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Urknall - was war davor
 
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Tonyboy
Gast





Beitrag Tonyboy Verfasst am: 27. Sep 2015 19:45    Titel: Urknall - was war davor Antworten mit Zitat

Was war vor dem Urknall und wo ist das Universum entstanden? Wenn doch vorher nichts existent war, dann müsste das Universum doch im absoluten Nichts oder so entstanden sein. Aber von Nichts kommt nichts, wie es im Volksmund heißt. Es sei denn, es war vorher schon etwas da! Wenn außerhalb des Universums nichts ist, wie soll da etwas entstehen? Kann die theoretische Physik eine Antwort dazu geben? Weiß man, wie das Universum genau entstanden ist?
Müsste nicht vorher ein Raum da gewesen sein, in den hinein sich das Universum ausdehnt? Bitte helft mir mit dem Verständnis Hilfe
ML



Anmeldungsdatum: 17.04.2013
Beiträge: 3388

Beitrag ML Verfasst am: 30. Sep 2015 17:40    Titel: Re: Urknall - was war davor Antworten mit Zitat

Hallo,

Tonyboy hat Folgendes geschrieben:
Was war vor dem Urknall und wo ist das Universum entstanden? Wenn doch vorher nichts existent war, dann müsste das Universum doch im absoluten Nichts oder so entstanden sein. Aber von Nichts kommt nichts, wie es im Volksmund heißt. Es sei denn, es war vorher schon etwas da! Wenn außerhalb des Universums nichts ist, wie soll da etwas entstehen? Kann die theoretische Physik eine Antwort dazu geben?


die theoretische Physik kann solch grundlegende Fragen m. E. genauso wenig beantworten wie die verschiedenen Glaubensrichtungen. Es gibt eben Fragen, deren Antworten wir nicht kennen und von denen wir auch gar nicht wissen, ob die Menschheit sie je lösen wird. Man kann sehr viel Zeit damit verbringen, trotzdem nach Antworten zu suchen, man kann es aber auch bleibenlassen. Das ist jedem einzelnen selbst überlassen.

Du suchst nach einer Kausalkette.
- Angenommen, die Kausalkette hat einen Anfang. Wenn Du argumentativ am Anfang der Kette angekommen bist, wer hindert Dich daran zu fragen: "Und wie ist dieser Anfang entstanden?".
- Vielleicht hat die Kausalkette aber auch keinen Anfang, sondern sie ist in sich geschlossen. Dann findest Du zwar immer eine Ursache, aber irgendwann begwegst Du Dich im Kreis.
Welche dieser Varianten ist befriedigender? Aus meiner Sicht keine, und es gibt auch noch andere Möglichkeiten, wie Kausalitäten miteinander verknüpft sein könnten.

Wenn die theoretische Physik bei diesen Fragestellungen helfen kann, dann allenfalls dahingehend, dass sie die Gültigkeit oder Sinnhaftigkeit der Fragestellung infrage stellt. Denn die Physik handelt nicht ausschließlich von Kausalketten. Gerade in der Quantenphysik spielen Zufallsprozesse (ohne Ursache in Sinne Deiner Frage) eine große Rolle. Die Aussage "Von Nichts kommt Nichts" ist im Zusammenhang mit der Physik vielleicht kein ganz brauchbares Konzept.


Viele Grüße
Michael
schnudl
Moderator


Anmeldungsdatum: 15.11.2005
Beiträge: 6979
Wohnort: Wien

Beitrag schnudl Verfasst am: 30. Sep 2015 18:17    Titel: Antworten mit Zitat

Der menschliche Erkenntnisapparat ist sicher nicht darauf ausgelegt, solche Fragen zu begreifen und zu beantworten. Wir sind evolutionär darauf programmiert auf Bäumen herumzuklettern, zu jagen, uns zu paaren, etc...

Möglicherweise gibt es auf verschiedene Frage keine Antwort, obwohl man natürlich zu denken neigt, dass es da eine Antwort geben müsste...
Als kleines "Flächenwesen" in einem verschwindend kleinen Punkt des Universums fehlen uns sicher auch die Begrifflichkeiten, hier überhaupt eine "sinnvolle" Frage im Großen zu stellen. Gibt es eine Grenze des menschlichen Denkvermögens, über das wir nicht hinaus kommen?

Beispiele von "sinnlosen" Fragen:

*) warum habe ich (offenbar) einen freien Willen und worin begründet sich dieser physikalisch?

*) warum lebe "ich" gerade in dieser und nicht in einer anderen Zeitepoche; warum ausgerechnet auf der Erde und nicht wo anders im Universum?

*) kann "ich" nach dem Tod wieder als anderes Wesen ein "ich" haben? Und wenn ja, wo und wann bin ich dann da?

Sobald man eine diese Fragen stellt, bekommt man von den allermeisten Physikern die Antwort, dass dies eben keine physikalische Frage sei, sondern bestenfalls Gegenstand der Religion. Trotzdem beschäftigen uns solche Dinge (den einen mehr, den anderen weniger). Ein Physikstudium wird dir aber nicht helfen, hier irgendwelche Antworten zu finden!!!

