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Cuby
BeitragVerfasst am: 08. Jan 2020 19:08    Titel:

TomS schrieb:
Zitat:
Die Schrödingergleichung ist unitär, die Zeitentwicklung stetig und invertierbar; ein Kollaps ist dagegen nicht-unitär, unstetig und nicht-invertierbar. Man benötigt also schon etwas sehr cleveres, um zu verstehen, wie eine prinzipiell stetige und invertierbare Zeitentwicklung nicht-unitär, unstetig und nicht-invertierbar erscheinen kann.

Dann würde ich mal folgendes Fazit ziehen:


ad Q1. Schrödinger-Gleichung |ψ〉
Interpretation epistemisch: |𝝍〉 repräsentiert die Superposition als die Menge der Möglichkeiten des Systems, in einen wahrscheinlichen Zustand zu evolvieren; pragmatisch dient sie nur der Berechnung u.a. von Wahrscheinlichkeiten in Form des Skalarproduktes. Keinen Bezug zur Realität, infolgedessen auch keine Aussagen möglich.

ad Q2. Operator  ∈ ℋ, Spektrum σ (Â), Eigenvektor 𝝍i (Â) und Eigenwert a
Interpretation epistemisch: Hilfsmittel für Berechnungen; Ausnahme: Eigenwert a

ad Q3. Unitäre Zeitentwicklung 𝝍 (t) = U (t) 𝝍 (t0)
Interpretation epistemisch: Die Wechselwirkung von Quantensystemen wird von dem in der Schrödinger-Glg. enthaltenen Hamilton-Operator (bzw. deren Wirkungstermen) beschrieben, können aber nicht beobachtet werden und sind daher ontologisch unbestimmt; zudem ist U(t) kein selbstadjungierter Operator.
Eigenschaften von 𝝍 (t): unitär, linear, kontinuierlich, reversibel,

ad Q4. Born‘sche Regel, Wahrscheinlichkeit P(a)
Interpretation ontologisch: Zweiter Formalismus für P(a);
Eigenschaften von P(a): nicht-unitär, nicht-linear, diskret, irreversibel,
=> Q4 kollidiert mit Q3!

ad Q5. Projektionsoperator
Interpretation ontologisch: Messvorgang, Kollaps
Da eine Superposition von Quantensystem & Messapparatur nicht beobachtet werden kann, wohl aber das spontane Erscheinen des Messresultates, wird der Vorgang in einen epistemischen, unitären (𝝍 (t)) und einen ontologischen, stochastischen Teil 𝝍 (t‘ > t) aufgetrennt; Letzterer versucht diesen Widerspruch mittels des von Neumann’schen Projektionspostulates sowie der Born‘schen Regel aufzulösen (Q4/5), nämlich:
Der Projektionsoperator P projiziert auf den Eigenvektor 𝝍i zum Eigenwert ai so dass sich das System „unmittelbar“ danach im Zustand 𝝍 (ai) befindet. Der Vorgang wird durch das Messgerät induziert.

Die m.E. kritischen Punkte

A. Der „gewaltsame“ H-Schnitt und die Forderung des Projektionspostulates im Zuge der Messung führt zu einem Bruch der Unitarität / Kontinuität, was einen Widerspruch darstellt, mind. aber inkonsistent ist.

B. Der Messprozess bei t‘ > t und der Ausdruck „unmittelbar danach“ sind nicht definiert und ohne Anschluss an (𝝍 (t).

C. Da nicht bekannt ist, nach welchem Mechanismus / Kriterium die Auswahl eines Eigenwertes ai aus dem Spektrum σ erfolgt, wird der Zufall in die Theorie eingeführt und - um die Vollständigkeit zu erhalten - als objektives Element der quantenmechanischen Realität „festgelegt“.

D. Wenn dem Messgerät eine derartig bindende Bedeutung zugemessen wird, kann eine normale Wechselwirkung zwischen Objekten (ohne Messgerät) nicht erklärt werden.

E. Wenn C. und D. im Zusammenhang betrachtet werden, erklärt sich auch die schon hart an der Kante zum Subjektivismus lavierende Beobachterabhängigkeit: wenn nämlich mathematisch nicht mit einer Messtheorie beschrieben werden kann, wie das Resultat zustande kommt, ist der Beobachter erforderlich, der durch seine Registrierung am Messgerät dieses Resultat erst als real legitimiert und als Erkenntnis freigibt!

F. Durch die das Argument der Vollständigkeit der KI scheinbar legitimierende Akzentuierung des Messvorganges in Q4 erhält dieser einen „höheren“ Realitätsstatus als das Quantensystem selbst; denn die Betonung des Zusatzes „bei einer Messung“ in Q4 bedeutet, dass das mikroskopische Quantensystem in der Regel keineswegs schon zeitlich vor der Messung von  die entsprechende Eigenschaft ai hat, sondern dass es sie erst durch die Messung bekommt, maW: das mikroskopische Quantensystem ist ontologisch vom makroskopischen Messsystem abhängig - philosophisch verallgemeinert: die Messung erst erzeugt „Realität“, das führt zur…

G. Umkehrung des Realitäts-Verhältnisses: die Realität (der Eigenschaften) des Quantensystems wird nachgeordnet aus der primordialen Realität des Messsystems abgeleitet, statt dass die unabhängige Realität (der Eigenschaften) ursächlich zu einer nachgeordneten Messung führt.
----
Anm.: Kritik ist von jedem Leser erwünscht.

-***-
index_razor
BeitragVerfasst am: 05. Jan 2020 22:00    Titel:

Cuby hat Folgendes geschrieben:
index_razor hat Folgendes geschrieben:
Er enthält auch eine genaue Analyse von von Neumanns Voraussetzungen basierend auf einem früheren Artikel von Jeffrey Bub und liefert Hinweise, daß sowohl Bell als auch Hermann ein paar subtile, aber wesentliche Punkte in der Argumentation entgangen sind.

Das scheint wieder eine Situation zu sein, in der ein Gutachten das andere jagt, ohne letztendlich Klarheit zu schaffen; darüber kann ich mir aber kein Urteil erlauben.


Leicht zu beurteilen ist das ganze auch nicht. Inzwischen habe ich mir mal das Kapitel in von Neumanns Buch durchgelesen. Fest steht für mich, daß an dem eigentlichen Beweis nichts zu beanstanden ist. Die Kritik kann sich ausschließlich gegen die informellen Schlußfolgerungen richten, die von Neumann im Anschluß aus seinem Beweis zieht. Sie allein haben Implikationen für verborgene Parameter. Die wesentliche Passage ist:

"Man beachte, daß wir hier gar nicht näher auf die Einzelheiten des Mechanismus der "verborgenen Parameter" eingehen mußten: die sichergestellten Resultate der Quantenmechanik können mit ihrer Hilfe keinesfalls wiedergewonnen werden, ja es ist sogar ausgeschlossen, daß dieselben physikalischen Größen mit denselben Verknüpfungen vorhanden sind (d. i. daß I., II. gelten), wenn neben der Wellenfunktion noch andere Bestimmungsstücke ("verborgene Parameter") existieren sollen."

Ist die Bohmsche Mechanik ein Gegenbeispiel zu dieser Behauptung? Dazu muß man noch wissen was die Annahmen I. und II. besagen:

"I. Wenn die Größe den Operator hat, so hat die Größe den Operator

II. Wenn die Größen , , ... die Operatoren haben, so hat die Größe den Operator . (Die gleichzeitige Meßbarkeit von wird nicht vorausgesetzt, [...])"


Meines Wissens ist die Energie eines Teilchens in der Bohmschen Mechanik die Summe aus kinetischer Energie T, potentieller Energie V und Quantenpotential . Es gibt aber weder einen Operator für das Quantenpotential noch enthält die mittlere Energie eines Teilchens mit Wellenfunktion einen Term .

Belegt das nicht genau die Behauptung von Neumanns im oben zitierten Abschnitt? Natürlich schließt das Theorien mit verborgenen Parametern nicht aus, aber das war auch nicht die Absicht. Es zeigt nur welche Eigenschaften sie haben müssen, insbesondere, daß das "Quantenprinzip" nicht für alle physikalischen Größen gelten kann. Und genau dies scheint sich hier doch zu bestätigen.

Zitat:

Hins. Bohm steht hier noch meine Auseinandersetzung mit seiner QM aus, aber nach allem, was ich davon weiß, verstehe ich - vorerst rein intuitiv - das ganze Theater um verborgene Variable in Bezug auf die Bohm'sche QM nicht; wenn sie exakt zu den gleichen Ergebnissen kommt, wie die KI, ist sie doch erstmal zumindest richtig!?


Ich denke das Theater dreht sich hauptsächlich um Bells Theorem. Viele Physiker, die überhaupt auf Realismus im Sinne Einstein-Podolsky-Rosens wert legen, finden Lokalität noch wichtiger. Die anderen sehen keinen Sinn darin, der Standard-QM irgendwelche Bahnen hinzuzufügen, wenn am Ende doch dieselben Resultate rauskommen.

Zitat:

Du scheinst hingegen die KI zu bevorzugen!?


Nein, wie gesagt ist für mich der Kollaps das Charakteristikum der Kopenhagener Interpretation. Ich halte aber auf Grund von Ballentines Kritik das Kollapspostulat für unhaltbar.
Cuby
BeitragVerfasst am: 05. Jan 2020 17:33    Titel:

index_razor hat Folgendes geschrieben:
Er enthält auch eine genaue Analyse von von Neumanns Voraussetzungen basierend auf einem früheren Artikel von Jeffrey Bub und liefert Hinweise, daß sowohl Bell als auch Hermann ein paar subtile, aber wesentliche Punkte in der Argumentation entgangen sind.

Das scheint wieder eine Situation zu sein, in der ein Gutachten das andere jagt, ohne letztendlich Klarheit zu schaffen; darüber kann ich mir aber kein Urteil erlauben.

Hins. Bohm steht hier noch meine Auseinandersetzung mit seiner QM aus, aber nach allem, was ich davon weiß, verstehe ich - vorerst rein intuitiv - das ganze Theater um verborgene Variable in Bezug auf die Bohm'sche QM nicht; wenn sie exakt zu den gleichen Ergebnissen kommt, wie die KI, ist sie doch erstmal zumindest richtig!? Und nachdem ich hier eine Ahnung von der Potenz & Geschmeidigkeit der Mathematik bekommen habe, denke ich mal, lässt die relativistische Fassung vllt. nicht mehr lange auf sich warten. Kann aber gut sein, dass ich nach der Auseinandersetzung (auch meine Signatur) revidieren muss... :-)

Du scheinst hingegen die KI zu bevorzugen!?
index_razor
BeitragVerfasst am: 05. Jan 2020 11:32    Titel:

Cuby hat Folgendes geschrieben:
Zitat:
Cuby hat Folgendes geschrieben:
Heisenberg und von-Weizsäcker zB kannten die Kritik von Frau (Name entfallen, wird nachgeliefert) aus den 30-er Jahren, die den Fehler in von-Neumanns Arbeit entdeckte, den Bell später noch einmal ganz deutlich herausstellte, und sie haben stillgehalten, weil nicht sein kann, was nicht sein darf!

Es war Grete Hermann, die 1935 nachwies, dass bei von Neumann in seinem "Beweis" der Widerlegung von Theorien Verborgener Variabler das Resultat schon implizit in den Voraussetzungen steckte, was Bell '66 bestätigte.



Da mir die Geschichte weitgehend unbekannt war (ich kenne nur Bells Bemerkungen zu von Neumanns Beweis aus "On the Problem of Hidden Variables..."), habe ich mal, zwecks eigener Beurteilung, mit google eine Reproduktion von von Neumanns Beweis gesucht. Gefunden habe ich die zwar nicht, dafür aber diesen Artikel von Dennis Dieks, der eine detailliertere -- und m.E. deutlich plausiblere -- historische Darstellung gibt (keine Räuberpistole über Engstirnigkeit und Wahrheitsunterdrückung).

Er enthält auch eine genaue Analyse von von Neumanns Voraussetzungen basierend auf einem früheren Artikel von Jeffrey Bub und liefert Hinweise, daß sowohl Bell als auch Hermann ein paar subtile, aber wesentliche Punkte in der Argumentation entgangen sind. In dieser durch Zitate aus von Neumanns Buch belegten Lesart ist der Beweis überhaupt nicht trivial. Nach Bub handelt es sich im wesentlichen um eine abgeschwächte Form von Gleasons Theorem, weswegen ich davon ausgehe, daß er auch formal korrekt ist. (Weder Bell noch Hermann scheinen auch irgendwelche mathematischen Einwände zu haben.) Die Implikation für versteckte Variablen besteht lediglich darin, daß diese das "Quantenprinzip" verletzen müssen, also nicht durch hermitesche Operatoren auf einem Hilbertraum darstellbar sein können. (Es dürfte zumindest Einigkeit bestehen, daß auch die Bohmsche Mechanik dieses "Unmögliche" keineswegs "vollbracht" hat.)

(Mermin et al. kritisieren die Analyse von Dieks und Bub in diesem Artikel, in dem den Autoren allerdings, wie mir scheint, exakt derselbe Punkt entgeht wie Bell.)
Cuby
BeitragVerfasst am: 04. Jan 2020 11:50    Titel:

TomS hat Folgendes geschrieben:
Daraus gibt es letztlich drei wesentliche Auswege:
1) du lehnst eine ontische Interpretation ab und vermeidest das Problem
2) du lehnst Everett ab, redest aber trotzdem irgendwie ontisch
3) du akzeptierst Everett

Mit (1) landest du bei QBism, der Ensemble-Interpretation u.ä. Mit (2) befindest du dich im Dunstkreis von Kopenhagen.

