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Entropieproduktion/ stationärer Zustand
 
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Hilfesuchender
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Beitrag Hilfesuchender Verfasst am: 15. Aug 2014 14:42    Titel: Entropieproduktion/ stationärer Zustand Antworten mit Zitat

Hallo

Ich verstehe das Konzept der Entropieproduktion nicht. Es wird gesagt, dass in einem stationären Nicht-Gleichgewichtszustand die Entropieproduktion nicht verschwindet, aber wenn ich nun ein isoliertes System betrachte, nimmt doch im stationären Zustand die Entropie gemäß

einen konstanten Wert an, da doch die Wahrscheinlichkeitsverteilung p konstant ist. Wie kann dann Entropie produziert werden. Was verstehe ich hier falsch?
-Christian-



Anmeldungsdatum: 08.07.2006
Beiträge: 199

Beitrag -Christian- Verfasst am: 16. Aug 2014 12:36    Titel: Antworten mit Zitat

Hi,

ich bin mir auch nicht sicher, aber ich würde es anschaulich so betrachten:

Du betrachtest ja bei einem stationären Nicht-Gleichgewichtszustand ein nicht-abgeschlossenes System. Sagen wir zum Beispiel einen Stab, dessen beide Enden wir mit je einem Wärmebad in Kontakt bringen. Beide Bäder haben unterschiedliche, aber konstante Temperaturen. Es wird angenommen, dass die Wärmebäder unendlich groß sind und sich im thermodynamischen Gleichgewicht befinden und auch unendlich schnell in ihr thermodynamisches Gleichgewicht zurückfallen, wenn sie aus diesem ausgelenkt werden.

Beide Wärmebäder "versuchen" nun den Stab in dasselbe thermodynamische Gleichgewicht zu bringen, in dem sie selbst sind. Dabei stellt sich im Stab ein stationärer Temperaturverlauf fernab vom thermodynamischen Gleichgewicht ein. Obwohl nun die Temperaturverteilung im System zeitlich konstant ist, fließt trotzdem ein Wärmestrom von der Seite des wärmeren Wärmebades zur Seite des kälteren Wärmebades. Das, was an Wärme auf der einen Seite reinfließt, fließt auf der anderen wieder raus.

Und m.E. verhält es sich mit der Entropie genauso. Die Entropie im System ist zeitlich konstant, weil die Wahrscheinlichkeitsverteilung der Zustände zeitlich konstant ist. Aber trotzdem hast du einen permanenten Wahrscheinlichkeitstrom von der einen zur anderen Seite. Dieser Wahrscheinlichkeitsstrom ist mit einem Entropiestrom verbunden - was auf der einen Seite reinfließt, fließt auf der anderen Seite raus. Und mit Entropieproduktion ist nur der eine Term gemeint - also derjenige, der beschreibt, dass auf der einen Seite Entropie "reinfließt".

Ich bitte um Korrektur, falls an diesem Bild etwas was falsch ist.
Hilfesuchender
Gast





Beitrag Hilfesuchender Verfasst am: 16. Aug 2014 16:25    Titel: Antworten mit Zitat

-Christian- hat Folgendes geschrieben:
Hi,

ich bin mir auch nicht sicher, aber ich würde es anschaulich so betrachten:

Du betrachtest ja bei einem stationären Nicht-Gleichgewichtszustand ein nicht-abgeschlossenes System. Sagen wir zum Beispiel einen Stab, dessen beide Enden wir mit je einem Wärmebad in Kontakt bringen. Beide Bäder haben unterschiedliche, aber konstante Temperaturen. Es wird angenommen, dass die Wärmebäder unendlich groß sind und sich im thermodynamischen Gleichgewicht befinden und auch unendlich schnell in ihr thermodynamisches Gleichgewicht zurückfallen, wenn sie aus diesem ausgelenkt werden.

Beide Wärmebäder "versuchen" nun den Stab in dasselbe thermodynamische Gleichgewicht zu bringen, in dem sie selbst sind. Dabei stellt sich im Stab ein stationärer Temperaturverlauf fernab vom thermodynamischen Gleichgewicht ein. Obwohl nun die Temperaturverteilung im System zeitlich konstant ist, fließt trotzdem ein Wärmestrom von der Seite des wärmeren Wärmebades zur Seite des kälteren Wärmebades. Das, was an Wärme auf der einen Seite reinfließt, fließt auf der anderen wieder raus.