Sorry für diese esoterischen Entgleisungen ;-)

_________________
Wenn du eine weise Antwort verlangst, musst du vernünftig fragen (Goethe)
index_razor



Anmeldungsdatum: 14.08.2014
Beiträge: 3259

Beitrag index_razor Verfasst am: 30. Sep 2015 20:23    Titel: Antworten mit Zitat

Tonyboy hat Folgendes geschrieben:
Was war vor dem Urknall und wo ist das Universum entstanden? Wenn doch vorher nichts existent war, dann müsste das Universum doch im absoluten Nichts oder so entstanden sein. Aber von Nichts kommt nichts, wie es im Volksmund heißt. Es sei denn, es war vorher schon etwas da! Wenn außerhalb des Universums nichts ist, wie soll da etwas entstehen? Kann die theoretische Physik eine Antwort dazu geben? Weiß man, wie das Universum genau entstanden ist?
Müsste nicht vorher ein Raum da gewesen sein, in den hinein sich das Universum ausdehnt? Bitte helft mir mit dem Verständnis Hilfe


Was und ob überhaupt etwas vor dem Urknall stattgefunden, läßt sich wohl nach gegenwärtigem Stand nicht beantworten. Daß ein Urknall stattgefunden hat, gestattet aber nicht die Schlußfolgerung, daß das Universum zu irgendeiner Zeit an irgendeinem Ort oder überhaupt irgendwie "entstanden" ist, auch wenn das oft für selbstverständlich gehalten wird. Es bedeutet nur, daß es in jeder Region des Universums Ereignisse gibt, zu denen aus Sicht der dort befindlichen Beobachter keine früheren Ereignisse mehr existieren. (Das stimmt nur ungefähr, wenn man die Urknallsingularität selbst aus dem Universum ausschließt. Aber das exakt zu formulieren ist mir etwas zu umständlich.)

Ich denke also nicht nur, daß niemand weiß, wie das Universum entstanden ist. Meines Erachtens (das ist aber wahrscheinlich eine Außenseitermeinung) gibt es nicht mal einen Grund anzunehmen, daß es überhaupt entstanden ist. Bestimmte Dinge existieren eben einfach. (Es fragt z.B. normalerweise auch keiner danach, wie die natürlichen Zahlen entstanden sind.) Stell dir den Urknall als eine Art Rand des Universums in Richtung Vergangenheit vor. Dann müßte man korrekterweise eher sagen: "Das Universum besitzt einen Urknall" und nicht "Das Universum entstand im Urknall". Der Urknall hat mit der Entstehung und Existenz des Universums genauso wenig zu tun, wie die Tischkante mit der Entstehung und Existenz des Tisches.

Die Frage ob das Universum irgendwo eingebettet sein muß, damit sich der Raum ausdehnen kann, wird auch immer mal wieder gestellt. Sie wurde auch hier im Forum schon öfter diskutiert.
TomS
Moderator


Anmeldungsdatum: 20.03.2009
Beiträge: 18018

Beitrag TomS Verfasst am: 30. Sep 2015 21:02    Titel: Antworten mit Zitat

Das Problem beginnt schon damit, dass einerseits die Gleichungen der ART einen Urknall im mathematischen Sinn vorhersagen, dass wir jedoch andererseits gute Gründe haben, anzunehmen, dass diese Gleichungen in der Nähe dieses Urknalls ungültig werden.

Stell dir Menschen vor, die sich die Erde als Scheibe vorstellen und danach fragen, wie der Rand beschaffen ist und was sich jenseits davon befindet. Die Antwort darauf, nämlich das kein Rand existiert, sondern eine Kugel vorliegt, dürfte sie überraschen.

Ich denke, wir befinden uns bzgl. des Urknalls in einer ähnlichen Situation.

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Niels Bohr brainwashed a whole generation of theorists into thinking that the job (interpreting quantum theory) was done 50 years ago.
index_razor



Anmeldungsdatum: 14.08.2014
Beiträge: 3259

Beitrag index_razor Verfasst am: 30. Sep 2015 22:05    Titel: Antworten mit Zitat

TomS hat Folgendes geschrieben:

Stell dir Menschen vor, die sich die Erde als Scheibe vorstellen und danach fragen, wie der Rand beschaffen ist und was sich jenseits davon befindet. Die Antwort darauf, nämlich das kein Rand existiert, sondern eine Kugel vorliegt, dürfte sie überraschen.

Ich denke, wir befinden uns bzgl. des Urknalls in einer ähnlichen Situation.


Spricht irgendwas dagegen, daß das Universum topologisch gesehen mit z.B. ist? Dann hätte es m.E. einen Rand, nämlich .

Insofern stimmt der Vergleich m.E. nicht unbedingt.

Prinzipiell hast du natürlich recht, daß man der ART bei dieser Frage nicht trauen kann. Aber es erscheint mir nicht ausgeschlossen, daß, welch vertrauenswürdigere Theorie auch immer existieren mag, diese ebenfalls ein berandetes Universum vorhersagt.
TomS
Moderator


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Beiträge: 18018

Beitrag TomS Verfasst am: 30. Sep 2015 22:48    Titel: Antworten mit Zitat

index_razor hat Folgendes geschrieben:
TomS hat Folgendes geschrieben:

Stell dir Menschen vor, die sich die Erde als Scheibe vorstellen und danach fragen, wie der Rand beschaffen ist und was sich jenseits davon befindet. Die Antwort darauf, nämlich das kein Rand existiert, sondern eine Kugel vorliegt, dürfte sie überraschen.

Ich denke, wir befinden uns bzgl. des Urknalls in einer ähnlichen Situation.


Spricht irgendwas dagegen, daß das Universum topologisch gesehen mit z.B. ist? Dann hätte es m.E. einen Rand, nämlich .

Nein, dagegen spricht m.W.n. nichts.

index_razor hat Folgendes geschrieben:
Insofern stimmt der Vergleich m.E. nicht unbedingt.

Das meine ich nicht.

Wir wissen ja mit ziemlicher Sicherheit, dass die ART in diesen Bereichen versagt. Es ist demnach sinnlos, nach der Natur des Urknalls zu fragen, wenn es ihn evtl. gar nicht gibt, weil die der Theorie, aus der er folgt, nicht anwendbar ist.

Wir stellen schlicht die falsche Frage.

index_razor hat Folgendes geschrieben:
Prinzipiell hast du natürlich recht, daß man der ART bei dieser Frage nicht trauen kann. Aber es erscheint mir nicht ausgeschlossen, daß, welch vertrauenswürdigere Theorie auch immer existieren mag, diese ebenfalls ein berandetes Universum vorhersagt.

