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[quote="TomS"]Das ist ein längeres Thema. Zunächst mal muss man zwischen allgemeinem Drehimpuls und [b]Bahn[/b]drehimpuls unterschieden; letzterer entsteht durch "den Umlauf eines Teilchens auf einer Bahn" und hat tatsächlich immer ganzzahlige Werte. Klassisch wird er durch einen Operator [latex]\vec{L} = \vec{r} \times \vec{p}[/latex] beschrieben. Daraus kann man im Rahmen der QM auch einen (hermiteschen) Operator konstruieren. Für diesen gelten die Vertauschungsrelationen [latex][L_i,L_j] = i\epsilon_{ikl}L_l[/latex] Dieser Drehimpulsoperator wirkt als Generator von Drehungen im Ortsraum. Man kann einen Drehoperator wie folgt konstruieren: [latex]U(\vec{\theta}) = e{i\theta^aL^a} [/latex] Man kann nun zeigen, dass dieser Drehoperator z.B. den Orts- und den Impulsvektor tatsächlich um die jeweiligen Drehwinkel rotiert. Außerdem kann dieser Operator auch auf Zustände bzw. Wellenfunktionen wirken und diese ebenfalls rotieren. Soweit so gut. Nun vergessen wir mal die explizite Konstruktion [latex]\vec{L} = \vec{r} \times \vec{p}[/latex] und versuchen, allgemein mathematische Objekte zu finden, die die Relation [latex][L_i,L_j] = i\epsilon_{ikl}L_l[/latex] erfüllen. Wir nutzen diese Relation sozusagen als Definition eines Objektes „Drehimpuls“; jedes Objekt L mit drei Komponenten, das diese Drehimpulsalgebra erfüllt, [b]ist[/b] dann ein Drehimpuls. In vielen Fällen (auch indirekt für den o.g. Bahndrehimpuls) sind diese Objekte Matrizen. Im Falle des Bahndrehimpulses kann man 3*3 Matrizen finden, die formal den Drehimpuls realisieren. Man spricht von einer sogenannten [b]Darstellung[/b] der Drehimpulsalgebra (der Bahndrehimpuls ist dann lediglich ein Spezialfall). Der Mathematiker bezeichnet die so definierte mathematische Struktur als Lie-Algebra, im Falle des Drehimpulses handelt es sich um die sog. SO(3) Algebra, d.h. Rotationen im dreidimensionalen Raum. Nun muss man jedoch unterscheiden, welche Objekte man im dreidimensionalen Raum definiert und rotiert. Im einfachsten Fall nimmt man eben einen Ortsvektor und rotiert diesen; dies entspricht der o.g. Definition des Bahndrehimpules. In der Quantenmechanik rotiert man jedoch i.A. Zustände bzw. Wellenfunktionen. Das sind nun selbst keine Elemente des dreidimensionalen Raumes, sondern Funktionen von Koordinaten im dreidimensionalen Raum. D.h. das Rotieren eines Ortsvektors und das Rotieren einer Wellenfunktion ist nicht identisch. Bsp. 1: Wasserstoffatom, 1s, 2 S, 3s, … Zustände (kugelsymmetrisch): das Rotieren des Ortsvektors ändert die Wellenfunktion nicht Bsp. 2: Wasserstoffatom, 2p, 3p, … Zustände (jeweils drei): das Rotieren des Ortsvektors rotiert die Wellenfunktion letztlich so wie den Orsvektor. Für jeden Drehimpulseigenwert l haben wir eine sogenannte Darstellung der so(3); die Darstellung ist 2l+1 dimensional (die Anzahl der unterschiedlichen m-Werte m = -l, …0, …, +l); für den der Wert des Drehimpulsquadrates gilt [latex]\vec{L}^2 \psi_{nlm} = l(l+1) \psi_{nlm} [/latex] So, und wie kommen jetzt die halbzahligen Spinwerte zustande? Wir haben noch nicht alle Objekte L identifiziert, die die o.g. definierende Relation der Drehimpulsalgebra erfüllen. Das einfachste Beispiel sind die sogenannten 2*2 Pauli- sowie Spin-Matrizen [latex]S_i = \frac{1}{2} \sigma_i [/latex] [latex][S_i,S_j] = i\epsilon_{ikl}S_l[/latex] [latex]\vec{S}^2 = \sum_{i=1}^3 S_i^2 = \frac{3}{4}\,\text{id}[/latex] Aus dem Vorfaktor liest man nun umgekehrt ab, dass l (bzw. hier: s) den Wert ½ hat. Man hat also eine sogenannte halbzahlige Darstellung gefunden! Allerdings handelt es sich dabei nicht mehr um die so(3), die letztlich mittels Rotationen in einem dreidimensionalen Raum definiert war, sondern um die su(2),die die Rotationen in einem zweidimensionalen, komplexen Spinraum beschreibt. Die Elemente dieses Spinraumes sind nun auch keine Ortsvektoren, sondern zweikomponentige Wellenfunktionen, also [latex]\vec{\psi}(\vec{r}) = \left(\psi_+(\vec{r}), \psi_-(\vec{r})\right) [/latex] Die Algebra su(2) enthält alle ganzzahligen Darstellungen, d.h. die so(3) als Unteralgebra, sowie darüber hinaus die halbzahligen Darstellungen, d.h. letztlich Drehimpulse der Form l = 0, 1/2, 1, 3/2, 2, 5/2, … Bisher haben wir das Pferd vom Schwanz aufgezäumt, nämlich zuerst die so(3) als Rotationen im Ortsraum betrachtet, anschließend festgestellt, dass man auch Wellenfunktionen rotieren kann (man stelle sich die Rotation der Orbitale vor) und zuletzt abstrakte Objekte gefunden, die ein neues Rotationsverhalten aufweisen, zweikomponentige, komplexe Wellenfunktionen, sogenannte Zweier-Spinoren. Kann man das auch anders einsehen? Ja - und dazu benötigt man die Symmetrien der speziellen Relativitätstheorie. Die der speziellen Relativitätstheorie zugrundeliegende Symmetrie wird durch die sogenannte Lorentz-Algebra beschrieben. Dabei gibt es drei räumliche Rotationen zwischen relativ zueinander gedrehten Bezugssystemen sowie drei sogenannte Boosts, d.h. Transformation zwischen relativ zueinander linear bewegten Bezugssystemen. Man kann für diese Boosts ebenfalls drei Generatoren finden (diese werden üblicherweise mit K bezeichnet) und deren Algebra untereinander sowie mit den Rotationen berechnen. Ich spare mir hier die explizite Rechnung - kann ich bei Bedarf nachliefern. Die so erzeugte Lie-Algebra wird in der Mathematik mit so(1,3) bezeichnet und erzeugt formal Rotationen in einem 3+1 dimensionalen Raum, wobei drei Drehwinkel reell und drei rein imaginär sind (diese imaginären Drehwinkel resultieren aus den drei Geschwindigkeitskomponenten der Boosts). Nun kann man komplexe Linearkombinationen dieser Generatoren finden, so dass neue Generatoren entstehen, die auf vierdimensionalen [b]komplexen[/b] Vektoren operieren (für diese gibt es zunächst keine anschauliche Bedeutung). Und dafür stellt man nun fest, dass die so gewonnenen 4*4 Matrizen blockdiagonal sind und dass die beiden Blöcke auf der Hauptdiagonale für sich eine 2*2 Matrizen sind, die sich mittels der o.g. Pauli-Matrizen darstellen lassen. Mathematisch bedeutet dies, dass im Spezialfall der vierdimensionalen Raumzeit die Beziehung [latex]so(1,3) = su(2)\,\oplus\,su(2) [/latex] gilt. [b]D.h. dass aus der Symmetrie der Raumzeit (der Lorentz-Symmetrie) direkt die (mögliche) Existenz von Objekten folgt, die eben halbzahlige Spins aufweisen. [/b] So, dabei belasse ich es erstmal. Weiter Infos auf Nachfrage.[/quote]
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Nachricht
TomS
Verfasst am: 30. Aug 2011 16:01
Titel:
Das ist ein längeres Thema.
