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Falsifikationsprinzip
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Mister_X
Gast





Beitrag Mister_X Verfasst am: 04. Mai 2024 13:37    Titel: Falsifikationsprinzip Antworten mit Zitat

Meine Frage:
Hallo, ich hätte nochmal eine Frage zu Poppers Prinzip der Falsifizierung. Und zwar habe ich in einem Physik FAQ folgenden Artikel entdeckt:arnold-neumaier.at/physfaq/topics/falsified.html

Dort wird jetzt beschrieben, dass Popper sein Prinzip der Falsifizierung so praktisch eigentlich nicht angewendet wird. Es heißt, Theorien, die sich behauptet hätten, wie zb die newtosche Mechanik, würde nie wirklich falsifiziert werden. Man würde nur zb mittels der Relativitätstheorie den Gültigkeitsbereich abstecken, nicht aber die Theorie an sich widerlegen.

Meine Ideen:
Ich habe das selbst eigentlich anders gesehen. Auch wenn die newtonsche Mechanik falsifiziert ist, und sie so gesehen falsch ist, kann man sie dennoch in vielen Bereichen verwenden, da zb die relativistischen Effekte verschwindend gering sind, sodass man empirisch keinen Unendlichkeit feststellen kann.
Ist meine Ansicht nun komplett falsch oder habe ich etwa den Artikel aus dem FAQ falsch verstanden?
TomS
Moderator


Anmeldungsdatum: 20.03.2009
Beiträge: 18200

Beitrag TomS Verfasst am: 04. Mai 2024 14:50    Titel: Antworten mit Zitat

Arnold Neumaier hat recht, aber vielleicht hat er sich nicht an alles von Popper erinnert. Dem war das sehr wohl bewusst.

Popper schreibt explizit nicht von einer Falsifizierung der Newtonschen Mechanik, sondern von einer besseren Übereinstimmung der Relativitätstheorie. Er war jedoch davon fasziniert, wie sich letztere exponiert, indem sie rein deduktiv gewonnene Hypothesen zur Überprüfung präsentiert.



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Mister_X
Gast





Beitrag Mister_X Verfasst am: 04. Mai 2024 15:22    Titel: Antworten mit Zitat

Jetzt bin ich völlig verwirrt. Wenn man die vorhandene Theorie nicht falsifiziert, sondern die neue Theorie nur besser mit den Ergebnissen übereinstimmt, was bleibt dann von dem ganzen Prinzip noch übrig?
Aruna



Anmeldungsdatum: 28.07.2021
Beiträge: 829

Beitrag Aruna Verfasst am: 04. Mai 2024 18:07    Titel: Re: Frage zum Falsifikationsprinzip Antworten mit Zitat

Mister_X hat Folgendes geschrieben:
Es heißt, Theorien, die sich behauptet hätten, wie zb die newtosche Mechanik, würde nie wirklich falsifiziert werden. Man würde nur zb mittels der Relativitätstheorie den Gültigkeitsbereich abstecken, nicht aber die Theorie an sich widerlegen.


Nehmen wir an, einer sagt: ich habe 1.000 Schwäne angeschaut, die waren alle weiß und stellt die Theorie auf: "Schwäne sind weiß."
Dann bringt einer einen schwarzen Schwan und sagt, er habe damit die Theorie widerlegt.
Dann kommt ein anderer und sagt: "Aber nein, die Theorie war nur gültig für die untersuchten 1.000 Schwäne. Der gefundene schwarze Schwan hat nicht die Theorie der weißen Schwäne an sich widerlegt, sondern nur ihren Gültigkeitsbereich abgesteckt. Niemand hat behauptet, dass damit alle Schwäne gemeint waren"

Natürlich ist eine Theorie, die nur den Anspruch hat, eine Vorhersage über den Datenbereich zu liefern, auf dessen Grundlage die erstellt wurde, zu machen nicht falsifizierbar, falls keine handwerklichen Fehler gemacht wurde.
Sollten Theorien allerdings nicht Aussagen auch über zukünftige Messergebnisse machen und nicht nur über das, was man ohnehin schon gemessen hat?
Aruna



Anmeldungsdatum: 28.07.2021
Beiträge: 829

Beitrag Aruna Verfasst am: 04. Mai 2024 18:32    Titel: Antworten mit Zitat

Mister_X hat Folgendes geschrieben:
Jetzt bin ich völlig verwirrt. Wenn man die vorhandene Theorie nicht falsifiziert, sondern die neue Theorie nur besser mit den Ergebnissen übereinstimmt, was bleibt dann von dem ganzen Prinzip noch übrig?


Wenn eine Theorie nicht mit den Ergebnissen übereinstimmt, dann ist die falsch.

diese Aussage:

Zitat:
Good scientific practice requires that a good theory agrees with the data within the tolerances claimed. Once this is the case, these theories can never be falsified. Rather, if people find disagreement in experiments, the theory falsifies the experimental arrangement or analysis.
All science students who ever did experiments in the lab know very well that this is common practice.


liest sich auf den ersten Blick für mich wie:

"Wenn die Wirklichkeit der Theorie widerspricht, um so schlimmer für die Wirklichkeit"

Und wäre ein Armutszeugnis für denjenigen, der die trifft.
Etwas genauer betrachtet:
Natürlich: wenn ein Student in einem Praktikum ein bekanntes Experiment nachbaut und da kommt eine Abweichung von bekannten Ergebnissen raus, würde man erst mal beim Aufbau und der Analyse suchen, als tatsächlich anzunehmen, man hätte eine wissenschaftlichen Durchbruch erzielt.
Aber richtige empirische Wissenschaften sollten doch mit Experimenten Bereiche ausloten, die bisher noch nicht gut untersucht sind und nicht solche, die tausendfach bestätigt wurden.
Dadurch, dass der Autor des von Dir verlinkten Artikels sich nur auf die Falsifizierung von etablierten, gut bestätigten Theorien, in dem Bereich bezieht, in dem schon jede Menge empirische Daten vorliegen, wird m.E. das Falsifikationsprinzip in keiner Weise eingeschränkt.