"berandet" impliziert, dass eine topologische Beschreibung existiert; evtl. ist bereits das falsch.

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index_razor



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Beiträge: 3259

Beitrag index_razor Verfasst am: 30. Sep 2015 23:19    Titel: Antworten mit Zitat

TomS hat Folgendes geschrieben:

index_razor hat Folgendes geschrieben:
Insofern stimmt der Vergleich m.E. nicht unbedingt.

Das meine ich nicht.

Wir wissen ja mit ziemlicher Sicherheit, dass die ART in diesen Bereichen versagt. Es ist demnach sinnlos, nach der Natur des Urknalls zu fragen, wenn es ihn evtl. gar nicht gibt, weil die der Theorie, aus der er folgt, nicht anwendbar ist.

Wir stellen schlicht die falsche Frage.


Das sehe ich ja auch so. Aber die Frage betraf ja nicht so sehr die Natur des Urknalls, sondern eher das Problem ob das Universum aus dem Nichts entstanden ist oder, wenn nicht, woraus es sonst entstanden ist und was evtl. vor dem Urknall "da" (wo eigentlich?) war. Der Urknall kommt nur deswegen ins Spiel, weil er suggeriert, der Prozeß zu sein, in dessen Verlauf irgendwie das Universum entstanden ist. Ich halte schon das für einen Fehlschluß. Die Fragen ob, wie oder woraus das Universum entstanden ist, haben gar nichts damit zu tun ob es tatsächlich einen Urknall gab, so wie ihn die ART beschreibt. Die Begriffe versagen hier zwar etwas, aber "hat einen Anfang" impliziert nicht "ist entstanden" im Sinne eines physikalischen Prozesses, wie der "Entstehung" von Strahlung oder Teilchen etc. Die Frage, wie das Universum samt seiner Materie und Strahlung aus dem Nichts entstanden sein kann, erscheint mir deshalb etwas bizarr, obwohl sie sehr suggestiv ist.

Zitat:

index_razor hat Folgendes geschrieben:
Prinzipiell hast du natürlich recht, daß man der ART bei dieser Frage nicht trauen kann. Aber es erscheint mir nicht ausgeschlossen, daß, welch vertrauenswürdigere Theorie auch immer existieren mag, diese ebenfalls ein berandetes Universum vorhersagt.

"berandet" impliziert, dass eine topologische Beschreibung existiert; evtl. ist bereits das falsch.


Klar. Mir ging es eher darum, was "berandet" nicht impliziert. Ob berandet oder nicht oder nicht mal nicht-berandet -- es gibt zumindest näherungsweise eine Beschreibung, in der die Feststellung zutrifft, daß es nicht beliebig frühe Ereignisse gibt. Die Behauptung, daß das Universum irgendwann zwischen heute und diesen nicht existierenden "vorzeitigen" Ereignissen entstanden ist, ist m.E. absurd, selbst wenn diese Näherung exakt zutreffen sollte.
Ich



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Beitrag Ich Verfasst am: 01. Okt 2015 16:53    Titel: Antworten mit Zitat

"berandet" bedeutet im mathematischen Sprachgebrauch aber, dass der Rand bei der Mannigfaltigkeit dabei ist. So etwas ist nicht Gegenstand der ART.
Brillant



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Beitrag Brillant Verfasst am: 01. Okt 2015 20:05    Titel: Antworten mit Zitat

Zitat:
Urknall - was war davor


Ich habe mal gelesen, Gott war ratlos und hatte sich eine Unternehmensberatung in den Himmel geholt. Die analysierten die bisherige Schöpfung und rieten das, was sie immer raten:

"Sie müssen expandieren." - Und Gott tat es.

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Glaubt nicht dem Hörensagen ... oder eingewurzelten Anschauungen, auch nicht den Worten eines verehrten Meisters; sondern was ihr selbst gründlich geprüft und als euch selbst und anderen zum Wohle dienend erkannt habt, das nehmt an. Siddhartha Gautama
index_razor



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Beitrag index_razor Verfasst am: 01. Okt 2015 21:03    Titel: Antworten mit Zitat

Ich hat Folgendes geschrieben:
"berandet" bedeutet im mathematischen Sprachgebrauch aber, dass der Rand bei der Mannigfaltigkeit dabei ist. So etwas ist nicht Gegenstand der ART.


Wir sprechen aber lediglich von einer Raumzeit mit der Eigenschaft, daß jede zeitartige Geodäte in jedem Ereignis eine endlich lange Vergangenheit hat. Es macht keinen großen Unterschied, ob dies dann eine berandete Mannigfaltigkeit ist oder nicht. Vielleicht sollte man nicht "berandet" sagen, sondern "endlich alt" oder sowas. Das hätte aber erstens den Nachteil, daß es nicht ausreichend allgemein ist und daß man zweitens ohne den Begriff "Rand" nicht die singulären Punkte der Raumzeit greifbar machen kann, über die man ja eigentlich sprechen will, auch wenn das wie im Fall der Robertson-Walker-Metrik eigentlich recht unproblematisch erscheint. Dort ist die Singularität ja eigentlich irgendwie "der Raum zur Zeit t=0", also wahrscheinlich sowas wie der topologische Rand vom Abschluß von in .
TomS
Moderator


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Beitrag TomS Verfasst am: 01. Okt 2015 21:36    Titel: Antworten mit Zitat

Der Vorschlag, endliche zeitartige Geodäten, also Geodäten mit "Anfangszeitpunkt" im Sinne von endlicher Eigenzeit entspricht tatsächlich genau der Definition, die Hawking und Penrose als "geodätisch unvollständig" im Kontext der Singularitätentheoreme diskutieren.
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Ich