Dann würde ich jetzt für mich ein Fazit bzgl. KI ziehen und, wenn das soweit korrekt ist und du den Eindruck hast, dass die Problematik der KI prinzipiell von mir verstanden wurde, überleiten zur Everettschen QM. Wäre das ok?
Cuby
BeitragVerfasst am: 04. Jan 2020 11:32    Titel:

index_razor hat Folgendes geschrieben:
Vielleicht muß ich meine Aussage auch etwas vorsichtiger formulieren: mit "gängigen Interpretationen" meine ich nämlich nur MWI, Ensemble Interpretation, Bohmsche Mechanik und Kopenhagener Interpretation

Davon bin ich auch ausgegangen - bis auf die Ensemble I.


Zitat:
Die Bornsche Regel Q4 wird von den aufgezählten Interpretationen zumindest unter bestimmten Voraussetzungen als wahr akzeptiert, wobei die MWI-Vertreter einen irgendwie seltsamen Eiertanz darum veranstalten:

...würde ich dann gerne im nächsten Abschnitt (VWI) nochmal thematisieren.
index_razor
BeitragVerfasst am: 03. Jan 2020 17:08    Titel:

TomS hat Folgendes geschrieben:

Die Schrödingergleichung ist unitär, die Zeitentwicklung stetig und invertierbar; ein Kollaps ist dagegen nicht-unitär, unstetig und nicht-invertierbar. Man benötigt also schon etwas sehr cleveres, um zu verstehen, wie eine prinzipiell stetige und invertierbare Zeitentwicklung nicht-unitär, unstetig und nicht-invertierbar erscheinen kann. Das liefert die Dekohärenz.


Dekohärenz ist aber ein linearer Prozeß. Er "erscheint" auch nicht nicht-linear, hat also mit dem Kollaps überhaupt nichts zu tun. Um es deutlicher zu machen: im Zuge der Dekohärenz bleiben die Diagnonalelemente der Dichtematrix bzgl. der Zeigerbasis erhalten, während es die charakteristische Eigenschaft des Kollaps ist, alle bis auf eines dieser Diagonalemente auszulöschen. Den Kollaps kann man mit oder ohne Dekohärenz fordern, aber fordern muß man ihn explizit, wenn man meint ihn zu benötigen. Dekohärenz liefert nicht dasselbe Ergebnis.

Was aus Sicht der MWI noch fehlt, ist der Übergang zum relativen Zustand. Dieser ist allerdings keine logische Folge aus der Dekohärenz.

Zitat:

Und die [Dekohärenz] wiederum liefert logisch zwingend viele Welten.


Es ist genau umgekehrt: MWI-Freunde machen deshalb so ein Aufhebens um Dekohärenz, weil ein stabiler dekohärenter Zustand bzgl. einer ausgezeichneten Basis die einzige Situation ist, in der man es mit einer wohldefinierten Zweigstruktur zu tun hat. Gäbe es Dekohärenz nicht, wäre es deutlich schwieriger die MWI-Zweige ontologisch aufzufassen. Sie wären nämlich basisabhängig.

Man kann einen dekohärenten Zustand bzgl. ausgezeichneter Basis aber natürlich auch problemlos als statistisches Ensemble, so wie in der klassischen Thermodynamik auffassen. Daß hier also irgendwas "logisch zwingend" auf viele Welten führe, ist eine maßlose Übertreibung.

Zitat:

Daraus gibt es letztlich drei wesentliche Auswege:
1) du lehnst eine ontische Interpretation ab und vermeidest das Problem
2) du lehnst Everett ab, redest aber trotzdem irgendwie ontisch
3) du akzeptierst Everett

Mit (1) landest du bei QBism, der Ensemble-Interpretation u.ä. Mit (2) befindest du dich im Dunstkreis von Kopenhagen.


Ich denke du schätzt die Möglichkeiten von 2) vollkommen falsch ein, vermutlich weil du voraussetzt, daß jede ontische Interpretation die Wellenfunktion als Element der Realität auffassen müßte. Die ist aber von vornherein kein besonders geeigneter Kandidat, da sie bildabhängig ist und man ohne Observablenalgebra ohnehin nicht viel mit ihr anfangen kann.

Man kann aber stattdessen die Größen ontisch auffassen, über die die QM unzweideutige und deterministische Aussagen macht. Setzt man für A die Elemente der durch die klassischen Observablen wie Ort, Impuls, Energie etc. erzeugten Algebra ein, erhält man im wesentlichen die klassische Ontologie als Teilmenge. Da dies keinen Kollaps erfordert, befindet man sich auch nicht im Dunstkreis der Kopenhagener Interpretation.
index_razor
BeitragVerfasst am: 03. Jan 2020 13:34    Titel:

TomS hat Folgendes geschrieben:
index_razor hat Folgendes geschrieben:

Die Bornsche Regel Q4 wird von den aufgezählten Interpretationen zumindest unter bestimmten Voraussetzungen als wahr akzeptiert, wobei die MWI-Vertreter einen irgendwie seltsamen Eiertanz darum veranstalten: sie wollen sie nicht postulieren, sondern stattdessen logisch ableiten, was bedeutet, daß sie anstelle von Q4 entweder logisch stärkere oder zumidest äquivalente Voraussetzungen postulieren müßten. Da die Bornsche Regel nicht universell gültig sein kann, erscheint mir dieses Vorhaben zweifelhaft. Ich kenne allerdings auch die Versuche in dieser Richtung nicht.

Warum soll es ein seltsamer Eiertanz sein, Alternativen zu diskutieren?

Ich weiß nicht, ob logisch stärker oder äquivalent wirklich treffende Bezeichnungen sind.


Ein Postulat P nenne ich logisch äquivalent zur Bornschen Regel B, wenn P aus B und B aus P ableitbar ist (zumindest unter Zuhilfenahme der übrigen Postulate, die unverändert bleiben sollen). P ist logisch stärker als B, wenn B aus P ableitbar ist, aber nicht umgekehrt. Entweder das eine oder das andere muß ja gelten, wenn ich B ableiten will.

Zitat:

Ein Beispiel aus der Biologie:

P: Pflanzen bilden Äste und Zweige aus
Q: für die Biologie gelten die Gesetze der Physik

Nun besteht die Aufgabe der Biochemiker, Molekularbiologen usw. darin, zu zeigen, wie, wann und warum P unter der Voraussetzung Q zutreffend ist. Ich würde Q aber nicht logisch auf einer Ebene mit P sehen, das führt zu nichts.


Also gut, ich habe keine Einwände gegen das Vorhaben den Gültigkeitsbereich der Bornschen Regel zu untersuchen, indem man ihre logischen Beziehungen zu anderen Annahmen aufklärt.

Aussage P wird man in deinem Beispiel sicher auch nicht aus Q allein ableiten können, denn die Gesetze der Physik gelten für alle Lebewesen, nicht nur für solche mit Ästen und Zweigen. Also wird man weitere Annahmen A,B,... brauchen, die zusammen mit Q logisch stärker sind als Q allein. Und gerade aus diesem Grund sind A, B, ... keine allgmeingültigen (fundamentalen) Annahmen über die Natur, sondern lediglich Näherungen mit eingeschränktem Gültigkeitsbereich, der sich daher auf alle ihre Schlußfolgerungen überträgt. Solche Näherungsaussagen abzuleiten ist natürlich absolut legitim und sinnvoll.

In diesem Sinne habe ich aber die Absichten der MWI-Anhänger in Bezug auf die Bornsche Regel nicht verstanden. Ich dachte es ginge da um die Ableitung aus fundamentalen Postulaten. Nimm z.B. das Paper von Carroll, das du irgendwann mal verlinkt hattest. Ich glaube es war https://arxiv.org/pdf/1405.7907.pdf . Dort wird zur Ableitung ein "Epistemic Separability Principle" (ESP) herangezogen, von dem man sich nun fragen darf wie plausibel man es finden soll. Nach einer Näherung sieht das ganze Argument jedenfalls nicht aus. Ist das Prinzip also allgemeingültig? Das kann m.E. nicht sein, da die Bornsche Regel nicht allgemeingültig ist. Was genau bringt mir also das Argument? Die Gültigkeit der Bornschen Regel kann ich viel leichter direkt an einem konkreten System prüfen, als das dort verwendete ESP, welches Voraussetzungen über alle "anderen Teile des Universums" benötigt.
TomS
BeitragVerfasst am: 03. Jan 2020 11:05    Titel:

index_razor hat Folgendes geschrieben:

Die Bornsche Regel Q4 wird von den aufgezählten Interpretationen zumindest unter bestimmten Voraussetzungen als wahr akzeptiert, wobei die MWI-Vertreter einen irgendwie seltsamen Eiertanz darum veranstalten: sie wollen sie nicht postulieren, sondern stattdessen logisch ableiten, was bedeutet, daß sie anstelle von Q4 entweder logisch stärkere oder zumidest äquivalente Voraussetzungen postulieren müßten. Da die Bornsche Regel nicht universell gültig sein kann, erscheint mir dieses Vorhaben zweifelhaft. Ich kenne allerdings auch die Versuche in dieser Richtung nicht.

Warum soll es ein seltsamer Eiertanz sein, Alternativen zu diskutieren?

Ich weiß nicht, ob logisch stärker oder äquivalent wirklich treffende Bezeichnungen sind.

Ein Beispiel aus der Biologie:

P: Pflanzen bilden Äste und Zweige aus
Q: für die Biologie gelten die Gesetze der Physik

Nun besteht die Aufgabe der Biochemiker, Molekularbiologen usw. darin, zu zeigen, wie, wann und warum P unter der Voraussetzung Q zutreffend ist. Ich würde Q aber nicht logisch auf einer Ebene mit P sehen, das führt zu nichts.

Der Begriff Zweig ist weder im Falle der Everettschen Quantenmechanik noch im Falle der Biologie rein logisch ableitbar.
index_razor
BeitragVerfasst am: 03. Jan 2020 10:33    Titel:

Cuby hat Folgendes geschrieben:
Zitat:

Q5 gehört für mich klar zur Kopenhagener Interpretation und wird von allen anderen gängigen Interpretationen nicht akzeptiert.


Ich hatte mir danach auch nochmal die Postulate angeschaut und Q1-Q3 auch als unstrittig und Q4 als problematisch gesehen, bei Q5 war ich mir unsicher und verstehe deine Einschätzung auch noch nicht so ganz - muss ich mir nochmal genauer anschauen.


Vielleicht muß ich meine Aussage auch etwas vorsichtiger formulieren: mit "gängigen Interpretationen" meine ich nämlich nur MWI, Ensemble Interpretation, Bohmsche Mechanik und Kopenhagener Interpretation (welch letztere meines Wissens als einzige in dieser Aufzählung den Kollaps akzeptiert). Die exotischeren Interpretationen kenne ich zu wenig.

Zur Kritik am Kollapspostulat gibt es einen lesenwerten Artikel von Ballentine, L.E. Found Phys (1990) 20: 1329. https://doi.org/10.1007/BF01883489 .

Die Bornsche Regel Q4 wird von den aufgezählten Interpretationen zumindest unter bestimmten Voraussetzungen als wahr akzeptiert, wobei die MWI-Vertreter einen irgendwie seltsamen Eiertanz darum veranstalten: sie wollen sie nicht postulieren, sondern stattdessen logisch ableiten, was bedeutet, daß sie anstelle von Q4 entweder logisch stärkere oder zumidest äquivalente Voraussetzungen postulieren müßten. Da die Bornsche Regel nicht universell gültig sein kann, erscheint mir dieses Vorhaben zweifelhaft. Ich kenne allerdings auch die Versuche in dieser Richtung nicht.

Zur Kritik an der Bornschen Regel gibt es ein paar interessante Artikel von Arnold Neumaier, https://arxiv.org/abs/1912.09906 und https://arxiv.org/abs/1902.10778 . Letzterer Artikel ist erster Teil einer Serie, in der Neumaier eine eigene "thermal interpretation" der QM vorschlägt.
Cuby
BeitragVerfasst am: 03. Jan 2020 04:01    Titel:

TomS hat Folgendes geschrieben:
Vorab: du hattest etwas zu Kopenhagen- bzw. Kollapsinterpretation geschrieben. Mein Ziel war es hier nicht, diese zu kritisieren, sondern lediglich, deine Darstellung zu präzisieren bzw. zu hinterfragen.

Ja, klar! Da bin ich mit der Rollenverteilung wohl etwas ins Schleudern gekommen.

Zitat:
Gemäß KI genau darin: eine Messung ist ein nicht weiter definierbarer oder quantenmechanisch erklärbarer Vorgang - im Gegensatz zu einer Wechselwirkung.

Ok. jetzt hab ich's.

Zitat:
Aber dann landest du eben wieder nicht bei Bohr et al.

Auch klar.

Zitat:
Versetze dich mal in die Situation eines Professors, Tutors oder Autors, der Studenten in kurzer Zeit - neben der notwendigen Mathematik - ein bisschen Quantenmechanik beibringen muss, also Schrödingergleichung, Eigenwertprobleme, Atomphysik, Streu- und Störungstheorie, Mehrteilchensysteme, ... Der folgt ausgetretenen Pfaden und stellt Interpretationen hinten an.


Da ist 'was dran. Ich habe selbst mal an Vorlesungen über QM teilgenommen: in der Einführung der Hinweis auf Feynmans Feststellung, dass niemand die QM versteht, dann nicht ein kritisches Wort, nicht eine kritische Frage (bei der frustrierenden Eröffnung nicht verwunderlich), die KI durchgezogen, dann die Aufgaben verteilt - und Schicht!

Zitat:
Gegenfrage: warum wird das Bohrsche Atommodell noch gelehrt?