Zuletzt bearbeitet von Aruna am 04. Mai 2024 18:45, insgesamt einmal bearbeitet
Mister_X
Gast





Beitrag Mister_X Verfasst am: 04. Mai 2024 18:41    Titel: Antworten mit Zitat

Ich habe eben nochmal darüber nachgedacht. Ich halte diese Einstellung für haltbar, wenn man einen instrumentalistischen Zugang zur Physik wählt. Wenn man allerdings realistisch eingestellt ist, dann kann eine Theorie doch ganz klar nur falsifiziert werden und nicht nur der Gültigkeitsbereich eingeschränkt. Denn ansonsten hat man es doch plötzlich mit ganz anderen physikalischen Gegebenheiten zu tun, die es in der vorherigen Theorie noch nicht gab. ...das passt irgendwie nicht.
TomS
Moderator


Anmeldungsdatum: 20.03.2009
Beiträge: 18200

Beitrag TomS Verfasst am: 04. Mai 2024 22:16    Titel: Antworten mit Zitat

Mister_X hat Folgendes geschrieben:
Wenn man die vorhandene Theorie nicht falsifiziert, sondern die neue Theorie nur besser mit den Ergebnissen übereinstimmt, was bleibt dann von dem ganzen Prinzip noch übrig?

Indem man einen Grad von Übereinstimmung und nicht-Übereinstimmung betrachtet. Und indem man nicht die gesamte Theorie falsifiziert, sondern nur einen Teilbereich ihrer Aussagen.

Popper hatte auch kein Problem mit der Physik, sondern mit Psychologie, materialistischer Theorie / Marxismus u.ä.

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Mister_X
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Beitrag Mister_X Verfasst am: 05. Mai 2024 00:15    Titel: Antworten mit Zitat

Ich dachte immer, man wolle versuchen, sich der Wahrheit anzunähern. Wie soll das aber funktionieren, wenn zb eine alte, nur begrenzt gültige Theorie im begrenzt gültigen Bereich die gleichen Aussagen liefert wie eine neue Theorie? Und angenommen, die eine der beiden Theorien wäre gänzlich anders strukturiert als die andere. Wäre das nicht etwas widersprüchlich?
Wie wäre denn deine persönliche Meinung dazu?
Aruna



Anmeldungsdatum: 28.07.2021
Beiträge: 829

Beitrag Aruna Verfasst am: 05. Mai 2024 09:48    Titel: Antworten mit Zitat

Mister_X hat Folgendes geschrieben:
Ich dachte immer, man wolle versuchen, sich der Wahrheit anzunähern.


wer ist denn "man" und welche Definition/Theorie von "Wahrheit" ist hier gemeint?
TomS
Moderator


Anmeldungsdatum: 20.03.2009
Beiträge: 18200

Beitrag TomS Verfasst am: 05. Mai 2024 10:14    Titel: Antworten mit Zitat

Aruna hat Folgendes geschrieben:
Mister_X hat Folgendes geschrieben:
Ich dachte immer, man wolle versuchen, sich der Wahrheit anzunähern.


wer ist denn "man" und welche Definition/Theorie von "Wahrheit" ist hier gemeint?

"Man" ist Popper, bzw. derjenige, der seinem kritischen Rationalismus folgt.

Beim Wahrheitsbegriff bezieht er sich auf Tarski. Und natürlich hat Popper immer eine empirisch überprüfbare Wahrheit im Sinn.



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TomS
Moderator


Anmeldungsdatum: 20.03.2009
Beiträge: 18200

Beitrag TomS Verfasst am: 05. Mai 2024 10:26    Titel: Antworten mit Zitat

Mister_X hat Folgendes geschrieben:
Ich dachte immer, man wolle versuchen, sich der Wahrheit anzunähern. Wie soll das aber funktionieren, wenn zb eine alte, nur begrenzt gültige Theorie im begrenzt gültigen Bereich die gleichen Aussagen liefert wie eine neue Theorie?

Schau dir die Newtonsche Mechanik und die Allgemeine Relativitätstheorie an. Letztere enthält erstere in einer gewissen Näherung. Erstere liefert falsche Aussagen wie "alle idealen Uhren bleiben unter allen Umständen synchron", jedoch auch korrekte Aussagen wie "alle idealen Uhren bleiben unter gewissen Umständen und bis zu einer gewissen Messgenauigkeit synchron". Gerade weil die ART auch diese Aussagen reproduziert, wird zwar die erste Aussage als Einzelhypothese falsifiziert, jedoch nicht die Newtonsche Mechanik als Ganzes.

Es geht Popper ja auch nur um die absolute Sicherheit bzgl. einer absoluten Wahrheit, sondern um eine größtmögliche Sicherheit. Poppers kritischer Rationalismus ist auch kein Weckruf an die Experimentalphysiker täglich morgens um sechs, jetzt ins Labor zu gehen und die QCD zu falsifizieren. Es ist insbs. ein Aufruf an die Theoretiker, diese kritischen Maßstäbe an die eigenen Theorien anzulegen, an die Formulierung, die Hypothesen etc. Es geht ihm insbs. um eine Absetzung von Dogmen, hermeneutischen und sich selbst immunisierenden Pseudowissenschaften.

Mister_X hat Folgendes geschrieben:
Und angenommen, die eine der beiden Theorien wäre gänzlich anders strukturiert als die andere. Wäre das nicht etwas widersprüchlich?

Nicht unbedingt.

Das ist ein Problem für denjenigen, der in der mathematischen Struktur eine ewige Wahrheit sieht. In der Newtonschen Mechanik gilt aber sogar das: nicht nur resultieren die Phänomene aus einem Grenzfall der ART, sondern auch die mathematischen Strukturen der ART reduzieren sich in diesem Grenzfall auf diejenigen der Newtonschen Mechanik.

Ich kenne in der Physik nur ein einziges echtes Problem, das in die von dir genannten Richtung geht, und das ist das Entstehen der klassischen Welt aus der Quantenwelt. Und ja, das ist ein Problem.