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Beitrag Ich Verfasst am: 02. Okt 2015 08:52    Titel: Antworten mit Zitat

index_razor hat Folgendes geschrieben:
Es macht keinen großen Unterschied, ob dies dann eine berandete Mannigfaltigkeit ist oder nicht.
Doch, das ist derselbe Unterschied, wie wenn du eine Relativgeschwindigkeit von c in der Lorentztrafo erlaubst. Das bringt dich in Teufels Küche.
Zitat:
Vielleicht sollte man nicht "berandet" sagen, sondern "endlich alt" oder sowas.
Ja. Passt auch besser zur tatsächlichen Definition einer Singularität, wie sie TomS im beschreibt.
Vor allem aber missbraucht es nicht einen Begriff, der genau in diesem Zusammenhang ganz anders definiert ist. Du tust mit so etwas etwaigen späteren Lesern dieses Threads keinen Gefallen.
TomS hat Folgendes geschrieben:
Der Vorschlag, endliche zeitartige Geodäten, also Geodäten mit "Anfangszeitpunkt" im Sinne von endlicher Eigenzeit entspricht tatsächlich genau der Definition, die Hawking und Penrose als "geodätisch unvollständig" im Kontext der Singularitätentheoreme diskutieren.
Endliche zeitartige Geodäten: Ja. Geodäten mit Anfangszeitpunkt: Nein.
Nimm einfach das Beispiel des de Sitter-Raums, das du mir gegenüber mal gebracht hast: dort werden die Geodäten in der Vergangenheit immer lichtartiger, und auch wenn die Eigenzeit begrenzt bleibt, so ist dennoch die Raumzeit in alle Richtungen unendlich und definitiv unberandet. Du kannst auch zu jedem Wert der Eigenzeit ein Ereignis in der Raumzeit finden, mit schönen Koordinaten und allem - außer für den "Anfangszeitpunkt". Der gehört definitiv nicht dazu.
index_razor



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Beitrag index_razor Verfasst am: 02. Okt 2015 11:00    Titel: Antworten mit Zitat

Ich hat Folgendes geschrieben:
index_razor hat Folgendes geschrieben:
Es macht keinen großen Unterschied, ob dies dann eine berandete Mannigfaltigkeit ist oder nicht.
Doch, das ist derselbe Unterschied, wie wenn du eine Relativgeschwindigkeit von c in der Lorentztrafo erlaubst. Das bringt dich in Teufels Küche.


Ich denke das läuft einfach unter dem Begriff "Kompaktifizierung" oder "Abschluß" und ist analog zur Erweiterung der reellen Zahlen um Minus- und Plusunendlich.  Bestimmte Eigenschaften gehen dabei typischerweise verloren (keine semi-riemannsche Mannigfaltigkeit mehr, kein archimedisch geordneter Körper), aber in Teufels Küche bringt einen das noch nicht.  Man hat eben eine Möglichkeit von "den singulären Punkten x,y,..." zu reden, anstatt nur davon, daß die Raumzeit an sich singulär ist.

Zwischen berandeten und unberandeten Mannigfaltigkeiten gibt es natürlich einen großen Unterschied, keine Frage.  Dieser ist aber in dieser Diskussion, in der es um die Frage geht, was vor dem Urknall war und ob dabei das Universum entstanden ist, m.E. nicht erheblich.  Das Problem ergibt sich ja aus der geodätischen Unvollständigkeit der Raumzeit, nicht aus der Behauptung sie sei eine berandete Mannigfaltigkeit. 

Zitat:

Zitat:
Vielleicht sollte man nicht "berandet" sagen, sondern "endlich alt" oder sowas.
Ja. Passt auch besser zur tatsächlichen Definition einer Singularität, wie sie TomS im beschreibt.
Vor allem aber missbraucht es nicht einen Begriff, der genau in diesem Zusammenhang ganz anders definiert ist. Du tust mit so etwas etwaigen späteren Lesern dieses Threads keinen Gefallen.


Das ist kein Mißbrauch oder zumindest nicht von mir.  Der Begriff Rand ist, denke ich, bereits doppeldeutig, und kommt einmal aus der Topologie und außerdem aus der Theorie der berandeten Mannigfaltigkeiten, wo er etwas anderes bedeutet.  Unglücklicherweise ist aber nunmal jede Mannigfaltigkeit auch ein topologischer Raum.  Ich habe ja gesagt, daß ich den Rand des Abschlusses in meine.  Mit Hilfe dieser Kompaktifizierung erhält die Raumzeit also einen topologischen Rand (aus Singularitäten), ist aber trotzdem keine berandete Mannigfaltigkeit.  Ist der Sachverhalt damit nicht klar genug ausgedrückt?

Ich akzeptiere übrigens vollkommen die Definition des Begriffs "Singularität" von TomS.  Ich habe sie ja selbst verwendet.

Zitat:

TomS hat Folgendes geschrieben:
Der Vorschlag, endliche zeitartige Geodäten, also Geodäten mit "Anfangszeitpunkt" im Sinne von endlicher Eigenzeit entspricht tatsächlich genau der Definition, die Hawking und Penrose als "geodätisch unvollständig" im Kontext der Singularitätentheoreme diskutieren.
Endliche zeitartige Geodäten: Ja. Geodäten mit Anfangszeitpunkt: Nein.
Nimm einfach das Beispiel des de Sitter-Raums, das du mir gegenüber mal gebracht hast: dort werden die Geodäten in der Vergangenheit immer lichtartiger, und auch wenn die Eigenzeit begrenzt bleibt, so ist dennoch die Raumzeit in alle Richtungen unendlich und definitiv unberandet. Du kannst auch zu jedem Wert der Eigenzeit ein Ereignis in der Raumzeit finden, mit schönen Koordinaten und allem - außer für den "Anfangszeitpunkt". Der gehört definitiv nicht dazu.


