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TomS
BeitragVerfasst am: 25. Feb 2022 17:21    Titel:

index_razor hat Folgendes geschrieben:
Ich glaube deine Bereitschaft hilfreiche Antworten zu geben, hängt davon ab ob die Frage mit Widerspruch verbunden ist.

Ich kann insbesondere ganz schlecht mit deinem teilweise hämischen Diskussionsstil umgehen und werde es zukünftig einfach bleiben lassen.
index_razor
BeitragVerfasst am: 25. Feb 2022 15:58    Titel:

TomS hat Folgendes geschrieben:
Ich kann keine Frage erkennen, lediglich Besserwisserei. Auf Fragen antworte ich normalerweise.


Ich glaube deine Bereitschaft hilfreiche Antworten zu geben, hängt davon ab ob die Frage mit Widerspruch verbunden ist. Damit kannst du einfach nicht gut umgehen, und das zeigt sich auch nicht zum ersten mal. Vielleicht siehst du deine Autorität nicht gern in Frage gestellt auf Gebieten, auf denen du dich für gebildet hältst. Meine Frage vom Anfang des Threads (bzw. von vor über einem Jahr, wenn man es genau nimmt) nach Belegen für die Fehlinterpretation von von Neumanns Beweis seitens der Vertreter der Kopenhagener Interpretation wurde jedenfalls nie beantwortet. Auch die "zig Darstellungen" von Bohrs Standpunkt, die natürlich bei weitem nicht alle behaupten, was du behauptest, mußte ich selbst suchen, obwohl du derjenige bist, der eine starke Meinung dazu geäußert hat.

Zitat:

Dann würde mich interessieren, welche Aussagen Bohrs du zitieren kannst, die eine Art Realismus (nicht Empirismus) belegen.


Mein Eindruck bis jetzt stammt aus einigen Artikeln von Bohr im Rahmen der Auseinandersetzung mit Einstein (oben zitiert), sowie seiner Como-Vorlesung, in denen es nicht in erster Linie um die Formulierung eines philosophischen Standpunkts geht. In der Como-Vorlesung redet er an mehreren Stellen von "Einzeldingen" (individuals) und deren Bezug zu Elementen des Formalismus, z.b. der Wellenfunktion

"From equation (1) [de-Broglie-Relation] we find thus:



as determining the highest possible accuracy in the definition of the energy and momentum of the individuals associated with the wave-field."


oder den Unschärfen

"[...]the content of the relations (2) may be summarized in the statement that according to the quantum theory a general reciprocal relation exists between maximum sharpness of definition of the space-time and energy-momentum vectors associated with the individual."

und noch einige mehr. Ich betrachte dies nicht als entscheidende Belege, aber im Zusammenhang auch nicht als weniger überzeugend, als die Zitate, die in die Gegenrichtung deuten. Was z.B. von Bohrs Aussagen hier zu halten ist, habe ich noch nicht entschieden. Im Augenblick tendiere ich dazu, daß Bohr keinen dezidierten Standpunkt hatte und seine Ansicht sowohl realistsche, als auch antirealistische Elemente enthält. Möglicherweise sind seine Ansichten auch gar nicht konsistent, zumindest nicht über Jahrzehnte geblieben.

Auf jeden Fall erscheint es mir unwahrscheinlich, daß seine Einstellung in dieser Frage eine bewußte oder unbewußte Rolle in der Auseinandersetzung mit Einstein spielte. Dort ging es vielmehr um die Anwendung der Quantenmechanik auf konkrete physikalische Situationen. Ich denke Bohr betrachtet Komplementarität hierfür als eine Art Leitprinzip und Lösung für die meisten (oder alle) Interpretationsprobleme der Quantenmechanik. Das Konzept ist nicht gerade einfach zu durchdringen. Aber es erscheint mir auch keinen offensichtlichen Zusammenhang zum Instrumentalismus zu besitzen. Im Gegenteil, Bohr sieht anscheinend die Paradoxien lediglich auf Basis der Phänomene, was er der Tatsache zuschreibt, daß diese einerseits mit klassischen Konzepten beschrieben werden müssen, die zugrundeliegenden Prozesse sich aber andererseits nicht auf Basis dieser klassischen Begriffe analysieren lassen, weil Quantenobjekte überhaupt nur dann irgedwelche "Phänomene" zeigen, wenn sie eine Wechselwirkung mit einem makroskopischen Systemen eingehen. Es ist ein wesentlicher Punkt bei Bohr, daß diese klassischen Phänomene eigentlich immer Eigenschaften des Gesamtsystems inklusive Meßapparat sind und von dessen Wechselwirkung mit dem Quantenobjekt abhängen. (Das ist nicht exakt seine Formulierung, aber so verstehe ich ihn. Am besten finde ich dies ausgedrückt in Bohr, Discussions with Einstein...) Das ist zwar keine explizite Formulierung eines realistischen Standpunkts (eine solche wird man bei Bohr vermutlich auch nicht finden), aber sehr wohl mit einem solchen vereinbar.

Zitat:

Zu EPR: ich behaupte doch gar nicht, dass in den bisher angesprochenen Diskussionen über Instrumentalismus vs. Realismus diskutiert wurde.


Du hast es nicht behauptet, und ich habe keine solche Behauptung kritisiert.

Einsteins anfängliche Kritik an der Vollständigkeit der Quantenmechanik bestand in einer Reihe von Gedankenexperimenten, die eine Verletzung des Unbestimmtheitsprinzip zeigen sollten. Bohrs Antwort zugunsten der Vollständigkeit bestand in einer Widerlegung dieser Gedankenexperimente. Weder hat Einsteins Einwand etwas mit Realismus, noch Bohrs Erwiderung etwas mit Instrumentalismus zu tun. Es geht lediglich um eine konsequente Anwendung des Formalismus der Quantenmechanik auf die im Gedankenexperiment geschilderte Situation, in einem besonders prominenten Fall unter Einbeziehung der allgemeinen Relativitätstheorie.

Später haben EPR die Vollständigkeit auf Basis eines sehr speziellen Realismuskriteriums angegriffen. Bohr hat dieses Kriterium wiederum unter Verweis auf das Komplementaritätsprinzip kritisiert. Die Ablehnung des EPR-Kriteriums impliziert aber keine Ablehnung des Realismus allgemein. Du selbst bezeichnest deine Lieblingsinterpretation als "realistisch" obwohl sie nach dem EPR-Kriterium unvollständig ist. Deine eigene Konzeption von Realität ist also mit der von Einstein gar nicht vereinbar, mit der von Bohr möglicherweise schon.
TomS
BeitragVerfasst am: 24. Feb 2022 18:10    Titel:

Ich kann keine Frage erkennen, lediglich Besserwisserei. Auf Fragen antworte ich normalerweise.


Dann würde mich interessieren, welche Aussagen Bohrs du zitieren kannst, die eine Art Realismus (nicht Empirismus) belegen.


Zu EPR: ich behaupte doch gar nicht, dass in den bisher angesprochenen Diskussionen über Instrumentalismus vs. Realismus diskutiert wurde. Es ist im Gegenteil bemerkenswert, dass man dazu keine Diskussion findet. Daher stammt ja auch mein Eindruck, dass Einstein und Bohr (oder spätere Quellen) diesen grundsätzlichen Dissens übersahen (bzw. übersehen oder übergehen) und deswegen zumindest der Eindruck eines aneinander Vorbeiredens entsteht.

Man kann den selben Formalismus bzw. die selbe Theorie unterschiedlich bewerten. Wenn der Instrumentalist mittels des Formalismus zu zutreffenden Vorhersagen der Messergebnisse gelangt, dann ist die Theorie für ihn vollständig. Wenn der Realist in der selben Situation zur Auffassung gelangt, dass darüberhinaus eine realistische Position nicht konsistent möglich ist (s.o. Schrödinger), dann ist die selbe Theorie für ihn unvollständig.

Und wenn diese Ausgangspunkte derart unterschiedlich sind, dann ist es fast schon trivial, dass man in vielen Einzelfällen ebenfalls nicht übereinstimmen wird (ich muss mich mit einem Vegetarier auch nicht über unterschiedliche Wurstsorten streiten, das wird zu nichts führen).
index_razor
BeitragVerfasst am: 24. Feb 2022 17:31    Titel:

TomS hat Folgendes geschrieben:
index_razor hat Folgendes geschrieben:
Daß Bohr manchmal eine positivistische Haltung zugeschrieben wird, weiß ich übrigens.

Und dass die Positivisten ihn nicht als Positivisten betrachtet haben wahrscheinlich auch.

Bohr war sicher vom Positivismus beeinflusst; Instrumentalismus trifft es besser.

Beides steht jedenfalls im Gegensatz zum Realismus


Ich habe mir noch kein abschließendes Urteil gebildet. Aber nach der Lektüre von Bohrs Artikeln bin ich der Meinung, daß er der Ansicht war, es gäbe einen Zusammenhang zwischen dem quantenmechanischen Formalismus und der Realität, der sich nicht eindeutig als Instrumentalismus charakterisieren läßt, sondern durchaus realistische Züge trägt.

Zitat:

index_razor hat Folgendes geschrieben:
Daß diese der eigentliche Dissens zwischen Einstein und Bohr war, denke ich nicht.

Es war die Ursache dafür, dass die aus Sicht Bohrs et al. vorgebrachten Argumente zur Vollständigkeit der Quantenmechanik aus Einsteins Sicht eben nicht ausreichend für deren Vollständigkeit waren


Nein, Bohr hat EPRs Kriterium für Realismus abgelehnt mit der Begründung, daß es mehrdeutig ist. Seine Erwiderung darauf war aber nicht antirealistisch. Er hatte m.E. nur eine andere Vorstellung von der Beziehung zwischen Formalismus und Realität als Einstein und zwar eine, die mit der Vollständigkeit vereinbar ist.

Zitat:

index_razor hat Folgendes geschrieben:

Das hatten wir oben schon diskutiert.

Du hattest richtigerweise darauf hingewiesen, dass das Zitat Bohr nur zugeschrieben wird. Wir dürfen jedoch annehmen, das Peterson ihn schon zutreffend dargestellt hat, oder?


Was ich dazu annehme, habe ich oben schon geschrieben.

Zitat:

Zitat:
The purpose of scientific theories is not to disclose the real essence of phenomena but only to track down, so far as it is possible, relations between the manifold aspects of experience. [Bohr]

The entire formalism is to be considered as a tool for deriving predictions of definite and statistical character … [Bohr]

Das ist ein Forum, keine Dissertation.