Und m.E. verhält es sich mit der Entropie genauso. Die Entropie im System ist zeitlich konstant, weil die Wahrscheinlichkeitsverteilung der Zustände zeitlich konstant ist. Aber trotzdem hast du einen permanenten Wahrscheinlichkeitstrom von der einen zur anderen Seite. Dieser Wahrscheinlichkeitsstrom ist mit einem Entropiestrom verbunden - was auf der einen Seite reinfließt, fließt auf der anderen Seite raus. Und mit Entropieproduktion ist nur der eine Term gemeint - also derjenige, der beschreibt, dass auf der einen Seite Entropie "reinfließt".

Ich bitte um Korrektur, falls an diesem Bild etwas was falsch ist.


Erst einmal danke für deine Antwort Christian.
So ähnlich habe ich es mir auch gedacht, nämlich, dass man einen Entropiestrom hat.
Die Entropieproduktion ist demnach:


mit als Entropiestrom.

Im stationären Zustand ist

Jetzt betrachte ich, aber ein System, welches durch eine konstante Kraft in einem stationären Nicht-Gleichgewichtszustand gebracht wird und es gibt keinen Austausch mit einer Umgebung. Dann funktioniert das so ja nicht mehr, aber wahrscheinlich ist es so einfach nicht möglich einen stationären nicht-gleichgewichtszustand zu präparieren, weil schließlich in dem System dissipative Kräfte wirken, welche Energie in Wärme umwandeln und so hätte man einen stetigen Temperaturanstieg und damit auch keinen stationären Zustand.
Allerdings kann ich mir ein System vorstellen in dem dies funktioniert. Dazu betrachte ich einen Supraleiter, den ich zu einem geschlossenen Ring forme. Nun erzeuge ich in diesem Ring mit einer Kraft einen elektrischen Strom und schalte schließlich die Kraft wieder aus. Da es keinen Widerstand gibt, wird der Strom nun bis in aller Ewigkeit bei einem konstanten Wert weiterströmen. Es gibt dann natürlich auch keine innere Wärmeentwicklung.
Jetzt habe ich einen abgeschlossenen stationären Nicht-Gleichgewichtszustand ohne Entropieproduktion. Verstehe ich hier etwas falsch?
-Christian-



Anmeldungsdatum: 08.07.2006
Beiträge: 199

Beitrag -Christian- Verfasst am: 16. Aug 2014 17:17    Titel: Antworten mit Zitat

Hilfesuchender hat Folgendes geschrieben:

Jetzt betrachte ich, aber ein System, welches durch eine konstante Kraft in einem stationären Nicht-Gleichgewichtszustand gebracht wird und es gibt keinen Austausch mit einer Umgebung. Dann funktioniert das so ja nicht mehr, aber wahrscheinlich ist es so einfach nicht möglich einen stationären nicht-gleichgewichtszustand zu präparieren, weil schließlich in dem System dissipative Kräfte wirken, welche Energie in Wärme umwandeln und so hätte man einen stetigen Temperaturanstieg und damit auch keinen stationären Zustand.


Ja, genau. Zumal diese "Kraft" ja auch eine äußere wäre und damit eine Wechselwirkung mit der Umgebung darstellen würde.

Hilfesuchender hat Folgendes geschrieben:

Allerdings kann ich mir ein System vorstellen in dem dies funktioniert. Dazu betrachte ich einen Supraleiter, den ich zu einem geschlossenen Ring forme. Nun erzeuge ich in diesem Ring mit einer Kraft einen elektrischen Strom und schalte schließlich die Kraft wieder aus. Da es keinen Widerstand gibt, wird der Strom nun bis in aller Ewigkeit bei einem konstanten Wert weiterströmen. Es gibt dann natürlich auch keine innere Wärmeentwicklung.
Jetzt habe ich einen abgeschlossenen stationären Nicht-Gleichgewichtszustand ohne Entropieproduktion. Verstehe ich hier etwas falsch?