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Beitrag Mister_X Verfasst am: 05. Mai 2024 12:43    Titel: Antworten mit Zitat

Zitat:
Schau dir die Newtonsche Mechanik und die Allgemeine Relativitätstheorie an. Letztere enthält erstere in einer gewissen Näherung. Erstere liefert falsche Aussagen wie "alle idealen Uhren bleiben unter allen Umständen synchron", jedoch auch korrekte Aussagen wie "alle idealen Uhren bleiben unter gewissen Umständen und bis zu einer gewissen Messgenauigkeit synchron". Gerade weil die ART auch diese Aussagen reproduziert, wird zwar die erste Aussage als Einzelhypothese falsifiziert, jedoch nicht die Newtonsche Mechanik als Ganzes.


Ich hatte es eigentlich so verstanden, dass zwar damit die Newtonsche Mechanik als ganzes falsifiziert ist, aber immer noch hinreichend genau ist für die Fälle, in denen man sie bedenkenlos anwenden kann.

Zitat:
Ich kenne in der Physik nur ein einziges echtes Problem, das in die von dir genannten Richtung geht, und das ist das Entstehen der klassischen Welt aus der Quantenwelt. Und ja, das ist ein Problem.

Ok, dass ist wirklich so. Vielleicht haben deshalb viele Physiker eine instrumentalistische Einstellung bekommen, da damit das Problem weg definiert wird.
Aruna



Anmeldungsdatum: 28.07.2021
Beiträge: 829

Beitrag Aruna Verfasst am: 05. Mai 2024 12:45    Titel: Antworten mit Zitat

TomS hat Folgendes geschrieben:

Schau dir die Newtonsche Mechanik und die Allgemeine Relativitätstheorie an. Letztere enthält erstere in einer gewissen Näherung. Erstere liefert falsche Aussagen wie "alle idealen Uhren bleiben unter allen Umständen synchron", jedoch auch korrekte Aussagen wie "alle idealen Uhren bleiben unter gewissen Umständen und bis zu einer gewissen Messgenauigkeit synchron".


Eine Theorie ist nur dann "falsch" wenn sie keine einzige korrekte Aussage liefert?

TomS hat Folgendes geschrieben:

Mister_X hat Folgendes geschrieben:
Und angenommen, die eine der beiden Theorien wäre gänzlich anders strukturiert als die andere. Wäre das nicht etwas widersprüchlich?

Nicht unbedingt.

Das ist ein Problem für denjenigen, der in der mathematischen Struktur eine ewige Wahrheit sieht. In der Newtonschen Mechanik gilt aber sogar das: nicht nur resultieren die Phänomene aus einem Grenzfall der ART, sondern auch die mathematischen Strukturen der ART reduzieren sich in diesem Grenzfall auf diejenigen der Newtonschen Mechanik.


Geht die Raumzeitkrümmung im Grenzfall in ein Kraftfeld über?
Aruna



Anmeldungsdatum: 28.07.2021
Beiträge: 829

Beitrag Aruna Verfasst am: 05. Mai 2024 12:59    Titel: Antworten mit Zitat

Mister_X hat Folgendes geschrieben:

Zitat:
Ich kenne in der Physik nur ein einziges echtes Problem, das in die von dir genannten Richtung geht, und das ist das Entstehen der klassischen Welt aus der Quantenwelt. Und ja, das ist ein Problem.

Ok, dass ist wirklich so. Vielleicht haben deshalb viele Physiker eine instrumentalistische Einstellung bekommen, da damit das Problem weg definiert wird.


Vielleicht auch deshalb, weil Physik eine Naturwissenschaft ist und sich mit falsifizierbaren Theorien beschäftigt / beschäftigen sollte?
TomS
Moderator


Anmeldungsdatum: 20.03.2009
Beiträge: 18200

Beitrag TomS Verfasst am: 05. Mai 2024 16:53    Titel: Antworten mit Zitat

Aruna hat Folgendes geschrieben:
Eine Theorie ist nur dann "falsch" wenn sie keine einzige korrekte Aussage liefert?

Nein.

Zunächst mal geht es um Aussagen, nicht um Theorien. Eine Aussage ist dann falsch, wenn sie nicht mit den Tatsachen übereinstimmt.

Nach Popper ist die Relativitätstheorie eine bessere Annäherung an die Wahrheit als die Newtonsche Mechanik, da sie zu gewissen Sachverhalten wahre Aussagen macht, die Newtonsche Theorie dagegen nicht; ihr Anwendungsbereich ist größer by (quantitativ fassbar z.B. mittels Geschwindigkeit, Energie, Messgenauigkeit)

Aruna hat Folgendes geschrieben:
Geht die Raumzeitkrümmung im Grenzfall in ein Kraftfeld über?

Nein. Das ist aber auch keine empirisch überprüfbare Aussage.

Und btw.: es gibt eine zur ART äquivalente Theorie, nämlich die Teleparallel Gravity, die auf Torsion statt Krümmung fußt. Siehe 4. in https://arxiv.org/abs/2106.13793 sowie hier https://arxiv.org/abs/physics/0503046 die englischen Übersetzungen der Arbeiten Einsteins.

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Aruna



Anmeldungsdatum: 28.07.2021
Beiträge: 829

Beitrag Aruna Verfasst am: 05. Mai 2024 17:45    Titel: Antworten mit Zitat

TomS hat Folgendes geschrieben:
Aruna hat Folgendes geschrieben:
Eine Theorie ist nur dann "falsch" wenn sie keine einzige korrekte Aussage liefert?

Nein.

Zunächst mal geht es um Aussagen, nicht um Theorien. Eine Aussage ist dann falsch, wenn sie nicht mit den Tatsachen übereinstimmt.


Also in dem oben verlinkten Artikel und in der Diskussion geht es schon um Theorien.
Im speziellen um die Frage, ob die Newtonsche Theorie nun falsifiziert sei oder nur in ihrer Gültigkeit beschränkt.
Im verlinkten Artikel steht:

Zitat:
And Newton's theory will never be falsified, unless God suddenly decides to change the physics of the Universe.The degree of caution and care at the highest level of quality has been increasing through the centuries. It is now too late to ask Newton whether he believed his theory was valid without restrictions. (Or are there any hints in the Principia Mathematica?) Certainly Newton's theory as taught today is valid as taught (i.e., with the restriction that speeds are small compared to c and at distances large compared to the radius of the largest atom). But we nevertheless believe that it is the 'same' theory, and if Newton would live today, I think he would agree with that.
And Newton's theory will never be falsified, unless God suddenly decides to change the physics of the Universe.