Zitat:
Weißt du nicht, wie man korrekt zitiert oder versuchst du inzwischen absichtlich die Prüfung deiner Behauptungen zu erschweren?

Danke, Herr Oberlehrer.


Ich werde es mir in Zukunft einfach sparen, dich nach Belegen für strittige Aussage zu fragen. Ich weiß ja jetzt, was ich zu erwarten habe.
TomS
BeitragVerfasst am: 24. Feb 2022 17:18    Titel:

index_razor hat Folgendes geschrieben:
Daß Bohr manchmal eine positivistische Haltung zugeschrieben wird, weiß ich übrigens.

Und dass die Positivisten ihn nicht als Positivisten betrachtet haben wahrscheinlich auch.

Bohr war sicher vom Positivismus beeinflusst; Instrumentalismus trifft es jedoch sicher besser.

Beides steht jedenfalls im Gegensatz zum Realismus.

index_razor hat Folgendes geschrieben:
Daß diese der eigentliche Dissens zwischen Einstein und Bohr war, denke ich nicht.

Es war eine wesentliche Ursache dafür, dass die aus Sicht Bohrs et al. vorgebrachten Argumente zur Vollständigkeit der Quantenmechanik aus Einsteins Sicht eben nicht ausreichend für deren Vollständigkeit waren.

Weil Instrumentalisten und Realisten unter "Vollständigkeit" etwas anderes verstehen.


index_razor hat Folgendes geschrieben:
Das hatten wir oben schon diskutiert.

Du hattest richtigerweise darauf hingewiesen, dass das Zitat Bohr nur zugeschrieben wird. Wir dürfen jedoch annehmen, das Peterson ihn schon zutreffend dargestellt hat, oder?

Oder bestreitest du den Kern der Aussagen?


Zitat:
Weißt du nicht, wie man korrekt zitiert oder versuchst du inzwischen absichtlich die Prüfung deiner Behauptungen zu erschweren?

Danke, Herr Oberlehrer.


Zum Thema

TomS hat Folgendes geschrieben:
index_razor hat Folgendes geschrieben:
Das kann ich nicht erkennen. Meines Wissens ging es in der Auseinandersetzung zwischen Bohr und Einstein in erster Linie um die Frage nach der Vollständigkeit der Quantenmechanik, die Einstein bekanntlich verneint hat und durch verschiedene Gedankenexperimente widerlegen wollte. Bohrs bejahende Antwort drehte sich hauptsächlich um seine Vorstellung von Komplementarität etc.

Dann hast du eventuell nicht verstanden, dass die Probleme bei der Quantenmechanik nur dann bestehen, wenn du eine realistische Position einnehmen möchtest. Für einen Instrumentalisten (Bohr wahr sicher kein Positivisten im Sinne der Positivisten) stellen sich diese Fragen einfach nicht, da die Quantenmechanik alles das leistet, was sie nach ihrer Anschauung leisten kann und soll - während sie die darüberhinausgehenden Fragestellungen eines Realisten eben nicht löst. Und demnach erscheint sie auch nur für diesen unvollständig zu sein. Diese Unvollständigkeit liegt aber gerade nicht im Formalismus und dessen Anwendung auf Experimente und Messungen, sondern in der Interpretation des Formalismus.

Kurz, die Probleme, die Einstein exemplarisch vorgelegt hat, wurden vor Bohr et al. aus der instrumentalistischen Sicht vollständig beantwortet. (Übrigens hat Einstein das m.W.n. auch nie bestritten)
index_razor
BeitragVerfasst am: 24. Feb 2022 16:24    Titel:

TomS hat Folgendes geschrieben:
index_razor hat Folgendes geschrieben:
Zitat:
Das ist sicher nicht die umfassende Charakterisierung der Kopenhagener Interpretation, jedoch die Essenz der Weltanschauung - eine positivistische / instrumentalistische Sichtweise - innerhalb der die Quantenmechanik maßgeblich entwickelt und verbreitet wurde.
Das war doch der eigentliche Dissens zwischen Bohr et al. sowie Einstein et al.

Das kann ich nicht erkennen.

Ich schon, dann solltest du einfach dazu etwas lesen. Es gibt zig Darstellungen dazu - Primärquellen sowie Sekundärliteratur.


Ich habe einige Artikel von Bohr gelesen (u.a. die bereits genannten) und darin keine Anhaltspunkte gesehen. Danach habe ich noch diesen Artikel über Bohrs Haltung zum Positivismus gefunden, den ich demnächst lesen werde, weil ich daraus vermutlich mehr lerne, als aus dieser Diskussion.

Daß Bohr manchmal eine positivistische Haltung zugeschrieben wird, weiß ich übrigens. Daß diese der eigentliche Dissens zwischen Einstein und Bohr war, denke ich nicht.

Zitat:

Exemplarisch - und bitte erwarte jetzt nicht, dass ich weitere Texte raussuche, di dir dann wieder nicht gefallen.
Two quotes, the first attributed to Bohr by Aage Peterson in his article ”The Philosophy of Niels Bohr” [Bull. At. Sci. 19 (7), 8-14 (1963)] and the second from Einstein, set the stage for Kosso’s very readable introduction to the philosophy of physics:
There is no quantum world. There is only an abstract quantum physical description. It is wrong to think that the task of physics is to find out how nature is. Physics concerns what we can say about nature. [Bohr]
Physics is an attempt to conceptual lead to grasp reality as it is thought independently of its being observed in this sense one speaks of physical reality. [Einstein]
Quotes from Peter Kosso, reviewed by Jeffrey Bub, “Appearance and Reality: An Introduction to the Philosophy of Physics.” American Journal of Physics 66, 838 (1998); https://doi.org/10.1119/1.18974


Das hatten wir oben schon diskutiert.

Zitat:
The purpose of scientific theories is not to disclose the real essence of phenomena but only to track down, so far as it is possible, relations between the manifold aspects of experience. [Bohr]

The entire formalism is to be considered as a tool for deriving predictions of definite and statistical character … [Bohr]


Weißt du nicht, wie man korrekt zitiert oder versuchst du inzwischen absichtlich die Prüfung deiner Behauptungen zu erschweren?

Falls es noch jemanden interessiert, beide Zitate kann man mit Quellenangaben hier finden (Abschnitt 6). Dieser Artikel setzt sich auch mit der Frage auseinander, inwiefern diese Aussagen eine positivistische oder instrumentalistische Haltung Bohrs begründen.
index_razor
BeitragVerfasst am: 24. Feb 2022 16:12    Titel:

manuel459 hat Folgendes geschrieben:
Ich beziehe mich da eher auf externe Quellen (zum Beispiel auf "Dekohärenz und Schrödingers Katze" von Holger Lyre).


Danke, ich würde der Behauptung aber nicht zu viel Gewicht beimessen. Die Frage der Vollständigkeit im Sine von EPR spielt, denke ich, keine besonders große Rolle in dem Artikel. (Ich habe ihn aber nur überflogen.)

Zitat:

Danke nochmals für deine Geduld. Nun blicke ich bei allem durch smile


Keine Ursache. Das Thema ineteressiert mich ja selbst, nicht nur die Interpretationsfragen, sondern auch ihre Historie..
TomS
BeitragVerfasst am: 24. Feb 2022 14:53    Titel:

index_razor hat Folgendes geschrieben:
Zitat:
Das ist sicher nicht die umfassende Charakterisierung der Kopenhagener Interpretation, jedoch die Essenz der Weltanschauung - eine positivistische / instrumentalistische Sichtweise - innerhalb der die Quantenmechanik maßgeblich entwickelt und verbreitet wurde.
Das war doch der eigentliche Dissens zwischen Bohr et al. sowie Einstein et al.

Das kann ich nicht erkennen.

Ich schon, dann solltest du einfach dazu etwas lesen. Es gibt zig Darstellungen dazu - Primärquellen sowie Sekundärliteratur. Exemplarisch - und bitte erwarte jetzt nicht, dass ich weitere Texte raussuche, di dir dann wieder nicht gefallen.

Two quotes, the first attributed to Bohr by Aage Peterson in his article ”The Philosophy of Niels Bohr” [Bull. At. Sci. 19 (7), 8-14 (1963)] and the second from Einstein, set the stage for Kosso’s very readable introduction to the philosophy of physics:
There is no quantum world. There is only an abstract quantum physical description. It is wrong to think that the task of physics is to find out how nature is. Physics concerns what we can say about nature. [Bohr]
Physics is an attempt to conceptual lead to grasp reality as it is thought independently of its being observed in this sense one speaks of physical reality. [Einstein]
Quotes from Peter Kosso, reviewed by Jeffrey Bub, “Appearance and Reality: An Introduction to the Philosophy of Physics.” American Journal of Physics 66, 838 (1998); https://doi.org/10.1119/1.18974

The purpose of scientific theories is not to disclose the real essence of phenomena but only to track down, so far as it is possible, relations between the manifold aspects of experience. [Bohr]

The entire formalism is to be considered as a tool for deriving predictions of definite and statistical character … [Bohr]

During the period in which Bohr was in touch with Neurath, he also corresponded with Philipp Frank, another leading member of the Vienna Circle and a professor of physics in Prague. In a long letter of January 9, 1936, to Bohr, Frank expresses his opinion about the recent discussion between Bohr and Einstein, attributing to Bohr a positivistic view of physical reality butto Einstein a purely metaphysical view. After his statement, he asks Bohr whether he has understood the matter correctly; Bohr answers in a letter of January 14, 1936: “Es freute mich sehr, aus Ihrem freundlichen Brief zu erfahren, dass Sie so eingehend mit den Aufsätzen von Einstein und mir über die Realitätsfrage beschäftigt haben. Ich glaube auch, dass Sie ganz den Sinn meiner Bestrebungen getroffen haben."
Niels Bohr and the Vienna Circle, Jan Faye,Department of Media, Cognition and Communication Section for Philosophy University of Copenhagen.


index_razor hat Folgendes geschrieben:
Das kann ich nicht erkennen. Meines Wissens ging es in der Auseinandersetzung zwischen Bohr und Einstein in erster Linie um die Frage nach der Vollständigkeit der Quantenmechanik, die Einstein bekanntlich verneint hat und durch verschiedene Gedankenexperimente widerlegen wollte. Bohrs bejahende Antwort drehte sich hauptsächlich um seine Vorstellung von Komplementarität etc.