Hm, das Beispiel macht mir einen kleinen Knoten in den Kopf. grübelnd
Man müsste sich also einen Supraleiter vorstellen, der einmal auf eine Temperatur gekühlt wird, wobei seine Sprungtemperatur ist. Nach der Kühlung wird er vom Kältebad getrennt, und in ein thermisch perfekt isoliertes Gefäß gepackt. Im Gefäß ist alles, inklusive der Wände auf derselben Temperatur, wie der Supraleiter. Jetzt willst du von außen eine Kraft einwirken lassen, um im Ring einen Kreisstrom zu erzeugen. Wie soll das gehen? Schaltest du zum Beispiel ein Magnetfeld an und aus, dann induzierst du Wirbelströme, die eine Magnetfeld erzeugen, dass dem äußeren Magnetfeld entgegengerichtet ist. In der Summe aus äußerem und induziertem Magnetfeld, gibt es dann keine Feldlinien mehr, die den Supraleiter durchdringen, aber einen stationären Wirbelstrom im Supraleiter. Das wäre dein präparierter Zustand, richtig?
Hilfesuchender
Gast





Beitrag Hilfesuchender Verfasst am: 17. Aug 2014 12:22    Titel: Antworten mit Zitat

-Christian- hat Folgendes geschrieben:

Ja, genau. Zumal diese "Kraft" ja auch eine äußere wäre und damit eine Wechselwirkung mit der Umgebung darstellen würde.

Nur weil das System mit einem externen Feld in Wechselwirkung tritt, bedeutet es nicht, dass es Energie an eine Umgebung abgeben kann.

Hilfesuchender hat Folgendes geschrieben:



Hm, das Beispiel macht mir einen kleinen Knoten in den Kopf. grübelnd
Man müsste sich also einen Supraleiter vorstellen, der einmal auf eine Temperatur gekühlt wird, wobei seine Sprungtemperatur ist. Nach der Kühlung wird er vom Kältebad getrennt, und in ein thermisch perfekt isoliertes Gefäß gepackt. Im Gefäß ist alles, inklusive der Wände auf derselben Temperatur, wie der Supraleiter. Jetzt willst du von außen eine Kraft einwirken lassen, um im Ring einen Kreisstrom zu erzeugen. Wie soll das gehen? Schaltest du zum Beispiel ein Magnetfeld an und aus, dann induzierst du Wirbelströme, die eine Magnetfeld erzeugen, dass dem äußeren Magnetfeld entgegengerichtet ist. In der Summe aus äußerem und induziertem Magnetfeld, gibt es dann keine Feldlinien mehr, die den Supraleiter durchdringen, aber einen stationären Wirbelstrom im Supraleiter. Das wäre dein präparierter Zustand, richtig?

Ja also der Strom wird erst durch ein elektrisches und/oder magnetisches Feld induziert und anschließend wird das System vollständig von äußeren Einflüssen isoliert. Dann habe ich einen stationären Nichtgleichgewichts-Zustand ohne Entropiepoduktion.
Es gab mal ein Experiment in dem man so einen Ringstrom zweieinhalb Jahre lang fließen ließ, ohne eine Verminderung der Stromstärke messen zu können.
-Christian-



Anmeldungsdatum: 08.07.2006
Beiträge: 199

Beitrag -Christian- Verfasst am: 17. Aug 2014 15:52    Titel: Antworten mit Zitat

Ich habe bei diesem Beispiel, wie gesagt, auch so meine Probleme. Aber wenn man das Magnetfeld anschaltet, um Wirbelströme zu induzieren, muss man es auch anlassen - denn beim Ausschalten würde mal wegen im Moment des Ausschaltens stattfindenden Induktion den Wirbelstrom wieder zum erliegen bringen. Also Magnetfeld an, Wirbelstrom induzieren, Magnetfeld anlassen.