Im Gegensatz denken sowohl Mister_X wie auch ich halt, dass die Theorie falsifiziert wurde, eben dort wo Abweichungen der Vorhersagen von Messungen gefunden wurde. Z.B. bei der Periheldrehung des Merkur.

Dazu sagt Herr Neumaier:

Zitat:
That the observed advance of Mercury's perihelion did not match Newton's theory was known as a limitating condition already before relativity was born.


Ja, stimmt, aber hat man dann gesagt: "Das ändert ja nix, dass die Newtonsche Theorie das nicht richtig vohersagt, dann gilt das halt nicht für die Periheldrehung des Merkur, aber das falsifiziert noch lange nicht die Theorie"...?
Nein, man hat versucht, die Beobachtung in Einklang mit der Theorie zu bringen, indem an einen unbekannten Planeten postulierte.

TomS hat Folgendes geschrieben:

Aruna hat Folgendes geschrieben:
Geht die Raumzeitkrümmung im Grenzfall in ein Kraftfeld über?

Nein. Das ist aber auch keine empirisch überprüfbare Aussage.


Ja, natürlich, in dem Bereich, in dem die Vorhersagen der newtonschen Theorie nicht von denen der einsteinschen Theorie unterscheidbar sind, kann man auch nicht empirisch überprüfen, welche nun zutrifft.
Aber eben ging es noch um die mathematische Struktur?
Bildet die mathematische Struktur der ART eine Raumzeitkrümmung ab und diejenige der newtonschen Theorie ein Kraftfeld zwischen Massen?
TomS
Moderator


Anmeldungsdatum: 20.03.2009
Beiträge: 18200

Beitrag TomS Verfasst am: 05. Mai 2024 17:55    Titel: Antworten mit Zitat

Sie dazu Popper:
Zitat:
Ich möchte sagen können, die Wissenschaft strebe nach der Wahrheit im Sinne der Übereinstimmung mit den Tatsachen oder der Wirklichkeit; und ich möchte auch (mit Einstein und anderen Wissenschaftlern) sagen können, die Relativitätstheorie sei – jedenfalls vermutlich – eine bessere Annäherung an die Wahrheit als die Newtonsche Theorie und diese eine bessere als die Keplersche Theorie. Das möchte ich sagen können, ohne fürchten zu müssen, daß der Begriff der Wahrheitsähnlichkeit logisch abwegig oder
»sinnlos« sei. Mit anderen Worten, ich möchte eine Idee des Alltagsverstandes rehabilitieren, die ich zur Beschreibung der Ziele der Wissenschaft brauche und die meiner Meinung nach als regulatives Prinzip … der Rationalität aller kritischen wissenschaftlichen Diskussionen zugrunde liegt.


Aruna hat Folgendes geschrieben:
Also in dem oben verlinkten Artikel und in der Diskussion geht es schon um Theorien.

Aber bei Popper geht es im wesentlichen um die Falsifizierbarkeit von Aussagen.

Aruna hat Folgendes geschrieben:
Im speziellen um die Frage, ob die Newtonsche Theorie nun falsifiziert sei oder nur in ihrer Gültigkeit beschränkt.
Im verlinkten Artikel steht:

Zitat:
And Newton's theory will never be falsified, unless God suddenly decides to change the physics of the Universe.The degree of caution and care at the highest level of quality has been increasing through the centuries. It is now too late to ask Newton whether he believed his theory was valid without restrictions. (Or are there any hints in the Principia Mathematica?) Certainly Newton's theory as taught today is valid as taught (i.e., with the restriction that speeds are small compared to c and at distances large compared to the radius of the largest atom). But we nevertheless believe that it is the 'same' theory, and if Newton would live today, I think he would agree with that.
And Newton's theory will never be falsified, unless God suddenly decides to change the physics of the Universe.

Gut.

Aruna hat Folgendes geschrieben:
Im Gegensatz denken sowohl Mister_X wie auch ich halt, dass die Theorie falsifiziert wurde, eben dort wo Abweichungen der Vorhersagen von Messungen gefunden wurde. Z.B. bei der Periheldrehung des Merkur.

Also was jetzt. Wurde "die Theorie" falsifiziert oder wurde ein Aspekt "eben dort" falsifiziert?

Aruna hat Folgendes geschrieben:
Dazu sagt Herr Neumaier:
Zitat:
That the observed advance of Mercury's perihelion did not match Newton's theory was known as a limitating condition already before relativity was born.

Gut.

Ist das denn nicht alles stimmig?

Aruna hat Folgendes geschrieben:
Aber eben ging es noch um die mathematische Struktur?
Bildet die mathematische Struktur der ART eine Raumzeitkrümmung ab und diejenige der newtonschen Theorie ein Kraftfeld zwischen Massen?

Das ist nicht der Punkt.

Es gibt zwei bzgl. der mathematischen Struktur verschiedene jedoch empirisch äquivalente Theorien, die ART und die Teleparallel Gravity. D.h. die mathematische Struktur ist als nicht-empirisches Kriterium eher irrelevant. Oder wird die Newtonsche Theorie empirisch schlechter, weil es zudem nicht-empirische Unterschiede gibt?

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Aruna



Anmeldungsdatum: 28.07.2021
Beiträge: 829

Beitrag Aruna Verfasst am: 05. Mai 2024 18:56    Titel: Antworten mit Zitat

TomS hat Folgendes geschrieben:
Sie dazu Popper:
Zitat:
Ich möchte sagen können, die Wissenschaft strebe nach der Wahrheit im Sinne der Übereinstimmung mit den Tatsachen oder der Wirklichkeit;


Diese Übereinstimmung lässt sich dann allerdings nur an überprüfbaren Aussagen überprüfen.
Während die hier von Mister-X angeführten Realisten IMO aus der Tatsache, dass alle überprüfbaren Aussagen einer Theorie mit der Wirklichkeit übereinstimmen, folgern wollen, dass auch der Rest der Theorie mit der Wirklichkeit übereinstimme.