Dann hast du eventuell nicht verstanden, dass die Probleme bei der Quantenmechanik nur dann bestehen, wenn du eine realistische Position einnehmen möchtest. Für einen Instrumentalisten (Bohr wahr sicher kein Positivisten im Sinne der Positivisten) stellen sich diese Fragen einfach nicht, da die Quantenmechanik alles das leistet, was sie nach ihrer Anschaung leisten kann und soll - während sie die darüberhinausgehenden Fragestellungen eines Realisten eben nicht löst. Und demnach erscheint sie auch nur für diesen unvollständig zu sein. Diese Unvollständigkeit liegt aber gerade nicht im Formalismus und dessen Anwendung auf Experimente und Messungen, sondern in der Interpretation des Formalismus.

Kurz, die Probleme, die Einstein exemplarisch vorgelegt hat, wurden vor Bohr et al. aus der instrumentalistischen Sicht vollständig beantwortet. (Übrigens hat Enstein das m.W.n. auch nie bestritten)
manuel459
BeitragVerfasst am: 24. Feb 2022 13:30    Titel:

Ich beziehe mich da eher auf externe Quellen (zum Beispiel auf "Dekohärenz und Schrödingers Katze" von Holger Lyre).

Danke nochmals für deine Geduld. Nun blicke ich bei allem durch smile
index_razor
BeitragVerfasst am: 24. Feb 2022 12:58    Titel:

manuel459 hat Folgendes geschrieben:
Es tut mir leid, dass ich immer wieder neue Fragen stelle. Ich hoffe, das sind nun wirklich endgültig die letzten zwei.

Frage 1: Oft wird gesagt (wie auch hier in der Diskussion schon angedeutet), dass Schrödinger mit dem Katzenexperiment nicht nur Probleme bei der realistischen Interpretation der Wellenfunktion (oder noch allgemeiner, Interpretationsprobleme der Wellenfunktion an sich) hervheben wollte, sondern, dass er auch damit zeigen wollte, dass die Quantenmechanische Beschreibung durch Wellenfunktionen unvollständig ist.


Auf welche Aussage -- hier im Thread oder anderswo -- beziehst du dich? Unvollständigkeit war eher Einsteins Einwand, am prominentesten in seinem Paper mit Podolsky und Rosen, "Can Quantum-Mechanical Description of Physical Reality be Considered Complete?" formuliert.

Zitat:

Frage 2: Vor dem Hintergrund aller Klärungen, die sich für mich ergeben haben scheinen mir die letzten zwei Sätze von Schrödinger etwas unpassend:

Zitat:
An sich enthielte es nichts Unklares oder Widerspruchsvolles. Es ist ein Unterschied zwischen einer verwackelten oder unscharf eingestellten Photographie und einer Aufnahme von Wolken und Nebelschwaden.


Was meint er damit?


Damit meint er, daß an einer objektiven Unschärfe an sich nichts widersprüchlich oder unklar wäre. Sie läßt sich lediglich nicht in naiver Weise auf die Realität übertragen.
manuel459
BeitragVerfasst am: 24. Feb 2022 10:37    Titel:

Es tut mir leid, dass ich immer wieder neue Fragen stelle. Ich hoffe, das sind nun wirklich endgültig die letzten zwei.

Frage 1: Oft wird gesagt (wie auch hier in der Diskussion schon angedeutet), dass Schrödinger mit dem Katzenexperiment nicht nur Probleme bei der realistischen Interpretation der Wellenfunktion (oder noch allgemeiner, Interpretationsprobleme der Wellenfunktion an sich) hervheben wollte, sondern, dass er auch damit zeigen wollte, dass die Quantenmechanische Beschreibung durch Wellenfunktionen unvollständig ist. Darauf finde ich in "Die gegenwärtige Situation in der Quantenmechanik" aber keine Anhaltspunkte - es wird nicht explizit erwähnt. Liege ich da falsch?

Frage 2: Vor dem Hintergrund aller Klärungen, die sich für mich ergeben haben scheinen mir die letzten zwei Sätze von Schrödinger etwas unpassend:

Zitat:
An sich enthielte es nichts Unklares oder Widerspruchsvolles. Es ist ein Unterschied zwischen einer verwackelten oder unscharf eingestellten Photographie und einer Aufnahme von Wolken und Nebelschwaden.


Was meint er damit?
index_razor
BeitragVerfasst am: 24. Feb 2022 07:58    Titel:

TomS hat Folgendes geschrieben:

index_razor hat Folgendes geschrieben:
Ich bin mir gar nicht sicher, ob dies
Zitat:
... exakt das, was „Kopenhagen“ meinte, ausschließen zu müssen - eine realistische Interpretation der Quantenmechanik, wobei klassische und Quantenwelt den selben Gesetzen folgen.

eine zutreffende Charakterisierung der Kopenhagener Interpretation ist.

Das ist sicher nicht die umfassende Charakterisierung der Kopenhagener Interpretation, jedoch die Essenz der Weltanschauung - eine positivistische / instrumentalistische Sichtweise - innerhalb der die Quantenmechanik maßgeblich entwickelt und verbreitet wurde.

Das war doch der eigentliche Dissens zwischen Bohr et al. sowie Einstein et al.


Das kann ich nicht erkennen. Meines Wissens ging es in der Auseinandersetzung zwischen Bohr und Einstein in erster Linie um die Frage nach der Vollständigkeit der Quantenmechanik, die Einstein bekanntlich verneint hat und durch verschiedene Gedankenexperimente widerlegen wollte. Bohrs bejahende Antwort drehte sich hauptsächlich um seine Vorstellung von Komplementarität etc. (siehe auch Bohr, Can Quantum-Mechanical Description of Physical Reality be Considered Complete"; seine Antwort auf das EPR-Paper.) Von diesem Konzept kann man sicher geteilter Meinung sein. Aber ich denke nicht, daß es viel mit Instrumentalismus oder Positivismus zu tun hat. Möglicherweise ist das Problem auch, daß du anscheinend Bohr und Heisenberg in einen Topf schmeißt. Heisenbergs Ansicht läßt sich schon eindeutiger als positivistisch charakterisieren.

Zitat:

Dazu suche ich gerne etwas heraus.


Das würde mich interessieren. Ich habe auch Bohrs Artikel "Discussions with Einstein on Epistemological Problems in Atomic Physics" für die Darstellung von Bohrs Standpunkt aus seiner Sicht gut 20 Jahre später.

Zitat:

index_razor hat Folgendes geschrieben:
TomS hat Folgendes geschrieben:
Arbeiten von von Neumann wurden dahingehend gelesen, dass diese Kopenhagener Interpretation überhaupt die einzig mögliche sei ... Aber Tatsache ist, dass auf Basis dieses Beweises argumentiert wurde, eine realistische Interpretation der Quantenmechanik sei beweisbar unmöglich;

Wie kommst du darauf, daß dies eine Tatsache ist? Von wem wurde wann so argumentiert? Und vor allem: wie einflußreich waren diese Argumente?

Ich suche das auch heraus, obwohl ich es weniger spannend finde, weil es nur ein Indiz für grundlegendere Missverständnisse ist. Letztere sind interessanter.


Diese oder ähnliche Behauptungen hast du nun schon bei mehr als einer Gelegenheit wiederholt. Ganz so unwichtig scheint sie dir also nicht zu sein. Auch in dem Thread von 2020 hast du behauptet "Kopenhagen" hätte von Neumanns Beweis als Vorwand mißbraucht, um die Veröffentlichung von Bells Arbeit zu sabotieren. Dazu wolltest du schon damals Quellen liefern, was du, soweit mir bekannt ist, nie getan hast. Die Quellen, die ich kenne -- u.a. auch eine von dir --, behaupten, wie gesagt, daß von Neumanns Beweis keine Rolle bei der Kritik an verborgenen Parametern oder anderen Interpretationen gespielt hat. Belege für das Gegenteil würden mich also immer noch durchaus interessieren.
manuel459
BeitragVerfasst am: 22. Feb 2022 17:50    Titel:

ad 1)

Zitat:
Das impliziert dann auch, daß eine Superposition von Eigenzuständen von A ist. Du redest also zweimal von absolut derselben Sache.


Jetzt ist es mir klar. Sorry, dass ich da so auf Wörtern herumreite. Dass das dasselbe ist, war mir nicht ganz klar. Da Schrödinger ja auf eine Superposition von "tot" und "lebendig" (den Eigenzuständen einer Observable A) hinaus will, dachte ich, es wäre natürlicher, die Unschärfe oder Verwaschenheit mit dem Superpositionsprinzip zu charakterisieren.

ad 2)

Ich hab da glaube ich einen Denkknoten fabriziert. Zumindest kann ich mein Argument nicht mehr reproduzieren. Betrachten wir mein Problem zu 2) als gelöst! Sorry Hammer.

Für mich waren glaube ich folgende Aspekte (a und b) zwei verschiedene Dinge, dabei ist es ja praktisch dasselbe:

a) Man geht davon aus, dass die Wellenfunktion realistisch (realistisch im Sinne des Alltags, also innerhalb eines Universums) interpretiert werden darf und führt das ad absurdum durch das Katzenexperiment.

b) Man nimmt an, dass die Quantenwelt (die Quantenwelt in einem Universum) wirklich verwaschen ist und führt das ad absurdum durch das Katzenexperiment.



Zitat:
Zumindest nicht, wenn man das Modell so interpretiert als beschreibe es wirklich verwaschene Eigenschaften des Systems.


Ja genau. Ich finde es übrigens toll, dass du dich um eine solch präzise Sprache bemühst, auch wenn man das nicht beliebig präzise machen kann (bei endlicher Zeit) - das hilft ungemein - daher Danke!

Für mich war wie gesagt einfach die Formulierung von Schrödinger "durch direkte Beobachtung wird die grobsinnliche Unbestimmtheit entschieden" unklar. Ich dachte, dass diese Unbestimmtheit vor der Beobachtung nicht entschieden ist (aus seiner Sicht bzw. in dem, was er meint), die Katze also "tot und lebendig gleichzeitig" ist. Ich hoffe es ist klar was ich hier meine.
index_razor
BeitragVerfasst am: 22. Feb 2022 17:26    Titel:

manuel459 hat Folgendes geschrieben:
1) Mir geht es hier darum, dass ich das Wort "Unschärfe" oder "Verwaschenheit" im heute gebräuchlichen Wortgebrauch präzisiere oder verständlich mache. Du hast schon gesagt, man könnte es das verstehen, was mit der Unschärferelation gemeint ist.

Zitat:
Diese [Unschärferelation] muß man nicht probabilistisch interpretieren. Aber wenn man sie so interpretiert, dann ist das nicht realistisch. Darum geht es in §4. Wenn man sie nicht probabilistisch interpretiert, ergeben sich andere Probleme. Darum geht es in §5 (Schrödingers Katze).