Ich würde meinen, entweder eine didaktische Reduktion oder als Anschauung für das Ringen des menschlichen Geistes mit den "Raffinessen - aber nicht Bosheiten - des Alten."

Ich denke, irgendwo ist es schon verständlich, dass diese Pioniere an der einen oder anderen Stelle schwer ins Schleudern gekommen sind. Wie sollte Bohr aus dieser Klemme zwischen eigentlich instabilen umlaufenden Elektronen und offensichtlich stabilen Atomen ohne sein Postulat kommen?

Zitat:
Die Schrödingergleichung ist unitär, die Zeitentwicklung stetig und invertierbar; ein Kollaps ist dagegen nicht-unitär, unstetig und nicht-invertierbar. Man benötigt also schon etwas sehr cleveres, um zu verstehen, wie eine prinzipiell stetige und invertierbare Zeitentwicklung nicht-unitär, unstetig und nicht-invertierbar erscheinen kann. Das liefert die Dekohärenz. Und die wiederum liefert logisch zwingend viele Welten.


Damit bin ich noch nicht ganz durch - muss ich in meinem Schädel nochmal hin- und herbewegen...

-***-
TomS
BeitragVerfasst am: 02. Jan 2020 23:43    Titel:

Vorab: du hattest etwas zu Kopenhagen- bzw. Kollapsinterpretation geschrieben. Mein Ziel war es hier nicht, diese zu kritisieren, sondern lediglich, deine Darstellung zu präzisieren bzw. zu hinterfragen.

Cuby hat Folgendes geschrieben:
TomS hat Folgendes geschrieben:
Cuby hat Folgendes geschrieben:

Kommentar

Kann es sein, dass die Quantenmechanik weniger ein spezielles Messproblem hat, als vielmehr das allgemeine Problem, spontane Wechselwirkungsprozesse zu beschreiben, die die Kontinuität der Schrödinger-Glg. unterbrechen?

Nein, wenigstens nicht nach dem üblichen Sprachgebrauch.

Eine Messung prägt dem Messgerät eine im Quantenzustand enthaltene Komponente im Sinne eines Messwertes ein.

Eine Wechselwirkung folgt dagegen der Schrödingergleichung.


Worin besteht der prinzipielle Unterschied für ein Quantensystem zwischen einem Messakt und einer Wechselwirkung?

Gemäß KI genau darin: eine Messung ist ein nicht weiter definierbarer oder quantenmechanisch erklärbarer Vorgang - im Gegensatz zu einer Wechselwirkung.

Cuby hat Folgendes geschrieben:
... sondern dass die Wechselwirkung von Q-Sytem und Messgerät das Ereignis auslöst, das die Zeigerstellung, den Click oder die Schwärzung bewirkt. Die WW prägt - " Messung" ist mE nur die Bezeichnung für den Gesamtvorgang.

Zudem braucht man für die Definition eines Terminus' den Oberbegriff und der kann hier bzgl. "Messung" doch nur die WW sein, oder?

Sieht Everett das nicht ähnlich so?

Ja, tut er.

Er hat das konsequent zu Ende gedacht und landet dann eben nicht bei Bohr et al.

Cuby hat Folgendes geschrieben:
Das ist eine unpräzise Terminologie, das kannst du ruhig zugeben, wo du sonst so sehr Wert auf Präzision legst und mit Kritik nicht gerade zimperlich bist! :)

Ja, kann ich.

Aber dann landest du eben wieder nicht bei Bohr et al.

Cuby hat Folgendes geschrieben:
Der "Start" dauert mittlerweile über 100 Jahre und hat dich dazu veranlasst, Murray Gell-Manns Zitat in dein Profil aufzunehmen. Wenn die KI so widersprüchlich und inkonsistent ist, wie du nicht nur einmal ausführst, dann stellt sich doch die Frage, wieso sie so hartnäckig immer noch die tonangebende Interpretation ist ... Aber gut, das ist jetzt mehr Wissenschaftssoziologie und gehört wohl nicht hierher.

Das gehört wahrscheinlich schon hierher.

Versetze dich mal in die Situation eines Professors, Tutors oder Autors, der Studenten in kurzer Zeit - neben der notwendigen Mathematik - ein bisschen Quantenmechanik beibringen muss, also Schrödingergleichung, Eigenwertprobleme, Atomphysik, Streu- und Störungstheorie, Mehrteilchensysteme, ... Der folgt ausgetretenen Pfaden und stellt Interpretationen hinten an.

Gegenfrage: warum wird das Bohrsche Atommodell noch gelehrt?

Cuby hat Folgendes geschrieben:
Ist das jetzt sowas wie eine Fangfrage? Du selbst bekundest immer wieder dein Bedürfnis nach einer konsistenten logisch begründbaren Theorie! Ich meine, was soll denn deine ganze Polemik gegen die KI, wenn du deren Widersprüche nicht philosophisch unbefriedigend findest?

dito

Cuby hat Folgendes geschrieben:
... und [ich] finde es eigentlich selbstverständlich, dass eine Theorie sich nicht nur durch positive Laborresultate legitimiert, sondern auf festem Fundament steht.

dito

Cuby hat Folgendes geschrieben:
Warum bevorzugst du die Everettsche QM?

dito

Cuby hat Folgendes geschrieben:
... wenn sich die Wellenfunktion eine Zeit lang kontinuierlich verhält und dann plötzlich "brutal" aufgrund der WW mit dem Messgerät aus dieser Kontinuität gerissen wird, dann ist das doch eine zeitlich extrem komprimierte Zustandsänderung, also etwas Bruchhaftes, Radikales; oder habe ich da eine völlig falsche Vorstellung?

Die Schrödingergleichung ist unitär, die Zeitentwicklung stetig und invertierbar; ein Kollaps ist dagegen nicht-unitär, unstetig und nicht-invertierbar. Man benötigt also schon etwas sehr cleveres, um zu verstehen, wie eine prinzipiell stetige und invertierbare Zeitentwicklung nicht-unitär, unstetig und nicht-invertierbar erscheinen kann. Das liefert die Dekohärenz. Und die wiederum liefert logisch zwingend viele Welten.

Daraus gibt es letztlich drei wesentliche Auswege:
1) du lehnst eine ontische Interpretation ab und vermeidest das Problem
2) du lehnst Everett ab, redest aber trotzdem irgendwie ontisch
3) du akzeptierst Everett

Mit (1) landest du bei QBism, der Ensemble-Interpretation u.ä. Mit (2) befindest du dich im Dunstkreis von Kopenhagen.
Cuby
BeitragVerfasst am: 02. Jan 2020 23:25    Titel:

index_razor hat Folgendes geschrieben:
Cuby hat Folgendes geschrieben:

Zitat:
Ob es ein Meßproblem gibt und insbesondere worin es besteht, hängt aber vermutlich von der Interpretation ab.

Was in der QM hängt nicht von der Interpretation ab? :)


Ich würde sagen deine Postulate Q1-Q3 gehören zum formalen interpretationsunabhängigen Kern der QM (zumindest nach Ergänzung einiger qualifizierender Bemerkungen, daß es sich nur um Spezialfälle handelt, was aber vermutlich für deine Belange keine große Rolle spielt).

Q4 wird praktisch von allen Interpretationen akzeptiert, ist aber ebenfalls nur ein Spezialfall bzw. eine Idealisierung und wegen des undefinierten Bezugs auf "Messungen" o.ä. wohl auch stark interpretationsabhängig, zumindest nicht Teil des formalen Kerns.

Q5 gehört für mich klar zur Kopenhagener Interpretation und wird von allen anderen gängigen Interpretationen nicht akzeptiert.


Ich hatte mir danach auch nochmal die Postulate angeschaut und Q1-Q3 auch als unstrittig und Q4 als problematisch gesehen, bei Q5 war ich mir unsicher und verstehe deine Einschätzung auch noch nicht so ganz - muss ich mir nochmal genauer anschauen.
Cuby
BeitragVerfasst am: 02. Jan 2020 22:55    Titel:

Zitat:
Cuby hat Folgendes geschrieben:
Heisenberg und von-Weizsäcker zB kannten die Kritik von Frau (Name entfallen, wird nachgeliefert) aus den 30-er Jahren, die den Fehler in von-Neumanns Arbeit entdeckte, den Bell später noch einmal ganz deutlich herausstellte, und sie haben stillgehalten, weil nicht sein kann, was nicht sein darf!

Es war Grete Hermann, die 1935 nachwies, dass bei von Neumann in seinem "Beweis" der Widerlegung von Theorien Verborgener Variabler das Resultat schon implizit in den Voraussetzungen steckte, was Bell '66 bestätigte.
index_razor
BeitragVerfasst am: 02. Jan 2020 20:12    Titel:

Cuby hat Folgendes geschrieben:

Zitat:
Ob es ein Meßproblem gibt und insbesondere worin es besteht, hängt aber vermutlich von der Interpretation ab.

Was in der QM hängt nicht von der Interpretation ab? :)


Ich würde sagen deine Postulate Q1-Q3 gehören zum formalen interpretationsunabhängigen Kern der QM (zumindest nach Ergänzung einiger qualifizierender Bemerkungen, daß es sich nur um Spezialfälle handelt, was aber vermutlich für deine Belange keine große Rolle spielt).

Q4 wird praktisch von allen Interpretationen akzeptiert, ist aber ebenfalls nur ein Spezialfall bzw. eine Idealisierung und wegen des undefinierten Bezugs auf "Messungen" o.ä. wohl auch stark interpretationsabhängig, zumindest nicht Teil des formalen Kerns.

Q5 gehört für mich klar zur Kopenhagener Interpretation und wird von allen anderen gängigen Interpretationen nicht akzeptiert.
Cuby
BeitragVerfasst am: 02. Jan 2020 19:55    Titel:

index_razor hat Folgendes geschrieben:

Du vergißt fast durchgehend die Betragsbildung vor dem Quadrieren. Die Wahrscheinlichkeit ist . Denke daran, daß es sich bei den Entwicklungskoeffizienten und Wellenfunktionen um komplexe Größen handelt.

Ok. Mit dem Formalismus werde ich wohl noch etwas üben müssen.

Zitat:
Ohne Kontext ist die Aussage unverständlich.

Verstehe. Die nächsten Zitate sind sauberer! Aber wenn man unterschiedliche Literatur benutzt, findet man oft verschiedene Formulierungen für denselben Sachverhalt - ist etwas verwirrend...

Zitat:
Ob es ein Meßproblem gibt und insbesondere worin es besteht, hängt aber vermutlich von der Interpretation ab.

Was in der QM hängt nicht von der Interpretation ab? :)
Ja schön. Danke für die Korrekturen.
TomS
BeitragVerfasst am: 02. Jan 2020 18:12    Titel:

Cuby hat Folgendes geschrieben:

Kommentar

Kann es sein, dass die Quantenmechanik weniger ein spezielles Messproblem hat, als vielmehr das allgemeine Problem, spontane Wechselwirkungsprozesse zu beschreiben, die die Kontinuität der Schrödinger-Glg. unterbrechen?

Nein, wenigstens nicht nach dem üblichen Sprachgebrauch.

Eine Messung prägt dem Messgerät eine im Quantenzustand enthaltene Komponente im Sinne eines Messwertes ein.

Eine Wechselwirkung folgt dagegen der Schrödingergleichung.

Cuby hat Folgendes geschrieben:

Merkwürdig finde ich, dass in einer Theorie, die sich Quantentheorie nennt, der Begriff "Quanten, Quantum" weder definiert noch im Gebrauch ist, sondern immer noch der klassische Ausdruck "Teilchen" - das aber nicht mehr als klassisches Teilchen angesehen werden darf, worauf man hinzuweisen nicht müde wird! Wäre da ein definiertes "Quant/um" nicht effektiver?

Die Physiker sind sich der Tatsache bewusst, dass der Sprachgebrauch immer nur bestimmte Aspekte erfasst. Eine präzise Formulierung liegt dagegen in Form der Postulate und der Mathematik vor.

Cuby hat Folgendes geschrieben:

Es scheint, als finden sich eine Menge unbegründeter Postulate in der QM der KI - vom Anfang an! Es ist eigentlich so etwas wie ein Markenzeichen von ihr.

Jede Theorie startet mit nicht weiter zu hinterfragenden Postulaten. Die Diskussion derselben ist Aufgabe der Metaphysik, die Diskussion der experimentellen Konsequenzen Aufgabe der Physik.

Cuby hat Folgendes geschrieben:

Aus wissenschaftstheoretischer Sicht gilt eine Theorie dann als begründet, wenn der essenzielle Formalismus (hier: ψ) begründet ist. Da das hier nicht der Fall ist, haben wir die paradoxe Situation, dass eine nicht begründete Theorie äußerst erfolgreich arbeitet! Das mag für den Instrumentalisten hinreichend sein (insofern nicht paradox), aber philosophisch ist das doch eine sehr unbefriedigende Situation, oder?

Woher stammt diese Auffassung? Inwiefern wären andere Theorien wie die Newtonsche „besser begründet“? Was sagst du zum Popperschen Ansatz, dass letztlich nur experimentell überprüfbare Resultate zur Bewertung einer Theorie taugen?
index_razor
BeitragVerfasst am: 02. Jan 2020 11:44    Titel:

Cuby hat Folgendes geschrieben:

ad 5.) Das von-Neumann-Postulat (s. Q5)

Die Messung induziert eine Entwicklung, die einen Zustand auf einen seiner Eigenvektoren mit der Wahrscheinlichkeit projiziert (Kollaps, Reduktion der Wellenfunktion).