Ich würde sagen es kommt drauf an, welche Fragestellung man gerade betrachtet.  Wenn du wissen willst wie die Metrik aussieht, wie groß die Krümmung ist, etc, dann hast du recht.  Wenn du versuchst zu beschreiben "wo" deine Raumzeit singulär wird, geht es eben nicht mehr so einfach.
TomS
Moderator


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Beitrag TomS Verfasst am: 02. Okt 2015 11:11    Titel: Antworten mit Zitat

Ich hat Folgendes geschrieben:
TomS hat Folgendes geschrieben:
Der Vorschlag, endliche zeitartige Geodäten, also Geodäten mit "Anfangszeitpunkt" im Sinne von endlicher Eigenzeit entspricht tatsächlich genau der Definition, die Hawking und Penrose als "geodätisch unvollständig" im Kontext der Singularitätentheoreme diskutieren.

Endliche zeitartige Geodäten: Ja. Geodäten mit Anfangszeitpunkt: Nein.

Den Einwand verstehe ich nicht; die deSitter-Raumzeit ist doch geodätisch vollständig, d.h. die Eigenzeit entlang einer zeitartigen Geodäte ist (in beide Richtungen) unbeschränkt. Richtig?

Mit "Anfangszeitpunkt" meine nicht die Koordinaten- sondern wieder die Eigenzeit. Evtl. ist das also nur ein Missverständnis.

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Ich



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Beitrag Ich Verfasst am: 02. Okt 2015 11:42    Titel: Antworten mit Zitat

TomS hat Folgendes geschrieben:
Den Einwand verstehe ich nicht; die deSitter-Raumzeit ist doch geodätisch vollständig, d.h. die Eigenzeit entlang einer zeitartigen Geodäte ist (in beide Richtungen) unbeschränkt. Richtig?
Falsch. Erinnerst du dich an dieses Paper?

Zitat:
Mit "Anfangszeitpunkt" meine nicht die Koordinaten- sondern wieder die Eigenzeit. Evtl. ist das also nur ein Missverständnis.
Nein, ich meine auch die Eigenzeit. Die geht von ]0;t], nicht [0;t].Die Geodäte hat eine Länge von t, aber keine Anfangszeitpunkt.
Wenn du die Koordinaten für t->0 anschaust, divergieren die - und das ist keine Koordinatensingularität, t=0 hat einfach keine Koordinate in der Mannigfaltigkeit, weil es kein Ereignis gibt, das zu diesem Zeitwert gehört.
Ich



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Beitrag Ich Verfasst am: 02. Okt 2015 12:05    Titel: Antworten mit Zitat

index_razor hat Folgendes geschrieben:
aber in Teufels Küche bringt einen das noch nicht. 
Aber sicher tut es das, wenn du auf dieser Mannigfaltigkeit dann Physik betreiben willst oder auch nur eine Metrik definieren.
Zitat:
Zwischen berandeten und unberandeten Mannigfaltigkeiten gibt es natürlich einen großen Unterschied, keine Frage. Dieser ist aber in dieser Diskussion, in der es um die Frage geht, was vor dem Urknall war und ob dabei das Universum entstanden ist, m.E. nicht erheblich. Das Problem ergibt sich ja aus der geodätischen Unvollständigkeit der Raumzeit, nicht aus der Behauptung sie sei eine berandete Mannigfaltigkeit.
Kein Problem damit. Ich habe ja auch nur diese Behauptung korrigiert. Die von dir genannte Mannigfaltigkeit ist nicht berandet, also sollte man sie auch nicht so nennen. Weiter nichts.

Zitat:
Ist der Sachverhalt damit nicht klar genug ausgedrückt?
Wenn's keine berandete Mannigfaltigkeit ist, ist ja alles gut.
Zitat:

Ich würde sagen es kommt drauf an, welche Fragestellung man gerade betrachtet. Wenn du wissen willst wie die Metrik aussieht, wie groß die Krümmung ist, etc, dann hast du recht. Wenn du versuchst zu beschreiben "wo" deine Raumzeit singulär wird, geht es eben nicht mehr so einfach.
Richtig.
index_razor



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Beitrag index_razor Verfasst am: 02. Okt 2015 14:01    Titel: Antworten mit Zitat

Ich hat Folgendes geschrieben:
index_razor hat Folgendes geschrieben:
aber in Teufels Küche bringt einen das noch nicht.
Aber sicher tut es das, wenn du auf dieser Mannigfaltigkeit dann Physik betreiben willst oder auch nur eine Metrik definieren.


Eine Metrik will ich ja nicht unbedingt überall definieren, sondern vielleicht einfach topologische Untersuchungen anstellen.  Eine Metrik habe ich dann immer noch überall dort, wo ich eine brauche.  Das hindert mich also weder daran, Physik zu betreiben, noch bringt es mich in Teufels Küche.  Bringen dich +unendlich und -unendlich eigentlich in Teufels Küche?

Zitat:

Zitat:
Zwischen berandeten und unberandeten Mannigfaltigkeiten gibt es natürlich einen großen Unterschied, keine Frage.  Dieser ist aber in dieser Diskussion, in der es um die Frage geht, was vor dem Urknall war und ob dabei das Universum entstanden ist, m.E. nicht erheblich.  Das Problem ergibt sich ja aus der geodätischen Unvollständigkeit der Raumzeit, nicht aus der Behauptung sie sei eine berandete Mannigfaltigkeit. 
Kein Problem damit. Ich habe ja auch nur diese Behauptung korrigiert. Die von dir genannte Mannigfaltigkeit ist nicht berandet, also sollte man sie auch nicht so nennen. Weiter nichts.


Ich habe aber doch vom topologischen Rand gesprochen.  Daß das Universum eine berandete Mannigfaltigkeit ist, habe ich nicht behauptet.  Das hast du lediglich so verstanden. (TomS hat es übrigens so verstanden wie es gemeint war, wie aus seiner Antwort hervorging. Also scheint es nicht so mißverständlich gewesen zu sein.) Das Universum ist sowohl Mannigfaltigkeit als auch topologischer Raum.

Zitat:

Zitat:
Ist der Sachverhalt damit nicht klar genug ausgedrückt?
Wenn's keine berandete Mannigfaltigkeit ist, ist ja alles gut.


