TomS |
Verfasst am: 04. Aug 2019 09:42 Titel: |
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Es gibt diverse hypothetische Lösungen zu den Gleichungen der Allgemeinen Relativitätstheorie, die sogenannte geschlossene zeitartige Kurven - CDTs für closed timelike curves - zulassen. CDTs sind Weltlinien idealisierter Beobachter in der Raumzeit, wobei ein Beobachter von einem Punkt P zu einem Punkt Q gelangen kann, von dem aus wiederum Signale zum Punkt P möglich sind; Q befindet sich im sogenannten Vergangenheitslichtkegel - past light cone - von P. Dazu gibt es nun mehrere Gegenargumente: Zunächst sind alle derartigen Raumzeiten rein hypothetisch, d.h. die Konstruktion der notwendigen Wurmlöcher o.ä. ist praktisch völlig undurchführbar, oder die Stabilität im Falle einer tatsächlichen Reise durch das Wurmloch ist nicht gegeben. Es bleibt jedoch der Einwand, dass Raumzeiten mit CDTs zumindest theoretisch möglich sind. Dann werden immer nur idealisierte Beobachter betrachtet, d.h. rein geometrisch masselose Punkte; ein realer Beobachter wäre jedoch eine ausgedehnte Energieverteilung, für deren Bewegung die Gleichungen der Allgemeinen Relativitätstheorie zu lösen wären. Evtl. würde ja aus einer exakten Lösung folgen, dass für den realen Beobachter die paradoxe Handlung nicht durchführbar ist. Wieder bleibt der Einwand, dass Raumzeiten mit CDTs theoretisch möglich sind; das wäre so, wie wenn eine Verletzung der Energieerhaltung theoretisch möglich jedoch praktisch nicht realisierbar wäre. Deswegen glauben viele Physiker an ein noch nicht verstandenes Prinzip - die sogenannte chronology protection conjecture - derzufolge CDTs prinzipiell unmöglich sind. Dafür gibt’s einige Kandidaten, z.B. Theorien zur Quantengravitation oder die Everettsche Formulierung der Quantenmechanik (derzufolge sich das Universum fortwährend in makroskopisch verschiedene Zweige auffächert, wobei die Zeitreise nicht im selben Zweig stattfinden sondern in einen Parallelzweig ohne Paradoxon führen würde). Theorien zur Quantengravitation sind heute nicht ausreichend verstanden, um derartige Fragen schlüssig beantworten zu können. Die Everettsche Formulierung der Quantenmechanik - many-worlds interpretation - ist gut verstanden und wird von etlichen Physikern als vernünftigste Version der Quantenmechanik angesehen - jedoch bei weitem nicht von allen. In der Everettsche Formulierung löst sich das Problem der CDTs auf eine ganz einfache Weise, die man auch ohne Quantenmechanik direkt in der Allgemeinen Relativitätstheorie implementieren kann. Betrachtet man die Menge aller Lösungen X der Allgemeinen Relativitätstheorie, sowie die Untermenge H ⊂ X aller “kausalen” Lösungen der Allgemeinen Relativitätstheorie. H bezeichnet sogenannte global-hyperbolische Mannigfaltigkeiten - das sind genau die Mannigfaltigkeiten, die keine CDTs zulassen. Man kann die Allgemeinen Relativitätstheorie mathematisch umformulieren - siehe ADM formalism - so dass die Theorie sich wie folgt darstellt: man nehme eine beliebige raumartige Geometrie M sowie die in M enthaltene Materie und Strahlung, und berechne die Zeitentwicklung von M. Daraus resultiert dann eine Raumzeit H, d.h. H ist sozusagen die vollständige Zeitentwicklung eines “zeitlichen Schnappschusses” M. Dieser ADM-Formalismus ist für die Untermenge H ⊂ X mathematisch exakt äquivalent zur Formulierung nach Einstein. Der ADM-Formalismus ist jedoch unzulässig für X \ H, d.h. für Geometrien mit CDTs. CDTs werden also ausgeschlossen, indem man nicht mehr die volle ART nach Einstein betrachtet, sondern eine etwas restriktivere Umformulierung, die - ganz nebenbei - für viele Physiker durchaus natürlich erscheint. |
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