Ich überlege gerade hin und her, ob dieses System überhaupt einen Nicht-Gleichgewichtszustand darstellt. Zwar haben wir lokal Teilchen-Flüsse, aber die sind ja in sich geschlossen ... grübelnd
Hilfesuchender
Gast





Beitrag Hilfesuchender Verfasst am: 18. Aug 2014 18:58    Titel: Antworten mit Zitat

-Christian- hat Folgendes geschrieben:
Ich habe bei diesem Beispiel, wie gesagt, auch so meine Probleme. Aber wenn man das Magnetfeld anschaltet, um Wirbelströme zu induzieren, muss man es auch anlassen - denn beim Ausschalten würde mal wegen im Moment des Ausschaltens stattfindenden Induktion den Wirbelstrom wieder zum erliegen bringen. Also Magnetfeld an, Wirbelstrom induzieren, Magnetfeld anlassen.

Ich überlege gerade hin und her, ob dieses System überhaupt einen Nicht-Gleichgewichtszustand darstellt. Zwar haben wir lokal Teilchen-Flüsse, aber die sind ja in sich geschlossen ... grübelnd


Es muss ja nicht mit einem Magnetfeld passieren. Du kannst den Strom auch mit einem elektrischen Feld in das System bringen.
Ich weiß jetzt nicht wie es realisiert wurde, aber genau dieses System wurde bereits in der Realität für zweieinhalb Jahre instand gehalten, bis es abgebrochen werden musste (ich glaube wegen krieg). Das Frage, die man sich stellte war, ob man einen von null verschiedenen Widerstand feststellen kann und nach den zweieinhalb Jahren gab es keine messbare Abnahme des Stroms aufgrund eines Widerstandes. Man hat also einen ewig fließenden Ringstrom in einem isolierten System.
Die Fragen dazu sind jetzt.

Ist dies ein Nicht-Gleichgewichtssystem?
Falls nein. Wie definiert man dann Gleichgewicht?
Falls ja. Wie ist das mit der Aussage "In einem Nicht-Gleichgewichtssystem hat man eine von null verschiedene Entropieproduktion." vereinbar?

Wenn das System ein Gleichgewichtszustand ist, müsste detailed balance gelten und meines Wissens nach kann man keinen Strom bekommen, wenn detailed balance erfüllt ist. Andererseits kann die Entropieproduktion nach der Definition von Schnakenberg nur null sein, wenn detailed balance erfüllt ist. Die Entropieproduktion muss aber null sein, weil das System stationär und isoliert ist.

Ich fasse zusammen. Wir haben drei äquivalente Definitionen für einen Gleichgewichtszustand

keine Ströme <=> detailed Balance ist erfüllt <=> keine Entropieproduktion

Die ersten beiden Aussagen sind für unser System nicht erfüllt, wonach kein Gleichgewicht vorliegt. Die letzte Aussage ist allerdings erfüllt, so dass ein Gleichgewicht vorliegt. Das ist dann aber widersprüchlich.
Jetzt bin ich verwirrt mich.
TomS
Moderator


Anmeldungsdatum: 20.03.2009
Beiträge: 18185

Beitrag TomS Verfasst am: 18. Aug 2014 19:58    Titel: Antworten mit Zitat

In einem abgeschlossenen System ist die Entropie im thermodynamischen Gleichgewicht maximal und konstant.
_________________
Niels Bohr brainwashed a whole generation of theorists into thinking that the job (interpreting quantum theory) was done 50 years ago.
-Christian-



Anmeldungsdatum: 08.07.2006
Beiträge: 199

Beitrag -Christian- Verfasst am: 18. Aug 2014 20:03    Titel: Antworten mit Zitat

Ja, schon klar. Aber die Frage ist ja: Warum ist dieses System kein stationärer Nicht-Gleichgewichtszustand oder andersrum formuliert: Warum ist es im thermodynamischen Gleichgewicht?
TomS
Moderator


Anmeldungsdatum: 20.03.2009
Beiträge: 18185

Beitrag TomS Verfasst am: 18. Aug 2014 20:10    Titel: Antworten mit Zitat

Es handelt sich da ja um Nichtgleichgewichtsthermodynamik; ich weiß nicht, was man da noch übernehmen kann.

Evtl. mal nachlesen: http://en.m.wikipedia.org/wiki/Non-equilibrium_thermodynamics#Flows_and_forces

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