Du vergißt fast durchgehend die Betragsbildung vor dem Quadrieren. Die Wahrscheinlichkeit ist . Denke daran, daß es sich bei den Entwicklungskoeffizienten und Wellenfunktionen um komplexe Größen handelt.

Zitat:

Das verallgemeinerte Kollapspostulat besagt, dass nach der Messung der Zustand des Gesamtsystems durch ψa gegeben ist, falls der Wert a gemessen wurde. Das stellt sicher, dass bei nochmaligem Ablesen der Zeigerkonfiguration Y wieder ein Wert in Λj herauskommt.

F: Die "Sicherstellung" verstehe ich nicht. Warum "wieder ein Wert..."?


Ohne Kontext ist die Aussage unverständlich. (Was soll z.B. Λj sein?). Das Kollapspostulat stellt sicher, daß sich unmittelbar nach der Messung des Wertes a bei einer Widerholung der Messung erneut der Wert a ergibt. Zumindest sofern sich der Zustand in der Zwischenzeit nicht aus anderen Gründen ändert. Dies folgt aus dem Kollapspostulat zusammen mit der Bornschen Regel mit . Das ergibt p(a)=1.

Zitat:

Kommentar

Kann es sein, dass die Quantenmechanik weniger ein spezielles Messproblem hat, als vielmehr das allgemeine Problem, spontane Wechselwirkungsprozesse zu beschreiben, die die Kontinuität der Schrödinger-Glg. unterbrechen?


Nein, das kann man nicht sagen. Stochastische Zustandsänderungen kannst du in der Quantenmechanik mit ähnlichen Methoden beschreiben wie in der klassischen Mechanik, d.h. mit stochastischen Differentialgeichungen. Diese werden gewöhnlich bei der Beschreibung offener Quantensysteme angewendet, deren Dynamik nicht einer Schrödingergleichung folgt. Ein prinzipielles Problem liegt also wohl nicht vor.

Ob es ein Meßproblem gibt und insbesondere worin es besteht, hängt aber vermutlich von der Interpretation ab.
Cuby
BeitragVerfasst am: 30. Dez 2019 15:04    Titel:

Nach der Trockenübung jetzt die QM in ihrer
Kopenhagener Interpretation.

Leitfragen

Methodologisch. Welchen mathematischen Formalismus benutzt die Interpretation mit welcher Bedeutung & Begründung zB der Schlüsselterme und deren Stellung im strukturellen Gesamtzusammenhang?

Ontologisch. Wie und unter welchen Rahmenbedingungen werden das Quantensystem und die Vorgänge in ihm abgebildet (DS, St-G) insbes. der Messprozess? In welchem Verhältnis stehen die Elemente der Mathematik zu denen der Realität?

Philosophisch. Ist die Interpretation mit ihrem Formalismus als Fundamental-Theorie geeignet? Welche Konsequenzen hins. des Verständnisses von dem, was Realität genannt wird, ergeben sich daraus?
---------------------------------------------------------------------

Anlass der Entstehung der Quantenmechanik

Probleme bei der Erklärung neuer Phänomene der Wechselwirkung von Materie und Strahlung: Atomspektren, chemische Eigenschaften, diverse Experimente, das Phänomen der ganzen Zahlen, etc. Es galt, folgende Probleme zu lösen:

1. Der Tatsache, dass quantenmechanische Teilchen (Quanten) sowohl Teilchen- alsauch Welleneigenschaften haben, standen zunächst hilflos zwei getrennte Zuständigkeiten gegenüber: klassische Mechanik und Wellentheorie.

2. Die Tatsache, dass Materiewellen Interferenzen erzeugen.

3. Die Tatsache, dass bei Experimenten die Reihenfolge der Messung nicht beliebig ist (Ort, Impuls).

4. Die Tatsache, dass nicht die Schrödinger-Glg. das Messergebnis bringt, sondern erst deren Quadrat, die als Wahrscheinlichkeit festgelegt wird.


Schlüsselbegriffe

1. Welle-Teilchen-Dualismus, Komplementarität
2. Superposition, Materiewellen, Schrödinger-Glg. ψ (t)
3. Unschärferelationen, Nichtkommutativität konjugierter Operatoren,
4. Stochastik / Born‘sche Regel
5. Kollaps / von-Neumann-Postulat


ad 1.) Welle-Teilchen-Dualismus, Komplementarität

Wegen der Nicht-Vertauschbarkeit bei zB Ort- & Impulsmessungen, der Unvereinbarkeit von simultanen Wellen- & Teilcheneigenschaften sowie der allgemeinen Subjekt-Objekt-Problematik bestand Bohr darauf, die Komplementarität - als sich gegenseitig ausschließende aber dennoch bedingende Prinzipien - in die Theorie zu implementieren (zB die Experimentalanordnung - vor allem das Messgerät - als komplementären Bestandteil in die Beschreibung mit aufzunehmen).


ad 2.) Superposition, Schrödinger-Glg.

Zusammenhängende Systeme, wie sie sich im Quantenbereich zeigten, werden nicht durch Produktzustände, sondern durch Superposition von Produktzuständen repräsentiert. Das Phänomen der Superposition verlangt den mathematischen Formalismus der Vektorraum-Theorie. Als geeignet für die spezielle Struktur eines quantenmechanischen Vektorraums stellte sich der Hilbert-Raum mit seinem unendlichem Vorrat an Vektoren heraus, denn an den Zustandsvektor bzw. die Dgl. ψ (r, t) werden folgende Anforderungen gestellt:

1. Sie muss eine Dgl. 1. Ordnung sein, damit ψ (r, t=0) durch die Anfangsverteilung bestimmt ist.
2. Sie muss wegen der Fähigkeit zur Superposition linear sein.
3. Sie muss wegen der Normierung homogen sein.

Der dafür geeignete Zustandsvektor ist die Schrödinger-Funktion ψ.

Schrödinger fand sie mehr ratend, indem er die klassische Wellengleichung, die Hamilton-Jacobi-Gleichung und de-Broglies Materiewellen kombinierte.

Formal kann sie aus dem Hamilton-Formalismus unter Berücksichtigung der Korrespondenzregeln hergeleitet werden.

Mit ihr ist es möglich, u.a. die Energieniveaus der Elektronenhüllen zu beschreiben aber nicht den beim Experiment erfolgenden Übergang von einer kontinuierlichen Zeitentwicklung zu einem diskreten Vorgang, der Messung.

Beim Übergang ψ (t) zu ψa zum Zeitpunkt der Messung t‘ ergibt sich:

Für t < t‘: kontin.-determ. Zeitentwicklung ψ (t)

Für t‘ = t: nicht definiert (Kollaps)

Füt t > t‘: instantane (?) Zeitentwicklung, ψa (t‘)


Also zwei unterschiedliche Prozesse ψ (t) und ψa (t‘) und ein indefiniter, wobei der Prozess t > t‘ nicht unbedingt instantan sein muss, oder? Allerdings ist das Ereignis, das Moment der Wechselwirkung, bei t‘ instantan.

=> Die Schrödinger-Funktion – theoretisch unverstanden & unbegründet - ist keine Fundamental-Glg., sondern ein Postulat, das sich nur durch seinen Erfolg legitimiert.


ad 3.) Nichtkommutativität konjugierter Operatoren, UR

Wegen der Nicht-Vertauschbarkeit von kanonisch-konjugierten Größen bei Experimenten sah sich Heisenberg genötigt, die entsprechenden mathematischen Elemente aus der Matrizenrechnung – nichtvertauschende Kommutatoren – zu wählen, mit denen er die Unschärferelationen herleitete.
Er begründete sie zunächst empirisch mit einer nicht-störungsfreien Messung, dann mathematisch mit dem Matrizen- und schließlich mit den Fourier-Formalismus.

„Die Unschärfe ist somit nicht in erster Linie Folge einer nicht-störungsfreien Messung, sondern eine intrinsische Eigenschaft des Quantensystems selbst.“ (Heisenberg).
Das wäre eine ontologische Deutung.

„Die Unschärfe ist die Folge des Versuches, das Wellenpaket in klassischer Teilchenterminologie beschreiben zu wollen.“ (Bohr).
Das wäre eine epistemische Deutung.

„Die Unschärferelationen sind statistische Streurelationen, die eine Aussage darüber machen, wie bei einer Messung die Impulse streuen, wenn die Orte in einem bestimmten Intervall liegen.“ (C. Friebe, Popper)
Das wäre eine wohl eher (epistemisch-) metrologische Deutung.

„Die Unschärferelation folgt aus der Geometrie des in der QM verwendeten Hilbertraums sowie den speziellen Eigenschaften der Operatoren, die Ort und Impuls repräsentieren“ (TomS).
Das wäre die neutrale mathematische Formulierung.

F: Kannst du das etwas näher erläutern (Geometrie, spezielle E.)


ad 4.) Die Born‘sche Regel (s. Q4)

Ausgangssituation: Experimentell wird -entsprechend ermittelt, nicht !
=> was zählt, ist die Messung d.h. ihr wird der ontologische und methodische Primat eingeräumt. Das macht eine Ergänzung/Änderung des Formalismus erforderlich und führt auf die Born‘sche Regel

Born fand sie durch Analogieschluss in Einsteins Amplitudenquadrat in dessen Lichtquantenhypothese und führte mit ihr die Stochastik in die Quantenmechanik ein.

F: Das sieht mir auch mehr nach intuitiver Verzweiflungstat und Zuschnitt auf das Resultat aus. Warum -verteilt?

=> Die Born’sche Regel ist theoretisch unbegründet und legitimiert sich ebenfalls nur durch das Resultat.


ad 5.) Das von-Neumann-Postulat (s. Q5)

Die Messung induziert eine Entwicklung, die einen Zustand auf einen seiner Eigenvektoren mit der Wahrscheinlichkeit projiziert (Kollaps, Reduktion der Wellenfunktion).

Das verallgemeinerte Kollapspostulat besagt, dass nach der Messung der Zustand des Gesamtsystems durch ψa gegeben ist, falls der Wert a gemessen wurde. Das stellt sicher, dass bei nochmaligem Ablesen der Zeigerkonfiguration Y wieder ein Wert in Λj herauskommt.

F: Die "Sicherstellung" verstehe ich nicht. Warum "wieder ein Wert..."?

=> Das von-Neumann-Postulat ist theoretisch unbegründet und legitimiert sich ebenfalls nur durch das Resultat.
F: Bin mir aber nicht sicher?

Damit ergeben sich

Die Postulate der Quantenmechanik

Q1. Ein quantenmechanisches System ist repräsentiert durch den Hilbertraum und sein Zustand zu Zeit t durch den Vektor ψ(t) ∈ .

Q2. Eine quantenmechanische Größe A wird repräsentiert durch einen selbstadjungierten (alle reellen Werte enthaltenden) Operator A in , die möglichen Messwerte (seine Eigenwerte) a durch das Spektrum σ von A.

Q3. Sei ψ (to) der Zustand von zur Zeit t=0 dann ist der Zustand ψ (t) für alle Zeiten t gegeben durch den unitären Zeitoperator U: ψ (t) = U (t) ψ (to);

Q4. Sei ψa ein Zustand von für den gilt: A ψa = a ψa und sei A eine Observable mit dem Wert a, dann ist die Wahrscheinlichkeit P(a), den Messwert a zu erhalten, gegeben durch die Born’sche Regel P(a) = |ψ(t) ψa|.

Q5. Sei a der gemessene Wert von A dann ist der Zustand von beschrieben durch ψa.


Verständnisfragen

„Es ist unmöglich, durchgängig anzunehmen, dass es zur Zeit t mehr Eigenschaften am Quantensystem gibt, als sich aus ψ ableiten lassen (Gleason, Bell, Kochen, Specker).“ Stöckler in: Esfeld)
F: Wie lässt sich so etwas beweisen?

"Q1 - Q4 ist für die Erzeugung von Wahrscheinlichkeiten nicht geeignet weil ihm der konkrete Vektor ψ (t0) fehlt, der die Präparation beschreibt "(Stöckler in: Esfeld)
F: Was bedeutet „fehlender Vektor“? Wer oder was bestimmt, was sich in Hilberts Räumlichkeiten alles befindet?

Kommentar

Kann es sein, dass die Quantenmechanik weniger ein spezielles Messproblem hat, als vielmehr das allgemeine Problem, spontane Wechselwirkungsprozesse zu beschreiben, die die Kontinuität der Schrödinger-Glg. unterbrechen?

Merkwürdig finde ich, dass in einer Theorie, die sich Quantentheorie nennt, der Begriff "Quanten, Quantum" (zB als Objekt, das sowohl Wellen- alsauch Teilchencharakter hat) weder definiert noch im Gebrauch ist, sondern immer noch der klassische Ausdruck "Teilchen" - das aber nicht mehr als klassisches Teilchen angesehen werden darf, worauf man hinzuweisen nicht müde wird! Wäre da ein definiertes "Quant/um" nicht effektiver?

Es scheint, als finden sich eine Menge unbegründeter Postulate in der QM der KI - vom Anfang an! Es ist eigentlich so etwas wie ein Markenzeichen von ihr.

Ich kann mich des Eindrucks nicht erwehren, dass in der Formulierung der QM unbedingt jeder seiner "Markierung" hinterlassen musste: Heisenberg seine Unschärfe (nachdem ihm Schrödingers Dgl. den Rang ablief), Born seine Stochastik (die für ihn den "freien Willen" restaurierte) und Bohr seine Komplementarität (und mit dieser Kierkegaardschen Philosophie der QM den dänischen Stempel verpasst).

Aus wissenschaftstheoretischer Sicht gilt eine Theorie dann als begründet, wenn der essenzielle Formalismus (hier: ψ) begründet ist. Da das hier nicht der Fall ist, haben wir die paradoxe Situation, dass eine nicht begründete Theorie äußerst erfolgreich arbeitet! Das mag für den Instrumentalisten hinreichend sein (insofern nicht paradox), aber philosophisch ist das doch eine sehr unbefriedigende Situation, oder?