Zunächst mal muss man zwischen allgemeinem Drehimpuls und
Bahn
drehimpuls unterschieden; letzterer entsteht durch "den Umlauf eines Teilchens auf einer Bahn" und hat tatsächlich immer ganzzahlige Werte. Klassisch wird er durch einen Operator
beschrieben. Daraus kann man im Rahmen der QM auch einen (hermiteschen) Operator konstruieren. Für diesen gelten die Vertauschungsrelationen
Dieser Drehimpulsoperator wirkt als Generator von Drehungen im Ortsraum. Man kann einen Drehoperator wie folgt konstruieren:
Man kann nun zeigen, dass dieser Drehoperator z.B. den Orts- und den Impulsvektor tatsächlich um die jeweiligen Drehwinkel rotiert. Außerdem kann dieser Operator auch auf Zustände bzw. Wellenfunktionen wirken und diese ebenfalls rotieren.
Soweit so gut.
Nun vergessen wir mal die explizite Konstruktion
und versuchen, allgemein mathematische Objekte zu finden, die die Relation
erfüllen. Wir nutzen diese Relation sozusagen als Definition eines Objektes „Drehimpuls“; jedes Objekt L mit drei Komponenten, das diese Drehimpulsalgebra erfüllt,
ist
dann ein Drehimpuls.
In vielen Fällen (auch indirekt für den o.g. Bahndrehimpuls) sind diese Objekte Matrizen. Im Falle des Bahndrehimpulses kann man 3*3 Matrizen finden, die formal den Drehimpuls realisieren. Man spricht von einer sogenannten
Darstellung
der Drehimpulsalgebra (der Bahndrehimpuls ist dann lediglich ein Spezialfall).
Der Mathematiker bezeichnet die so definierte mathematische Struktur als Lie-Algebra, im Falle des Drehimpulses handelt es sich um die sog. SO(3) Algebra, d.h. Rotationen im dreidimensionalen Raum. Nun muss man jedoch unterscheiden, welche Objekte man im dreidimensionalen Raum definiert und rotiert. Im einfachsten Fall nimmt man eben einen Ortsvektor und rotiert diesen; dies entspricht der o.g. Definition des Bahndrehimpules. In der Quantenmechanik rotiert man jedoch i.A. Zustände bzw. Wellenfunktionen. Das sind nun selbst keine Elemente des dreidimensionalen Raumes, sondern Funktionen von Koordinaten im dreidimensionalen Raum. D.h. das Rotieren eines Ortsvektors und das Rotieren einer Wellenfunktion ist nicht identisch.
Bsp. 1: Wasserstoffatom, 1s, 2
S, 3s, … Zustände (kugelsymmetrisch): das Rotieren des Ortsvektors ändert die Wellenfunktion nicht
Bsp. 2: Wasserstoffatom, 2p, 3p, … Zustände (jeweils drei): das Rotieren des Ortsvektors rotiert die Wellenfunktion letztlich so wie den Orsvektor.
Für jeden Drehimpulseigenwert l haben wir eine sogenannte Darstellung der so(3); die Darstellung ist 2l+1 dimensional (die Anzahl der unterschiedlichen m-Werte m = -l, …0, …, +l); für den der Wert des Drehimpulsquadrates gilt
So, und wie kommen jetzt die halbzahligen Spinwerte zustande?
Wir haben noch nicht alle Objekte L identifiziert, die die o.g. definierende Relation der Drehimpulsalgebra erfüllen. Das einfachste Beispiel sind die sogenannten 2*2 Pauli- sowie Spin-Matrizen
Aus dem Vorfaktor liest man nun umgekehrt ab, dass l (bzw. hier: s) den Wert ½ hat.
