Formeln erst einmal in einem Texteditor (z.B. gedit) aufzuschreiben

Code:
wurzel(
(
(1/(2*wurzel(4-16*pi^2*f^2*r^2*c^2))*(-32*pi^2*f^2*r*c^2)*r^2*c-(2+wurzel(4-16*pi^2*f^2*r^2*c^2))*2*r*c)/(r^4*c^2)*0,05*r
)^2+
(
(1/(2*wurzel(4-16*pi^2*f^2*r^2*c^2))*(-32*pi^2*f^2*r^2*c)*r^2*c-(2+wurzel(4-16*pi^2*f^2*r^2*c^2))*r^2)/(r^4*c^2)*0,1*c
)^2+
(
1/(2*wurzel(4-16*pi^2*f^2*r^2*c^2))*32*pi^2*f*c*DF
)^2
)


um dann mit den Textersetzungsfunktionen eine Formel für Excel (bzw. eigentlich OOo Calc) daraus zu machen:

Code:

WURZEL(
(
(1/(2*WURZEL(4-16*PI()^2*$C10^2*$B10^2*($A10*10^-9)^2))*(-32*PI()^2*$C10^2*$B10*($A10*10^-9)^2)*$B10^2*($A10*10^-9)-(2+WURZEL(4-16*PI()^2*$C10^2*$B10^2*($A10*10^-9)^2))*2*$B10*($A10*10^-9))/($B10^4*($A10*10^-9)^2)*0,05*$B10
)^2+
(
(1/(2*WURZEL(4-16*PI()^2*$C10^2*$B10^2*($A10*10^-9)^2))*(-32*PI()^2*$C10^2*$B10^2*($A10*10^-9))*$B10^2*($A10*10^-9)-(2+WURZEL(4-16*PI()^2*$C10^2*$B10^2*($A10*10^-9)^2))*$B10^2)/($B10^4*($A10*10^-9)^2)*0,1*($A10*10^-9)
)^2+
(
1/(2*WURZEL(4-16*PI()^2*$C10^2*$B10^2*($A10*10^-9)^2))*32*PI()^2*$C10*($A10*10^-9)*$D10
)^2
)


Das geht bedeutend(!) schneller (sagen wir Zeitersparnis 5min), als wenn ich das mühsam in Calc zusammenklicke.

Vielleicht mußt Du aber auch erstmal selbst ein bißchen probieren, damit Du verstehst, was ich meine. Wenn Du genügend Zeit mit Fehlerrechnung verschwendet hast, suchst Du schon ganz automatisch nach Vereinfachungen. Big Laugh
Max Cohen



Anmeldungsdatum: 13.04.2014
Beiträge: 280

Beitrag Max Cohen Verfasst am: 30. Mai 2015 19:38    Titel: Antworten mit Zitat

Ich habe mich mit dem Beispiel zur kinetischen Energie nochmal befasst. Es gilt ja wenn ich dies mittels Gaußscher Fehlerfortpflanzung durchziehe:



Nun gilt für Produkte die Regel

Dies angewendet auf die kinetische Energie müsste doch eigentlich liefern:



Wieso taucht denn bei deiner Ausführung noch die auf? Du musst (so scheint es) die nachdifferenziert haben so dass dort steht. Warum denn und warum wurde bei der Masse nicht differenziert?

Kann man sich das nicht auch mit dem totalen Differential erklären wie bei dem maximalen Fehler? Man hat z.B. eine Funktion dann lautet die Ableitung also die Änderung also und das ist ja auch eine Näherung wobei und in dem Fall unser Delta bzw. Sigma ist. Das Konzept lässt sich jetzt auf mehrere Variablen natürlich ausweiten.

Danke!
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