So. Nun ist die Frage, ob man die Verwaschenheit auch "modern" so fassen darf, dass eben (mathematisch) Superpositionen von Zuständen vorkommen. Damit hätte ich die "Verwaschenheit" wiederum anders charakterisiert - nämlich mit der mathematischen Superpositionseigenschaft der Wellenfunktion.


"Unschärfe" ist bereits die moderne Terminologie. Daran hat sich seit 1935 nichts geändert. Und "Verwaschenheit" bedeutet bei Schrödinger dasselbe. Gemeint ist, daß in jedem Zustand für irgendeine Observable gilt. Das impliziert dann auch, daß eine Superposition von Eigenzuständen von A ist. Du redest also zweimal von absolut derselben Sache.


Zitat:

2)
Zitat:
Zitat:
Ok, da hatte ich einen Denkfehler. Der Wellenfunktion eine Realität zugestehen, ist ja praktisch dasselbe wie zu sagen, dass die Quantenwelt "wirklich" verwaschen ist.

Nicht unbedingt.


Ok ich glaube ich muss das nochmal präzisieren. Schrödinger geht es um Bedenken bei der realistischen Auffassung der Wellenfunktion. Woran wird deutlich, dass Schrödinger nicht sogar mit dem Gedankenexperiment sagen wollte, dass nicht nur die Wellenfunktion nicht realistisch interpretierbar sei, sondern die ganze Quantenwelt (aus Sicht eines Realisten) verwaschen sei?

Meine Antwort wäre, dass aus Sicht eines Realisten "Wellenfunktion Realität zugestehen" gleichbedeutend damit ist, dass "Quantenwelt verwaschen" ist.


Ich kann dir nicht folgen. Ich glaube Schrödinger wollte sagen, daß die Wellenfunktion weder ein klassisches Ensemble beschreibt, noch ein System mit objektiv unscharfen Eigenschaften. Er behauptet also, daß diese zwei realistischen Interpretationen für die Quantenmechanik nicht möglich sind.

Zitat:

3)
Zitat:
Der Kollaps ist eine Interpretation dieser Beobachtung. Ohne Kollaps kann man das Modell nicht in naiver Weise als Abbild der Realität betrachten, denn dann müßte die Beobachtung genauso verwaschen sein, wie die Größen im Modell.


Achso! Das bedeutet, dass Schrödinger gar nicht den Kollaps im Kopf hatte sondern die Tatsache, dass die Beobachtung (ergo "der Entscheid grobsinnlichen Unbestimmtheit durch direkte Beobachtung") nicht der Vorhersage des Modells (des Gedankenexperiments) entsprach.


Zumindest nicht, wenn man das Modell so interpretiert als beschreibe es wirklich verwaschene Eigenschaften des Systems.
manuel459
BeitragVerfasst am: 22. Feb 2022 16:10    Titel:

1) Mir geht es hier darum, dass ich das Wort "Unschärfe" oder "Verwaschenheit" im heute gebräuchlichen Wortgebrauch präzisiere oder verständlich mache. Du hast schon gesagt, man könnte es das verstehen, was mit der Unschärferelation gemeint ist.

Zitat:
Diese [Unschärferelation] muß man nicht probabilistisch interpretieren. Aber wenn man sie so interpretiert, dann ist das nicht realistisch. Darum geht es in §4. Wenn man sie nicht probabilistisch interpretiert, ergeben sich andere Probleme. Darum geht es in §5 (Schrödingers Katze).


So. Nun ist die Frage, ob man die Verwaschenheit auch "modern" so fassen darf, dass eben (mathematisch) Superpositionen von Zuständen vorkommen. Damit hätte ich die "Verwaschenheit" wiederum anders charakterisiert - nämlich mit der mathematischen Superpositionseigenschaft der Wellenfunktion. Unabhängig davon,

Zitat:
wie du die Superposition, welche eine endliche Unschärfe aufweist, nun als "Abbild der Realität" interpretierst
.

Oder ?!


2)
Zitat:
Zitat:
Ok, da hatte ich einen Denkfehler. Der Wellenfunktion eine Realität zugestehen, ist ja praktisch dasselbe wie zu sagen, dass die Quantenwelt "wirklich" verwaschen ist.

Nicht unbedingt.


Ok ich glaube ich muss das nochmal präzisieren. Schrödinger geht es um Bedenken bei der realistischen Auffassung der Wellenfunktion. Woran wird deutlich, dass Schrödinger nicht sogar mit dem Gedankenexperiment sagen wollte, dass nicht nur die Wellenfunktion nicht realistisch interpretierbar sei, sondern die ganze Quantenwelt (aus Sicht eines Realisten) nicht verwaschen sei?

Meine Antwort wäre, dass aus Sicht eines Realisten "Wellenfunktion Realität zugestehen" gleichbedeutend damit ist, dass "Quantenwelt verwaschen" ist.



3)
Zitat:
Der Kollaps ist eine Interpretation dieser Beobachtung. Ohne Kollaps kann man das Modell nicht in naiver Weise als Abbild der Realität betrachten, denn dann müßte die Beobachtung genauso verwaschen sein, wie die Größen im Modell.


Achso! Das bedeutet, dass Schrödinger gar nicht den Kollaps im Kopf hatte sondern die Tatsache, dass die Beobachtung (ergo "der Entscheid grobsinnlichen Unbestimmtheit durch direkte Beobachtung") nicht der Vorhersage des Modells (des Gedankenexperiments) entsprach. Okay. Dass hier "die Unbestimmtheit entschieden" wird, heißt hier also einfach, dass man von vorn herein eine aus dem Alltag bekannte Beobachtung vor Augen hat, keinen "Messprozess mit Kollaps". Da ist Schrödingers Formulierung vielleicht irreführend für mich.
TomS
BeitragVerfasst am: 22. Feb 2022 15:42    Titel:

manuel459 hat Folgendes geschrieben:
Zitat:
Das Typische an diesen Fällen ist, dass eine
ursprünglich auf den Atombereich beschränkte
Unbestimmtheit sich in grobsinnliche Unbestimmtheit
umsetzt, die sich dann durch direkte Beobachtung
entscheidet. Das hindert uns, in so
naiver Weise ein ,,verwaschenes Modell" als Abbild
der Wirklichkeit gelten zu lassen. An sich
enthielte es nichts Unklares oder Widerspruchsvolles.
Es ist ein Unterschied zwischen einer verwackelten
oder unscharf eingestellten Photographie
und einer Aufnahme von Wolken und Nebelschwaden.


A) Ein zu Beginn einigermaßen scharf lokalisierter Quantenzustand wird über die Zeit i.A. beliebig unscharf d.h. Wellenpakete zerfließen und können daher nicht unmittelbar als direkte Abbildung der Realität verstanden werden - in der wir dieses Zerfließen eben nicht wahrnehmen. Also kann es sich nicht um "tatsächlich unscharfe Wolken" handeln.

Ich bin mir nicht sicher, ob Schrödinger dabei auch den Kollaps im Blick hatte, aus dem im Kontext (A) nochmal ganz eigene Konsistenzprobleme folgen.

B) Aber - und das war das Argument weiter oben - es kann sich auch nicht um eine unscharfe Photographie im Sinne eines Ensembles von an sich scharf definierter, uns jedoch unbekannten Zustände handeln *)

In Falle (B) entspräche der Kollaps lediglich der Erkenntnis, dass die Messung (probabilistisch) einen scharf definierten, Zustand zum Vorschein bringt, der jedoch bereits vorher realisiert, uns jedoch unbekannt war; auch das ist ausgeschlossen. Hier wäre der Kollaps jedoch kein Element der Realität sondern lediglich unserer mathematischen Methodik (ich weiß, dass Kinder im Garten sind, jedoch nicht genau wo; wenn ich jetzt aus dem Fenster sehe, stelle ich fest, dass sich jedes Kind an einem präzise definierten Ort aufhält; dadurch kollabieren aber nicht die Kinder, ich schärfe lediglich mein Wissen über die Kinder nach). Diese Sichtweise auf den Kollaps erzeugt (zunächst) kein Konsistenzproblem.


*) wobei Bohm in gewisser Weise ein ähnliches Bild widerspruchsfrei eingeführt hat, jedoch auf Basis eines Teilchenbildes
index_razor
BeitragVerfasst am: 22. Feb 2022 15:39    Titel:

manuel459 hat Folgendes geschrieben:
Zitat:
Diese muß man nicht probabilistisch interpretieren. Aber wenn man sie so interpretiert, dann ist das nicht realistisch. Darum geht es in §4. Wenn man sie nicht probabilistisch interpretiert, ergeben sich andere Probleme. Darum geht es in §5 (Schrödingers Katze).


Damit bin ich einverstanden. Mit "probabilistisch" meinte ich in diesem Zusammenhang eher das, was Born mit seiner Wahrscheinlichkeitsinterpretation der Quantenmechanik meint - also, dass man Superpositionszustände betrachtet und gerade nicht eine klassische Wahrscheinlichkeit (klassisch probabilistisch) im Sinne des "Unwissens über das System" meint. - Daher:


Was du meinst, ist schon klar. Daß man quantenmechanische Wahrscheinlichkeiten nicht als Unkenntnis des Zustands ansehen kann, ist der Punkt von §4.

Zitat:

Es steht ja fest, dass die Unschärfe durch das Gedankenexperiment letztlich zur Unschärfe in Form der Superposition von "lebend" und "tot" wird. Demnach könnte man diese Unschärfe also einfach als die Superpositionseigenschaft der Quantenmechanischen Wellenfunktion interpretieren. Was hältst du davon?


Eine Superposition von Eigenzuständen zum Operator X erzeugt einen Zustand mit endlicher Unschärfe von X. Das ist eine Eigenschaft des Formalismus und noch keine Interpretation. Die Frage ist doch gerade, wie du die Superposition, welche eine endliche Unschärfe aufweist, nun als "Abbild der Realität" interpretierst.

Zitat:

Zitat:
Schrödinger kritisiert nicht den Formalismus, sondern zeigt, daß sich bestimmte Schwierigkeiten ergeben, wenn man diesen Formalismus realistisch interpretieren will.


Ok, da hatte ich einen Denkfehler. Der Wellenfunktion eine Realität zugestehen, ist ja praktisch dasselbe wie zu sagen, dass die Quantenwelt "wirklich" verwaschen ist.


Nicht unbedingt. Everett versucht etwas anderes zu sagen. Aber auf jeden Fall ist "wirklich verwaschen" eine mögliche realistische Interpretation, sofern man dabei vermeiden kann, daß makroskopische Unschärfen im Modell auftreten, die sich tatsächlich nicht beobachten lassen.