Wenn du nichts dagegen hast, daß ich vom berandeten Universum im Sinne eines topologischen Raumes spreche, ist tatsächlich alles gut.  Wenn du dagegen Einwände hast, verstehe ich nicht welche. (Außer daß "Rand" doppeldeutig ist, aber das ist ja nicht meine Schuld.)
Ich



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Wohnort: Mintraching

Beitrag Ich Verfasst am: 02. Okt 2015 15:31    Titel: Antworten mit Zitat

index_razor hat Folgendes geschrieben:
Bringen dich +unendlich und -unendlich eigentlich in Teufels Küche?
Wenn ich damit weiterrechnen muss, ja.
Zitat:

Ich habe aber doch vom topologischen Rand gesprochen.  Daß das Universum eine berandete Mannigfaltigkeit ist, habe ich nicht behauptet.  Das hast du lediglich so verstanden.
Das mag gerne sein. Du bist dann nochmal auf die berandete Mannigfaltigkeit eingegangen, das hat mich in meinem Verständnis noch bestärkt. Aber es stimmt, in deinem ersten Beitrag hast du nicht von einer Mannigfaltigkeit gesprochen, sondern vom Universum. Bei mir ist halt Universum = Mannigfaltigkeit, weil das in der ART immer so aufgeogen wird.


Zitat:
Wenn du nichts dagegen hast, daß ich vom berandeten Universum im Sinne eines topologischen Raumes spreche, ist tatsächlich alles gut.  Wenn du dagegen Einwände hast, verstehe ich nicht welche. (Außer daß "Rand" doppeldeutig ist, aber das ist ja nicht meine Schuld.)
In der Sache kein Problem, wie gesagt. Ich weiß nicht, ob es noch mehreren Leuten so geht, dass sie mit Universum mathematisch eine offene Mannigfaltigkeit identifizieren. Wenn nicht, habe ich auch in der Formulierung kein Problem, weil es dann nicht missverständlich ist.
TomS
Moderator


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Beitrag TomS Verfasst am: 02. Okt 2015 18:45    Titel: Antworten mit Zitat

Ich verstehe nicht wie das Universum topologische berandet sein soll, ohne dass eine berandete Mannigfaltigkeit vorliegt. Wo genau ist der Unterschied? Und ist das im Kontext der ART überhaupt sinnvoll?

Eine zweite Frage: kann man aus der geodätischen Unvollständigkeit die Topologie (in einer bestimmten Umgebung) eindeutig rekonstruieren? Bsp. Schwarzes Loch: zukunftsgerichtete Geodäten sind unvollständig = sie enden bei endlicher Eigenzeit; die Mannigfaltigkeit ist (in einer Umgebung) topologische äquivalent zu einer Umgebung in einem R^4. Kann man so etwas allgemein beweisen? (also punktiert oder berandet o.ä.)
index_razor



Anmeldungsdatum: 14.08.2014
Beiträge: 3259

Beitrag index_razor Verfasst am: 02. Okt 2015 20:23    Titel: Antworten mit Zitat

TomS hat Folgendes geschrieben:
Ich verstehe nicht wie das Universum topologische berandet sein soll, ohne dass eine berandete Mannigfaltigkeit vorliegt. Wo genau ist der Unterschied? Und ist das im Kontext der ART überhaupt sinnvoll?


Ohne groß zu überlegen oder nachzulesen und hoffentlich trotzdem einigermaßen korrekt: Eine berandete Mannigfaltigkeit ist eine Verallgemeinerung von Mannigfaltigkeiten, so daß man als Kartengebiete auch Teilmengen des abgeschlossenen Halbraums im R^n zuläßt, die also nicht offen in der Topologie des R^n sind. Der Rand dieser Mannigfaltigkeit in diesem Sinne ist einfach die Menge der Punkte, deren erste Koordinate null in so einer Karte ist. Das ist aber nicht der topologische Rand der Mannigfaltigkeit, denn diese ist ja normalerweise einfach offen in ihrer eigenen Topologie und hat deshalb einen leeren topologischen Rand.

Das Universum ist nicht an sich topologisch berandet, sondern nur wenn ich die singulären Punkte des Urknalls einfach dazunehme, indem ich z.B. in R^4 abschließe. Das ergibt weder eine berandete noch eine unberandete Mannigfaltigkeit, sondern einfach einen topologischen Teilraum des R^4. Ob das immer sinnvoll durchführbar ist bezweifle ich mal, kann mir aber durchaus vorstellen, daß man in einigen Fällen sinnvolle topologische Aussagen über die Beziehung der singulären Punkte zueinander und zu den Ereignissen der Raumzeit gewinnen kann. Ich kann mir aber genauso gut vorstellen, daß das aus irgendwelchen Gründen überhaupt nicht funktioniert. Leider kann ich da nichts qualifizierteres zu sagen.

Zitat:

Eine zweite Frage: kann man aus der geodätischen Unvollständigkeit die Topologie (in einer bestimmten Umgebung) eindeutig rekonstruieren? Bsp. Schwarzes Loch: zukunftsgerichtete Geodäten sind unvollständig = sie enden bei endlicher Eigenzeit; die Mannigfaltigkeit ist (in einer Umgebung) topologische äquivalent zu einer Umgebung in einem R^4. Kann man so etwas allgemein beweisen? (also punktiert oder berandet o.ä.)