Schätze ich das richtig ein, wenn ich behaupte, dass der QM aber - nach ihren Darstellungen zu schließen - noch immer der Geruch einer Labor-Theorie anhaftet?

Es sieht so aus, als könnte noch die eine oder andere Überraschung kommen, oder ist der künftige Weg abzusehen?


-***-
Cuby
BeitragVerfasst am: 17. Dez 2019 23:04    Titel:

Hallo Tom, anbei der erste Entwurf bzgl. der KM. Ich habe hierbei nicht die Leitfragen zugrunde gelegt, weil es m.e. wenig Sinn macht; vielmehr wollte ich die grundsätzliche Semantik und den Formalismus herausstellen.
Aus der Intuition heraus ist, glaube ich, noch einiges zu präzisieren.
Zudem möchte ich noch Lagrange-Formalismus und Hamilton-Prinzip anschließen. Aber step by step.

DIE KLASSISCHE MECHANIK

A) Allgemeine Charakterisierung

1. Historisch ist sie die Synthese des mechanisch-physikalischen Wissens ihrer Zeit.

2. Methodisch ist sie die vollständige Mathematisierung der Physik in Form eines auf drei Axiomen beruhenden deduktiven Systems, aus dem die Lösungen mechanischer Probleme abgeleitet werden können. Die Axiome ihrerseits werden aus dem vorliegenden empirisch gewonnenen Datenbestand induktiv hergeleitet.

3. Philosophisch ist sie die Grundlage für das Mechanistische Paradigma (Weltbild).


B) Theorien-Hintergrund

1. Der absolute unbewegliche Raum, damit die Bewegung eines Systems als beschleunigt bzw. gradlinig gleichförmig definiert werden kann. Trägheitskräfte werden durch den absoluten Raum hervorgerufen „Beweis“: Newtons Eimer.

2. Die absolute gleichförmig fließende Zeit, damit die Bewegung eines Systems als gleichförmig definiert werden kann.

=> Absoluter Raum & Absolute Zeit gehen den Dingen ontologisch voran (ontologisches Primat).

3. Der relative gewöhnliche Raum.

4. Die relative scheinbare und gewöhnliche Zeit.

=> Relativer Raum und Relative Zeit dienen der Festlegung von Koordinaten- bzw. Bezugssystemen.


C) Grundannahmen, Grundbegriffe: Newton‘sches Axiomensystem

1. Der Trägheitssatz ... definiert das Inertialsystem

2. ... stellt die Verbindung der Grundgrößen her.

3. ... repräsentiert Wechselwirkung, actio = reactio.

4. ... schreibt vektorielle Addition der Kräfte vor (später zugefügt).


D) Zuordnung und Definitionen, Messung

1. Natürliche beobachtete Entitäten: Kräfte, Örter, Bewegung // Zeit, Gegenstände

2. Mathematische Entitäten: Vektoren () // Skalare ()

3. Physikalische Größe, verbunden zum empirischen Grundgesetz nebst Definitionen:

Kraft ; Beschleunigung ; Geschwindigkeit ;

=> Eine natürliche Entität wird qua Zuordnung einer geeigneten mathematische Entität durch eine Physikalische Größe repräsentiert.

Operationalisierung: , , , sind messbare Größen, für die geeignete Messverfahren bzw. Normale anzugeben sind.
Auch kanonisch konjugierte Größen (wie Ort und Impuls) eines physikalischen Objekts sind prinzipiell zu jedem Zeitpunkt gleichzeitig mit beliebig hoher Genauigkeit bestimmbar.


E) Raumgeometrie / Kausalität / Determinismus

Die Trägheitsanalyse führt auf die Geradenglg.:

Sind und zum Zeitpunkt gegeben, liegt die Trajektorie für alle Zeiten fest.

Folgerungen

1. Der Raum ist flach und wird durch den 3-dimensionalen Euklidischen Raum repräsentiert.

2. Ontologisches Grundprinzip Kausalität : Ist der Zustand eines physikalischen Systems S' die Folge des vorhergehenden Zustandes S und durch einen physikalischen Mechanismus M erwirkt, dann ist S die Ursache von S'.

3. Epistemologisches Grundprinzip Determinismus: Entsprechend dem Ontologisches Grundprinzip der Kausalität lässt sich bei hinreichend genauer Kenntnis aller Gesetze und Parameter des physikalischen Systems S das Verhalten/der Zustand des Folgesystems S' exakt bestimmen und vorhersagen. Ausdruck dieses strengen Determinismus ist der Laplace‘sche Dämon.

4. Zeitfolgebestimmung auf Basis der Kausalität: ist der Zustand eines Systems S zum Zeitpunkt tS gegeben und bringt S S‘ zum Zeitpunkt tS‘ hervor, dann heißt tS zeitlich vor bzw. früher als tS‘:

F) Bezug zur Realität, Lokalität

Realismus: Die ermittelten Eigenschaften eines Systems kommen ihm unabhängig von Wechselwirkungen bzw. Messungen real intrinsisch zu.

Lokalität: Wechselwirkung der Objekte erfolgt über die mechanischen Größen Impuls und Energie.

=> Die KM ist eine realistische und lokale Theorie.


G) Relativitätsprinzip

Galilei-Transformation auf ein Bezugssystem mit

; ; ; ; ;

=> Das Grundgesetz der KM ist kovariant gegen GT, was zu (!) führt.


H) Philosophie: Mechanistisches Paradigma (Kuhn)

Schlüsselbegriffe
Kraft, Masse, Trägheit, Beschleunigung

Materie-, Prozess- & Gesamtstruktur
diskret-atomistisch & nomologisch (gesetzmäßig),
grundlegender durchgehender Kausalnexus,
strenge Subjekt - Objekt - Trennung.

Ontologie
Naiver Realismus: ermittelte Eigenschaften und Strukturen kommen den Dingen selbst intrinsisch zu. Wahrnehmung entspricht prinzipiell der Realität.

Epistemologie
Prinzipiell vollständige Erkennbarkeit bei gegebenen Anfangsbedingungen & bekanntem Gesetz.

Mathematisch
Eindeutiger Bezug mathematischer Elemente zu den entsprechenden Elementen der Realität.

Konsequenzen

Der Mensch ist eine Maschine (de la Mettrie), der Kosmos je nach philosophischer Couleur ein Uhrwerk (Hooke), ein Sensorium Gottes (Newton), eine prästabilierte Harmonie (Leibniz) und über Allem schwebend hat Laplace‘ Dämon die Welt algorithmisch fest im Griff!

In der physikalischen Welt Newtons sind Entitäten wie Zufall, freier Wille und transzendente Gottheiten obsolet geworden; I. Kant - dt. Philosoph und engagierter Newtonianer - versucht sie in seinen Kritischen Schriften wieder zu restaurieren.

Philosophisch bezeichnet man die Auffassung, dass der Formalismus der Klassischen Mechanik die reale physikalische Welt repräsentiert und dass dessen Materie die grundlegende Entität ist, als Materialismus. Das nicht-materielle Ideelle, Geistige ist das ontologisch Sekundäre, das daraus Abgeleitete (kein Geist ohne materielle Grundsubstanzen & Prozesse des Hirns).

Im Gegenzug fasst der philosophische Idealismus das nicht-materielle Ideelle als ontologisch primär auf, aus dem das Materielle abgeleitet ist (kein Hirn ohne vorhergehende geistig-ideelle Schöpfung).

-***-
Cuby
BeitragVerfasst am: 16. Dez 2019 18:19    Titel:

TomS hat Folgendes geschrieben:
Cuby hat Folgendes geschrieben:
Physikalische Begriffsbildung hat keinen Bezug zur Realität?

Physikalische Begriffsbildung kann durchaus etwas mit der Realität zu tun haben. Anhand der Quantenmechanik kannst du jedoch erkennen, dass noch nicht mal bzgl. des selben mathematischen Objektes bzw. Begriffes Einigkeit herrschen muss, welcher Bezug zur Realität nun genau besteht.

Ok. Geklärt!

Zitat:
Der mathematische Rahmen ist jedoch für alle Interpretationen identisch - soweit ich sehe mit Ausnahme von deBroglie-Bohm - und die meisten dieser mathematischen Probleme spielen bei der Diskussion der Interpretationen keine Rolle.

Das wirkt beruhigend. Ich hatte schon befürchtet, dass es daran scheitern könnte. Wir werden wahrscheinlich an der einen oder anderen Stelle darauf zurückkommen, nehme ich an.

Zitat:
[...] Ausdrucksweisen [...]Nichts dergleichen! [...] Teilchen ... Welle ... Wellenfunktion [...]

Soweit klar, denke ich!

Zitat:
Zum Vergleich diverser Interpretationen der Quantenmechanik:

https://en.m.wikipedia.org/wiki/Interpretations_of_quantum_mechanics#Comparison

die Tabelle erspart dir viel Zeit und wäre eine gute Basis für eine weitere Diskussion

Ganz hervorragend! Das wird sie! Danke.

- *** -
TomS
BeitragVerfasst am: 15. Dez 2019 09:50    Titel:

Cuby hat Folgendes geschrieben:
Physikalische Begriffsbildung hat keinen Bezug zur Realität?

Das habe ich nicht behauptet.

Physikalische Begriffsbildung kann durchaus etwas mit der Realität zu tun haben. Anhand der Quantenmechanik kannst du jedoch erkennen, dass noch nicht mal bzgl. des selben mathematischen Objektes bzw. Begriffes Einigkeit herrschen muss, welcher Bezug zur Realität nun genau besteht.

Bsp. Zustandsvektor:
- nach instrumenteller Lesart ein Werkzeug zur Berechnung messbarer Größen
- nach ontischer Lesart ein Repräsentant der Realität

Worauf ich jedoch eigtl. hinweisen wollte ist, dass m.E. weder der induktive noch der deduktive Zugang zu einer Theorie eine dieser Lesarten auszeichnet. Man kann z.B. sowohl die Everettsche d.h. zumeist ontische Lesart als auch den explizit nicht-ontischen QBism deduktiv / axiomatisch begründen.

Cuby hat Folgendes geschrieben:
Physik
Zitat:
Die VWI ist lediglich bzgl. ihrer Konsequenzen eine Zumutung. Die Mathematik ist Standard, sehr präzise formuliert, gut verstanden, und nicht sooo schwierig.

Da haben wir uns missverstanden. Ich meinte nicht die Mathematik der VWI, die, soweit ich mich damit beschäftigt habe, sogar ich einigermaßen verstehe.
Nein, ich meinte den gesamten mathematischen Quantenformalismus, vor allem, nachdem index-razor seine Raum-Orgie abgezogen hatte ...

Er ist bzgl. Funktionalanalysis hier der Chef. Der mathematische Rahmen ist jedoch für alle Interpretationen identisch - soweit ich sehe mit Ausnahme von deBroglie-Bohm - und die meisten dieser mathematischen Probleme spielen bei der Diskussion der Interpretationen keine Rolle.

Cuby hat Folgendes geschrieben:
Nur komme ich mit einigen Ausdrucksweisen nicht klar: wenn davon geredet wird, dass zB weder Teilchen noch Welle den Spalt passieren, sondern die Wellenfunktion - ein mathematisches Objekt!

Nichts dergleichen!

Teilchen
Wenn wir annehmen, dass ein klassisches Teilchenbild zutrifft, dann können wir die Beobachtungen am Doppelspalt nicht erklären: wenn wir den zweiten Spalt öffnen, gelangen mehr Teilchen durch beide Spalte als vorher durch einen; trotzdem beobachten wir im Muster auf dem Schirm Stellen, an denen weniger Teilchen Teilchen auftreffen als dies für einen geöffneten Spalt der Fall war. Wir haben also keine mathematische Theorie, die mittels eines Teilchenbildes einen Bezug zur Realität - oder auch nur zu den Phänomenen - herstellt, und die die Phänomenen zutreffend beschreibt.

Wellen
Wenn wir annehmen, dass ein klassisches Wellenbild zutrifft, dann können wir das Interferenzmuster am Doppelspalt zunächst erklären; allerdings können wir nicht erklären, warum das Interferenzmuster aus einzelnen teilchen-artigen Erscheinungen - einzelnen Punkten - aufgebaut ist.

Anders formuliert: zur Berechnung der Phänomene benötigen wir immer die Wellenfunktion, bei der Beobachtung erscheinen uns jedoch immer einzelne, unteilbare und lokalisierte Teilchen.

Wellenfunktion
Bei den o.g. Teilchen oder Wellen handelt es sich um Elemente der Realität; dass diese Erklärungen nicht zutreffen, zeigt uns, wie die Realität nicht ist: sie enthält auf fundamentaler Ebene weder klassische Teilchen noch Wellen. Bei der Wellenfunktion handelt es sich jedoch zunächst nicht um ein Element der Realität, sondern um ein mathematisches Objekt, das der Schrödingergleichung genügt; mathematische Objekte passieren jedoch keine realen experimentellen Anordnungen; ein derartiger Sprachgebrauch wäre ein Kategoriefehler. Dass wir die Wellenfunktion als Element der Realität auffassen, setzt eine bestimmte philosophische Position voraus - eine ontische Auffassung des Formalismus‘ - die nicht alle Physiker teilen. Wenn wir dies tun und die Wellenfunktion als Element der Realität auffassen, dann landen wir zunächst wieder bei den Wellen; wie wir zuvor gesehen haben, löst dies jedoch nicht alle Probleme, d.h. selbst unter der Voraussetzung dieser ontischen Sichtweise ist das Wellenbild alleine nicht ausreichend.