TomS hat Folgendes geschrieben:

Aruna hat Folgendes geschrieben:
Im Gegensatz denken sowohl Mister_X wie auch ich halt, dass die Theorie falsifiziert wurde, eben dort wo Abweichungen der Vorhersagen von Messungen gefunden wurde. Z.B. bei der Periheldrehung des Merkur.

Also was jetzt. Wurde "die Theorie" falsifiziert oder wurde ein Aspekt "eben dort" falsifiziert?


Vergiss das "eben dort", ich wollte sagen: Wenn eine Theorie nur eine einzige falsche Aussage über die Wirklichkeit macht, dann ist die Theorie falsch.

TomS hat Folgendes geschrieben:

Aruna hat Folgendes geschrieben:
Dazu sagt Herr Neumaier:
Zitat:
That the observed advance of Mercury's perihelion did not match Newton's theory was known as a limitating condition already before relativity was born.

Gut.

Ist das denn nicht alles stimmig?


Im Gegensatz von Herrn Neumaier bin ich der Ansicht, dass Newton den Anspruch gehabt hätte, dass seine Theorie auch die Periheldrehung des Merkur korrekt vorhersagt.
Das hatten ja auch seine Anhänger, die den Planeten Vulkan postulierten.

TomS hat Folgendes geschrieben:

Aruna hat Folgendes geschrieben:
Aber eben ging es noch um die mathematische Struktur?
Bildet die mathematische Struktur der ART eine Raumzeitkrümmung ab und diejenige der newtonschen Theorie ein Kraftfeld zwischen Massen?

Das ist nicht der Punkt.


Das war schon mein Punkt:
Man hat zwei Theorien, die newtonsche und die einsteinsche, die auf der Grundlage einer unterschiedlichen Vorstellung der Wirklichkeit entwickelt wurden.
Die erstere erklärt Gravitation als Kraftfeld zwischen Massen, die selbst nicht auf Massen einwirken.
Die Letztere erklärt Gravitation als Wirkung der durch Massen induzierten Verformung der Raumzeit auf die kräftefreie Bewegung anderer Massen.
Und nun stellt man fest, dass die Letztere einige Beobachtungen im Rahmen der Messgenauigkeit korrekt erklärt, und die erstere nicht.
Da liegt doch dann nahe, dass das mit den Kraftfeldern eher nicht stimmt, selbst in den Bereichen, wo man beide Theorien nicht unterscheiden kann.
Nun sagst Du, dass im Gültigkeitsbereich der newtonschen Theorie die mathematische Struktur der ART in die der newtonschen überginge.
Und daher frage ich eben, ob die Vorstellung einer Raumzeitkrümmung bzw. eines Kraftfeldes in den mathematischen Strukturen abgebildet sei.
Aruna



Anmeldungsdatum: 28.07.2021
Beiträge: 829

Beitrag Aruna Verfasst am: 05. Mai 2024 19:19    Titel: Antworten mit Zitat

TomS hat Folgendes geschrieben:

Es gibt zwei bzgl. der mathematischen Struktur verschiedene jedoch empirisch äquivalente Theorien, die ART und die Teleparallel Gravity. D.h. die mathematische Struktur ist als nicht-empirisches Kriterium eher irrelevant.


Hab ich auch nicht behauptet.
Es ging darum, dass bei empirisch nicht äquivalenten Theorien diejenige zu wählen ist, die alle Beobachtungen korrekt erklärt.
Sofern dann die mathematische Struktur unterschiedlich ist, wird doch der Realist meinen, dass die Wirklichkeit eher durch die mathematische Struktur der Theorie beschrieben wird, die bei allen überprüfbaren Aussagen mit der Wirklichkeit übereinstimmt.

TomS hat Folgendes geschrieben:

Oder wird die Newtonsche Theorie empirisch schlechter, weil es zudem nicht-empirische Unterschiede gibt?


Natürlich nicht.
Du hattest allerdings gesagt, dass dort, wo die Newtonsche Theorie empirisch
gleichwertig mit der ART ist, die auch bezüglich der mathematischen Struktur gleich sei.
D.h. wenn ich den freien Fall eines Apfels im Schwerfeld der Erde mit Newton berechne, dann ist die gleiche, wie mit der ART (?)
Mister_X
Gast





Beitrag Mister_X Verfasst am: 05. Mai 2024 21:12    Titel: Antworten mit Zitat

Also, mein Gedanke ist halt folgender (jetzt tangiere ich wieder das vorherige Thema):

Mittels der naturwissenschaftlichen Theorien wollen wir uns der Wahrheit annähern. Wenn ich nun eine alte Theorie, wie die Newtonsche Mechanik, durch zb die SRT falsifiziere, dann habe ich mich ein Stückchen mehr der Wahrheit angenährt. Dann muss aber doch zwangsläufig die alte Theorie an sich falsch sein, wenn ich realistisch beschreiben will, was wirklich in der Natur geschieht.

Wenn ich an sich nur Aussagen generieren möchte, um empirische Überprüfungen zu machen, ist es vermutlich egal, ob man meint, man hätte nur den Gültigkeitsbereich einer Theorie abgesteckt.
Aruna



Anmeldungsdatum: 28.07.2021
Beiträge: 829

Beitrag Aruna Verfasst am: 05. Mai 2024 21:29    Titel: Antworten mit Zitat

Mister_X hat Folgendes geschrieben:
Wenn ich nun eine alte Theorie, wie die Newtonsche Mechanik, durch zb die SRT falsifiziere, .


Wie soll das denn gehen?

Edit: Also eine Theorie mit einer anderen Theorie zu falsifizieren?
Es geht doch um die Übereinstimmung einer Theorie mit "den Tatsachen der Wirklichkeit" und letztere sind empirisch zu ermitteln.

Mister_X hat Folgendes geschrieben:

Wenn ich an sich nur Aussagen generieren möchte, um empirische Überprüfungen zu machen,


"Nur"?
Darum geht es doch bei der Falsifizierbarkeit in empirischen Wissenschaften: Aus der Theorie Aussagen abzuleiten, die empirisch überprüfbar sind.
Und wenn da zwei konkurrierende Theorien auf dem Prüfstand stehen, dann muss man schauen, wo die zu unterschiedlichen Vorhersagen kommen, um zu entscheiden, welche besser mit der Wirklichkeit übereinstimmt.