Man hat also eine sogenannte halbzahlige Darstellung gefunden! Allerdings handelt es sich dabei nicht mehr um die so(3), die letztlich mittels Rotationen in einem dreidimensionalen Raum definiert war, sondern um die su(2),die die Rotationen in einem zweidimensionalen, komplexen Spinraum beschreibt. Die Elemente dieses Spinraumes sind nun auch keine Ortsvektoren, sondern zweikomponentige Wellenfunktionen, also
Die Algebra su(2) enthält alle ganzzahligen Darstellungen, d.h. die so(3) als Unteralgebra, sowie darüber hinaus die halbzahligen Darstellungen, d.h. letztlich Drehimpulse der Form l = 0, 1/2, 1, 3/2, 2, 5/2, …
Bisher haben wir das Pferd vom Schwanz aufgezäumt, nämlich zuerst die so(3) als Rotationen im Ortsraum betrachtet, anschließend festgestellt, dass man auch Wellenfunktionen rotieren kann (man stelle sich die Rotation der Orbitale vor) und zuletzt abstrakte Objekte gefunden, die ein neues Rotationsverhalten aufweisen, zweikomponentige, komplexe Wellenfunktionen, sogenannte Zweier-Spinoren.
Kann man das auch anders einsehen?
Ja - und dazu benötigt man die Symmetrien der speziellen Relativitätstheorie. Die der speziellen Relativitätstheorie zugrundeliegende Symmetrie wird durch die sogenannte Lorentz-Algebra beschrieben. Dabei gibt es drei räumliche Rotationen zwischen relativ zueinander gedrehten Bezugssystemen sowie drei sogenannte Boosts, d.h. Transformation zwischen relativ zueinander linear bewegten Bezugssystemen. Man kann für diese Boosts ebenfalls drei Generatoren finden (diese werden üblicherweise mit K bezeichnet) und deren Algebra untereinander sowie mit den Rotationen berechnen. Ich spare mir hier die explizite Rechnung - kann ich bei Bedarf nachliefern. Die so erzeugte Lie-Algebra wird in der Mathematik mit so(1,3) bezeichnet und erzeugt formal Rotationen in einem 3+1 dimensionalen Raum, wobei drei Drehwinkel reell und drei rein imaginär sind (diese imaginären Drehwinkel resultieren aus den drei Geschwindigkeitskomponenten der Boosts).
Nun kann man komplexe Linearkombinationen dieser Generatoren finden, so dass neue Generatoren entstehen, die auf vierdimensionalen
komplexen
Vektoren operieren (für diese gibt es zunächst keine anschauliche Bedeutung). Und dafür stellt man nun fest, dass die so gewonnenen 4*4 Matrizen blockdiagonal sind und dass die beiden Blöcke auf der Hauptdiagonale für sich eine 2*2 Matrizen sind, die sich mittels der o.g. Pauli-Matrizen darstellen lassen. Mathematisch bedeutet dies, dass im Spezialfall der vierdimensionalen Raumzeit die Beziehung
gilt.
D.h. dass aus der Symmetrie der Raumzeit (der Lorentz-Symmetrie) direkt die (mögliche) Existenz von Objekten folgt, die eben halbzahlige Spins aufweisen.
So, dabei belasse ich es erstmal. Weiter Infos auf Nachfrage.
Brot
Verfasst am: 30. Aug 2011 09:55
Titel:
Ich bin kein Experte, aber soweit ich weiß, kann man in der Quantenwelt das Modell diskreter klassischer Teilchen, die um einen Atomkern kreisen, nicht anwenden, weil es das Verhalten von Quantenobjekten nicht vollständig beschreiben kann. Das am ehesten (aber auch nicht vollständig) dem Spin entsprechende Gegenstück aus der klassischen Physik ist der Drehimpuls.
Husky
Verfasst am: 30. Aug 2011 09:41
Titel: Wie ist ein halbzahliger Spin möglich
Meine Frage:
Das mag jetzt eine blöde Frage sein, ich hoffe ich könnt mir trotzdem helfen.
So wie ich das verstanden habe ist Spin der Drehsinn eines Teilchens um den Atomkern. Ein Teilchen mit einem ganzzahligen Spin nennt man Boson und die mit einem halben Fermion. Aber wie ist überhaupt ein halber Spin möglich ? Das Teilchen müsste ja bei einem ganzzahligen Spin einmal um den Atomkern kreisen bei einem halbzahligen müsste es ja dann bei der Hälfte des Weges stehen bleiben. Aber wie kommt es zum Ausgangspunkt zurück.
Meine Ideen:
leider keine
PS: Die Suchfunktion hat nicht wirklich weiter geholfen.