Zitat:

Zitat:
An der Stelle geht es doch gar nicht um den Kollaps. Wenn dein Modell eine Wolke vorhersagt, auf deiner Photographie aber eine scharfe Kontur zu sehen ist, hindert dich das natürlich daran, dein Modell in naiver Weise als Abbild der Wirklichkeit gelten zu lassen. Das ist doch relativ klar oder nicht?


Für mich steckt der Kollaps in "..., die sich dann durch direkte Beobachtung entscheiden lässt." im Absatz lautend


Der Kollaps ist eine Interpretation dieser Beobachtung. Ohne Kollaps kann man das Modell nicht in naiver Weise als Abbild der Realität betrachten, denn dann müßte die Beobachtung genauso verwaschen sein, wie die Größen im Modell. Also benötigt man ein anderes Modell oder eine weniger naive Interpretation.
manuel459
BeitragVerfasst am: 22. Feb 2022 15:17    Titel:

Zitat:
Diese muß man nicht probabilistisch interpretieren. Aber wenn man sie so interpretiert, dann ist das nicht realistisch. Darum geht es in §4. Wenn man sie nicht probabilistisch interpretiert, ergeben sich andere Probleme. Darum geht es in §5 (Schrödingers Katze).


Damit bin ich einverstanden. Mit "probabilistisch" meinte ich in diesem Zusammenhang eher das, was Born mit seiner Wahrscheinlichkeitsinterpretation der Quantenmechanik meint - also, dass man Superpositionszustände betrachtet und gerade nicht eine klassische Wahrscheinlichkeit (klassisch probabilistisch) im Sinne des "Unwissens über das System" meint. - Daher:

Es steht ja fest, dass die Unschärfe durch das Gedankenexperiment letztlich zur Unschärfe in Form der Superposition von "lebend" und "tot" wird. Demnach könnte man diese Unschärfe also einfach als die Superpositionseigenschaft der Quantenmechanischen Wellenfunktion interpretieren. Was hältst du davon?



Zitat:
Schrödinger kritisiert nicht den Formalismus, sondern zeigt, daß sich bestimmte Schwierigkeiten ergeben, wenn man diesen Formalismus realistisch interpretieren will.


Ok, da hatte ich einen Denkfehler. Der Wellenfunktion eine Realität zugestehen, ist ja praktisch dasselbe wie zu sagen, dass die Quantenwelt "wirklich" verwaschen ist.



Zitat:
An der Stelle geht es doch gar nicht um den Kollaps. Wenn dein Modell eine Wolke vorhersagt, auf deiner Photographie aber eine scharfe Kontur zu sehen ist, hindert dich das natürlich daran, dein Modell in naiver Weise als Abbild der Wirklichkeit gelten zu lassen. Das ist doch relativ klar oder nicht?


Für mich steckt der Kollaps in "..., die sich dann durch direkte Beobachtung entscheiden lässt." im Absatz lautend

Zitat:
Das Typische an diesen Fällen ist, dass eine
ursprünglich auf den Atombereich beschränkte
Unbestimmtheit sich in grobsinnliche Unbestimmtheit
umsetzt, die sich dann durch direkte Beobachtung
entscheidet. Das hindert uns, in so
naiver Weise ein ,,verwaschenes Modell" als Abbild
der Wirklichkeit gelten zu lassen. An sich
enthielte es nichts Unklares oder Widerspruchsvolles.
Es ist ein Unterschied zwischen einer verwackelten
oder unscharf eingestellten Photographie
und einer Aufnahme von Wolken und Nebelschwaden.


Wenn ich das aber falsch verstehe und es sich da gar nicht um den Kollaps dreht, ist es natürlich glasklar. Ich glaube ich sehe den Wald vor lauter Bäumen nicht mehr Augenzwinkern
TomS
BeitragVerfasst am: 22. Feb 2022 15:15    Titel:

index_razor hat Folgendes geschrieben:
Selbst wenn es wahr wäre, daß dieser Stil über Jahrzehnte die Diskussion geprägt hat, was ich bezweifle, lernt man mehr und interessanteres aus den sachlichen Argumenten, die damals ausgetauscht wurden, als aus den unsachlichen.

Es geht weniger darum, dass dieser Stil prägend war - der in manchen Fällen eher eine Art Verzweiflung widerspiegelt, warum die jeweilige Gegenseite denn nicht endlich verstehen will, dass ... - sondern um ein viel tieferliegendes Missverständnis:

index_razor hat Folgendes geschrieben:
Ich bin mir gar nicht sicher, ob dies
Zitat:
... exakt das, was „Kopenhagen“ meinte, ausschließen zu müssen - eine realistische Interpretation der Quantenmechanik, wobei klassische und Quantenwelt den selben Gesetzen folgen.

eine zutreffende Charakterisierung der Kopenhagener Interpretation ist.

Das ist sicher nicht die umfassende Charakterisierung der Kopenhagener Interpretation, jedoch die Essenz der Weltanschauung - eine positivistische / instrumentalistische Sichtweise - innerhalb der die Quantenmechanik maßgeblich entwickelt und verbreitet wurde.

Das war doch der eigentliche Dissens zwischen Bohr et al. sowie Einstein et al.

Dazu suche ich gerne etwas heraus.


index_razor hat Folgendes geschrieben:
TomS hat Folgendes geschrieben:
Arbeiten von von Neumann wurden dahingehend gelesen, dass diese Kopenhagener Interpretation überhaupt die einzig mögliche sei ... Aber Tatsache ist, dass auf Basis dieses Beweises argumentiert wurde, eine realistische Interpretation der Quantenmechanik sei beweisbar unmöglich;

Wie kommst du darauf, daß dies eine Tatsache ist? Von wem wurde wann so argumentiert? Und vor allem: wie einflußreich waren diese Argumente?

Ich suche das auch heraus, obwohl ich es weniger spannend finde, weil es nur ein Indiz für grundlegendere Missverständnisse ist. Letztere sind interessanter.
index_razor
BeitragVerfasst am: 22. Feb 2022 13:07    Titel:

manuel459 hat Folgendes geschrieben:

Davor sagt er aber, dass sich diese Unbestimmtheit durch "Beobachtung" entscheiden lässt. Damit sagt er aber eigentlich, dass er den Kollaps der Wellenfunktion akzeptiert. Der Satz "Das hindert uns in so naiver weise ein verwaschenes Modell als Abbild der Wirklichkeit gelten zu lassen." bezieht sich aber eigentlich das was er genau davor sagt, also das mit dem Kollaps. Warum ist also der Kollaps für Ihn ein Grund, der Wellenfunktion keine Realität zuzugestehen?


An der Stelle geht es doch gar nicht um den Kollaps. Wenn dein Modell eine Wolke vorhersagt, auf deiner Photographie aber eine scharfe Kontur zu sehen ist, hindert dich das natürlich daran, dein Modell in naiver Weise als Abbild der Wirklichkeit gelten zu lassen. Das ist doch relativ klar oder nicht?
index_razor
BeitragVerfasst am: 22. Feb 2022 13:01    Titel:

manuel459 hat Folgendes geschrieben:
Und mit quantenmechanischer Unschärfe ist der propabilistische Charakter gemeint oder?


Damit sind die Größen in der Unschärferelation gemeint, also z.B.



Diese muß man nicht probabilistisch interpretieren. Aber wenn man sie so interpretiert, dann ist das nicht realistisch. Darum geht es in §4. Wenn man sie nicht probabilistisch interpretiert, ergeben sich andere Probleme. Darum geht es in §5 (Schrödingers Katze).

Zitat:

Zu 2): Ich meine das so, dass ja ein Unterschied darin besteht, ob Schrödinger nur eine reale Auffassung der Wellenfunktion kritisieren möchte oder, ob er direkt diese Verwaschenheit (im von Interpretationen unabhängigen) Formalismus kritisiert.


Schrödinger kritisiert nicht den Formalismus, sondern zeigt, daß sich bestimmte Schwierigkeiten ergeben, wenn man diesen Formalismus realistisch interpretieren will.
manuel459
BeitragVerfasst am: 22. Feb 2022 12:52    Titel:

Und mit quantenmechanischer Unschärfe ist der propabilistische Charakter gemeint oder?

Zu 2): Ich meine das so, dass ja ein Unterschied darin besteht, ob Schrödinger nur eine reale Auffassung der Wellenfunktion kritisieren möchte oder, ob er die reale Auffassung der Verwaschenheit der Quantenwelt in Frage stellt.
manuel459
BeitragVerfasst am: 22. Feb 2022 12:48    Titel:

Noch etwas:

3) Dass der Superpositionszustand der Katze nicht dem Alltag entspricht, ist ja für Schrödinger das Argument dafür, der Wellenfunktion nicht ohne Bedenken eine Realität zuzugestehen: "Das hindert uns in so naiver weise ein verwaschenes Modell als Abbild der Wirklichkeit gelten zu lassen."

Davor sagt er aber, dass sich diese Unbestimmtheit durch "Beobachtung" entscheiden lässt. Damit sagt er aber eigentlich, dass er den Kollaps der Wellenfunktion akzeptiert. Der Satz "Das hindert uns in so naiver weise ein verwaschenes Modell als Abbild der Wirklichkeit gelten zu lassen." bezieht sich aber eigentlich das was er genau davor sagt, also das mit dem Kollaps. Warum ist also der Kollaps für Ihn ein Grund, der Wellenfunktion keine Realität zuzugestehen? Demnach "juckt" ihn ja gar nicht, ob die Katze ohne "Messung" in superposition ist, da bei Beobachtung immer ein Kollaps stattfindet. Oder lese ich da etwas falsch aus seinen Ausführungen?
index_razor
BeitragVerfasst am: 22. Feb 2022 12:45    Titel:

manuel459 hat Folgendes geschrieben:
Zwei kleine Sachen beschäftigen mich noch:

1) Was genau meint Schrödinger mit "Verwaschenheit"?

Würdet ihr mir zustimmen, wenn ich sage, dass er meint, dass im Sinne eines klassischen Modells nicht alle Größen exakt bestimmt werden können?


Ich denke er meint die quantenmechanische Unschärfe. Die Diskussion beginnt in §2 und führt letztlich in §5 zur Frage ob diese Unschärfe eine objektive Eigenschaft des Systems ist.

Zitat:

2) Kann es nicht sein, dass Schrödinger mit dem Katzenbeispiel argumentieren möchte, dass die Quantenwelt vielleicht doch nicht "verwaschen" ist? Oder war man sich damals schon sicher, dass sie wirklich verwaschen ist?