Ich weiß nicht, ob ich die Frage richtig verstehe. Die Definition von geodätisch unvollständig setzt m.E. schon eine Topologie voraus. Denn ich muß ja definieren was ein Endpunkt der Geodäte ist. (Ich muß ja ausschließen, daß eine Geodäte während endlicher Zeit einfach in so einen Endpunkt läuft.)
TomS
Moderator


Anmeldungsdatum: 20.03.2009
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Beitrag TomS Verfasst am: 02. Okt 2015 21:57    Titel: Antworten mit Zitat

index_razor hat Folgendes geschrieben:
Zitat:
Eine zweite Frage: kann man aus der geodätischen Unvollständigkeit die Topologie (in einer bestimmten Umgebung) eindeutig rekonstruieren? Bsp. Schwarzes Loch: zukunftsgerichtete Geodäten sind unvollständig = sie enden bei endlicher Eigenzeit; die Mannigfaltigkeit ist (in einer Umgebung) topologische äquivalent zu einer Umgebung in einem R^4. Kann man so etwas allgemein beweisen? (also punktiert oder berandet o.ä.)


Ich weiß nicht, ob ich die Frage richtig verstehe. Die Definition von geodätisch unvollständig setzt m.E. schon eine Topologie voraus. Denn ich muß ja definieren was ein Endpunkt der Geodäte ist. (Ich muß ja ausschließen, daß eine Geodäte während endlicher Zeit einfach in so einen Endpunkt läuft.)

Es wird insofern die Existenz einer Topologie vorausgesetzt, als eine Geodäte eine Mannigfaltigkeit M, also einen topologischen Raum voraussetzt.

Die Frage ist folgende: gegeben sei eine Schar von unvollständigen Geodäten; können wir aus der Menge ihrer Endpunkte die Topologie rekonstruieren? Ist also die Menge aller Endpunkte eine (ein- oder mehrfach) zusammenhängende Mannigfaltigkeit, die den Rand von M definiert?
Ich



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Beitrag Ich Verfasst am: 02. Okt 2015 22:33    Titel: Antworten mit Zitat

TomS hat Folgendes geschrieben:
Ist also die Menge aller Endpunkte eine (ein- oder mehrfach) zusammenhängende Mannigfaltigkeit, die den Rand von M definiert?
Da sind schon wieder die Endpunkte. Ich kann mir einfach nicht vorstellen, dass die so harmlos sind, wir ihr euch das denkt. Noch mal die Sitter: Nimm irgendein Ereignis, und die Menge aller Geodäten, die durch dieses Ereignis laufen. Deren "Anfangspunkte" sollen nun den "Rand" des de Sitter Raums bilden? Ich will jetzt gar nicht mal ausschließen, dass es eine solche Darstellung geben kann, aber meine Phantasie reicht dafür nicht aus. Zumal auch noch ein paar von den Geodäten unendlich lang sind.
TomS
Moderator


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Beitrag TomS Verfasst am: 03. Okt 2015 09:31    Titel: Antworten mit Zitat

Ich denke, wir rein aneinander vorbei.

Laut Hawking und Penrose (so habe ich sie immer verstanden), verwenden sie dies wie folgt: sie klassifizieren Singularitäten in dem Sinn, dass Singularitäten Punkte sind, in die Geodäten einlaufen und diese bei endlicher Eigenzeit (entlang zeitartiger Geodäten) erreichen, über die hinaus diese Geodäten jedoch nicht fortsetzbar sind. Das trifft z.B. auf eine punktierte Ebene, eine Ebene aus der eine Kreusscheibe entfernt wurde, oder auf eine Kreisscheibe selbst zu. Insofern liegen bei endlicher Eigenzeit tatsächlich "Endpunkte" vor (bei lichtartigen Geodäten analog mittels affinem Parameter).

Betrachtet man also einen Abschnitt einer Geodäte gamma in der Umgebung eines Punktes P auf einer Mannigfaltigkeit M



Die Mannigfaltigkeit M ist geodätisch vollständig, wenn für alle Punkte P und alle Geodäten durch diese Punkte P gilt



D.h. wenn umgekehrt nicht beide Grenzwerte existieren, dann ist die Mannigfaltigkeit geodätisch unvollständig. Es ist i.A. heikel, von einem "Endpunkt" zu sprechen, wenn dieser Grenzwert nicht existiert. Bezeichne x Parameter, für die dies zutrifft. Dann ist für eine Geodäte gamma mittels [a,x[ implizit ein "Endpunkt" definiert, der jedoch als solcher in M nicht existiert. D.h. man muss sich etwas Schlaueres einfallen lassen.

Meine Frage ist, ob man aus einer geeigneten Schar von Geodäten und der Betrachtung von



einen "Rand" im Sinne eines topologischen Randes konstruieren kann.

Intuitiv ist das trivial: betrachtet man die bei (0,0) punktierte Ebene, so ist s gleich dem negativen Abstand vom entfernten Punkt, die Schar wären z.B. alle radial einlaufenden Geraden, epsilon wäre gleich dem Radius einer ausgeschnittenen Kreisscheibe um diesen Punkt, d.h. der Rand wäre gleich diesem Kreis.

Funktioniert soetwas immer?

Ich weiß, dass für Riemannsche Mannigfaltigkeiten gilt, dass geodätische, topologische und metrische Vollständigkeit äquivalent sind (Hopf–Rinow-Theorem).

EDIT:

Das oben beschriebene Vorgehen erinnert mich an die Idee der trapped surfaces; man startet mit einer Fläche und betrachtet die von ihr auslaufenden Geodäten. Falls alle auslaufenden Geodäten konvergieren, liegt eine trapped surface vor. Nun kann man derartige Flächen zusammenkleben und daraus eine geschlossene Fläche konstruieren, die die Singularität eines SLs umschließt. Die Frage ist, wie man i.A. vorgehen muss, insbs. wenn man die topologische Natur der Singularität noch nicht kennt. Wie müsste ich z.B. eine "maximale" Fläche wählen, um die Schar der vergangenheitsgerichteten Geodäten zu bestimmen, die die Berandung des deSitter-Raumes definieren?

