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DrStupid
BeitragVerfasst am: 29. Jun 2022 09:43    Titel:

Qubit hat Folgendes geschrieben:
Wir wissen - genau genommen - nicht, was die "physikalische Realität" ist, ohne ein Theorie über sie zu haben.


Das ist Definitionssache. Naturwissenschaften beschreiben die Natur so, wie sie sich uns darstellt. Damit lässt sich die "physikalische Realität" auf die experimentelle Beobachung reduzieren. Das ist das Wahrheitskriterium, an dem alle naturwissenschaftlichen Theorien gemessen werden.
Kelvin1995
BeitragVerfasst am: 29. Jun 2022 00:05    Titel:

Qubit hat Folgendes geschrieben:


In gewisser Weise "konstruieren" wir also die "physikalische Realität" und das einzige, das wir festellen können, ist, ob es funktioniert oder nicht. Dass es funktioniert ist wunderbar, aber es ist kein Beweis dafür, dass die "physikalische Realität" genauso ist, wie wir sie beschreiben. Ja - genau genommen - können wir und werden wir auch niemals wissen, was die "physikalische Realitat" an und für sich ist. Das sollte man sich einmal klar gemacht haben.


Also ich sehe es so, dass sich aus meinen drei Punkten die Postulate der Theorie ergeben. D.h. in Punkt 1 nimmt man an, dass es in der Realität Objekte gibt, die sich auf die entsprechende mathematische Struktur abbilden lassen. Diese Objekte sind dann letztlich durch die Tatsache, dass sie sich als eine bestimmte mathematische Struktur beschreiben lassen und die Interpretation (Punkt 3) definiert. Losgelöst von der Realität könnte man sich beliebige konsistente und logische Theorien bauen. Der postulative Charakter besteht dann letztlich darin anzunehmen, dass die Objekte, die man da beschreibt Teil der Realität sind.

Zum Beispiel postuliert man in der Quantenmechanik die Existenz von Quantenzuständen. Diese sind darüber definiert, dass sie sich mathematisch als Elemente von Hilberträumen beschreiben lassen (Punkt 1), man postuliert eine Interpretation (Zum Beispiel dass das Betragsquadrat Wahrscheinlichkeitsdichten entspricht) (Punkt 3) und man postuliert, dass sie Lösungen der Schrödingergleichung sind. (Punkt 2)
Letztlich legen diese Postulate fest, was ein Quantenzustand ist. Die eigentliche Annahme besteht aber darin, dass die so definierten Quantenzustände eine Entsprechung in der Realität haben.

Ein anderes Beispiel mit der ART hat ja TomS geliefert.
Qubit
BeitragVerfasst am: 28. Jun 2022 21:23    Titel:

Kelvin1995 hat Folgendes geschrieben:
und meiner Meinung nach führte das dazu, dass sich das von mir eingangserwähnte Muster herauskristallisiert hat.


Ich halte dein Muster für nicht (ganz) zutreffend, schon Punkt 1 trifft nicht zu.
Wir wissen - genau genommen - nicht, was die "physikalische Realität" ist, ohne ein Theorie über sie zu haben. Was sind zB. "Elementarteilchen" ohne Theorie, was ihre Wechselwirkungen, was sind "Raum" und "Zeit"?
All das ist ohne Theorie gar nicht beschreibbar.
Wie können auch Bewegungsleichungen der Erde um die Sonne beschreiben, aber keiner glaubt (bis auf wenige Ausnahmen), dass die Erde wirklich diese Bewegungsgleichungen nach unseren mathematischen Formalismen löst.

In gewisser Weise "konstruieren" wir also die "physikalische Realität" und das einzige, das wir festellen können, ist, ob es funktioniert oder nicht. Dass es funktioniert ist wunderbar, aber es ist kein Beweis dafür, dass die "physikalische Realität" genauso ist, wie wir sie beschreiben. Ja - genau genommen - können wir und werden wir auch niemals wissen, was die "physikalische Realitat" an und für sich ist. Das sollte man sich einmal klar gemacht haben.
Kelvin1995
BeitragVerfasst am: 28. Jun 2022 20:20    Titel:

Danke Tom für deine Antwort.

Es geht mir um die Frage ob es eine Art Metatheorie für physikalische Theorien gibt. Letztlich also ein einheitliches Theoriengebilde nachdem alle physikalischen Theorien aufgebaut sind.

Ich habe jedenfalls den Eindruck, dass ab dem 20. Jahrhundert, die Theorien sich dem obigen Schema angenähert haben, wobei die älteren Theorien auch im Nachhinein so formuliert werden können.

Die Physik ab Newton wurde noch viel in Prosa bzw natürlich sprachlichem Text formuliert, wenn man zum Beispiel die newtonschen Axiome betrachtet. Da ging es noch nicht so sehr um mathematische Strukturen (bspw affine Räume) usw. Um aber Zusammenhänge zu verstehen, die immer weiter weg von unserer Erfahrungswelt sind, ist aber ein höheres Maß an Präzision und Formalisierung notwendig und meiner Meinung nach führte das dazu, dass sich das von mir eingangserwähnte Muster herauskristallisiert hat.
TomS
BeitragVerfasst am: 28. Jun 2022 15:19    Titel:

Ich bin mir nicht sicher, worauf du hinauswillst, aber ja, ich denke schon, dass das funktioniert.

Probieren wir das mal für die Allgemeinen Relativitätstheorie aus

1. Elemente der physikalischen Realität werden mathematischen Strukturen zugeordnet:
Felder wie das Gravitationsfeld sowie *) elektromagnetische Felder, Materiefelder (Staub / Flüssigkeit) => pseudo-Riemannsche Mannigfaltigkeiten sowie tensorwertige Feldfunktionen

2. Formulierung zusätzlicher mathematischer Gleichungen für die Elemente dieser Strukturen:
Einstein- plus Maxwell- o.a. Gleichungen für (*)

3. Interpretation der mathematischen Objekte in physikalischen Kontexten:
Energie- / Impuls- / Druckdichte, Strömungsgeschwindigkeiten
Kelvin1995
BeitragVerfasst am: 28. Jun 2022 13:37    Titel: Allgemeiner Aufbau moderner physikalischer Theorien

Kann man jede physikalische Theorie auf diese Weise formulieren?

1. Elemente der physikalischen Realität werden mathematischen Strukturen zugeordnet.
Bspw in der Quantenmechanik Teilchen wie Elektronen durch Hilberträume

2. Formulierung zusätzlicher mathematischer Gleichungen für die Elemente dieser Strukturen.
Bspw Schrödingergleichung für die Elemente des Hilbertraums

3. Interpretation der mathematischen Objekte in physikalischen Kontexten
Bspw bornsche Wahrscheinlichkeitsinterpretation der Hilbertvektoren.

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