Wie meinst du das? Ist man sich heute sicher? Ich denke nicht.

Zitat:

Er geht ja davon aus, dass sie verwaschen ist und führt das auf einen Widerspruch (mit der Alltagswelt). Dazu würden auch die Sätze von ihm passen "Es ist ein Unterschied zwischen einer verwackelten oder unscharf eingestellten Photographie und einer Aufnahme von Wolken und Nebelschwaden."


Ja, Schrödinger will zeigen, daß die quantenmechanische Unschärfe keine objektive Eigenschaft des Systems sein kann, weil die beobachtete Unschärfe im Fall der Katze viel geringer ist, als die des quantenmechanischen Zustands, der sich aus der Zeitentwicklung ergibt (siehe den Begin von §6).
manuel459
BeitragVerfasst am: 22. Feb 2022 12:27    Titel:

Zwei kleine Sachen beschäftigen mich noch:

1) Was genau meint Schrödinger mit "Verwaschenheit"?

Würdet ihr mir zustimmen, wenn ich sage, dass er meint, dass im Sinne eines klassischen Modells nicht alle Größen exakt bestimmt werden können?

2) Kann es nicht sein, dass Schrödinger mit dem Katzenbeispiel argumentieren möchte, dass die Quantenwelt vielleicht doch nicht "verwaschen" ist? Oder war man sich damals schon sicher, dass sie wirklich verwaschen ist?

Er geht ja davon aus, dass sie verwaschen ist und führt das auf einen Widerspruch (mit der Alltagswelt). Dazu würden auch die Sätze von ihm passen "Es ist ein Unterschied zwischen einer verwackelten oder unscharf eingestellten Photographie und einer Aufnahme von Wolken und Nebelschwaden."
index_razor
BeitragVerfasst am: 22. Feb 2022 11:45    Titel:

TomS hat Folgendes geschrieben:

index_razor hat Folgendes geschrieben:
Mich interessiert einfach, ähnlich wie manuel459, die historische Entwicklung der Quantenmechanik und ihrer Interpretationen. Deshalb habe ich 1) das Zitat von Bell kommentiert, dem du scheinbar Bedeutung beimißt und dessen Inhalt ich für eine krasse Fehleinschätzung (und folglich für historisch irrelevant) halte.

Und genau das - historisch irrelevant - ist es eben gerade nicht.

Es mag sachlich irrelevant, aber eben nicht historisch, weil es zeigt, wie argumentiert wurde - und zwar offensichtlich über Jahrzehnte.


Selbst wenn es wahr wäre, daß dieser Stil über Jahrzehnte die Diskussion geprägt hat, was ich bezweifle, lernt man mehr und interessanteres aus den sachlichen Argumenten, die damals ausgetauscht wurden, als aus den unsachlichen.

TomS hat Folgendes geschrieben:

index_razor hat Folgendes geschrieben:
Und 2) habe ich nach Belegen für deine Behauptung gefragt, von Neumanns Beweis sei von Vertretern der Kopenhagener Interpretation derart falsch interpretiert worden, daß er alle anderen Interpretationen auschließe. Ich halte das für absolut unplausibel, denn der Beweis hat offensichtlich nur Implikationen für Theorien verborgener Parameter und nicht für alle anderen Interpretationen.

Aber das ist doch der Punkt.

Bell hat sich explizit mit Bohm und der - in Teilen völlig unsachlichen Kritik daran - befasst.


Mein Punkt ist nicht ob Bohm so unsachlich kritisiert wurde, wie von Neumann durch Bell. (Ich glaube das es so war, aber daß es ebenfalls sachliche Kritik gab.) Meine Frage ist, ob es Belege gibt, daß von Neumanns Beweis in dieser Kritik eine Rolle gespielt hat, insbesondere ob er die Rezeption von Bohms Arbeit beeinflußt hat oder sogar, wie du behauptet hast, als Unmöglichkeitsbeweis für alle Interpretationen mit Ausnahme der Kopenhagener fehlinterpretiert wurde. Kennst du welche?

Ich halte es wie gesagt für äußerst unwahrscheinlich und wenn es solche Belege gäbe, wäre das m.E. ziemlich bemerkenswert.

Zitat:
Insofern erreicht die Bohmsche Mechanik exakt das, was „Kopenhagen“ meinte, ausschließen zu müssen - eine realistische Interpretation der Quantenmechanik, wobei klassische und Quantenwelt den selben Gesetzen folgen.


Ich bin mir gar nicht sicher, ob dies eine zutreffende Charakterisierung der Kopenhagener Interpretation ist. Es hat aber in jedem Fall absolut nichts mehr mit von Neumann zu tun.

Zitat:

index_razor hat Folgendes geschrieben:
Warum soll ich das auf sich beruhen lassen?

Weil es nicht das ist, was ich hier exemplarisch aufzeigen wollte.


Ich kritisiere gerade was du behauptet hast, nicht was du behaupten wolltest, nämlich

TomS hat Folgendes geschrieben:
Arbeiten von von Neumann wurden dahingehend gelesen, dass diese Kopenhagener Interpretation überhaupt die einzig mögliche sei.

[...]

Aber Tatsache ist, dass auf Basis dieses Beweises argumentiert wurde, eine realistische Interpretation der Quantenmechanik sei beweisbar unmöglich;


Wie kommst du darauf, daß dies eine Tatsache ist? Von wem wurde wann so argumentiert? Und vor allem: wie einflußreich waren diese Argumente?

Vielleicht interessiert mich diese Behauptung ja mehr als dich, aber du hältst sie immerhin für wichtig genug um sie nochmal zu bekräftigen. Dann wird dir ja sicher nicht egal sein, ob sie stimmt.

Zitat:

Zitat:
Meine Intention ist eher die Polemik herauszuhalten und die historischen Tatsachen zu klären.

Aber du kannst sie geäußerte Polemik nicht heraushalten, wenn du die historischen Tatsachen diskutieren willst, weil Missverständnisse, Polemik usw. essentieller Bestandteil der Diskussion war.


Das bezweifle ich. Ein Interview Bells für das Omni-Magazin zeigt kaum, was essentieller Bestandteil der professionellen Debatten zwischen Physikern war. Es war nicht mal Teil dieser Debatte. Bells Beitrag dazu steht u.a. im Artikel On the problem of hidden variables in quantum mechanics, in welchem er sich mit von Neumanns Beweis auseinandersetzt. Die Kritik dort ist natürlich auch weit sachlicher. Du könntest sie also genauso gut als Evidenz gegen deine These verwenden, die Diskussion wäre Jahrzehnte lang unsachlich geführt worden.

Aber hier liegt noch ein weiteres Mißverständnis vor. Die Polemik Bells ist zwar eine historische Tatsache aus dem Jahr 1988. Aber sie zeigt nicht mehr, als was Bell 1988 (und möglicherweise seit Jahrzehnten) über von Neumanns Beweis dachte. Was ich bestreite ist, daß sie irgendeine Relevanz für die Geschichte der Interpretation der Quantenmechanik, insbesondere die Rezeption von Bohms Arbeit hat; nicht nur, weil sie von Neumanns Beweis vollkommen falsch einschätzt, sondern auch weil von Neumanns Beweis von vornherein keinen Einfluß auf die Beurteilung von Bohm hatte.
TomS
BeitragVerfasst am: 21. Feb 2022 23:35    Titel:

index_razor hat Folgendes geschrieben:
Ich verstehe wirklich nicht, weshalb du jetzt gleich eingeschnappt bist. Vielleicht denkst du ich werfe dir vor Bell zitiert zu haben. Das tue ich gar nicht.

Dann ist‘s ja gut.


index_razor hat Folgendes geschrieben:
Mich interessiert einfach, ähnlich wie manuel459, die historische Entwicklung der Quantenmechanik und ihrer Interpretationen. Deshalb habe ich 1) das Zitat von Bell kommentiert, dem du scheinbar Bedeutung beimißt und dessen Inhalt ich für eine krasse Fehleinschätzung (und folglich für historisch irrelevant) halte.

Und genau das - historisch irrelevant - ist es eben gerade nicht.

Es mag sachlich irrelevant, aber eben nicht historisch, weil es zeigt, wie argumentiert wurde - und zwar offensichtlich über Jahrzehnte.

index_razor hat Folgendes geschrieben:
Und 2) habe ich nach Belegen für deine Behauptung gefragt, von Neumanns Beweis sei von Vertretern der Kopenhagener Interpretation derart falsch interpretiert worden, daß er alle anderen Interpretationen auschließe. Ich halte das für absolut unplausibel, denn der Beweis hat offensichtlich nur Implikationen für Theorien verborgener Parameter und nicht für alle anderen Interpretationen.

Aber das ist doch der Punkt.

Bell hat sich explizit mit Bohm und der - in Teilen völlig unsachlichen Kritik daran - befasst. Man kann die Teilchenorte und -geschwindigkeiten bei Bohm tatsächlich als die verborgenen Parameter auffassen, die eben immer einen präzisen wenn auch unbekannten Wert haben. Insofern erreicht die Bohmsche Mechanik exakt das, was „Kopenhagen“ meinte, ausschließen zu müssen - eine realistische Interpretation der Quantenmechanik, wobei klassische und Quantenwelt den selben Gesetzen folgen.


index_razor hat Folgendes geschrieben:
Warum soll ich das auf sich beruhen lassen?

Weil es nicht das ist, was ich hier exemplarisch aufzeigen wollte.

Zitat:
Meine Intention ist eher die Polemik herauszuhalten und die historischen Tatsachen zu klären.

Aber du kannst sie geäußerte Polemik nicht heraushalten, wenn du die historischen Tatsachen diskutieren willst, weil Missverständnisse, Polemik usw. essentieller Bestandteil der Diskussion war.

Natürlich wollten verschiedene Gruppen von Physikern über Physik diskutieren, aber es ist ihnen oft nicht gelungen, weil sie unterschiedliche Vorstellungen von Physik hatten.

Es gab mehrere Strömungen, auch verwoben mit der europäischen Geistesgeschichte. Eine realistische Strömung (z.B. Einstein, der sich letztlich von der Machschen Position abgewandt hatte; Bohm, der selbst einen Schwenk vom Kopenhagener Instrumentalismus zum Realismus vollzogen hat) sowie eine fundamental instrumentalistische Ausrichtung insbs. um Bohr (u.a. beeinflusst durch den Wiener Kreis). Das mag für die Physik im Kern nicht relevant sein, es war jedoch prägend für die Diskussion und Interpretation.