Mister_X hat Folgendes geschrieben:

ist es vermutlich egal, ob man meint, man hätte nur den Gültigkeitsbereich einer Theorie abgesteckt.


Finde ich nicht, es sei denn, in dem Gültigkeitsbereich wären wirklich die Theorien identisch (und nicht nur die Rechenergebnisse) und außerhalb des Gültigkeitsbereichs eben nicht.
Das sehe ich bei Newton und ART (noch) nicht.


Zuletzt bearbeitet von Aruna am 06. Mai 2024 04:25, insgesamt einmal bearbeitet
willyengland



Anmeldungsdatum: 01.05.2016
Beiträge: 686

Beitrag willyengland Verfasst am: 05. Mai 2024 21:50    Titel: Antworten mit Zitat

Schon Pilatus fragte: Was ist Wahrheit?

Mister_X, definiere "Wahrheit", definiere "Wirklichkeit".

_________________
Gruß Willy
Sonnenwind



Anmeldungsdatum: 25.04.2022
Beiträge: 687

Beitrag Sonnenwind Verfasst am: 05. Mai 2024 22:08    Titel: Antworten mit Zitat

Mister_X hat Folgendes geschrieben:
Wenn ich nun eine alte Theorie, wie die Newtonsche Mechanik, durch zb die SRT falsifiziere, dann habe ich mich ein Stückchen mehr der Wahrheit angenährt. Dann muss aber doch zwangsläufig die alte Theorie an sich falsch sein, wenn ich realistisch beschreiben will, was wirklich in der Natur geschieht.

Man könnte sich einfach darauf einigen, dass die Newtonsche Mechanik theoretisch falsch ist, aber alltagspraktisch richtig.

Jemandem, der einen Verkehrsunfall mittels der SRT rekonstruieren will, würde ich den Vogel zeigen.

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Das Photon: Eine Geschichte voller Missverständnisse.
gdfghfggjh
Gast





Beitrag gdfghfggjh Verfasst am: 05. Mai 2024 23:09    Titel: Antworten mit Zitat

Mister_X hat Folgendes geschrieben:

Mittels der naturwissenschaftlichen Theorien wollen wir uns der Wahrheit annähern. Wenn ich nun eine alte Theorie, wie die Newtonsche Mechanik, durch zb die SRT falsifiziere, dann habe ich mich ein Stückchen mehr der Wahrheit angenährt. Dann muss aber doch zwangsläufig die alte Theorie an sich falsch sein, wenn ich realistisch beschreiben will, was wirklich in der Natur geschieht.

Newton wird ja nicht automatisch falsch wenn es durch etwas besseres ersetzt wird, soweit mir bekannt bethält Einstein Newton für kleine Massen weil es da einfach besser funktioniert. Wir oder ich zumindest, warten ja noch auch die neue scheisse die das Quaantengedöns mit Einstein in Einklang bringt, aber da ist bis jetzt nicht viel, Gravitation is immernoch das grosse Rätsel.
Aruna



Anmeldungsdatum: 28.07.2021
Beiträge: 829

Beitrag Aruna Verfasst am: 06. Mai 2024 04:44    Titel: Antworten mit Zitat

Sonnenwind hat Folgendes geschrieben:

Man könnte sich einfach darauf einigen, dass die Newtonsche Mechanik theoretisch falsch ist, aber alltagspraktisch richtig.


Das würde im Kontext Realismus vs. Instrumentalismus bedeuten, dass ein Realist hofft, dass die Wirklichkeit durch die ART beschrieben wird, aber dort, wo Newton die gleichen Ergebnisse liefert Newton als Rechenmethode anwendet.

Allerdings verstehe ich den Artikel, der hier diskutiert werden soll, so, dass die newtonsche Mechanik, dort wo die sie die richtigen Ergebnisse liefert, auch theoretisch richtig sei, weil die dort eben nicht falsifiziert werden kann.
Der Autor schreibt ja:

Newton's theory will never be falsified, unless God suddenly decides to change the physics of the Universe.

das "suddenly" bezieht sich dann auf den zeitlichen Verlauf.
Falls nun aber tatsächlich die Newtonsche Theorie, nur innerhalb der Grenzen, in der die nicht falsifizierbar ist, nicht nur im Sinne von Empirie, sondern auch im Sinne von Realismus die Wirklichkeit beschreibt, dann hat sich Gott wohl entschieden, die Physik des Universums an diesen Grenzen plötzlich zu ändern.
Mister_X
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Beitrag Mister_X Verfasst am: 06. Mai 2024 06:32    Titel: Antworten mit Zitat

Zitat:
Man könnte sich einfach darauf einigen, dass die Newtonsche Mechanik theoretisch falsch ist, aber alltagspraktisch richtig.


Das habe ich hier ja schon mehrfach behauptet. Präzise genug, um im Gültigkeitsbereich Berechnungen anzustellen, aber theoretisch falsifiziert.
TomS
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Beitrag TomS Verfasst am: 06. Mai 2024 06:57    Titel: Antworten mit Zitat

@Aruna –

Also sind wir einig, dass zur Überprüfung einer Theorie nach Popper die mathematische Struktur nur insofern herangezogen wird, als es um empirisch überprüfbare Vorhersagen geht.

Darüberhinaus mag es durchaus noch weitere relevante Aspekte geben, z.B. Ockham.

Aruna hat Folgendes geschrieben:
Du hattest allerdings gesagt, dass dort, wo die Newtonsche Theorie empirisch gleichwertig mit der ART ist, die auch bezüglich der mathematischen Struktur gleich sei.
D.h. wenn ich den freien Fall eines Apfels im Schwerfeld der Erde mit Newton berechne, dann ist die gleiche, wie mit der ART (?)

Ich sage nur, dass ich die Newtonschen Ausdrücke mit Potential und Kraft erhalte. Das gilt aber auch in post-Newtonschen Näherungen der ART, in denen z.B. die Perihelpräzession korrekt herauskommt.

