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FAQ - Elektromagnetismus und Relativgeschwindigkeit
 
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ML



Anmeldungsdatum: 17.04.2013
Beiträge: 3390

Beitrag ML Verfasst am: 29. Apr 2017 13:24    Titel: FAQ - Elektromagnetismus und Relativgeschwindigkeit Antworten mit Zitat

Problemstellung
In Schulbüchern und einführenden Lehrbüchern zur Experimentalphysik wird häufig ein Zusammenhang zwischen elektromagnetischen Induktionserscheinungen und der "Relativgeschwindigkeit zwischen Magnet und Leiter" hergestellt.

Bewege sich beispielsweise ein Permanentmagnet relativ zu einer Spule, so entstehe die Spannung zwischen den Enden der Spule aufgrund der "Relativbewegung" zwischen beiden Objekten. Es sei für die Entstehung der Spannung schließlich egal, ob sich die Spule zum Magneten bewege oder der Magnet zur Spule.

https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/thumb/5/55/Magnet_in_Spule.svg/256px-Magnet_in_Spule.svg.png
Magnet in Spule

In Abwandlungen findet sich dieses Anschauungsmodell in fragwürdigen Formulierungen wie "der Leiter schneidet die magnetischen Feldlinien" oder "der Leiter bewegt sich relativ zum Magnetfeld" wieder.

Experimentelle Lage
Anhand eines anderen Experiments soll herausgearbeitet werden, weshalb die Bezugnahme auf "Relativgeschwindigkeiten" die Argumentation entwertet.

Im Experiment zum sogenannten Faraday'schen Paradoxon werden eine Aluminiumscheibe und ein Permanentmagnet konzentrisch angeordnet und drehbar gelagert, so dass Aluminiumscheibe und Permanentmagnet unabhängig voneinander gedreht werden können. An der Aluminiumscheibe befindet sich ein Abgriff, mithilfe dessen die durch die Drehung entstehende Induktionsspannung gemessen wird.

https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/thumb/1/14/Faradayscheibe-A.svg/512px-Faradayscheibe-A.svg.png
Faradayscheibe-A [CC0], von Modalanalytiker (Eigenes Werk), vom Wikimedia Commons

Bei diesem Experiment lassen sich alle vier Kombinationen aus Relativbewegung und Spannungsanzeige beobachten:

  • Dreht man die Aluminiumscheibe und lässt den Permanentmagneten ruhen , so zeigt das Voltmeter eine Spannung an.
    Die Relativbewegung führt zu einer Spannung.
  • Lässt man die Aluminiumscheibe ruhen und dreht anstelle dessen den Permanentmagneten (), so zeigt das Voltmeter keine Spannung an.
    Die Relativbewegung führt nicht zu einer Spannung.
  • Dreht man die Aluminiumscheibe und den Permanentmagneten mit gleicher Geschwindigkeit , so zeigt das Voltmeter wiederum eine Spannung an.
    Die relative Ruhe führt zu einer Spannung.
  • Ruhen beide Scheiben , so zeigt das Voltmeter keine Spannung an.
    Die relative Ruhe führt nicht zu einer Spannung.

Offenbar ist der Begriff der "Relativgeschwindigkeit" zwischen Magnet und Leiter also nicht so entscheidend wie vielfach dargestellt, sondern es kommt im konkreten Beispiel ausschließlich auf die Geschwindigkeit des Leiters an.

Was wird übersehen?
Problematisch an dem Modell der Relativbewegung ist, dass entgegen dem ersten Anschein ("Relativbewegung") die relativistischen Aspekte der Feldtheorie in Wirklichkeit nicht korrekt abgebildet werden.

Es wird ebenfalls nicht berücksichtigt, dass neben Spule und Permanentmagnet mit dem Messgerät noch ein drittes Objekt am Experiment beteiligt ist. Das Messgerät und dessen Geschwindigkeit ist insofern entscheidend, als es eine physikalische Größe anzeigt (Integral über die elektrische Feldstärke E), die sehr stark davon abhängt, aus welchem Bezugssystem heraus gemessen wurde (Stichwort: Lorentztransformation der elektrischen Feldstärke).

Beim Faraday'schen Paradoxon kommt es für die Spannungsanzeige entscheidend darauf an, ob das Messgerät im Laborsystem ruht, oder ob es sich zusammen mit der Aluminiumscheibe im Magnetfeld dreht.

Zu berücksichtigen ist auch, dass das Messgerät das Integral über die elektrische Feldstärke über ein nur kurzes Leiterstück (innerhalb des Messgerätes!) anzeigt. Es ist für einen Lernenden nicht per se klar, wie die Spannungsanzeige mit den physikalischen Vorgängen der Aluminiumscheibe (bzw. im anderen Experiment: in der Spule) zusammenhängen.

Vor diesem Hintergrund müsste man die Fragestellung also dahingehend präzisieren, unter welchen Bedingungen es in Bezug auf welche physikalische Größe, betrachtet aus welchem Bezugssystem auf die Relativbewegung zwischen Spule und Magnet ankommt, und welche Bedeutung die Geschwindigkeit des Messgerätes beim Experiment einnimmt.

Grundgleichungen enthalten keine Relativgeschwindigkeiten
Besser ist es jedoch, den Begriff "Relativgeschwindigkeit" komplett aus der Diskussion herauszulassen und sich anstelle dessen an den Grundgleichungen der Elektrodynamik (Maxwellgleichungen, elektrische und magnetische Feldkräfte, Lorentztransformation) zu orientieren. In diesen Gleichungen wird nirgends eine Relativgeschwindigkeit angeführt, sondern es geht überall nur um "normale" Geschwindigkeiten, wobei diese jeweils auf ein für alle Größen gemeinsames Inertialsystem als Bezugssystem bezogen werden.

Bezieht man sich auf das Laborsystem als Bezugssystem, so sind beim Faraday'schen Paradoxon und beim Spulenexperiment zu berücksichtigen:
- die Geschwindigkeit des Leiters
- die Geschwindigkeit des Messgerätes und
- die Vektorfelder und , jeweils gemessen im Laborsystem.
Der Bewegungszustand des Magneten geht nur indirekt über die Vektorfelder und in die Beschreibung ein.

Sollte der Magnet bei einem Experiment selbst Teil des Stromkreises sein (wie beispielsweise beim Hering'schen Paradoxon) oder mechanisch mit dem restlichen System gekoppelt sein (wie beispielsweise bei permanenterregten Synchronmaschinen), so ist diese Kopplung zusätzlich zu berücksichtigen.
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