Wenn man Heisenbergs „Der Teil und das Ganze liest“, dann drängt sich der Eindruck auf, der Vorwurf Heisenbergs gegen Schrödinger und Einstein sei deren Ablehnung einer statischen Interpretation der Quantenmechanik.

Aber das ist eben nicht der zentrale Punkt.

Schrödinger mit der „Quantenspringerei“ und Einsteins Erwiderung an Born, er sei überzeugt „daß der nicht würfelt“ haben irrigerweise zu der Auffassung geführt, dass diese statischen Interpretation der zentrale Kritikpunkt sei. Dem Zitat geht aber „die Quantenmechanik ist sehr achtunggebietend. Aber eine innere Stimme sagt mir, daß das noch nicht der wahre Jakob ist. Die Theorie liefert viel, aber dem Geheimnis des Alten bringt sie uns kaum näher.“ voraus. Einsteins Kritik geht in die Richtung einer fundamentalen Unvollständigkeit bzw. der Unmöglichkeit einer nicht realistisch Interpretation.

Und dass Schrödinger in dem zuvor gedienten Artikel nicht unbedingt gegen eine statische Interpretation im Allgemeinen argumentiert, sondern die prinzipielle Unmöglichkeit eine nicht-statischen Interpretation aufzeigt - was er natürlich im Kontext seiner Kritik versteht - das hast du selbst ausgeführt.

Liest man Heisenberg - und ich denke, Bohr selbst und einige andere waren der selben Ansicht - so kommt man zu der Einsicht, die „Kopenhagener“ seien der Meinung gewesen, sie hätten alle Einwände insbs. seitens Einstein widerlegt. Aber das haben sie natürlich nicht, denn Einstein hat ja gar nicht behauptet, die instrumentalistische Position sei falsch oder unzutreffend, er hielt sie für unbefriedigend - „nicht den wahre Jakob“. Bohr et al. hatten aus ihrer instrumentalistischen Sichtweise heraus betrachtet natürlich recht. Einstein hat dies auch nie in Zweifel gezogen, sondern anhand seiner Beispiele aufzeigen wollen, dass gerade die Notwendigkeit dieser instrumentalistischen Sichtweise unbefriedigend sei. Zumindest bei Heisenberg liest es sich so, dass er die Motivation Eineteins nicht verstanden hat.


Ausgangspunkt meiner Argumente war die Erkenntnis, dass diese Kritikpunkte und Debatten oft falsch dargestellt werden. Beispiel aus Wikipedia:

Zitat:
Bei Schrödingers Katze handelt es sich um ein Gedankenexperiment aus der Physik, das 1935 von Erwin Schrödinger beschrieben wurde, um einen wesentlichen Schwachpunkt der Kopenhagener Interpretation der Quantenmechanik in Bezug auf die physikalische Realität aufzuzeigen. Es problematisiert die Kopenhagener Deutung der Quantenphysik … in Form eines Paradoxons. Das Paradoxon besteht erstens darin, dass in dem Gedankenexperiment eine Katze in einen Zustand gebracht wird, in dem sie nach der Kopenhagener Deutung gleichzeitig „lebendig“ und „tot“ ist.


Und der letzte Satz ist schlicht falsch!

Die Kopenhagener Deutung sagt genau dies sicher nicht, weil sie es prinzipiell ablehnt, Aussagen über nicht-beobachtbare und insbs. nicht-beobachtete und zugleich „reale“ Zustände und Vorgänge zu machen.

Was zeigt das? Dass diese fundamentale Missverständnisse - teilweise Ahnungslosigkeit - bis heute nicht ausgeräumt sind. U.a. das wollte ich exemplarisch zeigen, dieses wechselweise aneinander vorbeireden, sich missverstehen usw.
index_razor
BeitragVerfasst am: 21. Feb 2022 15:40    Titel:

TomS hat Folgendes geschrieben:
Ich hatte geschrieben:
Zitat:
Ich mag hier nicht über persönliche Befindlichkeiten diskutieren. Die Formulierung waren auf beiden Seiten genau das - blamabel. War ein Fehler von mir, gerade dieses polarisierende Zitat rauszupicken.

Warum kannst du das nicht auf sich beruhen lassen?

Aufgrund deines Tonfalls habe ich eigentlich keine Lust mehr, mit dir zu diskutieren.


Ich verstehe wirklich nicht, weshalb du jetzt gleich eingeschnappt bist. Vielleicht denkst du ich werfe dir vor Bell zitiert zu haben. Das tue ich gar nicht. Mich interessiert einfach, ähnlich wie manuel459, die historische Entwicklung der Quantenmechanik und ihrer Interpretationen. Deshalb habe ich 1) das Zitat von Bell kommentiert, dem du scheinbar Bedeutung beimißt und dessen Inhalt ich für eine krasse Fehleinschätzung (und folglich für historisch irrelevant) halte. Das hast du dann als "persönliche Befindlichkeiten" abgetan, was es nie war. Und 2) habe ich nach Belegen für deine Behauptung gefragt, von Neumanns Beweis sei von Vertretern der Kopenhagener Interpretation derart falsch interpretiert worden, daß er alle anderen Interpretationen auschließe. Ich halte das für absolut unplausibel, denn der Beweis hat offensichtlich nur Implikationen für Theorien verborgener Parameter und nicht für alle anderen Interpretationen. Ich selbst kenne auch keinerlei Belege für Fehlinterpretationen seitens der Kopenhagener, sondern eher Indizien für das Gegenteil. Genau deshalb interessieren sie mich nach wie vor. Warum soll ich das auf sich beruhen lassen?

Zitat:

Nochmal zu meiner Intention: Ich habe exemplarisch einige Zitate angeführt, die zeigen, dass die Diskussionen eben nicht im engeren Sinne um Physik kreisten sondern um Interpretationen der Physik, dass dabei polemisiert und unsachlich diskutiert und teilweise aneinander vorbeigeredet wurde. Das betrifft beide Seiten, und dabei nicht nur die originalen Quellen sondern auch die späteren Zusammenfassung dieser Diskussionen. Ich würde mich jedenfalls nicht trauen, zu sagen: "lies dieses Buch, da wird das alles umfassend und objektiv dargestellt".


Ich verspreche mir überhaupt nichts davon die Polemiken beider "Seiten" gegeneinander aufzuwiegen. Ich weiß ehrlich gesagt nicht mal von welchen beiden "Seiten" hier überhaupt die Rede ist. Meine Intention ist eher die Polemik herauszuhalten und die historischen Tatsachen zu klären. Ich hatte gehofft, daß diese dich auch interessieren. Aber anscheinend interessiert dich nicht mal, was deine eigenen Quellen zu dem Thema sagen, sonst würden wir vermutlich jetzt über Olival Freires, "Science and Exile" reden.
TomS
BeitragVerfasst am: 21. Feb 2022 13:05    Titel:

Ich hatte geschrieben:
Zitat:
Ich mag hier nicht über persönliche Befindlichkeiten diskutieren. Die Formulierung waren auf beiden Seiten genau das - blamabel. War ein Fehler von mir, gerade dieses polarisierende Zitat rauszupicken.

Warum kannst du das nicht auf sich beruhen lassen?

Aufgrund deines Tonfalls habe ich eigentlich keine Lust mehr, mit dir zu diskutieren.


Nochmal zu meiner Intention: Ich habe exemplarisch einige Zitate angeführt, die zeigen, dass die Diskussionen eben nicht im engeren Sinne um Physik kreisten sondern um Interpretationen der Physik, dass dabei polemisiert und unsachlich diskutiert und teilweise aneinander vorbeigeredet wurde. Das betrifft beide Seiten, und dabei nicht nur die originalen Quellen sondern auch die späteren Zusammenfassung dieser Diskussionen. Ich würde mich jedenfalls nicht trauen, zu sagen: "lies dieses Buch, da wird das alles umfassend und objektiv dargestellt".
index_razor
BeitragVerfasst am: 21. Feb 2022 08:34    Titel:

TomS hat Folgendes geschrieben:
index_razor hat Folgendes geschrieben:
Bell kritisiert nicht, daß von Neumanns Beweis falsch verstanden wurde, sondern er nennt den Beweis selbst albern, falsch und dumm.

Ich mag hier nicht über persönliche Befindlichkeiten diskutieren. Die Formulierung waren auf beiden Seiten genau das - blamabel. War ein Fehler von mir, gerade dieses polarisierende Zitat rauszupicken.


Was wolltest du denn mit dem Zitat belegen? Daß sich jeder mal blamiert? Es ist eigenartig, daß du auf meine Kritik an Bells Aussage nur mit "Stell dich nicht so an, die andere Seite war genauso schlimm" reagierst.

Da ich mich vor einiger Zeit zwecks unserer damaligen Diskussion genauer mit von Neumanns Argument auseinandergesetzt habe, wollte ich Bells drastische Fehleinschätzung dazu nicht unkommentiert stehenlassen. Mir ist egal von welcher "Seite" sie kommt. Und das hat nichts mit meinen persönlichen Befindlichkeiten zu tun, sondern mit dem Wunsch einen falschen Eindruck über die Bedeutung des Beweises zu vermeiden.

Zitat:

index_razor hat Folgendes geschrieben:
Außer Bells eigener Behauptung kenne ich auch keine Hinweise auf die von dir genannte Fehlinterpretation des Beweises, schon gar nicht seitens prominenter "Kopenhagener". Kennst du welche?

Die hatte ich sogar schon mal rausgesucht. Ich kann das gerne nochmal tun.


Hattest du sie irgendwo gepostet? In dem anderen Thread habe ich nichts gefunden. Du hattest zwar ein paar abschätzige Kritiken (z.B. von Rosenfeld) über die Arbeiten anderer zur Quantenmechanik erwähnt. Aber diese bezogen sich, soweit ich sehe, nicht auf von Neumanns Beweis. Eine deiner Quellen (Olival Freire, Science and Exile) widerspricht sogar eher deiner Behauptung. Zitat:

"Indeed, its focus on von Neumann’s proof may not afford a comprehensive view of the monopolies Bohm was challenging with his “subversion strategy.” von Neumann’s proof was just part of what I am calling, after Jammer, the monocracy of the Copenhagen school. That proof did not play a role, for instance in the arguments by Rosenfeld, Pauli, and Heisenberg, nor did it play a role in the skepticism of physicists who were interested in other issues of research, like Feynman, Beck, and Leite Lopes." (S.40)

Das paßt ganz gut zu dem, was ich aus dem Artikel von Dieks in Erinnerung habe: das Desinteresse an Bohms Arbeit hatte praktisch nichts mit einer Fehlinterpretation von von Neumanns Beweis zu tun. Hier nochmal was Dieks dazu schreibt:

"Finally, we review some contemporary observations (from the nineteenfifties) on how von Neumann’s proof relates to the hidden-variables theories of Bohm and de Broglie. As will become clear, both major Copenhagenists and prominent hidden variables proponents understood what had actually been proved by von Neumann. If anything, it appears that a clear rhetorical use of von Neumann’s result was first of all made by opponents of Copenhagen, who used the alleged obvious fallacy in the proof to cast doubt on the scientific judgment of the Copenhagen circle (or clique), thus discrediting the Copenhagen interpretation itself by implication."
manuel459
BeitragVerfasst am: 20. Feb 2022 22:48    Titel:

Der Vollständigkeit halber: Die Behauptung, in mancher Literatur werde behauptet, Schrödinger unterstelle der Kopenhagener Deutung (=der damalige Stand der Quantenphysik), sie betrachte die Katze als tot und lebendig gleichzeitig, zurück. Ebenso nehme ich zurück, dass diese Literatur sagen würde, Schrödinger hätte dies von der Kopenhagener Lesart behauptet.