D.h. in letzter Konsequenz, ein reale Entität passiert den Doppelspalt, liefert einzelne Punkte sowie insgs. ein Interferenzmuster, und wir können dies mittels der mathematischen Objektes Wellenfunktion sowie weiterer mathematischer Regeln wie insbs. der Schrödingergleichung beschreiben. Das ist der unstrittige Kern der Quantenmechanik. Die Interpretationen unterscheiden sich nun insbs. darin, welchen Bezug sie zwischen externer Realität, subjektivem Wissen sowie mathematischem Formalismus herstellen.

Zum Vergleich diverser Interpretationen der Quantenmechanik:

https://en.m.wikipedia.org/wiki/Interpretations_of_quantum_mechanics#Comparison

die Tabelle erspart dir viel Zeit und wäre eine gute Basis für eine weitere Diskussion
Cuby
BeitragVerfasst am: 12. Dez 2019 23:10    Titel:

TomS hat Folgendes geschrieben:

Ich wollte nur darauf hinweisen, dass dies nichts mit einem Realitätsbezug oder ontologischem Anspruch zu tun hat.

Cuby hat Folgendes geschrieben:
Klare und eindeutige Begriffsbildung dürfte auch in der Physik zu den wichtigsten Grundoperationen einer Theorienbildung gehören - wie ich aber deinen Ausführungen entnehme, sind wohl nicht alle dieser Meinung.


Nochmal ganz langsam:
Physikalische Begriffsbildung hat keinen Bezug zur Realität?

Bisher bin ich davon ausgegangen, dass Begriffe gerade die, wenn nicht sogar einzige Verbindung des Mentalen zur Realität herstellen!
Das müsstest du mir nochmal auseinandersetzen.

Zitat:
Die VWI ist lediglich bzgl. ihrer Konsequenzen eine Zumutung. Die Mathematik ist Standard, sehr präzise formuliert, gut verstanden, und nicht sooo schwierig.

Da haben wir uns missverstanden. Ich meinte nicht die Mathematik der VWI, die, soweit ich mich damit beschäftigt habe, sogar ich einigermaßen verstehe.
Nein, ich meinte den gesamten mathematischen Quantenformalismus, vor allem, nachdem index-razor seine Raum-Orgie abgezogen hatte (nix für ungut razor, du wolltest ja nur klarstellen, aber damit hättest du auftreten können! Und ich bin mir klar darüber, das meine Worte die eines Nichtphysikers sind.)

Auf der anderen Seite bemerke ich, dass mich der Formalismus zunehmend fasziniert und darüber auch mehr erfahren möchte.

Nur komme ich mit einigen Ausdrucksweisen nicht klar: wenn davon geredet wird, dass zB weder Teilchen noch Welle den Spalt passieren, sondern die Wellenfunktion - ein mathematisches Objekt! Hatten wir ja schon kurz angetickt.

Goed. Dann müsste ich mich jetzt ein wenig präparieren und würde dann mit der KM 'rüberkommen.

-***-
TomS
BeitragVerfasst am: 12. Dez 2019 21:16    Titel:

Cuby hat Folgendes geschrieben:
Du hast hier irgendwo mal sinngemäß geschrieben, dass eine neue Theorie nicht unbedingt dadurch entsteht, dass die alte experimentell relativiert wird, sondern sich auch auf vorwiegend deduktivem Weg ergeben kann.

Daraus schließe ich, dass es mind. zwei Wege oder Quellen der Begriffsbildung gibt:
1 aus der konkreten Praxis heraus: induktive Begriffsbildung.
2 aus der allgemeinen Theorie heraus: deduktive Begriffsbildung.

Wie man es benennt, ist letztlich Vereinbarung. Ich wollte nur einen möglichen Unterschied herausstellen – ob und mit welchen Konsequenzen, müssen wir dann sehen. Oder fällt dir hier schon etwas dazu ein?

Ich wollte nur darauf hinweisen, dass dies nichts mit einem Realitätsbezug oder ontologischem Anspruch zu tun hat.

Cuby hat Folgendes geschrieben:
Klare und eindeutige Begriffsbildung dürfte auch in der Physik zu den wichtigsten Grundoperationen einer Theorienbildung gehören - wie ich aber deinen Ausführungen entnehme, sind wohl nicht alle dieser Meinung.

Ein Teil der Physiker ist damit zufrieden, wenn die Theorie funktioniert.

Cuby hat Folgendes geschrieben:
„Realität“ bedeutet immer „Realität ohne bzw. unabhängig von Messung oder Beobachtung“.

Gut.

Cuby hat Folgendes geschrieben:
Zitat:
Welche Rolle spielen für dich Theorien, die zugunsten einer realistischen Auffassung zu bizarr erscheinenden Ergebnissen kommen - Stichwort „viele Welten“.

Das erste Ergebnis unserer Zusammenarbeit ist: die VWI ist wohl weniger abgefahren als ich dachte!
Das zweite: die Mathematik ist total abgefahren !!!

Die VWI ist lediglich bzgl. ihrer Konsequenzen eine Zumutung. Die Mathematik ist Standard, sehr präzise formuliert, gut verstanden, und nicht sooo schwierig.

Cuby hat Folgendes geschrieben:

Zitat:
Wie willst du weitermachen, insbs. bei deinem Vergleich der unterschiedlichen Interpretationen der Quantenmechanik?

Inhaltlich:
Vgl. von Voraussetzungen, Verfahren, Minimalformalismus, Resultat und Konsequenzen der Theorien.

Methodisch:
Ich bereite vor - du gibst Rückmeldung hins. Richtigkeit, Vollständigkeit, etc. Wir beginnen mit der KM (als Referenz).

Einverstanden?

Einverstanden.
Cuby
BeitragVerfasst am: 11. Dez 2019 18:23    Titel:

TomS hat Folgendes geschrieben:
i) Induktion bzw. ii) Deduktion bezeichnen doch etwas anderes, nämlich die Methoden bzw. logischen Schlüsse, wie man von i) ausgehend von Einzelfällen zu einer allgemeingültigen Theorie gelangt, bzw. wie ii) ausgehend von einer allgemeingültigen Theorie konkrete Spezialfälle zurückgewonnen werden.

Für diese Übersicht etwas allgemeiner, da es nicht um Aussagen, sondern um Begriffe und deren Zuordnung zu Elementen der Natur und mathematischer Repräsentation geht.

Du hast hier irgendwo mal sinngemäß geschrieben, dass eine neue Theorie nicht unbedingt dadurch entsteht, dass die alte experimentell relativiert wird, sondern sich auch auf vorwiegend deduktivem Weg ergeben kann. Ich glaube, du hast als Beispiel die Quantenfeldtheorie angeführt.

Daraus schließe ich, dass es mind. zwei Wege oder Quellen der Begriffsbildung gibt:
1 aus der konkreten Praxis heraus: induktive Begriffsbildung.
2 aus der allgemeinen Theorie heraus: deduktive Begriffsbildung.

Wie man es benennt, ist letztlich Vereinbarung. Ich wollte nur einen möglichen Unterschied herausstellen – ob und mit welchen Konsequenzen, müssen wir dann sehen. Oder fällt dir hier schon etwas dazu ein?
Klare und eindeutige Begriffsbildung dürfte auch in der Physik zu den wichtigsten Grundoperationen einer Theorienbildung gehören - wie ich aber deinen Ausführungen entnehme, sind wohl nicht alle dieser Meinung.

Zitat:
Halten wir fest: es geht dir um eine klaren und eindeutigen Beschreibung dessen, was wir Realität nennen, sowie um die Voraussetzungen, dies tun zu können. Richtig?

Eigentlich doch etwas detaillierter & umfangreicher:

- Prinzipielle Voraussetzungen, Aufbau, Verfahren und Konsequenzen der Theorien.

- Bedeutungsunterschiede im mathematischen Formalismus und deren Elemente wie lineare selbstadjungierte Operatoren; „Minimal“-Formalismus.

- Status ermittelter Objekteigenschaften: Wert-Definiertheit, Nicht-Kontextualität

- die Auffassung von Realität, Zusammenhang und Einheitlichkeit der Natur in den Theorien.

- Verhältnis zum ART-Formalismus: Gemeinsamkeiten?

- Status der Theorien selbst.

- ...

Zitat:
Was bedeutet für dich Realität?

Nachdem ich in den letzten Wochen gelernt habe, dass die Frage ungleich schneller zu stellen als zu beantworten ist, bin ich etwas zurückhaltender mit einer Vorstellung davon. Aber den Begriff hatten wir ja auch schon festgelegt:

> *) „Realität“ bedeutet immer „Realität ohne bzw. unabhängig von Messung oder Beobachtung“.<
Den sollten wir zugrundelegen.

Zitat:
Welche Rolle spielen für dich Theorien, die zugunsten einer realistischen Auffassung zu bizarr erscheinenden Ergebnissen kommen - Stichwort „viele Welten“.

Das erste Ergebnis unserer Zusammenarbeit ist: die VWI ist wohl weniger abgefahren als ich dachte!
Das zweite: die Mathematik ist total abgefahren !!!

Zitat:
Wie willst du weitermachen, insbs. bei deinem Vergleich der unterschiedlichen Interpretationen der Quantenmechanik?

Inhaltlich:
Vgl. von Voraussetzungen, Verfahren, Minimalformalismus, Resultat und Konsequenzen der Theorien.

Methodisch:
Ich bereite vor - du gibst Rückmeldung hins. Richtigkeit, Vollständigkeit, etc. Wir beginnen mit der KM (als Referenz).

Einverstanden?

(Kann man hier irgendwo diese nervigen Animationen der Smilies abschalten?)
TomS
BeitragVerfasst am: 11. Dez 2019 07:00    Titel:

Cuby hat Folgendes geschrieben:
Zitat:
Das funktioniert bei der QM nicht mehr. Demzufolge ist es konsequent, dass dieser klassische Objektbegriff auch nicht in den mathematischen Formalismus übertragen wird bzw. übertragen werden kann.

Funktioniert das nicht, weil der klassische Objektbegriff nicht übertragen werden kann, oder kann nicht übertragen werden, weil etwas Grundsätzlicheres nicht funktioniert? Was wäre das?

Der klassische Objektbegriff hantiert mit lokalisierten Teilchen, denen sozusagen Eigenschaften wie Ort, Impuls, Spin, ... angeklebt sind. Zunächst mal können wir keine Theorie formulieren, die einerseits diese klassischen Begriffe bewahrt, und die andererseits experimentell überprüfbare und zutreffende Vorhersagen macht. Die Bohmsche Mechanik geht diesen Schritt auch nicht vollständig - s.u.

Anders gesagt, wenn du eine Dynamik formulierst, die einem lokalisierten, klassischen Teilchen die Eigenschaften „Ort“ und „Spin“ zuschreibt, dann liefert diese Theorie falsche Vorhersagen.

Das gilt übrigens für eine sehr große Klasse von Theorien.

https://en.m.wikipedia.org/wiki/Bell%27s_theorem
https://en.m.wikipedia.org/wiki/Kochen%E2%80%93Specker_theorem

Cuby hat Folgendes geschrieben:
Zitat:
Man erkennt dabei übrigens den unvollständigen Schritt der Bohmschen Mechanik, die zwar wieder klassische Teilchen einführt, diesen jedoch nicht alle relevanten Eigenschaften zuschreiben kann, sondern das Quanten- bzw. Führungsfeld weiterhin als Träger von Eigenschaften benötigt. Siehe z.B. für den Spin:

Sehr schön. Wichtige Info für mich! Ich hatte das bis jetzt nicht für einen Nachteil gehalten, vor allem, weil dem Spin auch etwas Ominöses anhaftet.

Dem Spin haftet nichts ominöses an ;-)

Cuby hat Folgendes geschrieben:
Wenn ich das richtig sehe, gibt es da wohl zwei Verfahren der Zuordnung von Elementen der Natur zu Elementen der Mathematik:

1. Induktiv vom Objekt per Def. zum mathematischen Repräsentanten: Kraft --> Vektor "F".
2. Durch Deduktion: da müsstest du mir mit einem Beispiel aushelfen.

i) Induktion bzw. ii) Deduktion bezeichnen doch etwas anderes, nämlich die Methoden bzw. logischen Schlüsse, wie man von i) ausgehend von Einzelfällen zu einer allgemeingültigen Theorie gelangt, bzw. wie ii) ausgehend von einer allgemeingültigen Theorie konkrete Spezialfälle zurückgewonnen werden.

https://de.m.wikipedia.org/wiki/Induktion_(Philosophie)
https://de.m.wikipedia.org/wiki/Deduktion

Nach Popper liefert die Induktion jedoch keine logischen Schlüsse, sondern allenfalls Hypothesen.

Alle Menschen sind sterblich.
Sokrates ist ein Mensch.
—-
ii) Deduktion: Sokrates ist sterblich.

Sokrates ist sterblich.
Sokrates ist ein Mensch.
—-
i) Induktion: Alle Menschen sind sterblich.

Aber:

Sokrates ist ein Philosoph.
Sokrates ist ein Mensch.
—-
i) Induktion: Alle Menschen sind Philosophen.

Daher bemüht Popper im Kontext der Falsifikation den iii) Modus tollens

https://de.m.wikipedia.org/wiki/Modus_tollens

Wenn es geregnet hat, ist die Straße nass.
Die Straße ist nicht nass.
—-
iii) modus tollens: Es hat nicht geregnet.

All dies hat m.E. nichts mit dem ontologischen Status der in der Theorie gegebenen Entitäten zu tun.