_________________
Niels Bohr brainwashed a whole generation of theorists into thinking that the job (interpreting quantum theory) was done 50 years ago.
index_razor



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Beitrag index_razor Verfasst am: 03. Okt 2015 15:11    Titel: Antworten mit Zitat

TomS hat Folgendes geschrieben:

Betrachtet man also einen Abschnitt einer Geodäte gamma in der Umgebung eines Punktes P auf einer Mannigfaltigkeit M



Die Mannigfaltigkeit M ist geodätisch vollständig, wenn für alle Punkte P und alle Geodäten durch diese Punkte P gilt



D.h. wenn umgekehrt nicht beide Grenzwerte existieren, dann ist die Mannigfaltigkeit geodätisch unvollständig.


Ganz so ist es nicht. Das schließt nämlich aus, daß Geodäten einfach nach unendlich abhauen. Nach dieser Definition wäre der Minkowskiraum nicht geodätisch vollständig, weil für keine seiner Geodäten so ein Grenzwert in M existiert.

Man versucht im wesentlichen 3 Fälle zu unterscheiden: 1) Die Geodäte läuft nach unendlich, 2) Die Geodäte läuft ewig in einem endlichen Bereich rum, 3) Die Geodäte läuft in eine Singularität. 1) und 2) werden mit Hilfe der Existenz von Endpunkten unterschieden. Das sind Punkte innerhalb der Raumzeit, denen die Geodäte für beliebig frühe oder späte Zeiten beliebig nahe kommen kann. (Hier steckt bereits eine Topologie drin.) Beide Fälle werden von 3) darin unterschieden, daß die Geodäte auf beliebig lange Eigenzeitintervalle fortgesetzt werden kann. Das ergibt für 1)-3) die Fälle

1) beliebig fortsetzbar, kein Endpunkt
2) beliebig fortsetzbar, mit Endpunkt
3) nicht beliebig fortsetzbar, kein Endpunkt.

(Man nennt die Geodäten ohne Endpunkt in Zukunft (Vergangenheit) auch "future (past) inextendible". Das ist aber nicht, was ich mit "fortsetzbar" meine.)

EDIT: Was ich noch sagen wollte: Ich denke nur die unter 3) fallenden Geodäten heißen unvollständig, und die Motivation dahinter ist, daß Raumzeiten mit solchen Geodäten Singularitäten aufweisen. Diese Singularitäten sind aber zunächst mal keine Endpunkte von Geodäten

Zitat:

Meine Frage ist, ob man aus einer geeigneten Schar von Geodäten und der Betrachtung von



einen "Rand" im Sinne eines topologischen Randes konstruieren kann.

Intuitiv ist das trivial: betrachtet man die bei (0,0) punktierte Ebene, so ist s gleich dem negativen Abstand vom entfernten Punkt, die Schar wären z.B. alle radial einlaufenden Geraden, epsilon wäre gleich dem Radius einer ausgeschnittenen Kreisscheibe um diesen Punkt, d.h. der Rand wäre gleich diesem Kreis.


Für einen topologischen Rand benötigst du doch einen umgebenen topologische Raum, in dem du die Raumzeit abschließen kannst. Ich denke nicht, daß man das einfach so aus dem "Inneren heraus" konstruieren kann. Wenn du nur die Mannigfaltigkeit in ihrer eigenen Topologie betrachtest wird ihr Rand immer leer sein.
TomS
Moderator


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Beitrag TomS Verfasst am: 03. Okt 2015 20:36    Titel: Antworten mit Zitat

Das letzte Argument ist mir klar, und deshalb habe ich auch Probleme mit der Idee zum deSitter-Raum.

Lässt man Probleme mit den Grenzwerten einfach beiseite, so erkennt man für bestimmte Fälle wie die Schwarzschildlösung ein einfaches Muster: benachbarte Geodäten treffen sich in einem Punkt. Gut, man schneidet eine kleine Kugel heraus, konstruiert dGeodäten für epsilon gegen Null, stellt fest, dass für jedes epsilon größer Null alles OK ist, und folgert, das man nur einen Punkt ausschließen muss.

Aber wie funktioniert das im Allgemeinen, wenn man die Topologie des "Randes" nicht kennt?
TomS
Moderator


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Beitrag TomS Verfasst am: 04. Okt 2015 00:48    Titel: Antworten mit Zitat

Ich hat Folgendes geschrieben:
TomS hat Folgendes geschrieben:
Den Einwand verstehe ich nicht; die deSitter-Raumzeit ist doch geodätisch vollständig, d.h. die Eigenzeit entlang einer zeitartigen Geodäte ist (in beide Richtungen) unbeschränkt. Richtig?
Falsch. Erinnerst du dich an dieses Paper?

Ich versteh's nicht.

Die Topologie der deSitter-Raumzeit ist



Demnach ist er offensichtlich nicht berandet.

Hawking und Ellis schreiben

Zitat:
Although de Sitter space is geodesically complete ...


Dann gilt gemäß dem Hopf-Rinow-Theorem, dass eine Riemannsche Mannigfaltigkeit M genau dann geodätisch vollständig ist, wenn M als metrischer Raum vollständig ist (d.h. dass jede in M definierte Cauchy-Folge in M konvergiert). Die deSitter-Raumzeit ist aber vollständig.
Ich



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Beitrag Ich Verfasst am: 05. Okt 2015 14:32    Titel: Antworten mit Zitat

Ich glaube, ich weiß jetzt worum es geht.
Der de Sitter Raum im Sinne eines Universumsmodells (flacher Raum, exponentielle Expansion) ist nicht maximal, sondern nur die "Hälfte" des eigentlichen de Sitter Raums. Daher kommen die Singularitäten.
Was wiederum bedeutet, dass man sich auch hier in geeigneten Koordinaten einen Rand vorstellen kann, der durch die Singularität gebildet wird. Hier lag's also nur an meiner mangelnden Phantasie.

Tipps zum weiterlesen (nicht unbedingt die besten Abhandlungen zum Thema, sondern was ich auf die Schnelle gefunden habe):
https://ned.ipac.caltech.edu/level5/Sept02/Padmanabhan/Pad9.html
http://www.math.miami.edu/~galloway/papers/beem_procF.pdf
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