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Zuletzt bearbeitet von TomS am 06. Mai 2024 07:41, insgesamt einmal bearbeitet
TomS
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Beitrag TomS Verfasst am: 06. Mai 2024 07:05    Titel: Antworten mit Zitat

Aruna hat Folgendes geschrieben:
Der Autor schreibt ja:

Newton's theory will never be falsified, unless God suddenly decides to change the physics of the Universe.

das "suddenly" bezieht sich dann auf den zeitlichen Verlauf.
Falls nun aber tatsächlich die Newtonsche Theorie, nur innerhalb der Grenzen, in der die nicht falsifizierbar ist, nicht nur im Sinne von Empirie, sondern auch im Sinne von Realismus die Wirklichkeit beschreibt, dann hat sich Gott wohl entschieden, die Physik des Universums an diesen Grenzen plötzlich zu ändern.

Das sind evtl. verschiedene Begriffe des Realismus und der Falsifikation.

Popper bezieht sich auf Tarski, und der bezieht sich auf die Übereinstimmung mit der Wirklichkeit.

Von der mathematischen Struktur ist schlicht nicht die Rede.

Aber auch wenn man von den mathematischen Strukturen behauptet, sie würden selbst – jenseits aller Empirie – gewisse Aspekte der Realität zutreffend beschreiben, dann funktioniert genau das auch für Newton.

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TomS
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Beitrag TomS Verfasst am: 06. Mai 2024 08:23    Titel: Antworten mit Zitat

@Mister_X – du willst darauf hinaus, dass eine Theorie auch bzgl. ihrer mathematischen Struktur, über empirische Konsequenzen hinaus "wahr" oder "falsch" ist; ich denke, dass diesbzgl. ebenfalls Poppers Annäherung an die Wahrheit gilt.
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Mister_X
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Beitrag Mister_X Verfasst am: 06. Mai 2024 16:06    Titel: Antworten mit Zitat

Ok danke, im Hinblick darauf sollte das, was ich geschrieben hatte, dann doch gar nicht so verkehrt sein.

Nochmal kurz zum Thema Wahrheit: denkst du es ist in Ordnung, als wissenschaftlich denkender Mensch an die Existenz einer absoluten Wahrheit (= das, was wirklich existiert, empirische + womöglich metaphysische Entinitäten) zu glauben, wohl wissend, dass man diese nie wissen wird?

Nur nochmal in Anspielung auf meine Matheboarddiskussion...
DrStupid



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Beitrag DrStupid Verfasst am: 06. Mai 2024 16:32    Titel: Antworten mit Zitat

Mister_X hat Folgendes geschrieben:
Nochmal kurz zum Thema Wahrheit: denkst du es ist in Ordnung, als wissenschaftlich denkender Mensch an die Existenz einer absoluten Wahrheit (= das, was wirklich existiert, empirische + womöglich metaphysische Entinitäten) zu glauben, wohl wissend, dass man diese nie wissen wird?


Laut Wikipedia bedeutet Glauben etwas ohne methodische Bergündung für wahr zu halten. Das sollte man als Naturwissenschaftler grundsätzlich nicht tun. Darüber hinaus entzieht sich eine absoluten Wahrheit dem Wahrheitskriterium der Naturwissenschaft. Die unabhängig reproduzierbare experimentelle Beobachtung sagt uns "nur", wie sich die Natur uns darstellt und nicht, wie sie wirklich ist (was auch immer das bedeutet). Das mag aus philosophischer Sicht unbefriedigend sein, aber es ist äußerst praktisch, weil man sich damit viele erkenntnistheoretische Probeme vom Hals schafft.

Was wissenschaftlich denkende Menschen in ihrer Freizeit tun, ist natürlicuh eine ganz andere Sache. Da dürfen sie sogar an Trolle, Elfen und Homöopathie glauben.
Mister_X
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Beitrag Mister_X Verfasst am: 06. Mai 2024 16:53    Titel: Antworten mit Zitat

Zitat:
Laut Wikipedia bedeutet Glauben etwas ohne methodische Bergündung für wahr zu halten. Das sollte man als Naturwissenschaftler grundsätzlich nicht tun. Darüber hinaus entzieht sich eine absoluten Wahrheit dem Wahrheitskriterium der Naturwissenschaft. Die unabhängig reproduzierbare experimentelle Beobachtung sagt uns "nur", wie sich die Natur uns darstellt und nicht, wie sie wirklich ist (was auch immer das bedeutet). Das mag aus philosophischer Sicht unbefriedigend sein, aber es ist äußerst praktisch, weil man sich damit viele erkenntnistheoretische Probeme vom Hals schafft.

Was wissenschaftlich denkende Menschen in ihrer Freizeit tun, ist natürlicuh eine ganz andere Sache. Da dürfen sie sogar an Trolle, Elfen und Homöopathie glauben.


Dann darfst du aber auch nicht eine Interpretation der Quantenmechanik bevorzugen oder generell mit solchen Fragestellungen auseinandersetzen....ich denke man darf als Wissenschaftler auch "glauben", allerdings immer mit dem Hintergedanke, dass man keine Sicherheit auf diesem Gebiet hat. Und natürlich sollte man wissen, wo der wissenschaftliche Bereich anfängt und der andere beginnt.
DrStupid



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Beitrag DrStupid Verfasst am: 06. Mai 2024 17:28    Titel: Antworten mit Zitat

Mister_X hat Folgendes geschrieben:
ich denke man darf als Wissenschaftler auch "glauben", allerdings immer mit dem Hintergedanke, dass man keine Sicherheit auf diesem Gebiet hat.


Du hast "glauben" ja schon selbst in Anführungsstriche gesetzt. Solange das Ganze irgend einen Nutzen hat und man sich bewusst ist, dass es sich um eine Arbeitshypothese handelt, ist es OK.
willyengland



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Beitrag willyengland Verfasst am: 06. Mai 2024 19:33    Titel: Antworten mit Zitat

Ich habe das Falsifikationsprinzip immer so gesehen, dass es eine Art Arbeitsanweisung für den Forscher ist.
Versuche keine Pet-Theories zu haben, sondern versuche, deine Theorien zu widerlegen. Spiele den Advokatus Diaboli. Hinterfrage alles. Teste alles. Denke dir Experimente aus, die deine Thesen widerlegen könnten usw. Bleibe immer kritisch, skeptisch.