Cuby hat Folgendes geschrieben:
ich denke, es ist klar, dass es mir hier nicht um ein Gemeckere gegen die Physikerzunft geht!)

Natürlich, das ist klar.

Cuby hat Folgendes geschrieben:
Zitat:
Das hieße in letzter Konsequenz, dass du eine weitere, vollkommen neuartige mathematische Entität benutzen müsstest, um einerseits den Formalismus und die Ergebnisse der QM rekonstruieren zu können und andererseits eine dir genehme Ontologie zu konstruieren.

Nein. Mir geht es nicht um die Konstruktion einer mir genehmen Ontologie, sondern um die Bedingungen einer klaren und eindeutigen Beschreibung dessen, was wir Realität nennen und um den Weg, auf dem sie zu erreichen ist.

Halten wir fest: es geht dir um eine klaren und eindeutigen Beschreibung dessen, was wir Realität nennen, sowie um die Voraussetzungen, dies tun zu können. Richtig?

Was bedeutet für dich Realität?

Welche Rolle spielen für dich Theorien, die zugunsten einer realistischen Auffassung zu bizarr erscheinenden Ergebnissen kommen - Stichwort „viele Welten“.

Wie willst du weitermachen, insbs. bei deinem Vergleich der unterschiedlichen Interpretationen der Quantenmechanik?
Cuby
BeitragVerfasst am: 11. Dez 2019 00:22    Titel:

TomS hat Folgendes geschrieben:
Schwierig.
Wenn man die ART und die QM vergleicht, so hat man bei ersterer den Vorteil, dass man zumindest teilweise beim etablierten Weltbild bleiben kann: klassische Objekte - Materie- bzw. Energieansammlungen - sind Teile der Realität, sind lokalisierbar und tragen lokale Eigenschaften.

Das finde ich ganz erstaunlich, dass (aus meiner Sicht) bei "ein und derselben Natur" so unterschiedliche mathematische Verfahren wie bei ART & QM angewandt werden und zum Ziel führen! Aber immerhin liegen ja einige Größenordnungen dazwischen, was vllt. auch eine vorläufige Erklärung ist! Würde ich aber gerne nochmal darauf eingehen wollen.

Zitat:
Das funktioniert bei der QM nicht mehr. Demzufolge ist es konsequent, dass dieser klassische Objektbegriff auch nicht in den mathematischen Formalismus übertragen wird bzw. übertragen werden kann.

Funktioniert das nicht, weil der klassische Objektbegriff nicht übertragen werden kann, oder kann nicht übertragen werden, weil etwas Grundsätzlicheres nicht funktioniert? Was wäre das?

Zitat:
Man erkennt dabei übrigens den unvollständigen Schritt der Bohmschen Mechanik, die zwar wieder klassische Teilchen einführt, diesen jedoch nicht alle relevanten Eigenschaften zuschreiben kann, sondern das Quanten- bzw. Führungsfeld weiterhin als Träger von Eigenschaften benötigt. Siehe z.B. für den Spin:

Sehr schön. Wichtige Info für mich! Ich hatte das bis jetzt nicht für einen Nachteil gehalten, vor allem, weil dem Spin auch etwas Ominöses anhaftet. Aber ich denke, zu Bohm kommen wir noch.

Zitat:
Anders gefragt: welcher mathematischen Entität können wir denn einen Bezug zur Realität zusprechen, wenn nicht einer bekannten? wenn nicht den bekannten Entitäten, welchen dann?

Wenn ich das richtig sehe, gibt es da wohl zwei Verfahren der Zuordnung von Elementen der Natur zu Elementen der Mathematik:

1. Induktiv vom Objekt per Def. zum mathematischen Repräsentanten: Kraft --> Vektor "F".
2. Durch Deduktion: da müsstest du mir mit einem Beispiel aushelfen.

Ich könnte mir an dieser Stelle gut vorstellen, dass es zu folgender Situation kommen kann: "Ich weiß zwar nicht genau, was ich da abgeleitet habe, aber die Eigenschaft nenne ich mal Spin und kann damit erstmal weitermachen."
(Wenn dir das jetzt ein wenig naiv vorkommt, bitte ich um Nachsicht: ich versuche mir ein Bild von der Arbeit eines Physikers zu machen).
Wenn das so richtig ist und wenn diese Situation öfters vorkommt, dann ist natürlich die Gefahr sehr groß, das man nachher nur noch mit "Eigenschaftsbündeln" arbeitet und die - zurückgestellte - Grundklärung nicht mehr für erforderlich hält. Dazu noch ein unpräziser Sprachgebrauch: nicht die natürlichen Entitäten Teilchen oder Welle passieren den Spalt, sondern das mathematische Konstrukt Wellenfunktion.

Oder liege ich völlig daneben?
(ich denke, es ist klar, dass es mir hier nicht um ein Gemeckere gegen die Physikerzunft geht!)

Zitat:
Das hieße in letzter Konsequenz, dass du eine weitere, vollkommen neuartige mathematische Entität benutzen müsstest, um einerseits den Formalismus und die Ergebnisse der QM rekonstruieren zu können und andererseits eine dir genehme Ontologie zu konstruieren.

Nein. Mir geht es nicht um die Konstruktion einer mir genehmen Ontologie, sondern um die Bedingungen einer klaren und eindeutigen Beschreibung dessen, was wir Realität nennen und um den Weg, auf dem sie zu erreichen ist (eigentlich um das Verhältnis Wissenschaft /Mathe /Natur). Dieser Anspruch ist asymptotisch zu verstehen. Und wenn sich klar und deutlich herausstellen sollte, dass ein Elektron drei Ohren hat, dann akzeptiere ich das.

- *** -
TomS
BeitragVerfasst am: 10. Dez 2019 22:06    Titel:

Cuby hat Folgendes geschrieben:
Welchen mathematischen Formalismus benutzt sie in welcher Bedeutung?
Die Schrödinger-Glg. ψ ist eine rein epistemisch-mathematische Hilfsgröße ohne Bezug zur Realität.
Der Eigenwert des Operators λ repräsentiert das reale Messresultat als einzige Realität.

Der Eigenwerte repräsentiert m.E. nur die potentiell mögliche Messgröße, da ja lediglich eine rein epistemische Interpretation vorliegt. Es gibt kein mathematisches Objekt mit gleichzeitigem Realitätsbezug, dem ich den Eigenwerten als reales Messresultat zuordnen könnte: die Wellenfunktion ist es nicht, und das Messgerät kommt im Formalismus nicht vor.

Cuby hat Folgendes geschrieben:
Wie wird der (Mess-) Prozess beschrieben ?
1. Durch die kontinuierliche Schrödinger-Glg. und 2. durch v.Neumanns Projektionspostulat / diskontinuierliche Bornsche Regel (Kollaps)

Wie genau soll eine Beschreibung des Messprozesses erfolgen, wenn einerseits eine quantenmechanische Wechselwirkung gem. (1) sowie andererseits ein Kollaps gem. (2) vorliegt? Ich würde nicht von einer „Beschreibung des Messprozesses“ sprechen.

Cuby hat Folgendes geschrieben:
Welche Bedeutung haben die Unschärferelationen ?
Fundamentale intrinsische Unschärfe der Objekte.

Die Unschärferelationen ist zunächst eine rein mathematische Aussage für die Wellenfunktion. Da du dieser jedoch keinen direkten Realitätsbezug zugestehst, kannst du das auch für die Unschärferelationen nicht tun.

Und was wären denn „die Objekte“?

Cuby hat Folgendes geschrieben:
Wie wird das Doppelspalt- oder Stern-Gerlach-Experiment interpretiert?
Nicht Welle oder Teilchen passiert den Spalt, sondern die Wellenfunktion mit den Eigenschaften eines zB. Elektrons

Die Wellenfunktion kann - als mathematisches Objekt - nicht den Doppelspalt passieren. Da dir wiederum der Realitätsbezug fehlt, kannst du nicht sagen, was diesen passiert.

Cuby hat Folgendes geschrieben:
So in etwa und ausführlicher mit allen drei Theorien. Macht das Sinn?

Ja - mit den notwendigen Präzisierungen.
TomS
BeitragVerfasst am: 10. Dez 2019 21:43    Titel:

Schwierig.

Wenn man die ART und die QM vergleicht, so hat man bei ersterer den Vorteil, dass man zumindest teilweise beim etablierten Weltbild bleiben kann: klassische Objekte - Materie- bzw. Energieansammlungen - sind Teile der Realität, sind lokalisierbar und tragen lokale Eigenschaften.

Das funktioniert bei der QM nicht mehr. Demzufolge ist es konsequent, dass dieser klassische Objektbegriff auch nicht in den mathematischen Formalismus übertragen wird bzw. übertragen werden kann. Man erkennt dabei übrigens den unvollständigen Schritt der Bohmschen Mechanik, die zwar wieder klassische Teilchen einführt, diesen jedoch nicht alle relevanten Eigenschaften zuschreiben kann, sondern das Quanten- bzw. Führungsfeld weiterhin als Träger von Eigenschaften benötigt. Siehe z.B. für den Spin:

https://en.m.wikipedia.org/wiki/De_Broglie%E2%80%93Bohm_theory#Spin

Anders gefragt: welcher mathematischen Entität können wir denn einen Bezug zur Realität zusprechen, wenn nicht einer bekannten? wenn nicht den bekannten Entitäten, welchen dann?

Das hieße in letzter Konsequenz, dass du eine weitere, vollkommen neuartige mathematische Entität benutzen müsstest, um einerseits den Formalismus und die Ergebnisse der QM rekonstruieren zu können und andererseits eine dir genehme Ontologie zu konstruieren.
Cuby
BeitragVerfasst am: 10. Dez 2019 13:06    Titel:

index_razor hat Folgendes geschrieben:
Ein Banachraum ist ein vollständiger normierter Raum. Es gibt aber nicht-separable Banachräume, sowie separable normierte Räume, die nicht vollständig, also keine Banachräume sind.
Ein Prä-Hilbertraum ist übrigens ein Vektorraum mit hermiteschem innerem Produkt, nicht lediglich ein normierter Raum. Ein Hilbertraum ist ein vollständiger Prä-Hilbertraum, egal ob separabel oder nicht.

Na, bei diesen komplizierten Räumlichkeiten wundert's mich nicht...
Cuby
BeitragVerfasst am: 10. Dez 2019 12:53    Titel:

TomS hat Folgendes geschrieben:

Wie jede physikalische Theorie wird die Quantenmechanik damit die Schrödingergleichung letztlich durch den Erfolg gerechtfertigt, also dadurch, dass experimentell bestätigte Vorhersagen abgeleitet werden.

Wenn man nicht mehr verlangt, ist das ja auch i.O. Wenn man aber wissen will, wie der Objektbereich beschaffen ist, ist das etwas wenig.

Zitat:
Bei geeigneten Prämissen kann man auch die Schrödingergleichung strikt ableiten; allerdings würdest du dann an dieser Stelle die Prämissen kritisieren - man kommt nie aus dieser Nummer aus.

Das würde ich auch als normalen Entwicklungsgang bezeichnen; auch scheinbar stabile Prämissen können durch neue Erkenntnisse wegbrechen.
Mir schwebt Einsteins "Elektrodynamik..." vor Augen:
1 el.-dyn. Prämisse (c=const), 1 methodische (Lorenz-Trafos) und die saubere Ableitung der SRT. Aber das ist wohl der ideale Ausnahmefall. Mich wundert nur, dass einer Gleichung wie Psi, die selbst noch ein Rätsel ist, Fundamentalcharakter zugesprochen wird.

Zitat:
Nun, lange hingenommen wurde das nicht; die Diskussionen gingen eigtl. sofort los, sogar schon vor Schrödinger, nämlich zur Heisenbergschen Matrizenmechanik. Die Schrödingergleichung erschien als großer Fortschritt, da eine vertraute Formulierung im Sinne einer Feldtheorie vorlag.
Was meinst du mit einem eindeutigeren Ansatz?

Ja, das sind Geburtswehen; aber es muss eine vitale und interessante Zeit gewesen sein, wenn man mal im Briefwechsel Einstein-Born blättert, wo Einstein Heisenbergs UR als "Quanten-Ei" bezeichnet.
Nein, ich meine heute, 100 Jahre später: Alle schreien, wie verrückt die QT ist, viele kokettieren sogar damit, aber keiner kommt auf eine bessere Lösung, also einen Ansatz, dessen Komponenten einen eindeutigen Bezug zu den Elementen der Realität haben. Ich habe den Eindruck, diese Grundlagen- und -begriffsklärungen hatten und haben nicht gerade die oberste Priorität.
Kann aber auch an mir liegen, ich denke, nach unserer Diskussion bin ich schlauer.

Zitat:
Was wäre für dich der nächste Schritt im Programm?

Mein Vorschlag wäre, die drei Theorien unter u.g. Fragestellung abzuklopfen und tabell.-vergleichend gegenüberzustellen. Beispiel:

KI:
Welchen mathematischen Formalismus benutzt sie in welcher Bedeutung?
Die Schrödinger-Glg. ψ ist eine rein epistemisch-mathematische Hilfsgröße ohne Bezug zur Realität.
Der Eigenwert des Operators λ repräsentiert das reale Messresultat als einzige Realität.

Wie wird der (Mess-) Prozess beschrieben ?
1. Durch die kontinuierliche Schrödinger-Glg. und 2. durch v.Neumanns Projektionspostulat / diskontinuierliche Bornsche Regel (Kollaps)

Welche Bedeutung haben die Unschärferelationen ?
Fundamentale intrinsische Unschärfe der Objekte.