Mein Problem war wohl, dass in keiner dieser Quellen dazugesagt wird, dass Schrödinger darauf hinaus will, dass eigentlich seine bzw. irgendeine (realistische) Interpretation mit dieser Kopenhagener Deutung nicht vereinbar sei. Natürlich meint man, sofern nicht anders erläutert, wenn Schrödinger dieses "gleichzeitige tot und lebendig sein" bemängelt, dass das die Position des Gegenüber (der Kopenhagener Lesart) ist.

Im englischen Wikipedia zu Schrödingers Katze findet man etwa "According to Schrödinger, the Copenhagen interpretation implies that the cat remains both alive and dead until the state has been observed."

Ohne den Kontext, den ich hier von euch gelernt habe, ist es wohl legitim, das wie eben erklärt und damit falsch zu verstehen. Den Teil "implies if one takes a realist approach that the cat..." muss man sich da einfach dazudenken. Womit wir wieder bei der Uneindeutigkeit der Sprache wären
Hammer
TomS
BeitragVerfasst am: 20. Feb 2022 22:43    Titel:

index_razor hat Folgendes geschrieben:
Bell kritisiert nicht, daß von Neumanns Beweis falsch verstanden wurde, sondern er nennt den Beweis selbst albern, falsch und dumm.

Ich mag hier nicht über persönliche Befindlichkeiten diskutieren. Die Formulierung waren auf beiden Seiten genau das - blamabel. War ein Fehler von mir, gerade dieses polarisierende Zitat rauszupicken.

index_razor hat Folgendes geschrieben:
Außer Bells eigener Behauptung kenne ich auch keine Hinweise auf die von dir genannte Fehlinterpretation des Beweises, schon gar nicht seitens prominenter "Kopenhagener". Kennst du welche?

Die hatte ich sogar schon mal rausgesucht. Ich kann das gerne nochmal tun.
TomS
BeitragVerfasst am: 20. Feb 2022 22:36    Titel:

Ich denke, das Problem ist genau diese Semantik, weil es uns nicht gelingt, die Folgerung aus dem mathematischen Formalismus anschaulich und zugleich präzise umgangssprachlich zu formulieren.

Carroll: „… the quantum state branches into certain kinds of worlds (e.g., ones where cats are awake or ones where cats are asleep) and not others (where cats are in superpositions of both)? “

Natürlich ist diese Verzweigung letztlich wieder nur Semantik, aber die besagt zumindest, dass es sich nicht um eine gewöhnliche uns vertraute Situation zweier insbs. räumlich getrennter Katzen handelt.
index_razor
BeitragVerfasst am: 20. Feb 2022 22:33    Titel:

TomS hat Folgendes geschrieben:

Die Wortwahl Bells ist übertrieben, und die Interpretation des Beweises von Neumanns muss bzw. kann man nicht unbedingt von Neumann selbst zuschreiben. Aber Tatsache ist, dass auf Basis dieses Beweises argumentiert wurde, eine realistische Interpretation der Quantenmechanik sei beweisbar unmöglich; und genau diese Aussage ist selbst bekanntermaßen falsch, wie die Arbeiten von Bohm zeigen.


Bell kritisiert nicht, daß von Neumanns Beweis falsch verstanden wurde, sondern er nennt den Beweis selbst albern, falsch und dumm. Diese Einschätzung ist, bei allem Respekt, blamabel, und keine Umformulierung hätte daran etwas ändern können, sofern sie nicht im wesentlichen einer Rücknahme gleichkäme.

Außer Bells eigener Behauptung kenne ich auch keine Hinweise auf die von dir genannte Fehlinterpretation des Beweises, schon gar nicht seitens prominenter "Kopenhagener". Kennst du welche?
index_razor
BeitragVerfasst am: 20. Feb 2022 22:21    Titel:

TomS hat Folgendes geschrieben:
index_razor hat Folgendes geschrieben:
TomS hat Folgendes geschrieben:
index_razor hat Folgendes geschrieben:
Niemand hat je behauptet, die Katze wäre beides.

Einige Anhänger der Viele-Welten-Interpretation behaupten genau das.


Das ist nur Semantik. Die Behauptung ist ununterscheidbar von der, daß es zwei Katzen gibt, von denen je eine tot und die andere lebendig ist.

Richtig, beide Aussagen sind äquivalent.

Aber beide Aussagen, „die Katze ist zugleich lebendig und tot“ bzw. „es resultieren zwei Katzen, eine davon lebendig und eine tot“ behaupten etwas anderes als unsere Anschauung, „es existiert genau eine Katze, entweder lebendig oder tot“.


Ja, aber meine anschauliche Behauptung war nicht 1) "Es existiert genau eine Katze...", sondern 2) "Keine Katze ist sowohl tot, als auch lebendig." Niemand hat, abgesehen von Semantik, je etwas anderes behauptet als 2).
TomS
BeitragVerfasst am: 20. Feb 2022 22:04    Titel:

index_razor hat Folgendes geschrieben:
TomS hat Folgendes geschrieben:
index_razor hat Folgendes geschrieben:
Niemand hat je behauptet, die Katze wäre beides.

Einige Anhänger der Viele-Welten-Interpretation behaupten genau das.


Das ist nur Semantik. Die Behauptung ist ununterscheidbar von der, daß es zwei Katzen gibt, von denen je eine tot und die andere lebendig ist.

Richtig, beide Aussagen sind äquivalent.

Aber beide Aussagen, „die Katze ist zugleich lebendig und tot“ bzw. „es resultieren zwei Katzen, eine davon lebendig und eine tot“ behaupten etwas anderes als unsere Anschauung, „es existiert genau eine Katze, entweder lebendig oder tot“.
manuel459
BeitragVerfasst am: 20. Feb 2022 21:53    Titel:

Toll! Ich bin sehr froh, dass ihr euch die Zeit genommen habt, meine Fragen zu beantworten. Damit ist endlich etwas geklärt, was mich seit einiger Zeit gestört hat. Nun kann ich wieder ruhig schlafen. Vielen Dank!! Big Laugh
index_razor
BeitragVerfasst am: 20. Feb 2022 21:42    Titel:

TomS hat Folgendes geschrieben:
index_razor hat Folgendes geschrieben:
Niemand hat je behauptet, die Katze wäre beides.

Einige Anhänger der Viele-Welten-Interpretation behaupten genau das.


Das ist nur Semantik. Die Behauptung ist ununterscheidbar von der, daß es zwei Katzen gibt, von denen je eine tot und die andere lebendig ist. Ob man den Gesamtzustand als eine Katze oder jeden relativen Zustand als eine Katze bezeichnet, ist lediglich eine Frage der Wortwahl.
TomS
BeitragVerfasst am: 20. Feb 2022 21:37    Titel:

index_razor hat Folgendes geschrieben:
Niemand hat je behauptet, die Katze wäre beides.

Einige Anhänger der Viele-Welten-Interpretation behaupten genau das.
index_razor
BeitragVerfasst am: 20. Feb 2022 21:33    Titel:

manuel459 hat Folgendes geschrieben:
Zitat:
Bohr et al. hatten sich von diesem realistischen Ansatz verabschiedet: "There is no quantum world. There is only an abstract quantum physical description. It is wrong to think that the task of physics is to find out how Nature is. Physics concerns what we can say about Nature."


Ist es demnach nicht falsch (wie von vielen Büchern behauptet), dass nach der Kopenhagener Deutung die Katze "tot und lebendig gleichzeitig" sein würde? Weiters wird ja oft gesagt, Schrödinger hätte genau das versucht zu sagen, nämlich dass die Kopenhagener Deutung fälschlicherweise sagen würde, die Katze wäre tot und lebendig gleichzeitig.


Ja, das ist falsch. Niemand hat je behauptet, die Katze wäre beides. Und Schrödinger hat sicher nicht gemeint, daß eine solche Behauptung der "gegenwärtigen Situation in der Quantenmechanik" entspricht.

Zitat:

Zitat:
Der Punkt ist, es ging in allen Diskussionen (Einstein, Schrödinger, später Bell u.a.) um den Realitätsbegriff, bei Einstein (EPR) auch um den Lokalitätsbegriff. Vieles weitere - auch die Katze - ist sozusagen Beiwerk, in dem Sinne, dass exemplarisch gezeigt werden sollte, an welchen Stellen die Quantenmechanik in der Kopenhagener Lesart diesbzgl. scheitert.


Inwiefern scheitert die Quantenmechanik dann in der Kopenhagener Lesart? In der Hinsicht, dass sie zwei Optionen einer realistischen Interpretation lässt ((1) und 2) aus dem Beitrag von index_razor vom 20.02.2022 um 09:46)), aber beide nicht richtig sein können (wie von index_razor argumentiert)?


Das scheint zumindest Schrödingers Auffassung zu sein. Die Argumente gegen Option 2) (objektive Unsicherheit) sind aber m.E. nicht so stichhaltig wie von Neumanns Argumente gegen Option 1) (streuungsfreie Zustände). Das ist aber eine ganz andere Diskussion.

Zitat:

Könnt ihr beiden da eine historische Zusammenschau in Form eines Buchs empfehlen die euren Ausführungen ähnelt? Bisher habe ich das nirgends so schlüssig und vor allem vollständig/richtig erklärt gesehen. :D


Nein, ich kenne zu dem Thema auch nur den Originalartikel von Schrödinger und noch einige andere zum Meßproblem. Eine gute Übersicht über viele relevante Arbeiten liefert Wheeler, Zurek (Hrsg.), Quantum Theory and Measurement.

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