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Gruß Willy
TomS
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Beitrag TomS Verfasst am: 06. Mai 2024 20:59    Titel: Antworten mit Zitat

Mister_X hat Folgendes geschrieben:
Nochmal kurz zum Thema Wahrheit: denkst du es ist in Ordnung, als wissenschaftlich denkender Mensch an die Existenz einer absoluten Wahrheit (= das, was wirklich existiert, empirische + womöglich metaphysische Entitäten) zu glauben, wohl wissend, dass man diese nie wissen wird?

Was genau meinst du mit metaphysischen Entitäten?

Davon abgesehen ist eine valide philosophische Diskussion, es gibt Wissenschaftler, die das in etwa so sehen.

Warum also nicht?

@DrStupid – Siehst du das wirklich so anders? Und dann schau mal, für wen so eine Grundhaltung Antrieb war: Einstein, Schrödinger, Bohm, Bell, Penrose …

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Beitrag Mister_X Verfasst am: 06. Mai 2024 22:03    Titel: Antworten mit Zitat

Mit metaphysischen Entitäten meine ich: für Dualisten (ohne das ich diese Philosophie vertrete) zb Seelen usw. Ich habe ja auch extra "womöglich" dabei geschrieben, falls manch ein Wissenschaftler noch solch eine Philosophie vertreten sollte.

Ansonsten freut es mich, dass im Grund genommen nichts gegen die Haltung spricht.

Shut up and calculate hat zwar auch seine Berechtigung, ist aber irgendwie auch etwas fade.
Aruna



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Beitrag Aruna Verfasst am: 06. Mai 2024 22:22    Titel: Antworten mit Zitat

TomS hat Folgendes geschrieben:

Aruna hat Folgendes geschrieben:
Du hattest allerdings gesagt, dass dort, wo die Newtonsche Theorie empirisch gleichwertig mit der ART ist, die auch bezüglich der mathematischen Struktur gleich sei.
D.h. wenn ich den freien Fall eines Apfels im Schwerfeld der Erde mit Newton berechne, dann ist die gleiche, wie mit der ART (?)

Ich sage nur, dass ich die Newtonschen Ausdrücke mit Potential und Kraft erhalte.


Dann ist das, was Frau Hossenfelder in diesem Video erzählt falsch?
Im Gültigkeitsbereich der newtonschen Theorie ist Gravitation eine Kraft, auch nach der ART?

https://www.youtube.com/watch?v=R3LjJeeae68
Aruna



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Beitrag Aruna Verfasst am: 06. Mai 2024 22:37    Titel: Antworten mit Zitat

Mister_X hat Folgendes geschrieben:

Nochmal kurz zum Thema Wahrheit: denkst du es ist in Ordnung, als wissenschaftlich denkender Mensch an die Existenz einer absoluten Wahrheit (= das, was wirklich existiert, empirische + womöglich metaphysische Entinitäten) zu glauben, wohl wissend, dass man diese nie wissen wird?


wenn mit "Existenz einer absoluten Wahrheit" die Existenz einer objektiven Welt gemeint ist.....glauben da nicht die meisten dran, (bis auf radikale Konstruktivisten vielleicht )und ist dieser Glaube nicht geradezu Voraussetzung Naturwissenschaften zu betreiben?

Wobei...

Philoclopedia hat Folgendes geschrieben:
Die Korrespondenztheorie wird oft mit dem Realismus vermengt, d. h. der These, dass die Welt objektiv und unabhängig von unserem Denken existiert. Doch Realismus ist ohne Korrespondenz haltbar (z. B. unter Annahme gewisser Formen der Identitätstheorie, s. u.; vgl. Devitt 1997), und Korrespondenz ist mit der Bewusstseinsabhängigkeit der Wirklichkeit vereinbar (z. B. bei McTaggart 1921). In engem Zusammenhang sowohl mit Realismus als auch der Korrespondenztheorie steht auch das sog. Wahrmacherprinzip, demzufolge es für jeden wahren Wahrheitsträger mindestens eine Entität gibt, die ihn wahr macht (vgl. Beebee/Dodd 2005).

https://www.philoclopedia.de/was-kann-ich-wissen/wahrheit/korrespondenztheorie-der-wahrheit/


Zuletzt bearbeitet von Aruna am 06. Mai 2024 22:40, insgesamt einmal bearbeitet
TomS
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Beitrag TomS Verfasst am: 06. Mai 2024 22:38    Titel: Antworten mit Zitat

willyengland hat Folgendes geschrieben:
…versuche, deine Theorien zu widerlegen. Spiele den Advokatus Diaboli. Hinterfrage alles. Teste alles. Denke dir Experimente aus, die deine Thesen widerlegen könnten usw. Bleibe immer kritisch, skeptisch.

👍

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Beitrag TomS Verfasst am: 07. Mai 2024 06:47    Titel: Antworten mit Zitat

Aruna hat Folgendes geschrieben:
Im Gültigkeitsbereich der newtonschen Theorie ist Gravitation eine Kraft, auch nach der ART?

Das habe ich doch nicht gesagt.

Man erhält aus der ART im Rahmen gewisser Näherungen die Newtonschen Theorie (plus relativistische Korrekturen), so dass deren Ergebnisse (und sogar relativistische wie z.B. die Periheldrehung) mittels des Kraftbegriffs. Ähnliches gilt für andere Theorien und Phänome.

Da wir wohl nicht annehmen dürfen, mit irgendeiner bekannten Theorie bereits die letztgültige, richtige Theorie gefunden zu haben, liefern wohl alle unsere Theorien mehr oder weniger gute empirische Annäherung an die Wahrheit. Und in dem gleichen Sinne darf man als Realist dann annehmen, dass die mathematischen Strukturen eine mehr oder weniger gute Annäherung an eine zutreffende Repräsentation der Natur aufgefasst werden können.

Es ist doch sinnlos zu meinen, dass die Newtonsche Mechanik durch die Relativitätstheorie vollständig falsifiziert oder entwertet würde, wo wir doch davon ausgehen müssen, dass auch die Relativitätstheorie dann in exakt der selben Weise wertlos und falsch sein müsste; wie kann denn eine in bestimmten Bereichen falsche Theorie eine andere Theorie falsifizieren?

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