Wie wird das Doppelspalt- oder Stern-Gerlach-Experiment interpretiert?
Nicht Welle oder Teilchen passiert den Spalt, sondern die Wellenfunktion mit den Eigenschaften eines zB. Elektrons

Welche Ontologie folgt aus der Theorie? Welche Eigenschaften kommen dem Objekt unabhängig von der Messung „an-sich“ zu, welche erst durch Wechselwirkung ? Kann man hier von primären und sekundären Qualitäten sprechen?
Antirealismus, Indeterminismus, Lokalität

So in etwa und ausführlicher mit allen drei Theorien. Macht das Sinn?
TomS
BeitragVerfasst am: 10. Dez 2019 10:00    Titel:

du hast recht
index_razor
BeitragVerfasst am: 10. Dez 2019 09:48    Titel:

TomS hat Folgendes geschrieben:

Zu 1.
Ein normierter Raum ist ein Prä-Hilbertraum, ein separabler normierter Raum ein Banachraum; du benötigst jedoch noch ein Skalarprodukt und damit einen separablen Hilbertraum.


Du verwechselst anscheinend "separabel" und "vollständig". Ein Banachraum ist ein vollständiger normierter Raum. Es gibt aber nicht-separable Banachräume, sowie separable normierte Räume, die nicht vollständig, also keine Banachräume sind.

Ein Prä-Hilbertraum ist übrigens ein Vektorraum mit hermiteschem innerem Produkt, nicht lediglich ein normierter Raum. Ein Hilbertraum ist ein vollständiger Prä-Hilbertraum, egal ob separabel oder nicht.
TomS
BeitragVerfasst am: 10. Dez 2019 07:06    Titel:

Cuby hat Folgendes geschrieben:
... aber was zwingt zur Verwendung der Schröd-glg.? Zumal sie ja nicht mal streng hergeleitet und begründet wurde!

Wie jede physikalische Theorie wird die Quantenmechanik damit die Schrödingergleichung letztlich durch den Erfolg gerechtfertigt, also dadurch, dass experimentell bestätigte Vorhersagen abgeleitet werden.

Bei geeigneten Prämissen kann man auch die Schrödingergleichung strikt ableiten; allerdings würdest du dann an dieser Stelle die Prämissen kritisieren - man kommt nie aus dieser Nummer aus.

Cuby hat Folgendes geschrieben:
Irgendwie wundert's mich etwas, dass dieser Zustand, von dem niemand weiß, was er zu bedeuten hat, so lange hingenommen wird und niemand versucht, einen neuen eindeutigeren Ansatz hinzulegen.

Nun, lange hingenommen wurde das nicht; die Diskussionen gingen eigtl. sofort los, sogar schon vor Schrödinger, nämlich zur Heisenbergschen Matrizenmechanik. Die Schrödingergleichung erschien als großer Fortschritt, da eine vertraute Formulierung im Sinne einer Feldtheorie vorlag.

Was meinst du mit einem eindeutigeren Ansatz?

Was wäre für dich der nächste Schritt im Programm?
Cuby
BeitragVerfasst am: 10. Dez 2019 02:46    Titel:

TomS hat Folgendes geschrieben:
Fangen wir mit dem letzten Beitrag an:
Die Superposition wird erzwungen durch die Schrödingergleichung: da die Schrödingergleichung eine lineare Gleichung ist, sind Superpositionen immer zulässig, du kannst sie nicht ausschließen. Außerdem ist die Frage, ob eine Superposition vorliegt, einzig von der Wahl der Basis abhängig.

Ja, das ist mir schon klar, dass die Schröd-glg. Superpositionen zulässt, aber was zwingt zur Verwendung der Schröd-glg.? Zumal sie ja nicht mal streng hergeleitet und begründet wurde! Irgendwie wundert's mich etwas, dass dieser Zustand, von dem niemand weiß, was er zu bedeuten hat, so lange hingenommen wird und niemand versucht, einen neuen eindeutigeren Ansatz hinzulegen. Ok, never change a winning team, aber wenn nur auf die Resultate geschaut wird...

Der Rest waren noch ein paar Verständnisfragen, die ich noch so aufgesammelt hatte.

Wir könnten jetzt im Programm weitermachen, of niet?
TomS
BeitragVerfasst am: 09. Dez 2019 22:24    Titel:

Fangen wir mit dem letzten Beitrag an:

Zu 1.
Ein normierter Raum ist ein Prä-Hilbertraum, ein separabler normierter Raum ein Banachraum; du benötigst jedoch noch ein Skalarprodukt und damit einen separablen Hilbertraum.

Die Superposition wird erzwungen durch die Schrödingergleichung: da die Schrödingergleichung eine lineare Gleichung ist, sind Superpositionen immer zulässig, du kannst sie nicht ausschließen. Außerdem ist die Frage, ob eine Superposition vorliegt, einzig von der Wahl der Basis abhängig.

Zu 2.
In einem System mehrerer ununterscheidbarer Teilchen muss das System unter Austausch von Teilchen symmetrisch oder antisymmetrisch sein; d.h. ein Zustand muss unabhängig davon sein, ob Teilchen 1 Zustand a und Teilchen 2 Zustand b einnimmt, oder ob umgekehrt Teilchen 1 Zustand b und Teilchen 2 Zustand a einnimmt. Dies wird für zwei Teilchen realisiert mittels



Das Vorzeichen plus/minus gilt für Bosonen/Fermionen.

Zu 3.







Die letzte Gleichung wird durch den o.g. Zeitentwicklungsoperator U(t) formal gelöst.

Zu 4.
Neben der formalen Definition von Selbstadjungiertheit hat jeder derartige Operator A die wesentliche Eigenschaft, dass er ein ausschließlich reelles Spektrum hat, das Messwerte repräsentieren kann.

Zu 5.
Vergiss das Thema diskretes vs. kontinuierliches Spektrum, nicht-beschränkte Operatoren, Resolvente usw.; das ist mathematisch recht kompliziert und führt uns hier zu keinerlei neuen Erkenntnissen. Betrachten wir beschränkte Operatoren bzw. noch einfacher einen endlich-dimensionalen Hilbertraum.

In diesem Fall entspricht das Spektrum der Gesamtheit der Eigenwerte a, d.h. der Gesamtheit aller Zahlen a, für die eine Lösung der Gleichung



existiert:



https://en.m.wikipedia.org/wiki/Spectral_theory
https://en.m.wikipedia.org/wiki/Spectrum_(functional_analysis)
https://en.m.wikipedia.org/wiki/Decomposition_of_spectrum_(functional_analysis)
Cuby
BeitragVerfasst am: 09. Dez 2019 13:40    Titel:

TomS hat Folgendes geschrieben:
Dann müssen wir uns jetzt ansehen, wie dies in der Quantenmechanik aussieht ...


Ich habe mal was vorbereitet:

Die Postulate der Quantenmechanik

1. Die Beschreibung eines Quantensystems erfolgt im Rahmen eines normierten Vektorraumes, des separablen Hilbertraumes H.

F: Was zwingt zum mathematischen Superpositions-Verfahren?

2. Der Zustand eines einzelnen Quantensystems wird durch einen normierten Vektor ψ als Element dieses Hilbertraumes H repräsentiert.

zB1. Der Zustand eines aus zwei verschiedenen Objekten zusammengesetzten Systems:
|ϕ〉=|↑a〉_1 |↓a〉_2.
Ganz analog zur klassischen Physik kann also in Produktzuständen jedem der Teilsysteme ein eindeutiger Zustand zugeschrieben werden.

zB2. Der Zustand eines aus zwei gleich präparierten Objekten zusammenhängenden, verschränkten Systems:
|ψ⟩ = 1/√2 [ |↑a⟩_1 |↓a⟩_2 − |↓a⟩_1|↑a⟩_2 ].

F: Warum "minus"?

3. Die Zeitentwicklung eines einzelnen isolierten Quantensystems erfolgt durch einen unitären Zeitentwicklungsoperator

U(t)=exp (-iHt) mittels: |ψ(t)⟩=U(t) |ψ(0)⟩

Diese Regel ist vollständig äquivalent zur Schrödingergleichung:
i ħ d/dt |Ψ(t)⟩= \hat{H} |Ψ(t)⟩

F: Was heißt das?


4. Eine beobachtbare Größe, d.h. eine Observable eines Quantensystems wird durch einen selbstadjungierten (hermetischen) Operator A repräsentiert, der auf die Zustandsvektoren |ψ〉 in H wirkt.

F: Welche Bedeutung hat "selbstadjungiert"?

5. Die möglichen Messwerte einer Observable entsprechen dem Spektrum des korrespondierenden selbstadjungierten Operators A.

F: Wodurch ist definiert? Nach welchen Kriterien erfolgt die Auswahl?

Im Falle eines reinen Punktspektrums sind dies gerade die Eigenwerte (A-a) |a〉 = 0

F: Punktspektrum? Formel ?

6. Sei a die Menge aller verallgemeinerten Eigenvektoren des selbstadjungierten Operators A mit Spektralwerten und sei das Quantensystem in einem Zustand präpariert, der mittels des Zustandsvektors ψ repräsentiert wird. Wird eine Messung einer Observablen A durchgeführt, so ist die Wahrscheinlichkeit, den Messwert a zu erhalten, gegeben durch die Bornsche Regel:
Cuby
BeitragVerfasst am: 04. Dez 2019 11:57    Titel:

Ich habe mir das Wahrsch.-Theorem nochmal angesehen und ich glaube, auch ein bisschen besser verstanden.

a) Der Zustand eines quantenmechanischen Systems wird durch einen Vektor ψ ∈ H in einem Hilbertraum H repräsentiert.

b) Eine beobachtbare Größe oder Observable eines quantenmechanischen Systems wird durch einen selbstadjungierten Operator Ô im Hilbertraum H repräsentiert.

c) Die Menge aller möglichen Messergebnisse einer Observablen Ô wird durch das Spektrum σ(Ô) ⊆ R repräsentiert.

Mathematisch wichtiger Unterschied zur KM: einem zB klassischen Feld/Trajektorie wird jedem Punkt ein Wert zugeschrieben, einem quantenmechanischen aber eine „Superposition“ verschiedener Eigenzustände der zu messenden Observablen.

=> Die Quantenmechanik sagt das Messergebnis nicht exakt voraus, sondern gibt über die Bornsche Regel nur Wahrscheinlichkeiten dafür an, dass das Messergebnis in eine vorgegebene (messbare) Teilmenge des Spektrums σ (einer Superposition verschiedener Eigenzustände einer Observablen Ô) fällt und durch den Messakt zufällig ausgewählt wird.
Cuby
BeitragVerfasst am: 02. Dez 2019 09:28    Titel:

TomS hat Folgendes geschrieben:
Gehen wir die Punkte mal der Reihe nach an.
Man muss zunächst mal klarstellen, was mit „Eigenschaften“ eigtl. gemeint ist. Häufig verwendet man einen naiven Begriff, der letztlich i) das Wesen des betrachteten Systems, ii) dessen formale Beschreibung sowie iii) die Messgröße - implizit - identifiziert. Das ist natürlich Quatsch, zumindest dann, wenn man sich keine Rechenschaft darüber ablegt.

Betrachten wir einen Massenpunkt in einen Potential mit

ii) der formale Beschreibung



iii) Messgrößen wären z.B. Zeiten T und Positionen X, und damit die Messergebnisse



Die „Eigenschaft Energie“ im Sinne von (i) sehe ich nirgendwo. Wir können sie entweder als theoretisches Konstrukt auffassen und lediglich die Messwerte (iii) als primär auffassen - dann bleibt die Frage, warum für (iii) eine formale Beziehung wie (ii) gilt, oder wir können (i) als primär auffassen - dann beschreibt (ii) eine tatsächliche, reale Beziehung, und in (iii) erscheint etwas, was in (i) bereits existiert.

Ich neige eher zu der Konstruktions-Auffassung - bin mir aber nicht sicher, ob man dieses Thema in so ein Prokrustesbett einer 2-wertigen Logik zwingen kann. Ich werde mir das nochmal vornehmen - jedenfalls scheint mir "was denn Realität sei"! ein komplexes diskutables Thema. Ansonsten:

Zitat:
Soweit klar?
Soweit klar!
TomS
BeitragVerfasst am: 01. Dez 2019 22:28    Titel:

Gehen wir die Punkte mal der Reihe nach an.

Cuby hat Folgendes geschrieben:
Du schriebst w.o, dass sich manche Eigenschaften aus formalen Gründen nicht schon vor der Messung zuordnen lassen. Da wüsste ich gerne mehr darüber.


Man muss zunächst mal klarstellen, was mit „Eigenschaften“ eigtl. gemeint ist. Häufig verwendet man einen naiven Begriff, der letztlich i) das Wesen des betrachteten Systems, ii) dessen formale Beschreibung sowie iii) die Messgröße - implizit - identifiziert. Das ist natürlich Quatsch, zumindest dann, wenn man sich keine Rechenschaft darüber ablegt.

Betrachten wir einen Massenpunkt in einen Potential mit

ii) der formale Beschreibung



iii) Messgrößen wären z.B. Zeiten T und Positionen X, und damit die Messergebnisse



Die „Eigenschaft Energie“ im Sinne von (i) sehe ich nirgendwo. Wir können sie entweder als theoretisches Konstrukt auffassen und lediglich die Messwerte (iii) als primär auffassen - dann bleibt die Frage, warum für (iii) eine formale Beziehung wie (ii) gilt, oder wir können (i) als primär auffassen - dann beschreibt (ii) eine tatsächliche, reale Beziehung, und in (iii) erscheint etwas, was in (i) bereits existiert.

(Sorry, das ist natürlich noch keine wirklich gründliche metaphysische Betrachtung)

Soweit klar? Dann müssen wir uns jetzt ansehen, wie dies in der Quantenmechanik aussieht ...

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